JudikaturJustiz15Os164/07t

15Os164/07t – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Januar 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Jänner 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pulker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Thomas S***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB, AZ 31 U 400/05z des Bezirksgerichts Linz, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil vom 5. März 2007 und das wesentliche Teile des am 5. März verkündeten Urteils nicht wiedergebende Hauptverhandlungsprotokoll erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Im Strafverfahren zur AZ 31 U 400/05z des Bezirksgerichts Linz verletzen

1. das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 5. März 2007, GZ 31 U 400/05z-37, insoweit, als Thomas S***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB auch für den Tatzeitraum vom 27. August 2005 bis 5. März 2007 schuldig erkannt und (auch) hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, § 267 iVm § 447 StPO und

2. die Unterlassung der Aufnahme des Spruchs des am 5. März 2007 verkündeten Urteils mit den in § 260 Abs 1 Z 1 und 2 StPO bezeichneten Angaben in das Hauptverhandlungsprotokoll § 271 Abs 1 Z 7 StPO.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im bezeichneten Teil des Schuldspruchs (nicht jedoch im Ausspruch über die Strafe) ersatzlos aufgehoben.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit und Schuld (hinsichtlich des verbleibenden Teils des Schuldspruchs) sowie wegen Strafe wird der Akt dem Landesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

In der Strafsache AZ 31 U 400/05z des Bezirksgerichts Linz legte die Staatsanwaltschaft Linz mit Bestrafungsantrag vom 26. August 2005 (ON 4) Thomas S***** als Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB zur Last, „im Zeitraum 5. April 1997 bis laufend (die Ausdehnung des Deliktszeitraums in der Hauptverhandlung bleibt vorbehalten)" seine Unterhaltspflicht gegenüber der mj Eva S***** gröblich verletzt zu haben.

Eine entsprechende Ausdehnung des Bestrafungsantrags ist aber in der Folge unterblieben.

Mit dem infolge Berufung des Angeklagten nicht in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 5. März 2007, GZ 31 U 400/07z-37, wurde Thomas S***** trotzdem ua des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB für den Zeitraum 5. April 1997 bis 5. März 2007 schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Dies ist allerdings nur der Urteilsausfertigung zu entnehmen, weil - mit Ausnahme des Strafausspruchs - der Inhalt des mündlich verkündeten Schuldspruchs im Hauptverhandlungsprotokoll nicht festgehalten ist (S 196).

Gegen den Schuldspruch richtet sich eine als Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe zu wertende, als Einspruch bezeichnete Eingabe des Angeklagten (ON 36). Eine Berufungsentscheidung ist bisher nicht ergangen.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht dieses Urteil in Ansehung jenes Teils des Urteilsspruchs, der Tathandlungen nach dem 26. August 2005 (das ist der Tag der Verfassung des Bestrafungsantrags) umfasst, mit dem Gesetz nicht in Einklang, weil insoweit keine Anklage vorlag. Denn der Bestrafungsantrag erfasste - schon nach seiner Formulierung („bis laufend") - nur die bis zu seiner Abfassung verübten Taten; künftige Deliktsakte konnten gar nicht Gegenstand der Anklage sein (13 Os 9/01 mwN). Eine Erweiterung des Bestrafungsantrags auf spätere Deliktshandlungen ist nach der Aktenlage nicht erfolgt. Hat der Anklagevertreter die Ausdehnung des Deliktszeitraums versäumt, so hat er sich in diesem Ausmaß des Anklagerechts verschwiegen. Der Schuldspruch wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht auch für die Zeit vom 27. August 2005 bis zum 5. März 2007 erfasst somit Tathandlungen, auf welche die Anklage weder ursprünglich gerichtet war noch während der Hauptverhandlung ausgedehnt wurde. Insoweit verstößt er daher gegen die Bestimmung des § 267 (iVm § 447) StPO.

Überdies zeigt die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend auf, dass das über die Haupverhandlung aufzunehmende Protokoll gemäß § 271 Abs 1 Z 7 StPO auch den Spruch des Urteils mit den in § 260 Abs 1 Z 1 und 2 StPO bezeichneten Angaben zu enthalten hat. Der Vermerk im Hauptverhandlungsprotokoll vom 5. März 2007, der neben der stichwortartigen Wiedergabe eines Teilfreispruchs und der Entscheidung über privatrechtliche Ansprüche lediglich festhält, dass die Richterin „das Urteil (Freiheitsstrafe: 3 Monate; Kostenersatz gem. § 389 StPO ...) samt den wesentlichen Entscheidungsgründen" verkündet, genügt diesen Anforderungen nicht und verstößt damit gegen § 271 Abs 1 Z 7 StPO.

Da der Angeklagte die eine Urteilsnichtigkeit nach § 468 Abs 1 Z 4 iVm § 281 Abs 1 Z 8 StPO bewirkende Anklageüberschreitung (bei § 198 StGB handelt es sich um ein Dauerdelikt, vgl Markel in WK² § 198 [2007] Rz 63 f) in der Berufung nicht geltend gemacht hat, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Gesetzesverletzung gemäß § 292 letzter Satz StPO durch ersatzlose Aufhebung des die Anklage überschreitenden Teils des Schuldspruchs zu beseitigen. Über die (damit noch unerledigte) Berufung wird das Landesgericht Linz zu entscheiden haben. Dem Berufungsgericht wird es dabei möglich sein, die durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs geschaffene prozessuale Situation, nämlich dass der mit Berufung gleichfalls angefochtene Strafausspruch nicht (mehr) auf dem Schuldspruch des Erstgerichts im ursprünglichen Ausmaß beruht, im Rahmen seiner Entscheidung Rechnung zu tragen (vgl nochmals 13 Os 91/01 mwN). Eine Aufhebung auch des Strafausspruchs ist daher nicht erforderlich.

Rechtssätze
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