JudikaturJustiz14Os49/03

14Os49/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. April 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. April 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Habl, Dr. Philipp und Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Reichel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ammar C***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Bregenz vom 14. Juli 1999, GZ 4 U 121/99k-4, und gegen den Beschluss dieses Gerichtes vom 29. Februar 2000, GZ 4 U 121/99k-12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Lässig, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Im Strafverfahren gegen Ammar C*****, AZ 4 U 121/99k des Bezirksgerichtes Bregenz, verletzten

1. die Strafverfügung vom 14. Juli 1999, GZ 4 U 121/99k-4, § 94 Abs 4 StGB;

2. der Beschluss vom 29. Februar 2000, (richtig) GZ 4 U 121/99k-12, §§ 31 Abs 1, 40 StGB.

Es werden die Strafverfügung, die im Übrigen unberührt bleibt, im Umfang des Schuldspruchs wegen des Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs 1 StGB und damit auch im Strafausspruch sowie der bezeichnete Beschluss und alle darauf beruhenden Entscheidungen und Verfügungen aufgehoben. Dem Bezirksgericht Bregenz wird die Verhandlung und Entscheidung zu neuer Straffestsetzung aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit rechtskräftigem Urteil vom 15. Juni 1999, GZ 23 E Vr 260/99-26, erkannte das Landesgericht Innsbruck ua Ammer C***** des Vergehens der versuchten Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs 1 StGB schuldig und behielt gemäß § 13 Abs 1 JGG den Ausspruch der zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren vor.

Im Verfahren 4 U 121/99k verhängte das Bezirksgericht Bregenz über Ammar C***** mit rechtskräftiger Strafverfügung vom 14. Juli 1999 wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB gemäß § 94 (Abs 1) StGB eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30 S, von der es gemäß § 43a Abs 1 StGB einen Teil von 45 Tagessätzen unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah. Inhaltlich des Schuldspruchs hatte Ammar C***** am 28. April 1999 in Bregenz Anita B***** durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten, die eine Risswunde am linken Mundwinkel sowie eine Prellung im rechten Kieferbereich zur Folge hatten, vorsätzlich am Körper verletzt und es hierauf unterlassen, der Genannten die erforderliche Hilfe zu leisten.

Mit (einer Entscheidung nach § 31a StGB entsprechendem; vgl Ratz in WK2 § 31a Rz 11) Beschluss vom 29. Februar 2000, GZ 4 U 121/99k (im Akt irrtümlich "p")-12, sprach das Bezirksgericht Bregenz aus, dass die mit der Strafverfügung vom 14. Juli 1999 verhängte Sanktion als Zusatzstrafe zum Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 15. Juni 1999 anzusehen und "in der Strafkarte als solche auszuweisen" sei. Am 10. September 1999 verhängte das Landesgericht Innsbruck im Verfahren AZ 24 Vr 1573/99 über Ammer C***** wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB eine zwanzigmonatige Freiheitsstrafe. Der in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelte unbedingte Teil der vom Bezirksgericht Bregenz ausgesprochenen Geldstrafe ist nach der Aktenlage noch nicht vollzogen. Der Verurteilte ist zum Zweck der Vorführung zu diesem Strafantritt im Inland zur Verhaftung ausgeschrieben (ON 23, 24).

Rechtliche Beurteilung

Die Strafverfügung vom 14. Juli 1999 (ON 4) sowie der Beschluss vom 29. Februar 2000 (ON 12) stehen - wie der Generalprokurator in seiner dagegen zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang. Der Schuldspruch wegen des Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten ist verfehlt, weil § 94 Abs 1 StGB aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 94 Abs 4 StGB (seit dem Inkrafttreten des StRÄG 1996) gegenüber dem mit gleicher Strafe bedrohten Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zurücktritt.

Die Bedachtnahme auf ein der abzuurteilenden Tat nachfolgendes Urteil hinwieder setzt voraus, dass in dieser Entscheidung eine Strafe überhaupt bemessen wurde. Ein Urteil, in dem - wie im gegenständlichen Fall - der Strafausspruch gemäß § 13 Abs 1 JGG vorbehalten wurde, scheidet demnach aus dem Anwendungsbereich der §§ 31, 40 StGB aus (vgl Leukauf/Steininger StGB3 § 31 RN 16a; Ratz aaO § 31 Rz 6).

Da sich die rechtsirrige Annahme einer echten Konkurrenz zwischen § 94 Abs 1 StGB und § 83 Abs 1 StGB zum Nachteil des Verurteilten auswirkt, war der Schuldspruch wegen des Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs 1 StGB aus der Strafverfügung vom 14. Juli 1999 auszuscheiden. Mit der dadurch notwendig gewordenen Aufhebung auch des Strafausspruchs verliert aber der gemäß § 31a Abs 1 StGB gefasste und den ursprünglichen Sanktionsausspruch ergänzende Beschluss vom 29. Februar 2000 seine Grundlage.

Zwar wirkt sich eine fehlerhafte Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB grundsätzlich zugunsten des Verurteilten aus, weil bei der Berechnung der Tilgungsfrist nach § 4 Abs 2 TilgG nur von einer Verurteilung auszugehen ist (§ 4 Abs 5 TilgG). Ungeachtet dessen bewirkt aber - fallbezogen - der vom Landesgericht Innsbruck zum AZ 23 E Vr 260/99 gefällte Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe mangels eines konkreten Strafausspruchs keine Verlängerung der Tilgungsfrist nach Abs 2 leg cit (§ 4 Abs 3 TilgG), sodass sich auch bei Wegfall der vom Bezirksgericht Bregenz mit Beschluss vom 29. Februar 2000 gemäß § 31a Abs 1 StGB durch die gesetzwidrige Annahme einer Bedachtnahmeverurteilung gewährten Strafmilderung die tilgungsrechtliche Position des Verurteilten (bei dem darüber hinaus schon die vom Landesgericht Innsbruck zum AZ 24 Vr 1573/99 wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB verhängte zwanzigmonatige Freiheitsstrafe eine Verlängerung der Tilgungsfrist bewirkt) nicht verschlechtert. Einer fortwirkenden Verklammerung der Urteile des Landesgerichtes Innsbruck zum AZ 24 Vr 1573/99 und der Strafverfügung des Bezirksgerichtes Bregenz zum AZ 4 U 121/99k gemäß §§ 31, 40 StGB bedarf es daher nicht; allerdings wird bei der Strafneubemessung auf das zum AZ 24 Vr 1573/99 gefällte Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 10. September 1999 Bedacht zu nehmen sein.

Damit geben beide Gesetzesverletzungen über ihre Feststellung hinaus Anlass zu einem Vorgehen nach dem letzten Satz des § 292 StPO.

Rechtssätze
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