JudikaturJustiz14Os122/22f

14Os122/22f – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Dezember 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Dezember 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M., den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Sadoghi in Gegenwart des Schriftführers Mag. Lonin in der Strafvollzugssache der * V* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe nach § 46 Abs 1 StGB, AZ 24 BE 121/22b des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht, über den Antrag des Generalprokurators gemäß § 362 Abs 1 Z 2 StPO betreffend den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 14. September 2022, AZ 7 Bs 148/22x (ON 9), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

In Stattgebung des Antrags des Generalprokurators wird im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens verfügt, der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom 14. September 2022, AZ 7 Bs 148/22x, aufgehoben und die Sache an dieses Gericht zur neuerlichen Entscheidung über die Beschwerde der Strafgefangenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 18. August 2022, GZ 24 BE 121/22b 4, verwiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit Beschluss vom 18. August 2022, GZ 24 BE 121/22b 4, lehnte das Landesgericht Linz als Vollzugsgericht die bedingte Entlassung der * V* nach § 46 Abs 1 StGB ab. Dieser Beschluss wurde der Strafgefangenen am 24. August 2022 zugestellt (ON 4). Die Beschwerdefrist (§ 88 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 erster Satz StVG) endete daher am 7. September 2022.

[2] Am 1. September 2022 erhob die Strafgefangene dagegen Beschwerde mittels E Mail (ON 6).

[3] Mit Beschluss vom 14. September 2022, AZ 7 Bs 148/22x, wies das Oberlandesgericht Linz als Beschwerdegericht diese infolge der prozessual unbeachtlichen Form der Eingabe (§ 84 Abs 2 erster Satz StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 erster Satz StVG; RIS Justiz RS0127859 [insb T3]) zurück.

[4] Am 6. September 2022 war fristgerecht (auch) eine postalisch aufgegebene Beschwerde der Strafgefangenen beim Landesgericht Linz als Vollzugsgericht eingelangt (Doppel ON 6). Diese hatte das Landesgericht Linz als Vollzugsgericht – entgegen § 88 Abs 3 erster Satz StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 erster Satz StVG nicht ohne Verzug an das Oberlandesgericht Linz weitergeleitet (AV ON 10).

Rechtliche Beurteilung

[5] Ob die gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht gerichtete Beschwerde der Strafgefangenen rechtzeitig eingebracht wurde, ist eine Frage tatsächlicher Natur, die das Beschwerdegericht zu entscheiden hatte. Stellt sich (wie hier) heraus, dass eine nicht vom Obersten Gerichtshof selbst getroffene letztinstanzliche Entscheidung eines Strafgerichts auf einer in tatsächlicher Hinsicht objektiv falschen Verfahrensgrundlage ergangen ist, ohne dass dem Gericht ein Rechtsfehler anzulasten ist, kommt über besonderen Antrag der Generalprokuratur eine analoge Anwendung der Bestimmungen über die außerordentliche Wiederaufnahme nach § 362 Abs 1 Z 2 StPO in Betracht (RIS Justiz RS0117416, RS0117312 [T3]; Ratz , WK StPO § 292 Rz 16, § 362 Rz 4; Fabrizy/Kirchbacher , StPO 14 § 362 Rz 1/2).

[6] Aufgrund der vom Landesgericht Linz als Vollzugsgericht erst am 26. September 2022 dem Oberlandesgericht Linz nachgereichten Beschwerdeschrift vom 6. September 2022 bestehen nach auf besonderen Antrag des Generalprokurators vorgenommener Prüfung der Akten gemäß § 362 Abs 1 Z 2 StPO erhebliche Bedenken gegen die Beurteilungsgrundlage, von der das Oberlandesgericht Linz bei seiner Zurückweisungsentscheidung ausgegangen ist. Diese können auch nicht durch einzelne vom Obersten Gerichtshof etwa angeordnete Erhebungen beseitigt werden.