JudikaturJustiz15Os40/21b

15Os40/21b – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Juni 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juni 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen A***** A***** wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 22. Jänner 2021, GZ 50 Hv 52/20h 49, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde A***** A***** zweier Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, „Abs 2“ (zum Grundtatbestand siehe RIS-Justiz RS0129716), Abs 3a Z 1 StGB (B./I./ und B./II./), eines Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, „Abs 2“ StGB (A./) und eines Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

im Zeitraum Anfang 2020 bis 1. Juli 2020 in Bregenz durch fortdauernde körperliche Misshandlungen, Körperverletzungen, gefährliche Drohungen und Nötigungen

A./ gegen seine Lebensgefährtin C***** P***** eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er an nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten im genannten Zeitraum sowie zu VI./ am 1. Juli 2020,

I./ sie in einer Vielzahl von Angriffen mehrmals wöchentlich mit der flachen Hand am ganzen Körper schlug, gegen die Wand stieß, am Hals packte und würgte, an den Haaren zog sowie ihr Tritte gegen das Gesäß und gegen die Beine versetzte, wodurch sie großflächige Hämatome am ganzen Körper erlitt;

II./ einmal eine Glasscherbe nach ihr warf, wodurch sie eine blutende Wunde am Oberschenkel erlitt;

III./ sie einmal mit einem Gürtel schlug, wodurch sie ein Hämatom am Körper erlitt;

IV./ sie in einer Vielzahl von Angriffen gefährlich mit zumindest der Zufügung einer V erletzung am Körper bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr gegenüber äußerte, er werde sie abstechen, er werde dafür sorgen, dass das andere Auge auch noch blind werde;

V./ sie durch gefährliche Drohung mit zumindest einer V erletzung am Körper zu einer Unterlassung, nämlich die Polizei nicht zu rufen, zu 2./ ihre Kinder nicht zu berühren, nötigte, indem er ihr gegenüber äußerte

1./ wenn sie die Polizei rufe, dann bringe er sie alle drei um;

2./ wenn sie die Kinder noch einmal anfasse, dann schneide er ihr die Zunge und die Lippen ab;

VI./ sie vorsätzlich am Körper verletzte, indem er ihr mit der flachen Hand ins Gesicht schlug, wodurch sie einen Kratzer erlitt;

B./ gegen unmündige Personen eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er an nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten im genannten Zeitraum

I./ seinen am 7. März 2011 geborenen Sohn A***** A*****

1./ in einer Vielzahl von Angriffen mehrmals wöchentlich mit der flachen Hand schlug sowie ihm Tritte gegen das Gesäß und die Beine versetzte, wodurch Genannter blaue Flecken erlitt;

2./ einmal am Hals erfasste, ihn an die Wand drückte und für ca vier Sekunden würgte;

3./ einmal an den Ohren zog;

4./ in einer Vielzahl von Angriffen gefährlich mit zumindest einer V erletzung am Körper bedrohte, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihm gegenüber äußerte, er werde ihn umbringen, er werde ihn in die Wand „reinstecken“;

II./ seine am 19. August 2012 geborene Tochter I***** A*****

1./ in einer Vielzahl von Angriffen mehrmals wöchentlich mit der flachen Hand ins Gesicht schlug, mit der Faust in den Bauch schlug, an den Haaren zog, zu Boden stieß sowie trat, wodurch sie blaue Flecken am ganzen Körper sowie Rückenschmerzen erlitt;

2./ in einer Vielzahl von Angriffen gefährlich mit zumindest einer V erletzung am Körper bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr gegenüber äußerte, er werde sie umbringen, er werde sie in die Wand „reinstecken“;

3./ durch gefährliche Drohung mit zumindest einer V erletzung am Körper zu einer Unterlassung, nämlich die Polizei nicht zu rufen, nötigte, indem er ihr gegenüber äußerte, wenn sie die Polizei rufe, dann stecke er sie in die Wand, dann sei sie tot;

C./ C***** P***** zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Jänner oder Februar 2019 vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihr einmal mit dem Reisepass auf das blinde Auge schlug, wodurch sie ein Hämatom am Auge erlitt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Die Tatrichter stützen die Feststellungen zu A./ und B./ auf Angaben der Kinder des Angeklagten anlässlich ihrer kontradiktorischen Vernehmungen (insbesondere US 9, 10, 14) und auf Lichtbilder von Verletzungen (blauen Flecken) der Ehefrau (US 9), was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden ist.

[5] Die Depositionen der Zeugen C***** P***** und A***** A***** in der Hauptverhandlung, mit welchen sie frühere Belastungen des Angeklagten zurücknahmen, verwarf das Erstgericht mit Blick auf den von den Genannten gewonnenen persönlichen Eindruck, auf deren (insgesamt) schwankendes Aussageverhalten und auf die Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung als unglaubwürdig (US 11 ff). Dabei wurde zudem berücksichtigt, dass C***** P***** den Angeklagten schon vor der Polizei und bei ihrer kontradiktorischen Vernehmung nicht im selben Ausmaß belastet hatte wie die beiden Kinder (US 12), dass A***** die Angaben seiner Schwester I***** nicht in allen Punkten bestätigt hatte (US 9, 11), und dass sich in den Angaben der Kinder auch kleinere (unerhebliche) Widersprüche und Unschärfen fanden (US 9).

[6] Davon ausgehend war das Schöffengericht mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten, zu A./ und B./ auf sämtliche – vom Beschwerdeführer unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ins Treffen geführte – Aussagedetails der drei Tatopfer einzugehen (RIS-Justiz RS01006642).

[7] D as zu A./II./, A./III./, A./IV./ und A./V./ sowie zu B./I./1./, B./I./4./, B./II./1./, B./II./2./ und B./II./3./ erstattete Vorbringen (Z 5 zweiter und vierter Fall) betrifft im Übrigen keinen entscheidenden Aspekt, insoweit es (jeweils) bloß einzelne im Rahmen des als tatbestandliche Handlungseinheit konzipierten Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung (RIS-Justiz RS0129716) begangene Ausführungshandlungen und Tatmodalitäten oder den Eintritt von – im Hinblick auf die Tatbestandsmäßigkeit von bloßen Misshandlungen am Körper im Übrigen nicht subsumtionsrelevante n – Verletzung sfolgen bekämpft (RIS Justiz RS0127374).

[8] Da Drohungen mit Ohrfeigen gegenüber dem Sohn ohnehin nicht als Tathandlungen gewertet wurden (US 2), geht die insoweit zu B./I./4./ erhobene Kritik (vgl RIS-Justiz RS0092969 [T4] und RS0118696 [T5]) auch aus diesem Grund ins Leere.

[9] Insgesamt stellt die Mängelrüge bloß einen Versuch dar, die Beweiswürdigung des Schöffengerichts – im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässig – nach Art einer Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld zu bekämpfen.

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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