JudikaturJustiz14Os126/18p

14Os126/18p – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Dezember 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Kontr. Bodinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Kurt W***** wegen Verbrechen nach § 3g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Geschworenengericht vom 4. September 2018, GZ 40 Hv 16/18h 24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kurt W***** – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – mehrerer Verbrechen nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt.

Danach hat er sich in F***** und an anderen Orten des Bundesgebiets auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, indem er

(1) nachstehende Bildnachrichten mittels Telegram Messenger über sein Mobiltelefon an den abgesondert verfolgten Peter B***** sendete, und zwar

a) am 20. Oktober 2016 ein Foto eines Sonnenuntergangs, wo die Sonne symbolisch das Hakenkreuz darstellt;

b) am 27. Oktober 2016 ein Foto eines blonden Kindes, das mit einer Adolf Hitler Puppe spielt, betitelt mit den Worten „Es muss nicht immer Barbie sein ...“;

c) am 8. Oktober 2016 ein Foto einer Fünf Euro Geldnote, auf der Adolf Hitler in Hitler-Gruß-Pose und einer Hakenkreuzarmbinde abgebildet ist;

d) am 17. November 2016 ein Foto des Adolf Hitler mit einer Gasflasche und einem T-Shirt mit der Aufschrift „Supergasbras“;

e) am 24. Dezember 2016 eine Abbildung des den Hitler-Gruß zeigenden Weihnachtsmannes mit Hakenkreuz-Sack und Hakenkreuzarmbinde sowie den Worten „Allen Froinden und Kameraden Ein frohes Fest 2016“;

g) am 6. April 2017 eine Abbildung eines Holzschnitzwerks mit Hakenkreuzen, dem SS-Symbol, dem Bild Adolf Hitlers und den Worten „Trittst du hier als Deutscher ein, so muss dein Gruß 'Heil Hitler' sein!“;

h) am 20. April 2017 eine von der „Kreisleitung Rothenburg o. Tbr.“ am 19. April 1937 an Stadt und Kreis Rothenburg herausgegebene Aufforderung „Fahnen heraus am Geburtstag des Führers! Der Geburtstag des Führers ist ein Freudentag der ganzen Nation! Wehende Fahnen sollen an diesem Tag Ausdruck der Freude und der Verbundenheit des Volkes mit dem Führer und seiner Bewegung sein! Darum, Volksgenossen in Stadt und Kreis Rothenburg: Beflaggt morgen, am Geburtstag des Führers, eure Häuser! Heil Hitler!“;

i) am 20. April 2017 ein Bild von Adolf Hitler und einen an diesen gerichteten Geburtstagsgruß;

j) am 28. April 2017 ein Foto eines weiblichen Models in mit Hakenkreuzen und Reichsadler versehenem Bikini mit den Worten „Die neue Strandmode für die türkische Riviera ist da!“

Rechtliche Beurteilung

Die aus § 345 Abs 1 Z 11 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Die Anfechtung des Urteils eines Geschworenengerichts mittels Rechts- oder Subsumtionsrüge (§ 345 Abs 1 Z 11 und 12 StPO) setzt einen Vergleich der im Wahrspruch der Geschworenen enthaltenen und damit festgestellten Tatsachen mit dem darauf angewendeten Strafgesetz voraus. Dabei muss an den durch den Wahrspruch festgestellten Tatsachen festgehalten und aus dem Wahrspruch selbst ein Rechtsirrtum nachgewiesen werden, wobei ein Rückgriff auf im Wahrspruch nicht festgestellte (angebliche) Ergebnisse des Beweisverfahrens ausgeschlossen ist (RIS Justiz RS0101089, RS0101527).

