JudikaturJustiz14Os103/05m

14Os103/05m – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Dezember 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eck als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hermann K***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 erster, dritter und vierter Fall StGB aF und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Hermann K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 12. Jänner 2005, GZ 39 Hv 76/04z-294, nach Anhörung des Generalprokurators und Einsicht in die Gegenäußerung in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten Hermann K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftig gewordenen Freispruch des Mitangeklagten Karl Ferdinand M***** betreffenden Urteil wurde Hermann K***** des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 erster, dritter und vierter Fall StGB idF vor dem StRÄG 2004, BGBl I 2004/15,

(1.) und der Vergehen der teils vollendeten, teils versuchten falschen Beweisaussage vor Gericht nach §§ 288 Abs 1, 15 StGB als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB (2.) schuldig erkannt. Danach hat er in Salzburg

1. von Anfang März bis Anfang April 2001 mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßigen Unzucht einer anderen Person, nämlich der Katsiaryna V***** und Olga G***** (früher: Volha M*****), eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diese beiden Personen zugleich ausgebeutet und ihnen die Bedingungen der Ausübung der Unzucht vorgeschrieben, indem Hermann K***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgen Oleg M*****, Katasiaryna V***** und Olga G***** zur Ausübung ihres Gewerbes in seinem Bordell „H*****" verpflichtete und ihnen die dortigen Bedingungen der Ausübung zur Unzucht dadurch vorschrieb, dass Karl Ferdinand M***** oder eine andere Person über Hermann K*****s Auftrag Katsiaryna V***** und Olga G***** die dort geltenden Modalitäten wie Arbeitszeit und Preise vorgab und ihnen über die genannten Hilfskräfte ab einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt verbot, ohne Begleitung das Bordell zu verlassen, wobei Karl Ferdinand M***** Katsiaryna V***** und Olga G***** auch selbst begleitete;

2. um den 20. November 2001 dadurch, dass er Horst E***** aufforderte, Raphael Ludwig D***** und Rupert Günther D***** aufzusuchen und sie aufzufordern, unter Anbot eines Geldbetrages von 50.000 S an Raphael Ludwig D***** bzw 250.000 S an Rupert Günther D***** anlässlich ihrer Zeugenaussage in dieser Strafsache vor dem Untersuchungsrichter ihre Angaben gegenüber der Polizei, dass Hermann K***** der Betreiber des Bordells „H*****" gewesen sei, zu widerrufen, Raphael Ludwig D***** und Rupert Günther D***** dazu bestimmt, vor Gericht als Zeugen bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch auszusagen (Vernehmung des Raphael Ludwig D***** vom 26. November 2001, ON 95a), wobei es bezüglich Rupert Günther D***** (Einvernahme vor dem Untersuchungsrichter vom 28. November 2001, ON 99) beim Versuch geblieben ist.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 2, 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Hermann K*****, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Nominell unter § 281 Abs 1 Z 2 StPO (inhaltlich Z 3) rügt der Beschwerdeführer die Vernehmung des Zeugen Horst E***** ohne eine entsprechende Belehrung durch die Vorsitzende über ein ihm zustehendes Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO, weil er zum gegenständlichen Sachverhalt vor der Untersuchungsrichterin noch (vgl den ihn betreffenden Verfolgungsverzicht; S 1 ttt) als Beschuldigter vernommen worden sei und er sich bei seiner Vernehmung als Zeuge in der Hauptverhandlung auf seine Verantwortung als Beschuldigter berufen habe (S 397/X).

Das Gesetz billigt das Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StPO keineswegs allen Zeugen zu, die sich im Zusammenhang mit einem gegen sie geführten Strafverfahren der Möglichkeit ausgesetzt haben, sich selbst zu belasten. Vielmehr verlangt es ausdrücklich eine Selbstbelastungsgefahr, vor der solche Zeugen geschützt werden sollen. Ist diese Selbstbezichtigung im Rahmen einer vor Gericht abgelegten Aussage - sei es als Zeuge, sei es als Beschuldigter iSd § 38 Abs 3 StPO - bereits geschehen, ist mit deren bloßer Wiederholung grundsätzlich keine solche Gefahr mehr verbunden, weil in seinem Verfahren ohnehin die Garantien der EMRK, insbesondere auch im Bezug auf § 245 StPO eingehalten werden müssen (13 Os 109/00, EvBl 2001/26, 107 = JBl 2001, 738; Fabrizy StPO9 § 152 Rz 4). Da der in der Rüge genannte Zeuge zu dem angesprochenen Beweisthema bereits als Beschuldigter vor der Untersuchungsrichterin ausgesagt (vgl ON 109/V) und sich bei seiner Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung ausdrücklich auf diese Angaben bezogen hatte, bestand für die Vorsitzende keine Veranlassung für eine Belehrung dieses Zeugen nach § 152 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StPO. Die Beschwerde zeigt aber - entgegen dem Gebot zur deutlichen und bestimmten Bezeichnung jener Verfahrensergebnisse, welche die erforderliche Sachverhaltsgrundlage (§ 152 Abs 5 erster Satz StPO) für die behauptete Zeugnisbefreiung bilden (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 223 mwN) - kein Sachverhaltssubstrat auf, aus dem nach der Verfahrenslage zur Zeit der hier relevanten Befragung des Zeugen Horst E***** in der Hauptverhandlung am 12. Jänner 2005 zu besorgen war, dieser könnte sich durch die Aussage selbst belasten. Im Übrigen ist aus dem Hinweis des sich auf die Angaben als Beschuldigter berufenden Zeugen, wonach es aus der Erinnerung nichts gebe, was er ergänzen oder korrigieren wolle (S 397/X), der (in der Rüge vermutete) „Wunsch, nicht weiter aussagen zu wollen", nicht abzuleiten.

