JudikaturJustiz15Os115/22h

15Os115/22h – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Januar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Jänner 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski , Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Mag. Lonin als Schriftführer in in der Strafsache gegen S* E* wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 14. September 2022, GZ 29 Hv 63/22y 55, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde S* E* des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 19. November 2021 in I* seine Ehefrau E* E* vorsätzlich getötet, indem er wiederholt wuchtig mit einem spitzen Küchenmesser mit beidseitigem Sägeschliff (Klingenlänge 19,5 cm) auf sie einstach und mit einem unbekannten Gegenstand mehrfach auf sie einschlug, wodurch sie zumindest drei tiefe Stichverletzungen in der linken Rumpfhälfte, mindestens 13 Stiche am linken Arm, einhergehend mit mehreren Durchstichen sowie knöcherne Verletzungen an der Elle und am linken Brustkorb und zahlreiche stumpfmechanische (rundlich geformte) Verletzungen am Rumpf, linken Arm und am Kopf erlitt, wobei E* E* verletzungsbedingt an einer Bluteinatmung innerhalb der Lunge, einer hochgradigen Fettembolie und einem hochgradigen Blutverlust verstarb.

[3] Die Geschworenen hatten die in Richtung des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB gestellte Hauptfrage bejaht; Eventualfragen in Richtung der Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1, Abs 2 dritter Fall StGB (1./), der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 86 Abs 2 StGB (2./) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 1 StGB (3./) blieben demzufolge unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 6 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

[5] Der Beschwerdeführer moniert das Unterbleiben der Stellung einer Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des Totschlags nach § 76 StGB.

[6] Voraussetzung für die Stellung einer Eventualfrage (§ 314 Abs 1 StPO) ist das Vorbringen von Tatsachen in der Hauptverhandlung, welche einen gegenüber der Anklage geänderten Sachverhalt und – im Fall dessen Bejahung – einen Schuldspruch wegen einer anklagedifformen gerichtlich strafbaren Handlung in den näheren Bereich der Möglichkeit rücken ( Lässig , WK StPO § 314 Rz 12). Bloß denkbare Möglichkeiten und Mutmaßungen können nicht zum Gegenstand einer Eventualfrage gemacht werden (RIS Justiz RS0102724, RS0100871 [T12]).

[7] Die gesetzmäßige Ausführung einer Fragenrüge (Z 6) erfordert die deutliche und bestimmte Bezeichnung der vermissten Fragestellung und eines diese indizierenden Tatsachensubstrats samt Angabe der Fundstellen in den Akten (RIS Justiz RS0117447; Ratz , WK StPO § 345 Rz 23).

[8] Dem wird die Beschwerde mit dem Hinweis auf einzelne Passagen der Verantwortung des Angeklagten (ON 34 S 35, 39, 55 iVm ON 54 S 4; ON 54 S 2, 5, 13 ff, 17 ff) nicht gerecht. Danach habe er nur deshalb auf seine Ehefrau eingestochen, weil er aufgrund einer unmittelbar vor der Tat seitens des Opfers erfolgten Herabwürdigung und Drohung mit dem Umbringen sowie einem von Schlägen begleiteten Versuch, ihn zum Essen einer Suppe zu zwingen, „die Kontrolle verloren“ und sich „in einem Schockzustand befunden“ habe. Zu diesem Affekt hätten weiters die Arbeitslosigkeit des Angeklagten, seine zwei Monate vor der Tat eingetretene „negative Wesensveränderung“ – ausgelöst durch den plötzlichen Tod seines Bruders und seine zeitgleiche „operative stationäre Behandlung in einem Krankenhaus“ –, eine Schlafstörung, eine Depression mit starkem Schwitzen, von der Familie des Opfers verhinderte Suizidversuche des Angeklagten, das eigenmächtige Absetzen von verordneten Psychopharmaka sowie bereits länger andauernde Kränkungen, Herabwürdigungen und Beleidigungen seitens des Opfers und die zuletzt beengten Wohnverhältnisse beigetragen.

[9] Verfahrensergebnisse, welche nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung die begehrte Fragestellung (das Vorliegen einer allgemein begreiflichen, nach einem objektiven Maßstab für einen Durchschnittsmenschen in ihrer tatkausalen Heftigkeit in Relation zu dem sie herbeiführenden Anlass sittlich verständlichen [vgl RIS Justiz RS0092115] heftigen Gemütsbewegung im Tatzeitpunkt [vgl dazu RIS Justiz RS0092271, RS0092259, RS0092338]) ernsthaft indizieren würden, werden damit ebensowenig aufgezeigt wie mit dem Verweis auf die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen (ON 54 S 26 f). Demzufolge seien zur Tatzeit aufgrund der „durch Außenaggression ausgelebten“ Depression und der emotionalen Auseinandersetzung mit dem Opfer („zumindest erhebliche“) Affekte im Spiel gewesen, welche – ausgelöst durch eine Kleinigkeit (in einer „relativ komplexen Tat“) – spontan zum Durchbruch gekommen seien (vgl RIS Justiz RS0092138 [T3]).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentliche n Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 344, 285i StPO).

[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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