JudikaturJustiz14Os137/14z

14Os137/14z – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ljubisa S***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 26. August 2014, GZ 37 Hv 33/13f 22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ljubisa S***** mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I) sowie jeweils mehrerer Vergehen der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs 1 Z 2 StGB (II) und des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (III) schuldig erkannt.

Danach hat er in P*****

(I) außer dem Fall des § 206 Abs 1 StGB geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person, nämlich der am 11. Juni 1999 geborenen Vesna A*****, vorgenommen und von dieser an sich vornehmen lassen, und zwar

1) im September 2012, indem er in zwei Angriffen deren Brüste und Scheidenbereich betastete;

2) zwischen September 2012 und Ende 2012, indem er in einem Fall deren Brüste und Scheidenbereich betastete, sich zunächst auf sie zu legen versuchte, sich sodann hinter sie legte und seinen Penis gegen ihr Gesäß presste;

3) von September 2012 bis 11. Juni 2013, indem er abgesehen von den unter Punkt I/1 und I/2 beschriebenen Vorfällen oftmals wiederholt deren Brüste und Scheidenbereich betastete, bei zumindest zwei Gelegenheiten ihre Hand nahm und auf seinen Penis legte und sie bei einem Vorfall veranlasste, sein Sperma zu berühren;

(II) von September 2012 bis 11. Juni 2013 Vesna A***** durch geschlechtliche Handlungen vor ihr unter Umständen, unter denen dies geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, belästigt, indem er in zahlreichen Fällen nach Beendigung zu Punkt I beschriebener Taten (vgl US 5 und 6 f) vor

ihr onanierte;

(III) durch die zu I und II angeführten Taten mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen und von einer solchen Person an sich vornehmen lassen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus dem Grunde der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Entgegen dem Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) haben sich die Tatrichter mit den (entlastenden) Aussagen der Zeugen Dusanka S***** und Devid S***** (US 10 f) sowie mit der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers (US 13 f) auseinandergesetzt und diese (jeweils mit ausführlicher Begründung) als unglaubwürdig erachtet. Eine darüber hinausgehende Erörterung sämtlicher

Details aus deren Depositionen ist mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) unter dem Aspekt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes nicht geboten (RIS-Justiz RS0098377).

Davon abgesehen übergeht die Rüge prozessordnungswidrig die gerade die angesprochenen Aussagepassagen betreffenden Erwägungen des Erstgerichts (vgl erneut US 10 f und 13 f).

Mit dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit des Tatopfers (US 8 ff) verkennt sie, dass der dieser Annahme zu Grunde liegende kritisch psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung aus Z 5 entzogen ist (RIS-Justiz RS0106588). Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann (nur) unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Schöffengericht mit gegen seine Annahme sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Bezugspunkt einer erfolgreichen Rüge kann jedoch nicht die Sachverhaltsannahme der (Un )Glaubwürdigkeit, sondern ausschließlich die Feststellung entscheidender Tatsachen sein (RIS-Justiz RS0119422 [insbesondere T4]).

Widersprüche in den Angaben der Vesna A*****, so auch den zudem keine entscheidende Tatsache betreffenden (vgl dazu gleich unten) Umstand, dass die Genannte einen der von den Schuldsprüchen I/3 und II umfassten Vorfälle erstmals anlässlich ihrer kontradiktorischen Vernehmung schilderte, bei ihrer Befragung durch die Kriminalpolizei oder gegenüber ihrer Mutter aber nicht erwähnt hatte, haben die Tatrichter berücksichtigt und dargelegt, aus welchen Gründen sie dennoch von der Verlässlichkeit der Genannten überzeugt waren (US 9 f, 12).

Dass dem Beschwerdeführer diese Erwägungen nicht „ausreichend“ erscheinen und dass auch andere für ihn günstigere Schlüsse denkbar gewesen wären, stellt keinen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 dar (RIS-Justiz RS0099535, RS0098362).

Mit Spekulationen zu einem

Motiv des Tatopfers, den Angeklagten fälschlich zu belasten und zu Beweggründen der Ljiljana A*****, ihre Tochter in diesem Sinn zu „instrumentalisieren“, wird erneut bloß die Vesna A***** im Übrigen unter Erörterung der von der Beschwerde angesprochenen Aspekte (US 8 f, US 12 f) attestierte Glaubwürdigkeit nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bekämpft.

Soweit die auf die Schuldsprüche I/3 und II bezogene Mängelrüge (nominell Z 5 dritter Fall) die Feststellung einer „Vielzahl“ von Tathandlungen kritisiert und zudem auf Basis eigener Beweiswerterwägungen und darauf gestützter umfangreicher Berechnungen zum Schluss kommt, es hätten tatsächlich bloß zwischen fünf und zehn deliktische Übergriffe stattgefunden, spricht sie gleichermaßen keine entscheidende Tatsache an, weil die betroffenen Schuldsprüche jeweils eine

gleichartige Verbrechensmenge nur pauschal individualisierter Taten erfassen. Davon ausgehend würde die mit dem Einwand angestrebte Reduktion der (vorliegend gar nicht konkret bestimmten) Anzahl der Angriffe weder den Schuldspruch noch die Subsumtion in Frage stellen (RIS-Justiz RS0116736; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 33; zur Unbedenklichkeit aus Z 3 vgl im Übrigen Lendl , WK-StPO § 260 Rz 24; RIS-Justiz RS0119552, RS0098795; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 291), womit dazu getroffene Aussagen als Gegenstand einer Mängelrüge nicht in Betracht kommen ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 398 und 406).

Aus den gleichen Gründen beziehen sich auch die Vorwürfe fehlender zahlenmäßiger Festlegung der zu I/3 und II angelasteten Taten, unterbliebener Feststellung der Anzahl der Übernachtungen der Zeugin Nevenka C***** und des Bruders des Tatopfers in der Wohnung des Angeklagten (in deren Anwesenheit es nach den Feststellungen zu keinen sexuellen Übergriffen kam) sowie unterlassener Erörterung von Beweismitteln zu fallweisen Auslandsaufenthalten des Angeklagten nicht auf für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage entscheidende Tatsachen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Bleibt anzumerken, dass das zum Schuldspruch II angelastete Verhalten, nämlich das wiederholte Onanieren des Täters vor dem Opfer, keiner der vom Tatbild des § 212 Abs 1 StGB inkriminierten Handlungsweisen entspricht, weshalb sich Punkt III des Schuldspruchs, soweit er Idealkonkurrenz zu Punkt II annimmt, als rechtsfehlerhaft erweist (vgl im Übrigen die für den Fall einer Erfüllung des Tatbestands des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses zum Tragen kommende Subsidiaritätsklausel des § 218 Abs 1 Z 2 StGB). Da sich dieser Rechtsfehler (Z 10) darüber hinaus nicht konkret zum Nachteil des Angeklagten auswirkte, bedurfte es keiner amtswegigen Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO). Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung über die Berufung insoweit nicht an den fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS-Justiz RS0118870).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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