JudikaturJustiz14Os31/90

14Os31/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Juli 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Hörburger und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pilnacek als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmut F*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 7.Dezember 1989, GZ 8 Vr 2059/89-39, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Insam zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens über seine Rechtsmittel zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der nunmehr 50-jährige Helmut F*** des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG schuldig erkannt, weil er am 5.März 1988 am Grenzübergang Steinebrück-Bundesautobahn Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 400 Gramm Kokain, aus Belgien in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt hat. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer nominell auf die Z 1, 4, 5, 5 a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Im Gerichtstag hat der Verteidiger die Beschwerde, soweit sie den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund betrifft, ausdrücklich zurückgezogen, sodaß auf das bezügliche Beschwerdevorbringen nicht mehr einzugehen ist.

Eine den Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO verwirklichende Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten reklamiert die Beschwerde deshalb, "weil der Angeklagte nach Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls eine schriftliche Erklärung verfaßt hat, diese dem Gericht aushändigen wollte, der Vorsitzende den Angeklagten aber aufgefordert hat, sich mündlich zu verantworten". Die Geltendmachung des in Rede stehenden Nichtigkeitsgrundes setzt jedoch - was der Beschwerdeführer übersieht - voraus, daß über einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag nicht oder nicht im Sinne des Beschwerdeführers erkannt worden ist, wobei im gegebenen Zusammenhang ein Antrag weder vom Verteidiger noch vom Angeklagten selbst gestellt wurde (vgl S 308 d.A). Es fehlt somit schon an den formellen Voraussetzungen für eine Anfechtung aus der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO.

Mit dem in Ausführung der Z 5 der zitierten Gesetzesstelle vorgetragenen Einwand, das Gericht habe nicht festgestellt, daß durch das im Ausland begangene Suchtgiftverbrechen nach § 12 Abs. 1 SGG österreichische Interessen verletzt worden sind, wiewohl eine solche Feststellung gemäß § 64 Abs. 1 Z 4 StGB geboten gewesen wäre, um den Beschwerdeführer des bezeichneten Verbrechens zu verurteilen, wird - entgegen der Aufassung des Beschwerdeführers - kein formaler Begründungsmangel, sondern der Sache nach der materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs. 1 StPO geltendgemacht. Dies indes zu Unrecht. Denn gemäß § 64 Abs. 1 Z 4 StGB werden (ua) die im Ausland begangenen strafbaren Handlungen nach § 12 Abs. 1 SGG dann ohne Rücksicht auf die Gesetze des Tatorts nach den österreichischen Strafgesetzen bestraft, wenn durch die Tat österreichische Interessen verletzt worden sind oder der Täter nicht ausgeliefert werden kann. Da der Beschwerdeführer (unbestrittenermaßen) österreichischer Staatsangehöriger ist, darf er zur Strafverfolgung wegen der Auslandstat nicht ausgeliefert werden (§ 12 Abs. 1 ARHG), weshalb schon aus diesem Grund die letztbezeichnete Strafrechtsanwendungsvoraussetzung des § 64 Abs. 1 Z 4 StGB vorliegt, ohne daß es zusätzlich noch auf eine allfällige Verletzung österreichischer Interessen ankommt.

Auch bei den unter dem Aspekt einer Tatsachenrüge nach der Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO erhobenen Einwänden (die der Beschwerdeführer zugleich hilfsweise auch unter dem Gesichtspunkt der Z 5 der zitierten Gesetzesstelle behandelt wissen will) handelt es sich inhaltlich um die Reklamierung von Feststellungsmängeln und damit der Sache nach um Rechtsrügen, die jedoch nach keiner Richtung hin berechtigt sind.

