JudikaturJustiz14Os22/15i

14Os22/15i – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. April 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Moelle als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard K***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 3. Dezember 2014, GZ 15 Hv 3/14h 96, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen B./ und C./, soweit letzterer in Idealkonkurrenz mit B./1. und 2./ begangene Taten umfasst, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard K***** jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (B) sowie mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (C) schuldig erkannt.

Danach hat er

A./ mit unmündigen Personen den Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, und zwar:

1./ von Dezember 2013 bis 1. Juni 2014 in E*****, indem er in mehreren Angriffen seinen Penis und seine Finger in die Scheide der am 15. März 2005 geborenen Maria E***** einführte;

2./ am 31. Mai 2014 in E*****, indem er einen Finger in die Vagina der am 13. April 2002 geborenen Katharina E***** einführte;

3./ zwischen Anfang 2008 und Dezember 2012 in R*****, indem er wiederholt an dem am 13. Dezember 1999 geborenen Alexander W***** Oralverkehr durchführte und von diesem an sich vornehmen ließ sowie zwei Mal ansetzte, mit seinem Penis in den Anus des Unmündigen einzudringen;

4./ im Sommer 2003 in R*****, indem er ansetzte, seinen Penis in die Vagina der am 11. Dezember 1995 geborenen Veronika T***** einzuführen;

B./ außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen und von einer unmündigen Person an sich vornehmen lassen, und zwar:

1./ zwischen Dezember 2013 und 1. Juni 2014 in E*****, indem er in mehreren Angriffen die am 15. März 2005 geborene Maria E***** im Genitalbereich betastete, mit seiner Zunge ohne dabei in die Vagina einzudringen ihren Genitalbereich berührte und sich von der Unmündigen bis zum Samenerguss befriedigen ließ, indem er ihre Hand auf seinen Penis legte und mit seiner darüber gelegten Hand Masturbationsbewegungen durchführte;

2./ am 31. Mai 2014 in E*****, indem er die am 13. April 2002 geborene Katharina E***** im Brust und Genitalbereich betastete und sich von ihr auf die zu B./1./ geschilderte Weise befriedigen ließ;

3./ zwischen Anfang 2008 und Dezember 2012 in R*****, indem er wiederholt von dem am 13. Dezember 1999 geborenen Alexander W***** Handonanie an sich durchführen ließ und dessen Penis betastete;

C./ durch die zu A./1 und ./2 sowie B./1 und ./2 beschriebenen Handlungen mit minderjährigen Personen, die seiner Aufsicht unterstanden, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber diesen Personen geschlechtliche Handlungen vorgenommen und an sich vornehmen lassen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

In der Hauptverhandlung am 3. Dezember 2014 stellte der Angeklagte den Antrag auf Vernehmung des Alfred G***** zum Beweis dafür, dass er „die ihm vorgeworfenen Taten nicht begangen hat; dieser könne bezeugen, dass der Angeklagte Freundinnen gehabt hat, nie mit Kindern was gehabt hat. Er war nicht Tag und Nacht mit ihm zusammen, aber er habe Menschenkenntnis“ (ON 95 S 62). Dieses Beweisbegehren verfiel zu Recht der Abweisung, weil es nicht erkennen ließ, weshalb die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse (RIS Justiz RS0118444).

