JudikaturJustiz15Os55/06m

15Os55/06m – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. August 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. August 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schreuer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ulrike W***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 (§ 161) StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der genannten Angeklagten sowie die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17. November 2005, GZ 9 Hv 55/05z-49, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Ulrike W***** wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen zu 1./ und 2./a./, demzufolge auch in der zu 2./ gebildeten Subsumtionseinheit nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde dieser Angeklagten ebenso wie jene der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch der Beschwerdeführerin und einen rechtskräftigen Freispruch des Angeklagten Rudolf L***** enthält, wurde Ulrike W***** der Verbrechen (zu 1./) der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB iVm § 161 StGB und (zu 2./a./ und 2./b./) des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt. Danach hat sie in Graz

1./ zwischen 15. März und 31. Mai 1994 als Geschäftsführerin, sohin als leitende Angestellte der A***** VertriebsgesmbH dadurch, dass sie entgegen der am 7. Mai 1993 mit der St***** AG abgeschlossenen Generalzessionsvereinbarung die Kunden aufforderte, ihre Außenstände auf ein von ihr am 17. Februar 1994 bei der Österreichischen Postsparkasse eröffnetes Konto einzuzahlen, wobei sie dieses Geld vereinbarungswidrig behob und ins Ausland verbrachte, einen Bestandteil des Firmenvermögens beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt bzw geschmälert, wobei der durch die Tat herbeigeführte Schaden zumindest 218.018,50 Euro beträgt,

2./ mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachstehende Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese in einem 50.000,- Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar a./ von 16. Jänner bis 22. Mai 1994 Berechtigte der S***** GesmbH durch die Erweckung des Anscheines, zahlungsfähige und zahlungswillige Kundin zu sein, zur Auslieferung von Waren im Wert von 39.706,98 Euro,

b./ am 21. April 1994 Berechtigte der St***** AG durch die listige Vorgabe, redliche Geschäftspartnerin zu sein und sich an die am 7. Mai 1993 abgeschlossene Generalzessionsvereinbarung mit dem von ihr als Geschäftsführerin geführten Unternehmen zu halten, sowie durch Verbergen hinter dem Scheine, rückzahlungsfähige und rückzahlungswillige Kreditnehmerin zu sein, zur Zustimmung zu einer Krediterweiterung um 167.147,52 Euro, die das Geldinstitut um einen 50.000,- Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte. Dagegen richten sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Ulrike W***** sowie die angemeldete (ON 50), aber nicht ausgeführte (ON 54) diese Angeklagte betreffende Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft; erstere ist teilweise im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge (Z 5) zum Schuldspruch 2./a./ zeigt zutreffend einen die subjektive Tatseite betreffenden Begründungsmangel auf. Das Erstgericht hat seine Feststellungen hinsichtlich des Betruges zum Nachteil der S***** GesmbH durch von 16. Jänner bis 22. Mai 1994 erfolgte Verleitung zur Auslieferung von Waren im Wert von 39.706,98 Euro unter Vorspiegelung der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit des von der Angeklagten vertretenen Unternehmens darauf gestützt, dass die Angeklagte „in Hinblick auf die von ihr entnommenen Gelder" gewusst habe, dass die Zahlungsunfähigkeit der A***** VertriebsgesmbH (bereits) eingetreten war (US 10 f). Weil die Tatrichter aber andererseits davon ausgegangen sind, dass die Geldentnahmen der Angeklagten erst am 23. März 1994 begonnen haben (US 10), ist die Begründung der subjektiven Tatseite in Bezug auf die zwischen 16. Jänner und 23. März 1994 erfolgten Bestellungen offenbar unzureichend geblieben, sodass der entsprechende Schuldspruch - mangels urteilsmäßiger zeitlicher Auflistung der einzelnen Bestellvorgänge im gesamten Umfang - zu kassieren und die Verfahrenserneuerung anzuordnen war.

Auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch 1./ ist im Recht. Das Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB begeht, wer einen Bestandteil seines Vermögens verheimlicht, beiseite schafft, veräußert oder beschädigt, eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorschützt oder anerkennt oder sonst sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder schmälert. Der zumindest bedingte Vorsatz des Täters muss auf Vereitelung oder Schmälerung der Befriedigung mindestens eines Gläubigers gerichtet sein (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 156 Rz 21). Das Erstgericht stellte zur subjektiven Tatseite lediglich fest, die Angeklagte habe im Wissen gehandelt, dass sie „beträchtliche Gelder der Firma entnahm, welche die Firma in beträchtliche Liquidationsschwierigkeiten bringen werden" (US 10 f). Hinreichende Feststellungen zum Vorsatz der Angeklagten auf Schädigung zumindest eines Gläubigers sind dem Urteil jedoch nicht zu entnehmen. Dem zur Anwendung gebrachten Obersatz mangelt es somit an einer erforderlichen Tatsachengrundlage, weshalb ein Rechtsfehler mangels Feststellungen vorliegt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 605, 611). Somit war auch dieser Schuldspruch aufzuheben und es war die diesbezügliche Neudurchführung des Verfahrens anzuordnen, zumal - entgegen der Stellungnahme der Verteidigung gemäß § 35 Abs 2 StPO - nicht auszuschließen ist, dass entsprechende Feststellungen im zweiten Rechtsgang getroffen werden können.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) zu 1./ wird auf diese kassatorische

Entscheidung verwiesen.