Die sinngemäße Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe den Suchtggifttransport übernommen, um solcherart eine Geldschuld zu tilgen, für deren Bezahlung er keine finanziellen Mittel gehabt habe und die ansonsten von bewaffneten Geldeintreibern eingefordert worden wäre, weist entgegen dem Beschwerdestandpunkt weder auf eine Tatverübung im wirklich gegebenen oder irrtümlich angenommenen entschuldigenden Notstand (§ 10 StGB) noch auf eine Zurechnungsunfähigkeit des Täters wegen einer schweren seelischen Störung (§ 11 StGB) hin. Die bezügliche Schilderung des Beschwerdeführers umschreibt nämlich keine tatsächliche oder auch nur vermeintliche Zwangslage, die sich aus einem unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteil ergab. Die Unmittelbarkeit der Gefahr zählt aber zu den Wesenselementen einer Notstandssituation iS § 10 StGB, weil bei einem anderen Motivationsdruck vom Betroffenen zu verlangen ist, daß er sich der Bedrohung nicht auf Kosten fremder Rechtsgüter entzieht (Leukauf-Steininger Komm2 § 10 RN 13). Im übrigen setzt entschuldigender Notstand (des weiteren) voraus, daß in der Lage des Täters von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen kein anderes Verhalten zu erwarten war. Diese Voraussetzung ist bei der gegebenen Sachlage gleichfalls nicht erfüllt. Aus den in Rede stehenden Angaben des Beschwerdeführers über den Beweggrund der Tat kann aber auch keinerlei Anhaltspunkt für eine zur Tatzeit bestehende Beeinträchtigung seiner Fähigkeit, das Unrecht des Schmuggels von Kokain einzusehen und einsichtsgemäß zu handeln, gewonnen werden.

Schließlich versagt auch das auf die Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Vorbringen, das von der Prämisse ausgeht, eine gemäß § 12 Abs. 1 SGG tatbestandsmäßige Suchtgiftaus- oder -einfuhr liege nur bei der Verbringung des Suchtgifts aus Österreich oder nach Österreich vor. Eine derartige Beschränkung des Tatbestands des § 12 Abs. 1 SGG ist indes weder dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen noch wäre sie mit dem Regelungszweck der Strafbestimmung vereinbar (vgl hiezu SSt 42/23). Im übrigen zeigt gerade die bereits erörterte Vorschrift des § 64 Abs. 1 Z 4 StGB, wonach Suchtgiftverbrechen nach § 12 Abs. 1 SGG in Österreich auch dann zu ahnden sind, wenn sie im Ausland begangen wurden, daß die ins Treffen geführte Umschreibung der Tathandlungen sich nicht auf Suchtgiftverbringungen aus oder nach Österreich beschränkt. Unter Einfuhr und Ausfuhr iS § 12 Abs. 1 SGG ist vielmehr die Verbringung von Suchtgift über eine Staatsgrenze zu verstehen, wobei auch ein Verkehr zwischen zwei ausländischen Staaten erfaßt wird (Foregger-Litzka Suchtgiftgesetz2 31). Demnach haftet dem Urteil der behauptete Subsumtionsirrtum nicht an, weshalb das daran geknüpfte Verlangen nach Anwendung anderer Strafbestimmungen auf die inkriminierte Tat erfolglos bleiben muß.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 12 Abs. 1 SGG zu einer Freiheitsstrafe von 3 (drei) Jahren sowie gemäß § 12 Abs. 5 SGG zu einer Geldstrafe von 150.000 (einhundertfünfzigtausend) Schilling, im Falle der Uneinbringlichkeit 10 (zehn) Monate (Ersatz )Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und das Handeln aus reiner Gewinnsucht, als mildernd hingegen das Geständnis, die gewisse Drucksituation, in welcher sich der Angeklage befand, und die Sicherstellung des Suchtgifts.

Gegen den Strafausspruch haben sowohl der Angeklagte als auch der öffentliche Ankläger Berufung ergriffen; ersterer begehrt die Reduzierung der Freiheitsstrafe und die Abstandnahme von der Verhängung einer Geldstrafe, in eventu die Herabsetzung der Geld- und der Ersatzfreiheitsstrafe, letzterer strebt dagegen die Erhöhung der Freiheitsstrafe an.

Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Auch wenn der Umstand, daß der Angeklagte aus reiner Gewinnsucht gehandelt hat, nicht als besonderer Erschwerungsgrund gewertet wird, wie dies die Berufung des Angeklagten reklamiert, so darf dennoch die Tatmotivation des (selbst nicht süchtigen) Angeklagten, sich durch die Übernahme des Suchtgifttransports einen Vermögensvorteil (wenn auch zur Abdeckung einer Schuld) zu verschaffen, bei der Gewichtung seiner personalen Täterschuld nicht außer Betracht bleiben, sodaß im Ergebnis für den Angeklagten nichts gewonnen ist. Von einer bloß untergeordneten Beteiligung des Angeklagten (nach Art eines bloßen Tatbeitrags), wie sie der Angeklagte des weiteren zu seinen Gunsten ins Treffen führt, kann nach den Verfahrensergebnissen und den Feststellungen des Erstgerichtes keine Rede sein. Das Geständnis hinwieder wurde schon in erster Instanz hinreichend berücksichtigt.

Der Angeklagte vermag somit keine ins Gewicht fallenden Umstände aufzuzeigen, die eine Reduzierung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe rechtfertigen könnten.

Es bedarf aber - entgegen dem Berufungsvorbringen des öffentlichen Anklägers - auch keiner Erhöhung der Freiheitsstrafe. Ausgehend von den gegebenen Strafzumessungsgründen, aber auch unter entsprechender Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung ist das in erster Instanz gefundene Strafmaß schuldangemessen, zumal die letzte einschlägige Vorstrafe des Angeklagten aus dem Jahre 1982 datiert und die von der Staatsanwaltschaft ins Treffen geführten generalpräventiven Erwägungen bei der Ausmessung der verwirkten Freiheitsstrafe nur soweit zum Tragen kommen dürfen, als dadurch nicht das Maß des Schuldangemessenen überschritten wird.

Was die gemäß § 12 Abs. 5 SGG verhängte Geldstrafe betrifft, so übersieht der Angeklagte bei seinem Begehren, von deren Verhängung abzusehen, daß gemäß § 12 Abs. 5 Satz 4 SGG ein solches Absehen nur dann zulässig ist, wenn die Geldstrafe die Wiedereingliederung eines dem Mißbrauch eines Suchtgifts ergebenen Verurteilten gefährden würde; daß aber der Angeklagte dem Mißbrauch eines Suchtgifts ergeben sei, wurde vom Erstgericht nicht angenommen und hätte nach den Verfahrensergebnissen auch nicht angenommen werden können. Damit fehlt es an den Voraussetzungen für eine Anwendung der Härteklausel. Ausgehend von den Grundsätzen für die Bemessung der Geldstrafe (§ 12 Abs. 5 Satz 2 SGG) besteht aber auch kein Grund zu einer Reduzierung dieser Strafe bzw der für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe verhängten Ersatzfreiheitsstrafe, sodaß die Berufung des Angeklagten auch in diesem Punkt in keiner Richtung hin berechtigt ist.

Was letztlich das im Gerichtstag vom Verteidiger des Angeklagten vorgetragene Begehren betrifft, aus der (Nach )Verurteilung des Angeklagten zu 5 E Vr 2503/89 durch das Landesgericht für Strafsachen Graz die Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB (auch) auf das Urteil des Landesgerichtes Trier (welches das hier verfahrensgegenständliche Suchtgiftverbrechen betroffen hat) zu eliminieren, so ist für eine Erörterung dieses Begehrens im vorliegenden Rechtsmittelverfahren, das ausschließlich das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz zu 8 Vr 2059/89 zum Gegenstand hat, von vornherein kein Raum.

Es war sohin insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Rechtssätze
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