Die Tatrichter gingen in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) von der Glaubwürdigkeit der in den relevanten Punkten als widerspruchsfrei erachteten Angaben der Tatopfer Maria und Katharina E*****, Alexander W***** und Veronika T***** aus (US 8). Entsprechend dem Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war der Schöffensenat jedoch nicht verpflichtet, im Urteil den vollständigen Inhalt dieser Zeugenaussagen im Einzelnen zu erörtern und darauf zu untersuchen, wie weit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen (RIS Justiz RS0098377). Daran geht die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) vorbei, die die unterbliebene Auseinandersetzung mit konträren Angaben der Maria und Katharina E***** zur keinen entscheidenden Umstand betreffenden (vgl RIS Justiz RS0119422 [T2 und T4]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 431 f) Frage kritisiert, ob Letztere sexuelle Handlungen des Angeklagten an ihrer Schwester wahrgenommen hat, und weiters unterschiedliche Depositionen der Veronika T***** und des Alexander W***** betreffend einen am Dachboden stattgefunden sexuellen Übergriff hervorkehrt. Im Übrigen steht die in diesem Zusammenhang von der Beschwerde auch angesprochene Aussage des Thomas W***** (wonach er zwar am Dachboden gewesen sei, diesen Vorfall aber nicht mitbekommen habe [ON 42 S 4]) zu den Angaben des Alexander W***** (wonach sein Bruder Thomas zugegen gewesen sei [ON 41 S 8]) in gar keinem erörterungsbedürftigen Widerspruch.

Soweit die Beschwerde unter Rekurs auf die Ausführungen der Sachverständigen, wonach aus medizinischer Sicht kein Hinweis auf eine vaginale Penetration vorliege, die (dennoch getroffenen) Konstatierungen zur Vornahme diesbezüglicher geschlechtlicher Handlungen bei Katharina E***** bemängelt, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung (US 8 f) der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Die nach Art einer Aufklärungsrüge (der Sache nach Z 5a; vgl RIS Justiz RS0115823) vorgetragene Argumentation zu unterbliebener Einholung eines medizinischen Ergänzungsgutachtens verabsäumt ein Vorbringen, wodurch der Beschwerdeführer an diesbezüglicher Antragstellung gehindert gewesen sein soll.

Die Angaben der Zeugin Gerta W*****, wonach der Kontakt zwischen dem Angeklagten und Alexander W***** „ca. 2010“ endgültig beendet worden sei (ON 95 S 32), stellen die jeweils gleichartige Verbrechensmengen nur pauschal individualisierter Taten im Zeitraum 2008 bis 2012 betreffenden Schuldsprüche A./3 und B./3 nicht in Frage. Entgegen der darauf bezogenen Beschwerdeargumentation (Z 5 zweiter Fall) waren die Tatrichter daher zur Erörterung dieser Aussage nicht verpflichtet (RIS Justiz RS0116736).

Mit bloßer Wiederholung des Vorbringens zur Mängelrüge weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur von nicht geltend gemacht Nichtigkeit zum Nachteil des Angeklagten (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) betreffend die Schuldsprüche B./:

Die strafbare Handlung des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB wird von jener des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB als typische „Begleittat“ infolge Scheinkonkurrenz (Konsumtion) verdrängt, wenn diese strafbaren Handlungen sowohl zeitlich als auch derart in Verbindung stehen, dass der Vorsatz des Täters von Anfang an auf Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung mit dem unmündigen Opfer gerichtet war (RIS Justiz RS0115643, RS0090814, RS0090888; Philipp in WK² StGB § 206 Rz 31, § 207 Rz 25).

Da die Entscheidungsgründe offen lassen, ob die von den Schuldsprüchen B./1./ bis 3./ erfassten Übergriffe ein solcherart einheitliches Tatgeschehen im Zusammenhang mit bereits von A./1. bis 3./ erfassten schweren Missbrauchshandlungen betreffen, war Urteilsaufhebung wie im Spruch ersichtlich die Folge (§ 285e StPO).

Bleibt anzumerken, dass die Kassation des Adhäsionserkenntnisses deshalb erfolgte, weil das Erstgericht dieses undifferenziert auf sämtliche Schuldspruchsachverhalte gestützt hat (13 Os 62/14p; 17 Os 9/13x; Ratz , WK StPO § 289 Rz 7). Im zweiten Rechtsgang wird auch zu beachten sein, dass bei Privatbeteiligtenzusprüchen (§ 366 Abs 2 StPO) eine Leistungsfrist zu setzen ist (RIS Justiz RS0126774).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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