JudikaturJustiz14Os155/08p

14Os155/08p – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Trebuch als Schriftführer in der Strafsache gegen Karim K***** wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und fünfter Fall und Abs 2 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 30. Juli 2008, GZ 26 Hv 30/08b-94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Punkten A und B und demgemäß auch im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karim K***** des (richtig: der) Verbrechen(s) des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und fünfter Fall und Abs 2 Z 3 SMG (A) sowie der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster Fall SMG aF (B), des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (C) und des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (D) schuldig erkannt.

Danach hat er - soweit hier relevant - am Grenzübergang Brennerpass, in Innsbruck und an anderen Orten

A) vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG)

übersteigenden Menge nach Österreich eingeführt sowie anderen überlassen, wobei er die Taten in Bezug auf Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge beging, und zwar

1. zu datumsmäßig nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten zwischen ca Juli/August 2007 und November 2007 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Benny T***** als Mittäter (§ 12 StGB) durch Schmuggel von insgesamt zumindest 6 kg Haschisch (Reinheitsgrad zwischen ca 5 % THC und - hinsichtlich einer Menge von zumindest 2 kg jedenfalls - ca 10 % THC) aus Oberitalien über den Brennerpass nach Innsbruck im Verlauf von zumindest drei zeitlich knapp aufeinanderfolgenden Schmuggelfahrten;

2. zu datumsmäßig nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten zwischen ca November/Dezember 2006 und November 2007 durch in geringem Umfang kostenlose Weitergabe, größtenteils aber durch Verkauf von ziffernmäßig insgesamt nicht mehr feststellbaren Mengen an Cannabisprodukten (jedenfalls zumindest 6 kg mit einem Reinheitsgrad zwischen 5 und 10 % THC) an abgesondert verfolgte, im Spruch namentlich genannte Personen sowie an zahlreiche weitere namentlich nicht bekannte Personen im Verlauf von vielfachen zeitlich jeweils knapp aufeinanderfolgenden Teilgeschäften.

B) zu datumsmäßig nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten zwischen ca November/Dezember 2006 und 18. 11. 2007 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich nicht mehr feststellbare Mengen an Cannabisprodukten bei namentlich nicht bekannten Personen für den Eigenbedarf erworben.

Rechtliche Beurteilung

Der allein gegen den Schuldspruchpunkt A) gerichteten, auf die Gründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt aus nachstehenden Erwägungen keine Berechtigung zu:

