JudikaturJustiz15Os47/08p

15Os47/08p – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé, Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Brigitte W***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 3. August 2007, GZ 24 Hv 68/07z-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Brigitte W***** des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB (1.) und des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (2.) schuldig erkannt. Danach hat sie

1. am 25. Juni 2006 in T***** im Tennengebäude des Gasthofes „N*****" des Sebastian K***** ohne dessen Einwilligung dadurch, dass sie dort Feuer legte, eine Feuersbrunst verursacht;

2. im 1. April 2006 in H***** vor Beamten der Polizeiinspektion H***** Isolde M***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass sie vor den erhebenden Beamten behauptete, diese habe sie am 1. April 2006 in T***** im Gasthof „N*****" mit einem abgebrochenen Glas am Körper verletzt, sie mithin einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB falsch verdächtigt, wobei sie wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass diese Verdächtigung falsch war.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene, auf Z 3, 4, 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StGB gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten geht fehl. Die sachlich aus Z 3 als Verstoß gegen § 260 Abs 1 Z 1 StPO vorgetragene Kritik, der Urteilsspruch zu 1. „enthält nicht, ob die Feuersbrunst fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt wurde", verkennt, dass es im Erkenntnis keines Hinweises auf den Vorsatz der Angeklagten bedarf, soweit - wie hier - § 7 Abs 1 StGB einen zur Anwendung gelangenden Tatbestand ergänzt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 283).

Mit Verfahrensrüge (Z 4) behauptet die Beschwerdeführerin eine Verkürzung ihrer Verteidigungsrechte durch Verwertung der in die Hauptverhandlung ohne Erörterung der Wesentlichkeit eingebrachten (S 177/III) Aussage der Zeugin Francesca B***** (S 487 ff/II), wodurch ihr die Stellung eines Antrags auf deren Vernehmung verwehrt worden sei. Abgesehen davon, dass es infolge fehlender Antragstellung an einer essentiellen formellen Voraussetzung für eine erfolgversprechende Verfahrensrüge mangelt, wird eine Beeinträchtigung des aus dem fair-trial-Gebot des Art 6 MRK erfließenden Rechts darauf, nicht von einem unbekannten Beweisergebnis im Tatsachenbereich überrascht zu werden, nicht dargetan, wurde doch, was die Beschwerde verschweigt, diese Aussage durch Vorhalt an die Angeklagte in einer früheren Hauptverhandlung, deren Ergebnisse einverständlich in die neue eingebracht wurden (S 177/III), hinreichend thematisiert und erörtert (S 119/III). Die Mängelrüge (Z 5) behauptet angesichts der Ergebnisse des Gutachtens des Sachverständigen der Tiroler Landesstelle für Brandverhütung eine „Aktenwidrigkeit" der Feststellungen zur Brandlegung durch die Angeklagte (US 14: „entweder mittels des mitgeführten Diesels oder unmittelbar durch Anzünden von Gegenständen ..., wobei innerhalb der Tenne die genaue Stelle ... nicht eingegrenzt werden kann"). Die Erkenntnisrichter setzten sich jedoch aktengetreu mit den gutachterlichen Ausführungen des Brandsachverständigen auseinander (US 20 f, 26), wonach aufgrund der Zerstörungen und des schwierigen Löscheinsatzes der positive Nachweis der Verwendung einer brennbaren Flüssigkeit zur Brandentzündung nicht erbracht werden konnte (S 627/II). Sie gründeten ihre Überzeugung von der Brandlegung logisch und empirisch einwandfrei auf das (unter Anwendung des andere Brandursachen ausschließenden Eliminationsverfahrens erstattete) Gutachten des Brandsachverständigen in Verbindung mit der mehrfach wechselnden Verantwortung der Angeklagten und den Erhebungsergebnissen insbesondere der deutschen Polizei (US 20 ff). Soweit das Fehlen von Beweisen für die Anwesenheit der Angeklagten „in der auf 1300 m Seehhöhe gelegenen G*****", wenn sie auch in der betreffenden Nacht in Tirol gewesen sei, hervorgehoben wird, orientiert sich die Beschwerde - ohne im Übrigen ein unrichtiges Referat von Beweisergebnissen (Z 5 letzter Fall) aufzuzeigen - nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsbegründung, sondern sucht aus selektiv herausgegriffenen Beweisergebnissen für die Angeklagte günstigere Schlüsse abzuleiten. Damit bekämpft sie aber bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung.

