JudikaturJustiz14Os39/21y

14Os39/21y – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Oktober 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Oktober 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Scheichel in der Strafsache gegen ***** Y***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten ***** K***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 6. November 2020, GZ 614 Hv 6/20h 100, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – ***** K***** (verfehlt [RIS Justiz RS0121981]) mehrerer Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (I) und des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (fünfter Fall) StGB (III/1) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

(I) vom 3. November 2018 bis zum 7. September 2019 in H***** (US 11) als zur Vornahme wiederkehrender Begutachtungen nach § 57a Abs 2 KFG Ermächtigter, sohin als Beamter (im strafrechtlichen Sinn), mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an seinem „Recht auf Überprüfung der Verkehrs- und Betriebssicherheit von Kraftfahrzeugen“ zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte, nämlich die Begutachtung von Fahrzeugen nach § 57a KFG vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er für zehn, im Urteil (zu 1. bis 4. und 6. bis 11.) näher bezeichnete Pkw positive Prüfgutachten nach § 57a Abs 4 KFG ausstellte und Begutachtungsplaketten ausfolgte, obwohl tatsächlich jeweils mehrere schwere Mängel vorlagen, die Fahrzeuge nicht den Erfordernissen der Umwelt sowie der Verkehrs- und Betriebssicherheit entsprachen und (teilweise) Gefahr in Verzug vorlag, darunter

3.) am 2. Mai 2019 das Gutachten betreffend den (im Urteil näher bezeichneten) Pkw Mercedes Benz des ***** W*****,

sowie

(III/1) im Mai 2019 in F***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz ***** W***** durch Täuschung über Tatsachen unter Verwendung eines falschen Beweismittels, nämlich unter Vorlage des zu I/3 beschriebenen inhaltlich unrichtigen Prüfgutachtens, und indem er vorgab, diesen Pkw überprüft und nur leichte Mängel festgestellt zu haben, sodass er den Erfordernissen der Umwelt sowie der Verkehrs- und Betriebssicherheit entspräche, während er in Wahrheit keine Überprüfung vorgenommen hatte und das Fahrzeug tatsächlich sechs schwere Mängel aufwies und „Gefahr in Verzug“ vorlag (US 12 und 17), zum Kauf des zu I/3 bezeichneten Fahrzeugs und zur Übergabe des Kaufpreises von 1.400 Euro, mithin zu Handlungen verleitet, die den Genannten um 1.400 Euro am Vermögen schädigten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der dagegen vom Angeklagten K***** aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

[4] Entgegen dem – nur auf eine einzelne Urteilspassage (US 13) rekurrierenden (vgl aber RIS-Justiz RS0119370) – Einwand von Undeutlichkeit der Feststellungen zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs (Z 5 erster Fall), haben die Tatrichter (bei gebotener Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe) unmissverständlich konstatiert, dass der Angeklagte als Beamter (im strafrechtlichen Sinn; RIS Justiz RS0118428) seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte, nämlich die Begutachtung von Fahrzeugen nach § 57a KFG vorzunehmen, durch die bewusste Unterlassung einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Prüfung, demnach unter unvertretbarer Missachtung von Verfahrensvorschriften, wissentlich missbrauchte (va US 12 ff, 21, 27; vgl RIS Justiz RS0096721 [insb T5], 17 Os 3/14s, 13 Os 29/08a; eingehend Nordmeyer in WK 2 StGB § 302 Rz 138).

[5] Aus welchem Grund diese Feststellungen für die rechtliche Annahme des in Rede stehenden Tatbestandsmerkmals nicht ausreichen sollten, sondern hiezu weitere Konstatierungen, insbesonders zu den (in der Beweiswürdigung der Tatrichter ohnehin umfassend dargestellten; US 21) Indizien für das Vorliegen der subjektiven Tatseite, erforderlich wären, leitet die Rüge (inhaltlich Z 9 lit a) nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565).

[6] Welche Ergebnisse des Beweisverfahrens unberücksichtigt geblieben sein sollen (Z 5 zweiter Fall), erklärt sie nicht.

[7] Mit dem Hinweis auf die – von den Tatrichtern für unglaubwürdig erachtete (US 19 f) – insoweit leugnende Verantwortung des Angeklagten und dem daraus gezogenen Schluss, es läge „maximal eine fahrlässige Handlungsweise“ vor, wird bloß unzulässig Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung geübt.