Die Mängelrüge reklamiert zunächst, die Tatrichter hätten einzelne - in der Beschwerde näher dargestellte - Teile der Aussage des Zeugen Benny T***** nicht berücksichtigt (Z 5 zweiter Fall) und knüpft daran die Behauptung, dass die Aussage des Genannten „jedenfalls keine gesicherte Beweisgrundlage" für die Feststellung, wonach der Angeklagte bei den inkriminierten Schmuggelfahrten jeweils zumindest 2 kg Haschisch nach Österreich einführte, darstelle. Diesem Vorbringen zuwider hat sich das Erstgericht mit der Aussage des Zeugen T***** hinreichend auseinandergesetzt (US 11), wobei die Tatrichter - dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend - nicht verhalten waren, jeden einzelnen (bei isolierter Betrachtung anders als in der - von der Beschwerde vernachlässigten - Gesamtschau wirkenden) Satz der Aussage dieses Zeugen einer selbständigen Erörterung zu unterziehen (vgl Danek, WK-StPO § 270 Rz 24; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428). Der Rüge zuwider werden im Urteil zudem die - vorgeblich nicht berücksichtigten - Teile der Aussage des Zeugen T***** großteils sogar angeführt (so etwa, dass der genannte Zeuge bei den einzelnen Ankäufen nicht unmittelbar dabei war und die konkreten Geldbeträge nicht im Detail sah, sowie dass dessen Angaben zu den importierten Suchtgiftmengen auf Schätzungen beruhen) und wird - auch unter Berücksichtigung sonstiger Verfahrensergebnisse - dargelegt, weshalb dessen Belastungen letztlich gefolgt wurde. Dass aber die Tatrichter aus der Aussage des Zeugen in ihrer Gesamtheit - ohne Verstoß gegen die Kriterien logischen Denkens und grundlegende Erfahrungssätze - andere als die vom Beschwerdeführer begehrten Schlüsse gezogen haben, stellt keinen Begründungsmangel iSd Z 5 dar (vgl RIS-Justiz RS0098400). Die gegen die Überzeugung der Tatrichter von der (Mindest )Menge Haschisch, die der Angeklagte nach Österreich einführte, gerichtete Mängelrüge erschöpft sich solcherart insgesamt nur in einem unzulässigen Angriff auf die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen (Z 5 vierter Fall) ist die aus dem Ergebnis der Untersuchung des sichergestellten (aus der letzten Schmuggelfahrt nach Österreich stammenden) Suchtgifts (ON 60) sowie aus den Angaben von etlichen Suchtgiftabnehmern (so ua den namentlich angeführten Christian N*****, Nadine J***** und Mario H*****) abgeleitete Schlussfolgerung auf den (Mindest )Reinheitsgrad der nach Österreich eingeführten und in weiterer Folge verkauften Suchtmittel (US 16 f) unter dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Der Beschwerdekritik (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat sich das Erstgericht auch mit der Einlassung des Angeklagten, wonach „die Qualität des Haschisch beim zweiten Mal so schlecht" gewesen sei, sodass er es nicht habe verkaufen können, auseinandergesetzt (US 16).

Indem die Mängelrüge die Ausführung auf US 7 (zweiter Absatz), wonach der Angeklagte in der Zeit zwischen ca November/Dezember 2006 und Juli 2007 „bereits namhafte Mengen an Haschisch an eine Vielzahl von Abnehmern im Raum Innsbruck im Verlauf von zahlreichen, zeitlich jeweils knapp aufeinanderfolgenden Teilgeschäften verkauft" hat, als undeutlich (Z 5 erster Fall) releviert, bezieht sie sich nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände. Denn die dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Feststellungen sind jene auf US 8, wonach der Angeklagte in der Zeit von ca November/Dezember 2006 bis November 2007 durch in geringem Umfang kostenlose Weitergabe, darüber hinaus aber durch gewinnbringenden Weiterverkauf des Haschischs an die in Punkt A) 2. des Spruchs namentlich genannten Personen sowie zahlreiche weitere namentlich nicht bekannte Abnehmer eine Menge von zumindest 6 kg Haschisch anderen überließ.

Mit dem Vorbringen, das Erstgericht habe die Aussage des Angeklagten, wonach er zwischen 1 und 2 Gramm täglich selbst konsumiert habe (S 8 in ON 72), nicht gewürdigt, und der daran anschließenden Behauptung, dass solcherart - entgegen dem erstrichterlichen Ausspruch auf US 7 - von einem bloß geringfügigen Eigenkonsum keine Rede sein könne und daher „eine Menge von ca 400 bis 800 Gramm Haschisch", welche der Angeklagte selbst konsumiert habe, „von der vom Erstgericht festgestellten Menge an eingeführtem und verkauftem Suchtgift in Abschlag zu bringen" sei, versucht die Mängelrüge bloß erneut nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die Erwägungen der Tatrichter, die für die Annahme der in Rede stehenden Suchtgiftquanten maßgeblich waren, zu bekämpfen. Die solcherart gerügten Feststellungen zu der vom Angeklagten insgesamt nach Österreich eingeführten und hernach verkauften (Mindest )Suchtgiftmenge wurden indes - wie bereits darlegt - ohnedies eingehend und mängelfrei begründet (US 11 ff). Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat daher das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581; RIS-Justiz RS0099810). Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet, das Erstgericht hätte „auf Grund der Verfahrensergebnisse" (die allerdings nicht einmal in der Beschwerde näher genannt werden) in Ansehung der Mengen des bei den drei Schmuggelfahrten nach Österreich eingeführten und hernach teilweise weiterverkauften Haschischs andere Feststellungen treffen sowie „den Eigenkonsum des Angeklagten entsprechend berücksichtigen und von der angekauften Suchtgiftmenge von 3 kg Haschisch in Abschlag bringen" müssen, erschöpft sie sich in der substratlosen Bestreitung der Urteilsfeststellungen und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.