Die Behauptung einer fehlenden bzw lediglich zum Schein erfolgten Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung „zur inneren Tatseite der Brandstiftung" vermag eine willkürliche Ableitung des bedingten Vorsatzes (US 15; 26 f) nicht einmal ansatzweise darzutun; nur dies würde aber Nichtigkeit nach sich ziehen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444). Vielmehr konnten die Tatrichter die innere Tatseite empirisch einwandfrei aus dem objektiven Tatgeschehen ableiten (RIS-Justiz RS0098671).

Die in Bezug auf das Schuldspruchfaktum 2. behauptete Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) liegt nicht vor, weil sich das Erstgericht mit der in der Beschwerde thematisierten Aussage der Zeugin Daniela R***** sehr wohl auseinandergesetzt hat (US 19). Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit ihrem Vorbringen, dass „nur" deshalb, weil die Angaben der Angeklagten zu ihrer nächtlichen Tirolfahrt und die Wahrnehmungen der Polizisten „widersprüchlich" erschienen, dies noch lange nicht bedeute, dass die Angeklagte das Gasthaus G***** angezündet habe, die ihr schon lange bekannte außereheliche Beziehung des Albert W***** - auch angesichts ihrer finanziellen Situation - „kein hinreichendes Motiv" für eine Brandstiftung sei, und Dr. Isolde M***** im Verfahren nicht geladen werden konnte, weil sie abgängig sei und gegen Albert W***** deswegen ein Verfahren anhängig sei, keineswegs sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Mutmaßungen über alternative Brandentstehungsursachen (Aschenkübel, weggeworfene Zigaretten) ignorieren schlicht den Akteninhalt, wurden doch solche im Gutachten der Tiroler Landesstelle für Brandverhütung sogar ausdrücklich ausgeschlossen (S 617 ff; insbesondere 627/II). Bei ihren Ausführungen zum Schuldspruchfaktum 2. ignoriert die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die weiteren Feststellungen, wonach sich die Angeklagte die erlittenen Verletzungen „selbst zugezogen oder zugefügt" hat (US 8). Damit orientiert sie sich jedoch nicht an der Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen und verfehlt demgemäß den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584).

Mit der lapidaren Behauptung zum Schuldspruchfaktum 1., es mangle an „hinreichenden Feststellungen zum modus operandi der Angeklagten wie sie, was sie ja in Abrede stellt, das Feuer gelegt hat", welche „Gegenstände" angezündet wurden und welche Eigenschaften diese gehabt hätten, legt die Beschwerde nicht dar, aus welchem Grund die vom Erstgericht getroffenen Konstatierungen (US 14, 26) unzureichend wären und weshalb die begehrten weiteren Feststellungen darüber hinaus hätten getroffen werden müssen.

Keine Berechtigung kommt der Sanktionsrüge (Z 11) zu. Mit dem Vorbringen, ihre Verurteilung durch das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen wegen „falscher Versicherung an Eidesstatt" nach § 156 dStGB, auf welche gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht genommen wurde (US 3), entspreche „im Inland keinem Tatbild", wendet sich die Angeklagte gegen die Annahme des Erschwerungsgrundes des Zusammentreffens eines Verbrechens mit „zwei Vergehen". Abgesehen davon, dass die §§ 31, 40 StGB nach § 31 Abs 2 StGB auch anzuwenden sind, wenn die Tat, derentwegen die ausländische Verurteilung erfolgt ist, im Inland nicht strafbar war (Ratz in WK² § 31 Rz 12), wird vorliegend nach den insoweit klaren Urteilsfeststellungen (US 7) auch dem Erfordernis beiderseitiger Strafbarkeit entsprochen, zumal der Vorwurf, die Angeklagte habe unter Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung beim Landratsamt Garmisch-Partenkirchen einen Scheckkartenführerschein zu Unrecht als gestohlen gemeldet, den Tatbestand des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB verwirklicht.

Soweit sich die Rüge gegen die Wertung des Umstands, dass die Angeklagte die massive Gefährdung der Personen im Haus in Kauf genommen haben muss, als erschwerend wendet, bringt sie bloß einen Berufungsgrund zur Darstellung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 728). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung, bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.