JudikaturJustiz15Os35/06w

15Os35/06w – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Juni 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Juni 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hennrich als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Tamara B***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 31. Jänner 2006, GZ 94 Hv 81/05b-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Aicher, der Angeklagten und ihres Verteidigers Dr. Noll zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der (zu I./) angelasteten Diebstähle auch unter § 130 erster Fall StGB sowie demzufolge im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Tamara B***** (zu I./) des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahles nach §§ 127, 130 erster Fall StGB und (zu II./) des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB schuldig erkannt. Danach hat sie in Wien

I./ zwischen 29. April und 4. Mai 2005 in wiederholten Angriffen gewerbsmäßig Bargeldbeträge in Höhe von insgesamt 1.050 Euro Otto K***** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

II./ zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor dem 1. Mai 2005 ein unbares Zahlungsmittel, über das sie nicht alleine verfügen durfte, nämlich die Bankomatkarte Nr. ***** der Bank Austria-Creditanstalt AG, ausgegeben für Otto K*****, mit dem Vorsatz unterdrückt, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern. Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 (der Sache nach auch Z 9 lit a) StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten; sie ist nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) eine Verurteilung wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB anstelle jener wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahles nach §§ 127, 130 erster Fall StGB mit der Behauptung anstrebt, der Angeklagten sei es faktisch möglich gewesen, das gesamte Bankguthaben ihres Opfers zu beheben, legt sie nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar, warum sich das bei der Bank befindliche Geld deswegen im Alleingewahrsam der Angeklagten befunden habe.

Im Übrigen erfolgte die Beurteilung als Diebstahl rechtsrichtig. Veruntreuung unterscheidet sich von Diebstahl dadurch, dass der Täter bei Diebstahl den Gewahrsam durch die Tat gewinnt, bei der Veruntreuung aber schon vor der Tat Alleingewahrsam hatte (Fabrizy, StGB9 § 133 Rz 5). Geld in einem Geldausgabeautomaten befindet sich (bis zur Behebung) im Gewahrsam des Betreibers des Bankomaten (Leukauf/Steininger, Komm3 § 127 RN 47a); der Karteninhaber hat daran auch keinen Mitgewahrsam, sondern lediglich ein ihm von der Bank eingeräumtes (eingeschränktes) Geldbezugsrecht (vgl Koziol in Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht I Rz 8/8). Die missbräuchliche Verwendung einer fremden Bankomatkarte erfüllt somit den Tatbestand des Diebstahls (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 148a Rz 28 mwN). Schließlich bedeutete im gegebenen Fall nach den ausdrücklichen Feststellungen des Erstgerichts US 5, wonach jeweils nur gewisse Beträge mit der Karte abgehoben werden durfte, die Übergabe der Bankomatkarte keineswegs ein Anvertrauen des gesamten Kontoguthabens. Nicht im Recht ist die Beschwerde (inhaltlich - mangels Verweises auf den lediglich infolge stillschweigender Subsidiarität verdrängten Tatbestand nach § 229 Abs 1 StGB - Z 9 lit a) mit dem Einwand (zu II./), dass die Feststellungen, der Zeuge K***** habe die Bankomatkarte am 4. Mai 2005 sperren lassen und die Angeklagte habe (erst) in den folgenden Wochen zumindest in Kauf genommen und sich damit abgefunden, dass der Genannte dieses unbare Zahlungsmittel im Rechtsverkehr nicht verwenden konnte, den Schuldspruch wegen des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB nicht zu tragen vermögen, weil einer gesperrten Bankomatkarte keine bargeldersetzende oder bargeldvertretende Funktion zukomme. Dementgegen ist auch eine gesperrte Bankomatkarte ein unbares Zahlungsmittel iSd § 74 Abs 1 Z 10 StGB, kommt es doch nur auf die grundsätzliche Eignung desselben an, anstelle von Geld verwendet zu werden oder der Bargeldverschaffung zu dienen. Nicht von Bedeutung ist es hingegen, ob es dem Anwender im Einzelfall tatsächlich gelingt, seitens seines Vertragspartners eine Akzeptanz des Zahlungsmittels als Bargeldersatz zu erreichen oder mit diesem Bargeld zu lukrieren, oder ob dies infolge besonderer Umstände des Einzelfalls (zB einer im Tatzeitpunkt gerade bestehenden Sperre der Bankomatkarte, von der der Vertragspartner Kenntnis erlangt hat) scheitert. Gleichgültig für die Beurteilung als unbares Zahlungsmittel ist es auch, ob die Zahlungsfunktion einer Bankomatkarte nur begrenzt ermöglicht wird oder ob dem Karteninhaber ein Überziehungsrahmen eingeräumt ist, den er mit dem Einsatz der Karte bereits ausgeschöpft hat (vgl Schroll in WK2 Vor §§ 241a - 241g Rz 10).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entegen der Stellungnahme gemäß § 35 Abs 2 StPO des Verteidigers - zu verwerfen. Aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch von einer der Angeklagten zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit des Schuldspruchs zu I./ nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO.

Zur rechtlichen Annahme der gewerbsmäßigen Begehung der Diebstähle zu I./ hat das Erstgericht in tatsächlicher Hinsicht nur festgestellt, die Angeklagte habe (in acht Angriffen zwischen 29. April und 4. Mai 2005) die Geldbehebungen mit dem Vorsatz vorgenommen, sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Gewerbsmäßig begeht eine Straftat, wer sie in der Absicht vornimmt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB). Dem gewerbsmäßig handelnden Täter muss es darauf ankommen (§ 5 Abs 2 StGB), sich durch die Wiederholung von Straftaten desselben Deliktstyps eine zumindest für einen längeren Zeitraum wirksame Einkommensquelle zu erschließen, ohne dass diese regelmäßig und dauernd fließen muss (Jerabek in WK2 § 70 Rz 7). Unter einem „längeren Zeitraum" sind zumindest einige Wochen zu verstehen (RZ 1997/84; WK2 § 70 Rz 7; vgl auch Rainer, SbgK § 70 Rz 19). Die - nicht auf zukünftige, sondern nur die aktuellen Taten als Einkommensquelle gerichteten - Feststellungen des Ersturteils zur Intention der Täterin bei Begehung der Diebstähle vermögen daher die Unterstellung der Taten auch nach § 130 erster Fall StGB nicht zu tragen. Weil dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden kann und es nicht auszuschließen ist, dass in einem weiteren Rechtsgang taugliche Feststellungen getroffen werden können (vgl Ratz, WK-StPO § 288 Rz 24), war mit einer teilweisen Urteilsaufhebung und dem Auftrag zu entsprechender Verfahrensergänzung durch das Erstgericht vorzugehen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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