JudikaturJustiz14Os10/04

14Os10/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Februar 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Norbert M***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Wolfgang K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 4. April 2003, GZ 28 Hv 1086/01t-45, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wolfgang K***** und aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil - auch den Angeklagten Norbert M***** betreffend, sohin zur Gänze - aufgehoben und die Sache an den Einzelrichter des Landesgerichtes Linz zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Wolfgang K***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Norbert M***** (der diese Entscheidung in Rechtskraft erwachsen ließ) und Wolfgang K***** (versehentlich) des "Verbrechens" (richtig: des Vergehens) des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt. Danach haben sie von März bis September 1999 in Linz in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der T*****AG dadurch, dass Norbert M***** als zahlungsfähiger und zahlungswilliger Kunde auftrat, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Freischaltung sowie Benützung der Telefonanschlüsse

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wolfgang K*****, der Berechtigung zukommt.

Zutreffend zeigt der Beschwerdeführer in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) auf, dass das Erstgericht zwar hinsichtlich Norbert M***** einen Täuschungs- und Schädigungsvorsatz sowie einen solchen auf unrechtmäßige Bereicherung (jedenfalls auch; zu den insoweit bestehenden Widersprüchen vgl unten) bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags über die Telefonnutzung annahm (US 8 dritter Absatz), in Bezug auf den Beschwerdeführer einen solchen Vorsatz aber erst im Mai 1999, also nach Freischaltung der inkriminierten Telefonanschlüsse konstatierte (US 7 f). Die subjektive Tatseite wurde überdies nicht näher dahin konkretisiert, wen K***** bei laufendem Vertrag zur Telefonanschlussnutzung über die ab diesem Zeitpunkt fehlende Zahlungsfähigkeit und -willigkeit des Norbert M***** getäuscht (bzw an einer Täuschung mitgewirkt - § 12 StGB) hat und inwieweit eine derartige Täuschung schadenskausal war. Grundsätzlich könnte eine Täuschung iSd § 146 StGB auch durch Unterlassen (§ 2 StGB) begangen werden (vgl Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 146 Rz 85). Eine garantenbegründende Aufklärungspflicht - fallbezogen etwa über die bei laufendem Vertragsverhältnis fehlende Zahlungsfähigkeit des Norbert M***** als Geschäftspartner der T***** AG - käme aber nur bei besonderen Vertrauensverhältnissen oder auf Grund eines vorangegangenen (nicht vorsätzlich irreführenden) Verhaltens iSd Ingerenzprinzips in Betracht (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 26; Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 146 Rz 89 ff). Dazu fehlen aber jegliche Feststellungen im Ersturteil. Die Urteilsannahmen bringen daher lediglich einen beim Tatbestand des Betruges nach § 146 StGB grundsätzlich straflosen dolus subsequens zum Ausdruck (vgl Kienapfel/Höpfel AT10 Z 15 Rz 16). Schon dieser Mangel an Feststellungen hindert daher eine abschließende Beurteilung des inkriminierten Sachverhalts.

Dem Urteil haftet aber auch der gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO an, der sich zum Nachteil des die Entscheidung nicht bekämpfenden Angeklagten Norbert M***** auswirkt.

Das Erstgericht stellt bei Norbert M***** einen schon bei Vertragsabschluss im März 1999 bestehenden Betrugsvorsatz fest (US 8 dritter Absatz). Andererseits entwickelten die beiden Angeklagten erst im Mai 1999 den Plan, von den bereits freigeschalteten Telefonnummern aus den von Wolfgang K***** betriebenen Mehrwertdienst (über den normalerweise fremde Telefonate, die bei Wahl der angemieteten Mehrwertdienstnummer auf einen der inkriminierten Anschlüsse umgeroutet werden, wobei die Telefongesellschaft dem Mehrwertdienstbetreiber einen Anteil an den beim Anrufer auflaufenden Telefonkosten überweist; vgl US 6) in Anspruch zu nehmen, um durch diese "Selbstanrufe" die von der T***** AG auszuzahlenden Gesprächsgebührenanteile zu lukrieren (US 7).