Mit der Verfahrensrüge (Z 4) bekämpft der Nichtigkeitswerber die Abweisung seines Antrags auf „kriminaltechnische Auswertung" zweier von ihm vorgelegter Tonbandkassetten zum Beweis dafür, dass Rupert und Raphael D***** nicht einer Anstiftung zu einer eventuellen Falschaussage bedurften, sondern dass sie sehr wohl bereits entschlossen waren, diese Aussage zu ändern, es hier jedoch lediglich um Erpressung zum Nachteil des Hermann K***** gegangen ist" (S 408/X).

Das Erstgericht ging davon aus, dass Horst E***** - nachdem er mit Rupert D***** die Zahlung von 500.000 S für eine Änderung der bis dahin den Angeklagten belastenden Aussage bereits vereinbart hatte - anlässlich eines weiteren Treffens, bei dem er diese Tonbandaufnahmen herstellte, das vorangegangene Gespräch bei dieser nachfolgenden Unterredung mit Rupert D***** dahin zusammenfasste, dieser habe gegenüber dem Beschwerdeführer eine Forderung von 500.000 S gestellt (US 19 f). Diese Feststellung stützte es auf die auch vom Angeklagten nicht in Frage gestellten Angaben des Horst E***** als (vormals) Beschuldigter und als Zeuge in der Hauptverhandlung (vgl ON 109/V; S 397 ff, insbesondere US 403/X).

Dem Beweisbegehren auf kriminaltechnische Auswertung der vom Verteidiger vorgelegten Tonbandkassetten ist einerseits nicht zu entnehmen, inwieweit nach dem Inhalt des dort aufgezeichneten Gesprächs neue und über die vom erkennenden Gericht (auf der Basis der von Horst E***** deponierten Schilderung) angenommenen Passagen hinausgehende Aussagen vorliegen, welche zur Entlastung des Rechtsmittelwerbers beitragen könnten. Andererseits lässt dieser Antrag jegliche Konkretisierung vermissen, weshalb es einer „kriminaltechnischen Analyse" dieser Gesprächsaufzeichnung bedarf, um neue schulderhebliche Beweisergebnisse zu erlangen. Dem Schöffengericht ist daher beizupflichten, dass der gerügte Beweisantrag insoweit in Richtung eines unzulässigen Erkundungsbeweises (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f) hinauslief. Auf die in der Beschwerde nachgeholte Begründung war hingegen nicht weiter einzugehen, weil allein der im Zeitpunkt der kritisierten Entscheidung des Schöffensenats vorliegende Antrag den Gegenstand der Überprüfung bildet (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325). Auch durch die Ablehnung des Beweisantrags auf Vernehmung der Zeugen Dr. Gottfried M***** und Dr. Anton S***** zum Beweis dafür, dass „seitens der BPD Salzburg und auch von Seiten einer weiteren Sicherheitsbehörde des Landes Salzburg ein Fonds oder was auch immer darunter zu verstehen ist, (existiert), wenn GI Sch***** sagt, dass hier Geld von der Behörde, welches den Zeugen für Aufwandsentschädigung und dergleichen zur Verfügung gestellt wird" (S 407/X), wurden Verteidigungsrechte nicht verletzt. Eine weitere Beweisaufnahme war schon deswegen nicht geboten, weil das Erstgericht ohnehin davon ausging, dass diese Geldübergabe einerseits zur Finanzierung der Ausreise der Ehefrau des Rupert D***** aus ihrer Heimat, andererseits als Fahrtkostenersatz für Raphael D***** tatsächlich erfolgt war (US 17 und 32).

Der nominell als Verfahrensrüge (inhaltlich Z 5 vierter Fall) vorgebrachten Kritik einer unzulässigen Verwertung des Urteils des Obersten Gerichtshofes (AZ 14 Os 87/04 - ON 291) zum gegen den Angeklagten früher geführten Verfahren 8 Hv 1097/01w des Landesgerichtes Ried, obwohl diese Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen sei, ist zu erwidern, dass am Schluss der Hauptverhandlung am 12. Jänner 2005 einverständlich der gesamte Akteninhalt verlesen und infolge Verzichts auf die tatsächliche Vorlesung auch dieses Urteil von der Vorsitzenden resümierend vorgetragen wurde (S 410 f/X).