Gleiches gilt für das Vorbringen, das Erstgericht hätte „in Ermangelung konkreter Beweisergebnisse im Zweifel zugunsten des Angeklagten" einen geringeren Wirkstoffgehalt des Suchtgifts feststellen müssen.

Hingegen war gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO von Amts wegen der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO wahrzunehmen:

Das Erstgericht argumentiert, dass der Angeklagte gewerbsmäßig gehandelt habe, daher § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG aF erfüllt und somit der gleiche Strafsatz wie im § 28a Abs 2 SMG nF anzuwenden wäre. Deswegen sei die alte Rechtslage nicht günstiger und iSd § 61 StGB das neue Recht anzuwenden (US 19 iVm US 9).

Im Tatzeitpunkt wies das SMG einen der (erst mit 1. 1. 2008 in Kraft getretenen) Mengenqualifikation des § 28a Abs 2 Z 3 SMG nF entsprechenden strafsatzändernden Erschwerungsumstand noch nicht auf. Diese Qualifikation kann daher als Vergleichsbasis schon mit Blick auf den ersten Satz des § 61 StGB nicht herangezogen werden. Die Anwendung dieser eine Mindeststrafe von einem Jahr vorgebenden und eine zehnjährige Freiheitsstrafe ermöglichenden Mengenqualifikation auf Sachverhalte, die nach dem zur Tatzeit geltenden alten Recht - unter dem Gesichtspunkt des involvierten Suchtgiftquantums - lediglich den Tatbestand nach § 28 Abs 2 SMG aF begründen und daher mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht waren, verstößt gegen Art 7 Abs 1 EMRK und § 1 Abs 1 StGB (vgl 12 Os 83/08k, 107/08i).

§ 61 StGB kann überdies nur dann zum Zug kommen, wenn sowohl alte als auch neue Rechtslage das inkriminierte Verhalten unter Strafe stellen bzw - wie im vorliegend zu entscheidenden Fall - sich inhaltlich jeweils überdeckende Qualifikationen vorsehen, also gewissermaßen eine Schnittmenge aufweisen. Daher kann eine nach altem Recht vorgegebene und nach den Urteilsannahmen auch erfüllte Gewerbsmäßigkeitsqualifikation - welche allerdings nach neuem Recht für sich allein noch keine Strafsatzänderung bewirkt - mit einer völlig andere Sachverhaltselemente voraussetzenden Mengenqualifikation, welche im Tatzeitpunkt noch keine Geltung hatte, nicht verglichen werden.

Bleibt anzumerken, dass die im Urteilszeitpunkt anzuwendende Rechtslage die Gewerbsmäßigkeitsqualifikation des § 28a Abs 2 Z 1 SMG nF nur in Verbindung mit dem Vorliegen einer dem § 28a Abs 1 SMG nF inhaltlich entsprechenden Vorstrafe auslöst. Feststellungen dazu wurden im Ersturteil nicht getroffen (vgl den insoweit unreflektierten Bezug auf die beiden Vorstrafen in Italien in UV 19 iVm US 5 f). Die „einfache" gewerbsmäßige Begehungsform war aber im Urteilszeitpunkt nicht mehr strafsatzändernd.

Die Kassation des Schuldspruchs A hat aber auch jene zu B zur Folge (§ 289 StPO), um dem Erstgericht im zweiten Rechtsgang die Option eines allfällig gebotenen diversionellen Vorgehens (§§ 37 iVm 35 Abs 2 zweiter Fall SMG) zu eröffnen.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
5