Diese Kriterien vernachlässigt die Beschwerde, indem sie die im Wahrspruch getroffenen Konstatierungen um die spekulative eigene These ergänzt, dass die inkriminierten Bilder „offensichtlich 'witzig' sein“ (Schuldspruchpunkte I/1/a bis e, i und j) oder „einfach Abbildungen von Ausstellungsstücken darstellen“ (Schuldspruchpunkte I/1/g und h) sollten, und auf dieser Basis die Tatbestandsmäßigkeit des dem Angeklagten angelasteten Verhaltens (im Sinn des § 3g VerbotsG) schon in objektiver Hinsicht mit der Begründung bestreitet, der inkriminierten Versendung solcher „rein privater Spaßnachrichten“ mit Abbildungen, in denen „lediglich nationalsozialistische Symbole und das Konterfei von Adolf Hitler verwendet wurden“, fehle die Eignung, zumindest eine der spezifischen Zielsetzungen des Nationalsozialismus (welche sich „vor allem aus dem Parteiprogramm der NSDAP ergeben“) im Inland oder mit Auswirkung auf die Republik Österreich zu propagieren und solcherart zu aktualisieren, zumal beabsichtigter Empfänger der verschlüsselten Nachrichten nur eine Person war und für die vorgenommene Subsumtion auch „eine gewisse Öffentlichkeitswirkung“ erforderlich gewesen wäre.

Sie übersieht nämlich, dass die Beurteilung der Sachverhaltsgrundlagen des normativen Tatbestandsmerkmals „nationalsozialistisch“ – einschließlich des Bedeutungsinhalts einer (auch bildlichen) Äußerung oder eines Verhaltens – auf der Feststellungsebene angesiedelt und somit den Geschworenen vorbehalten ist. Bejahen diese – wie hier – die Schuldfragen, ist davon auszugehen, dass sie eben jene Voraussetzungen als erwiesen angenommen haben, aufgrund deren das zu beurteilende Sachverhaltselement dem normativen Tatbestandsmerkmal „nationalsozialistisch“ entspricht. Dessen Bejahung ist daher einer Anfechtung mit Rechts- oder Subsumtionsrüge entzogen (RIS-Justiz RS0119234; Lässig in WK² VerbotsG § 3g Rz 17; Ratz , WK StPO § 281 Rz 618, § 345 Rz 31; vgl im Übrigen zur objektiven Eignung

propagandistischer Verwendung typisch nationalsozialistischer Symbole [wie etwa des Hakenkreuzes] Lässig in WK² VerbotsG § 3g Rz 6 mwN).

Mit dem Hinweis auf die „exorbitante Strafdrohung“ und der Vermutung, der Gesetzgeber habe zum Zeitpunkt der Erlassung des Verbotsgesetzes „mit Sicherheit nicht an die technischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts gedacht“, wird nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet, aus welchem Grund für die vorgenommene rechtliche Beurteilung die „Zugänglichmachung (der Propaganda) an eine größere Anzahl von Personen“ erforderlich gewesen wäre, obwohl das als abstraktes Gefährdungsdelikt konzipierte Verbrechen nach §

3g VerbotsG nach dem Gesetzeswortlaut auf der objektiven Tatseite weder eine konkrete Gefährdung noch eine qualifizierte

Publizitätswirkung verlangt (vgl dazu Lässig in WK² VerbotsG §

3g Rz 8 mwN; RIS-Justiz RS0079825 [T4]).

Soweit die Rüge im Folgenden einen (subintelligiert) bejahten (RIS-Justiz RS0089089, RS0113270; § 7 Abs 1 StGB iVm Art I Abs 1 StRAG, BGBl 1974/422) Vorsatz des Beschwerdeführers auf Betätigung im nationalsozialistischen Sinn mit der Behauptung bestreitet, auch dieser habe die Abbildungen „offensichtlich belustigend“ gefunden, erschöpft sie sich in unzulässiger Kritik an der Beweiswürdigung der Geschworenen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Indem sie auf Basis der (solcherart verfehlten) Prämisse eines „Verhaltens ohne Vorsatz“ unter Berufung auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (B 1824/88) die These aufstellt, dem Angeklagten könnten bloß Verwaltungsstraftatbestände (Art III Abs 1 Z 4

EGVG 2008 sowie [gemeint: § 3 Abs 1 iVm] § 1 Abs 1 Abzeichengesetz) zur Last gelegt werden, nimmt sie ein weiteres Mal nicht Maß an den im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materiell rechtlicher Nichtigkeit (vgl erneut RIS Justiz RS0101527).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§§ 285i, 344 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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