JudikaturJustiz15Os41/15s

15Os41/15s – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. April 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sandra G***** wegen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB, AZ 10 U 110/14p des Bezirksgerichts Weiz, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 10. Dezember 2014, GZ 10 U 110/14p 10, und einen Vorgang erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Mag. Harammer, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 10 U 110/14p des Bezirksgerichts Weiz verletzen

1./ das Unterlassen der Zustellung des Protokolls über die Hauptverhandlung an die Angeklagte spätestens zugleich mit der Urteilsausfertigung § 271 Abs 6 letzter Satz StPO;

2./ das Urteil vom 10. Dezember 2014, GZ 10 U 110/14p 10, § 293 Abs 2 StGB idF BGBl I 2009/142.

Das genannte Urteil wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

Sandra G***** wird vom Vorwurf, sie habe am 24. September 2014 in W***** ein falsches Beweismittel in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht, indem sie der Bezirkshauptmannschaft W***** in einem Verfahren nach der Gewerbeordnung eine von ihr unterfertigte Erklärung vorlegte, wonach gegen sie keine ungetilgte gerichtliche Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen vorläge, obwohl dieser Gewerbeausschlussgrund gegeben war, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit in Rechtskraft erwachsenem (Abwesenheits )Urteil des Bezirksgerichts Weiz vom 10. Dezember 2014, GZ 10 U 110/14p 10, wurde Sandra G***** wegen der im Spruch genannten Tat des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB (idF BGBl I 2009/142) schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt.

Nach den Urteilsfeststellungen meldete die Angeklagte am 24. September 2014 bei der Bezirkshauptmannschaft W***** ein Handelsgewerbe an und schloss dieser Anmeldung eine eigenhändig unterfertigte „Erklärung über das Nichtvorliegen von Gewerbeausschlussgründen gemäß § 13 GewO“ an. Obwohl sie vor Unterfertigung der Erklärung über „Gewerbeausschlussgründe, insbesondere auch jenen der noch nicht getilgten gerichtlichen Verurteilung, und die mit wahrheitswidrigen Angaben verbundenen strafrechtlichen Konsequenzen“ belehrt worden war, bestätigte die Angeklagte in dieser Erklärung, dass gegen sie keine ungetilgte gerichtliche Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen vorläge. Tatsächlich war die Angeklagte mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 27. April 2011, AZ 11 Hv 46/11t, wegen strafbarer Handlungen nach dem SMG zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt worden, wobei die Tilgung dieser Verurteilung noch nicht eingetreten ist.

Das Bezirksgericht stellte Sandra G***** eine schriftliche Ausfertigung dieses Urteils, nicht aber wenngleich die Angeklagte darauf nicht verzichtet hatte das Protokoll über die Hauptverhandlung zu (ON 10).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, verletzen das Urteil und der genannte Vorgang das Gesetz:

1./ Gemäß § 271 Abs 6 letzter Satz StPO (hier iVm § 447 StPO) ist den Beteiligten (des Hauptverfahrens), soweit sie nicht darauf verzichtet haben, eine Ausfertigung des Protokolls über die Hauptverhandlung ehestmöglich, spätestens aber zugleich mit der Urteilsausfertigung von Amts wegen zuzustellen.

Obwohl eine Verzichtserklärung der Angeklagten nicht vorlag, ist das Bezirksgericht dieser gesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen, wodurch § 271 Abs 6 letzter Satz StPO verletzt wurde.

2./ Der in § 293 StGB (auch in der Fassung BGBl I 2009/142) verwendete auf Sachbeweise einzuschränkende Begriff „Beweismittel“ umfasst alles, was dazu dienen kann, ein Gericht oder eine Behörde von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Behauptung zu überzeugen (RIS Justiz RS0096383; Plöchl/Seidl in WK² StGB § 293 Rz 9). Falsch im Sinn der Gesetzesstelle ist ein Beweismittel, wenn es bei seinem Gebrauch geeignet ist, die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen in eine falsche Richtung zu lenken, weil es (formell) unecht ist (den Anschein anderen Ursprungs erweckt) oder einen unrichtigen Inhalt hat (vgl RIS Justiz RS0104980, RS0096383 [T1]; 13 Os 81/93; Plöchl/Seidl in WK² StGB § 293 Rz 17; Kirchbacher in WK² StGB § 147 Rz 38). Eine schriftliche Lüge ist aber nur tatbildlich, wenn ihr ein über die bloße Behauptung des Vorliegens der dem jeweiligen Verfahren zugrunde liegenden Anspruchsvoraussetzungen oder das bloße Vorbringen des eigenen Verfahrensstandpunkts hinausgehender Beweiswert zukommt (vgl RIS Justiz RS0103663 [T5, T6, T7, T9, T13, T15, T16]; Plöchl/Seidl in WK² StGB § 293 Rz 18). Diesen Kriterien entsprechen unwahre schriftliche Erklärungen von Verfahrensparteien, die der Sache nach nicht über unrichtige Vorbringen oder Behauptungen hinausgehen, nicht, mögen sie auch als „Erklärungen an Eides statt“ tituliert oder von der abschließenden Bekräftigung getragen sein, dass die getätigten Angaben „richtig und vollständig“ (vgl 15 Os 168/13i) gemacht wurden (RIS Justiz RS0117739).

Demgemäß ist die von Sandra G***** unterfertigte Erklärung über das Nichtvorliegen von Tatsachen, die einer Eintragung in das Gewerberegister entgegenstehen können (vgl ON 2 S 5), gleich einer mündlichen Lüge bloß die (unrichtige) Behauptung der Gewerbeanmelderin, dass die von der Behörde zu prüfenden (§ 340 Abs 1 GewO) gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes vorliegen, ohne dass ihr ein darüber hinausgehender Beweiswert zukommt (vgl 14 Os 71/14v, EvBl 2015/7, 41).

Das Bezirksgericht Weiz hat daher die Eingabe dieser schriftlichen Erklärung anlässlich einer Gewerbeanmeldung bei der Bezirkshauptmannschaft W***** zu Unrecht dem Tatbestand der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB (in der damals geltenden Fassung BGBl I 2009/142) unterstellt.

Die aufgezeigte Gesetzesverletzung gereichte der Verurteilten zum Nachteil; der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, ihrer Feststellung wie aus dem Spruch ersichtlich konkrete Wirkung zuzuerkennen (§ 292 letzter Satz StPO).

Rechtssätze
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