Der weiteren Kritik zuwider verstößt die urteilsmäßige Bezugnahme auf den infolge Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde durch den Obersten Gerichtshof bereits rechtskräftigen Schuldspruch des Angeklagten im Verfahren 8 Hv 1097/01w des Landesgerichtes Ried (auch wenn über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe durch das Oberlandesgericht im Zeitpunkt der nunmehrigen Hauptverhandlung noch nicht entschieden war) keineswegs gegen die Unschuldvermutung. Diese Verurteilung konnte daher aufgrund der bereits dargelegten Verlesung in der Hauptverhandlung auch in der Begründung verwertet werden. Die Mängelrüge (Z 5) bringt zunächst vor, das Erstgericht habe den im Organizer des Angeklagten eingespeicherten Namen „Kellner Ralf" (= Raphael D*****) mit dem Zusatz „94" (= das im Schuldspruch 1. genannte Bordell „H*****") unter Verstoß gegen ein „Beweismittelverbot (gemeint offenbar: Beweisverwertungsverbot), nämlich als ohne Genehmigung der Überwachung einer Telekommunikation aus dem Nummernregister eines sichergestellten Handys erlangten Beweis verwertet. Sie übergeht dabei, dass sich diese Daten aus dem beim Rechtsmittelwerber im Zuge einer Hausdurchsuchung sichergestellten (S 319/V und 113/VII) Organizer - also einem beschlagnahmten Beweismittel - abgelesen wurden. Entgegen der Argumentation des Nichtigkeitswerbers bedürfte eine solche Beweismittelgewinnung selbst dann, wenn sie unter Verwendung eines zur Telekommunikation nutzbaren Gerätes erfolgen würde, keiner gesonderten Genehmigung im Sinne der §§ 149a ff StPO (vgl Reindl, WK-StPO § 149a Rz 50). Im Übrigen sind die von Hermann K***** in einem eigenen (nicht im Handy integrierten) Organizer gespeicherten Telefonnummern samt Zusätzen keine Daten aus einer Telekommunikation iSd § 149a StPO.

Auch zum behaupteten - nicht näher substantiierten - Gesetzesverstoß, der darin gelegen sein soll, dass von Seiten der Salzburger Polizei Geldbeträge (3.000,-- und 500,-- S) an zwei Zeugen geleistet wurden, legt der Beschwerdeführer nicht dar, inwieweit dieser vom Erstgericht festgestellte Vorgang (US 17, 32) einen Begründungsmangel des Urteils (Z 5) oder eine mit Nichtigkeit bedrohte Gesetzesverletzung (Z 3) zur Folge haben sollte. Vielmehr versucht er damit lediglich die von den Tatrichtern angenommene Überzeugungskraft der Aussagen der Brüder D***** in Frage zu stellen.

Die Diskrepanz zwischen den belastenden Angaben der Zeuginnen Katsiaryna V***** und Olga G***** einerseits und der eigenen leugnenden Verantwortung sowie den entlastenden Angaben des Mitangeklagten Karl M***** andererseits wurde in den Gründen ausführlich erörtert (US 28 f), sodass von einem stillschweigenden Übergehen der für den Rechtsmittelwerber sprechenden Beweisergebnisse keine Rede sein kann.

Weshalb das Urteil in entscheidungswesentlichen Bereichen „unvollständig" geblieben sein soll, weil das Schöffengericht keine Feststellungen zur Aussage der Zeugin Katsiaryna V***** getroffen hat, wonach sie von einem Beamten der Kriminalpolizei über die vor ihrer sicherheitsbehördlichen Vernahmung durchgeführte Observation informiert wurde und Einblick in bei dieser Überwachung angefertigte Lichtbilder hatte (S 373/X), vermag selbst der Rechtsmittelwerber nicht darzulegen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) setzt den vom erkennenden Gericht getroffenen Feststellungen jeweils Beweisergebnisse gegenüber, aus denen sie eigenmächtig andere Konstatierungen ableitet. Solcherart bekämpft sie lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter, ohne auf Basis des getroffenen Urteilssachverhalts eine fehlerhafte rechtliche Beurteilung aufzuzeigen.

Gleiches gilt für die aus dem Freispruch des Zweitangeklagten gezogenen, aber den Urteilsannahmen zuwiderlaufenden Rückschlüsse auf fehlende Tathandlungen des Angeklagten zum Schuldspruch 1. Weshalb die Person des Mieters beim Objekt „H*****" oder die genaue Höhe der von den Prostituierten lukrierten Einnahmen für die rechtliche Qualifikation von Bedeutung sein sollten, wird in der Beschwerde nicht dargetan.

Dass die ausgebeuteten Prostituierten ihre Einnahmen von den Freiern direkt kassierten, wurde der Beschwerde zuwider im Urteil ausdrücklich angenommen (US 8). Soweit sie die tägliche „Abrechnung" derselben mit dem vom Angeklagten K***** damit beauftragten Zweitangeklagten M***** in Frage stellt, geht die Rechtsrüge nicht von den diesbezüglichen Konstatierungen des Schöffengerichts aus. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).

Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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