[8] Gleiches gilt für das weitere Vorbringen, mit dem zu I/6 unter Hinweis auf das Erscheinungsbild des bezughabenden Prüfberichts (vgl dazu US 20) die Täterschaft des Angeklagten und zu I/3 und 8 unter Berufung auf – isoliert und aus dem Zusammenhang gerissen zitierte – Passagen aus dem Gutachten des Sachverständigen Ing. F***** (vgl dazu US 22) das Vorliegen (wissentlichen) Befugnismissbrauchs in Zweifel gezogen wird.

[9] Der Vorwurf fehlender oder offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) übergeht die eingehenden beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter (US 18 ff). Dass diese Gesetze logischen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechen (RIS-Justiz RS0099413), wird bloß unsubstanziiert behauptet.

[10] Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird ein Begründungsmangel iSd Z 5 ebenso wenig angesprochen (RIS-Justiz RS0117445) wie mit allgemeinen Ausführungen zu in der Praxis auftretenden Problemen bei der „(mängelfreien) Begründung festgestellter Wissentlichkeit“.

[11] In welcher Hinsicht die Urteilsannahmen zum Schädigungsvorsatz undeutlich und die diesbezügliche Begründung unvollständig oder offenbar unzureichend sein sollten, sagt die weitere Mängelrüge nicht.

[12] Aus welchem Grund – bei hier konstatiertem wissentlichem Befugnismissbrauch durch Unterlassung einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Prüfung – Konstatierungen zur Kenntnis des Beschwerdeführers von den schweren Mängeln, die die (nicht oder bewusst schlampig überprüften) Fahrzeuge tatsächlich aufwiesen, oder zu deren Erkennbarkeit für die vorgenommene Subsumtion erforderlich wären, lässt die Beschwerde (inhaltlich Z 9 lit a) gleichfalls offen.

[13] Bleibt anzumerken, dass es nach ständiger Rechtsprechung für die Erfüllung des Tatbestands des § 302 Abs 1 StGB (auch in der vorliegenden Fallkonstellation; insoweit missverständlich RIS-Justiz RS0096721 [T6]) nicht ausreicht, wenn sich der Schädigungsvorsatz bloß auf den Anspruch auf Einhaltung jener Vorschrift bezieht, deren Verletzung den Befugnismissbrauch begründet (RIS Justiz RS0096270 [insb T10, T12, T14, T20, T23]). Dass sich die entsprechende Intention des Angeklagten nicht nur auf „das Recht des Staates auf Überprüfung der Verkehrs- und Betriebssicherheit von Kraftfahrzeugen“, sondern vielmehr auf jenes auf Ausschluss nicht verkehrs- und betriebssicherer sowie umweltverträglicher Fahrzeuge von der Teilnahme am Straßenverkehr bezog (vgl für viele 17 Os 6/15h), haben die Tatrichter aber mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht (US 13 f, 21; vgl dazu Ratz , WK-StPO § 281 Rz 19).

[14] Die Mängelrüge zum Schuldspruch III/1 beschränkt sich darauf, aus den Ausführungen des Sachverständigen Ing. F***** zu den am Fahrzeug des W***** vorliegenden Mängeln und deren Situierung (ON 95a S 45 ff) anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Angeklagten günstigere Schlüsse als jene der Tatrichter zu ziehen. Solcherart zeigt sie keinen der nominell geltend gemachten Begründungsmängel (Z 5 erster, zweiter und vierter Fall) auf, sondern wendet sich ein weiteres Mal in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

[15] Indem der Beschwerdeführer das zur Mängelrüge erstattete Vorbringen pauschal auch zu jenem der Tatsachenrüge (Z 5a) und der Rechtsrüge (Z 9 lit a) erklärt, vernachlässigt er den wesensmäßigen Unterschied der – demnach gesondert auszuführenden – Nichtigkeitsgründe (RIS-Justiz RS0115902).

[16] Soweit die Rechtsrüge darüber hinaus allgemeine Rechtsbehauptungen und ausführungen enthält und – ohne weitere Erläuterungen – den Vorwurf substanzlosen Gebrauchs der verba legalia erhebt, lässt sie jeden Sachverhaltsbezug sowie die gebotene (RIS-Justiz RS0099810) Bezugnahme auf die Gesamtheit des Urteilssachverhalts vermissen und verfehlt damit erneut die prozessordnungsgemäße Darstellung materieller Nichtigkeit.

[17] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[18] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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