Im Übrigen versagt die Beschwerde.

Soweit sie eine unvollständige Begründung der Feststellungen zur inneren Tatseite (Z 5 zweiter Fall) mit der Behauptung fehlender Vorhersehbarkeit des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit rügt, steht ihr entgegen, dass sich das Schöffengericht mit der den getroffenen Konstatierungen zuwider laufenden Verantwortung der Angeklagten eingehend auseinandergesetzt und diese mit einer den Kriterien folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechenden Begründung als unglaubwürdig abgelehnt hat (US 14). Dabei waren die Tatrichter - dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend - nicht gehalten, im Urteil den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen des Zweitangeklagten oder des Sachverständigengutachtens im einzelnen zu erörtern und darauf zu untersuchen, wie weit sie für oder gegen die Feststellungen sprechen (WK-StPO § 281 Rz 428).

Ein - aus Z 5 dritter Fall behaupteter - Widerspruch des Urteiles in Bezug auf die Feststellung eines Habenstandes auf dem Konto der A***** VertriebsgesmbH bei der St***** AG von 8.494.782,98 S per 24. April 1994 (US 9) und die Konstatierung, der gewährte Kredit habe zum normalen Betrieb des Unternehmens nicht mehr ausgereicht, liegt nicht vor, weil das Urteil ungeachtet der Verwendung des Wortes „Habenstand" unmissverständlich nicht von einem Guthaben des Unternehmens gegenüber der Bank, sondern von „Bankverbindlichkeiten" (US 9) in dieser Höhe ausgeht.

Der - ebenfalls aus Z 5 dritter Fall gerügte - Widerspruch zwischen dem Strafausspruch und den dazu in den Entscheidungsgründen getroffenen Erwägungen betrifft keine den Ausspruch über die Schuld oder die rechtliche Unterstellung der Tat entscheidende Tatsache (WK-StPO § 281 Rz 436).

Mit der Behauptung eines Widerspruchs zwischen dem in der berichtigten Urteilsausfertigung aufscheinenden Strafausspruch und jenem im Hauptverhandlungsprotokoll übersieht die Beschwerde, dass mit Beschluss vom 16. Mai 2006 auch letzteres - wenngleich unter Außerachtlassung der Vorschrift des § 270 Abs 3 vierter Satz iVm § 271 vorletzter Satz StPO - berichtigt worden ist (Anhang zu ON 48). Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu 2./b./ einen Feststellungsmangel zu subjektiven Tatseite behauptet, orientiert sie sich nicht an den getroffenen Feststellungen, übergeht sie doch mit der Behauptung, das Erstgericht habe die Tatbildverwirklichung lediglich „in Kauf genommen", die vorliegenden Urteilskonstatierungen, die Angeklagte habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass infolge der durch sie verursachten Zahlungsunfähigkeit eine Bezahlung der Lieferanten und Bedienung der Kredite unmöglich sei (US 14). Damit wurde aber die subjektive Tatseite hinreichend umschrieben, ist doch ein billigendes Inkaufnehmen des (ernstlich) für möglich Gehaltenen willensmäßig ein Plus gegenüber dem bloßen Abfinden mit dem Erfolg und genügt daher für die Annahme des bedingten Vorsatzes (RIS-Justiz RS0106646). Soweit das Urteil nicht in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde im bereits aufgezeigten Umfang, weiters in der gemäß § 29 StGB gebildeten Subsumtionseinheit nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB wie auch im Strafausspruch aufzuheben war (§ 285e StPO), war die Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO).

Im zweiten Rechtsgang wird die aufgelöste Subsumtionseinheit neu zu bilden sein (§ 29 StGB; vgl RIS-Justiz RS0116734).

Zum - kassierten - Strafausspruch wird bemerkt, dass das Schöffengericht weder im Spruch noch in den Entscheidungsgründen auf § 41 Abs 3 StGB ausdrücklich Bezug genommen oder mit den inhaltlichen Voraussetzungen dieser Gesetzesbestimmung argumentiert hat, sodass von einer bewussten Nichtanwendung der außerordentlichen Strafmilderung und nicht bloß von einer versehentlichen Unterlassung der Anführung derselben auszugehen ist (vgl 11 Os 85/03). Demgemäß beruht die unter Missachtung der in § 43 Abs 1 StGB gezogenen Schranke von zwei Jahren gewährte bedingte Nachsicht der mit drei Jahren bestimmten Freiheitsstrafe auf einem Rechtsfehler, der den materiellen Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO begründen würde.

Die nicht ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung eines Nichtigkeitsgrunds zurückzuweisen (§§ 285a Z 2, 285d Abs 1 Z 1 StPO). Mit ihren Berufungen waren die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.