Sämtliche (Konstatierungen nachholenden) Argumente der Tatrichter zum Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz des Norbert M***** stellen darauf ab, dass erst die drei Monate nach Abschluss des Vertrages mit der T***** AG beginnende Nutzung der eigenen Telefonanschlüsse zur Anwahl der vom Zweitangeklagten Wolfgang K***** gemieteten Mehrwertnummer ein betrügerisches Vorgehen indiziere (US 10 ff).

In Bezug auf die vor Abschluss dieses Vertrages liegenden Zeiten konstatierten die Erstrichter hingegen ausdrücklich, dass nach Auffassung beider Angeklagter der mit den inkriminierten Telefonanschlüssen (auf welche die einlangenden Gespräche umgeleitet wurden) angestrebte Telefondienst "einen hohen Ertrag bringen würde" und daher "gewinnträchtig" sei (US 4). Diese Einschätzung stellte sich erst nach Aufnahme des Mehrwertdienstes als falsch heraus (US 6 f). Bezeichnenderweise gehen die erkennenden Richter unter Bezugnahme auf ein nach der ersten hohen Telefonrechnung im Mai 1999 gestelltes Ratenansuchen des Norbert M***** davon aus, ihm sei "zumindest ab diesem Zeitpunkt" klar gewesen, dass auch sein Komplize Wolfgang K***** die Rechnungen nicht bezahlen werde" (US 9 f), sodass "jedenfalls ab diesem Zeitpunkt sein (Norbert M*****s) betrügerisches Wirken und auch sein Schädigungsvorsatz offenkundig sind" (US 10). Daher liegen widersprüchliche Urteilsannahmen zum bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit der T***** AG beim Angeklagten M***** vorhandenen Betrugsvorsatz vor, die einer Subsumtion des Sachverhalts unter §§ 146 f StGB entgegenstehen (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 570).

Da somit die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, war der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wolfgang K***** bei der nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben, überdies in amtswegiger Wahrnehmung des dem Mitangeklagten Norbert M***** zu statten kommenden Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO das Urteil zur Gänze aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den (im Hinblick auf die seit Anklageerhebung geänderte Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB; § 61 StGB iVm Art XII Abs 1, Art I Z 23 StRÄG 2001) zuständigen Einzelrichter des Landesgerichtes Linz (§ 10 Z 2 StPO) zu verweisen. Im zweiten Rechtsgang wird im Sinne der Ausführungen des Obersten Gerichtshofes zu beachten sein, dass in Bezug auf den inkriminierten Sachverhalt lediglich ein bereits bei Vertragsabschluss bestehender Täuschungs- und Schädigungsvorsatz verbunden mit dem Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung tatbestandsmäßig im Sinne eines Betruges nach § 146 StGB sein kann. Ein erst nach Aufnahme der Geschäftsbeziehungen mit der T***** AG gefasster "Betrugs"-Vorsatz wäre daher als dolus subsequens mangels täuschungskausaler Schädigung grundsätzlich straflos. Ein Betrug durch Unterlassen würde hingegen Konstatierungen zu einem auf Grund des Telefonanschlussvertrages bestehenden besonderen Vertrauensverhältnis oder zu einem vorangegangenen (nicht vorsätzlich irreführenden) Verhalten iSd Ingerenzprinzips voraussetzen.

Auf der Basis des von der Anklage erfassten Sachverhalts (ON 12) wäre auch eine Strafbarkeit nach §§ 146 f StGB in Bezug auf betrügerisch angestrebte Einnahmen aus einer Inanspruchnahme von Mehrwertdienstleistungen zu prüfen gewesen (vgl 13 Os 104/01, EvBl 2002/127, 461; 14 Os 167/96). Da aber das Ersturteil über diesen, einen durch Täuschung erlangte Erlöse aus Mehrdienstleistungsgebühren betreffenden und daher anderen als den im Anklage- und Urteilstenor inkriminierten Sachverhalt - von der Staatsanwaltschaft iSd § 281 Abs 1 Z 7 StPO unbekämpft - nicht abgesprochen hat, sodass damit inhaltlich ein Freispruch vorliegt (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 526), wird darauf im zweiten Rechtsgang nicht mehr Bedacht zu nehmen sein.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Wolfgang K***** auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Rechtssätze
6