JudikaturJustiz14Os94/02

14Os94/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. November 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. November 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Fritz G***** wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 22. Mai 2002, GZ 14 Hv 56/02i-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Fritz G***** des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er Anfang August 2001 in Mürzzuschlag außer den Fällen des § 201 StGB die Sabrina N***** durch gefährliche Drohung, indem er äußerte, sie dürfe solange nicht die Wohnung verlassen, bis sie sich ausgezogen habe, zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung, nämlich zum Betasten ihrer Brust und Einführen eines Fingers in die Scheide, nötigte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 5a erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Zu Unrecht macht der Beschwerdeführer unter der Z 3 die Verwertung der Aussage der Zeugin Daniela P***** trotz ihrer Erklärung, vom Entschlagungsrecht Gebrauch zu machen, geltend. Denn nach dem Hauptverhandlungsprotokoll hatte die Zeugin anlässlich ihrer Vernehmung nach erfolgter Belehrung über das Entschlagungsrecht gemäß § 152 Abs 2 Z 1 StPO zunächst erklärt, aussagen zu wollen, und legte dann ihre Aussage ab (S 263 ff). Ihre erst am Ende der Vernehmung abgegebene Erklärung, sich nunmehr der Aussage entschlagen zu wollen und ihre bisherigen Angaben zurückzuziehen (S 275), steht der prozessordnungsgemäßen Berücksichtigung der bis dahin erfolgten Aussage durch die Tatrichter nicht entgegen (s dazu Ratz in WK-StPO § 281 Rz 223).

Soweit der Beschwerdeführer den genannten Nichtigkeitsgrund in einer Umgehung des Entschlagungsrechtes von Daniela P***** zufolge Verwertung der Zeugenaussagen der Gendarmeriebeamten G***** und R***** erblickt, ist er im Übrigen auf die Beschränkung des Umgehungsverbotes nach § 152 Abs 3 StPO auf die in Abs 1 Z 4 und 5 sowie Abs 2 leg cit genannten Personen zu verweisen (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 222).

Der nach eigener Darstellung der Beschwerde zur kontradiktorischen Vernehmung der Zeugin Sabrina N***** geladene (damalige) Beschuldigte hatte dadurch Gelegenheit zur Fragestellung an die Zeugin, von der er allerdings keinen Gebrauch machte (Art 6 Abs 3 lit d MRK; vgl Foregger/Fabrizy StPO8 § 162a Rz 1). Das Fehlen der vom Beschwerdeführer dazu vermissten ausdrücklichen Belehrung des Angeklagten darüber, "dass er voraussichtlich sein Fragerecht ausschließlich anlässlich der Zeugeneinvernahme wahrnehmen kann", verletzt ebensowenig eine prozessuale Vorschrift, wie der Umstand, dass er damals nicht durch einen Verteidiger vertreten war (Foregger/Fabrizy aaO mwN).

Dem Beschwerdeeinwand, Sabrina N***** sei wegen ihrer geistigen Retardierung, die im Pflegschaftsverfahren aufgrund eines dort eingeholten Sachverständigengutachtens zu einer Verlängerung der Minderjährigkeit geführt hatte, zeugnisunfähig gewesen und es hätte zur diesbezüglichen Überprüfung ein jugendpsychiatrisches Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen, ist zu entgegnen, dass Zeugnisunfähigkeit eine Wiedergabeunfähigkeit der zu vernehmenden Person voraussetzt (dazu näher Mayerhofer StPO4 § 151 E 39 ff), für deren Sachverhaltsgrundlage der Beschwerdeführer allerdings keine geeigneten Beweisergebnisse bezeichnet (s Ratz in WK-StPO § 281 Rz 223).

Mit dem weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers zur Verfahrensrüge nach der Z 3, insbesondere auch im Zusammenhang mit einem behaupteten Verstoß gegen die Anwendungsvorschrift des § 162a StPO, wird ein Nichtigkeitsgrund nicht deutlich und bestimmt (§ 285a Z 2 StPO) geltend gemacht.

Durch die Ablehnung des in der Hauptverhandlung vom 22. Mai 2002 zum Beweise dafür, dass Sabrina N***** "nicht die Wahrheit gesagt hat, indem sie behauptet hat, dass der Zeuge S***** am Tattag anfangs in der Wohnung P*****s dabei war, was aber nicht den Tatsachen entspricht", beantragten Zeugen Dieter S***** (S 293) kann sich der Nichtigkeitswerber nicht für beschwert erachten (Z 4), weil das Schöffengericht in seinen Feststellungen ohnehin von dem im Antrag geltend gemachten Beweisthema der Abwesenheit S*****s in der Wohnung ausging (Ratz in WK-StPO § 281 Rz 342) und die erst in der Nichtigkeitsbeschwerde nachgeschobenen Hinweise nicht mehr berücksichtigt werden können (aaO Rz 325).

Der Beschwerde zuwider ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsinteressen haben die Tatrichter auch die vom Verteidiger in der Hauptverhandlung mehrmals beantragte (S 203, 243, 297 ff) neuerliche Vernehmung der Zeugin Sabrina N***** abgelehnt, nachdem diese sich nach § 152 Abs 1 Z 2a StPO ihrer Aussage entschlagen hatte (S 201) und im Übrigen die diesbezüglichen Beweisanträge, denen die Anführung eines konkreten Beweisthemas fehlt, demzufolge bloß einen Erkundungsbeweis zum Gegenstand haben.

Mit seinen Ausführungen zur Mängelrüge (Z 5) macht der Beschwerdeführer keinen formellen Begründungsmangel des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen deutlich und bestimmt (§ 285a Z 2 StPO) geltend. Sein Vorbringen beschränkt sich der Sache nach lediglich auf den Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung zu bekämpfen. Aktenwidrig vermisst er dabei im Urteil die Feststellung, wonach der Angeklagte aus Gesprächen mit Sabrina N***** vor dem inkriminierten Vorfall um deren Rückstand in der geistigen Entwicklung wusste (siehe US 7).

Nach Prüfung des Beschwerdevorbringens anhand der Akten ergeben sich keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen (Z 5a). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

Rechtssätze
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