JudikaturJustiz13Os81/15h

13Os81/15h – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. September 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. September 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Wüstner als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Johann L***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 5. Mai 2015, GZ 10 Hv 141/12z 314, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann L***** mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat er in den Jahren 1996 bis 2008 im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes Judenburg Liezen gewerbsmäßig vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige , Offenlegungs und Wahrheitspflichten Verkürzungen an Einkommensteuer um insgesamt zumindest 8.300.000 Euro bewirkt, indem er Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs 3 Z 3 EStG iVm § 23 Z 1 EStG) in den jeweiligen Jahressteuererklärungen verschwieg (US 12 f).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung (ON 313 S 11) des Antrags auf Vernehmung mehrerer Zeugen zum Beweis dafür, dass „der Angeklagte im Besitz der (gemeint) 12.000 A***** Genussscheine gewesen sei, er sehr wohl über eine geordnete Buchhaltung verfügt habe, er selbst über den Wert der Genussscheine getäuscht worden sei, und er sämtliche Einlagen (Darlehen) auch zurückzahlen hätte wollen“ (ON 313 S 10 iVm ON 310), Verteidigungsrechte schon deshalb nicht verletzt, weil der Beweisantrag nicht erkennen ließ, warum die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und solcherart eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung anstrebte (11 Os 152/03, RZ 2004, 140; RIS Justiz RS0118444).

Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer die angesprochenen Genussscheine nach den dem rechtskräftigen Schuldspruch des Landesgerichts Leoben vom 31. März 2011 wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (ON 285a S 3 f) zugrundeliegenden Urteilskonstatierungen tatsächlich niemals gehalten, er dies vielmehr den Geschädigten bloß vorgetäuscht hat (ON 285a S 9 und 11). Da die materielle Rechtskraft eines strafgerichtlichen Schuldspruchs bewirkt, dass dadurch (vorbehaltlich einer hier nicht aktuellen allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens) für den Rechtskreis des Angeklagten mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt ist, dass jener die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des betreffenden Urteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (RIS Justiz RS0112232), zielte der Beweisantrag in Bezug auf die Genussscheine auch auf (rechtlich) Unmögliches (§ 55 Abs 2 erster Satz StPO).

Soweit der Antrag auf den Nachweis des Bestehens einer „geordneten Buchhaltung“ gerichtet war, bezog er sich zudem nicht auf schuld oder subsumtionsrelevante Umstände (siehe aber § 55 Abs 2 Z 1 und 2 StPO).

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) ist die Begründung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 6) keineswegs „unschlüssig“ (Z 5 vierter Fall). Die Ableitung dieser Feststellungen aus dem objektiven Tatgeschehen, also dem jahrelangen Verschweigen von Einkünften aus Gewerbebetrieb in der Höhe von zumindest 16.600.000 Euro in den Jahressteuererklärungen, im Zusammenhalt mit der beruflichen Stellung sowie der Ausbildung des Beschwerdeführers als Unternehmer, Bankfachmann und Finanzberater (US 8) entspricht den Gesetzen logischen Denkens ebenso wie grundlegenden Erfahrungssätzen und ist solcherart unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (14 Os 72/02, SSt 64/39; RIS Justiz RS0116732 und RS0118317).

Indem die Beschwerde aus der vom Erstgericht ausdrücklich erörterten (Z 5 zweiter Fall [US 8]) Verantwortung des Beschwerdeführers für diesen günstige Schlüsse ableitet, wendet sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Weshalb aus einer in der Hauptverhandlung vorgelegten Beilage (ON 313 S 7) über Zahlungen an den D***** erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen resultieren sollen, lässt die Tatsachenrüge (Z 5a) nicht erkennen.

Im über diesen Einwand hinausgehenden Umfang fehlt es der Beschwerde am unter dem Aspekt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes unerlässlichen Aktenbezug (13 Os 60/03, SSt 2003/47; RIS Justiz RS0117516, RS0117749 und RS0119310).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) entwickelt die Behauptung, die gegenständlichen Einkünfte seien nicht einkommensteuerpflichtig, nicht auf der Basis der Urteilsfeststellungen und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinzugefügt, dass die tatrichterlichen Konstatierungen den Schuldspruch sehr wohl tragen:

Das Erstgericht stellt nämlich fest, dass der Beschwerdeführer als Finanzberater 13 Jahre hindurch Zahlungen von Kunden in der Gesamthöhe von zumindest 16.600.000 Euro gewerbsmäßig einnahm (US 5 f).

Damit erfüllte er den Einkommensteuertatbestand des § 23 Z 1 EStG, wonach Einkünfte aus Gewerbebetrieb solche aus einer selbstständigen, nachhaltigen Betätigung sind, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt (wobei die Betätigung weder als Ausübung der Land und Forstwirtschaft noch als selbstständige Arbeit anzusehen ist).

Dass dieses Verhalten hier überdies dem Straftatbestand des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB zu unterstellen ist, ändert an der abgabenrechtlichen Beurteilung nichts, weil sich diese nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt des Sachverhalts richtet, auch wenn das zu prüfende Verhalten gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (RIS Justiz RS0109799 und RS0119095).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Hinzugefügt sei, dass das Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) seiner Individualisierungsfunktion (hiezu 13 Os 164/02, SSt 2003/14; RIS Justiz RS0117435; Lendl , WK StPO § 260 Rz 9 f) nicht gerecht wird. Ausgehend vom finanzstrafrechtlichen Tatbegriff (dazu eingehend Lässig in WK 2 FinStrG Vorbem Rz 7 bis 15 mwN) wird nämlich aus dem Referat (US 2) nicht klar, auf welche einzelnen Taten sich die vorgenommene Subsumtion bezieht (13 Os 105/08b, SSt 2009/18; 13 Os 18/11p, SSt 2011/28; jüngst 13 Os 8/15y). Abgesehen davon, dass die insoweit zur Verdeutlichung heranzuziehenden (RIS Justiz RS0116587) Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) die einzelnen Taten sehr wohl individualisieren (US 6 iVm US 7), hat dieser Formfehler aber schon deswegen auf sich zu beruhen, weil er von der Nichtigkeitsbeschwerde nicht aufgegriffen wurde.

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Diesbezüglich sei festgehalten, dass das Erstgericht die Strafe verfehlt nach § 38 Abs 1 FinStrG idF BGBl I 2012/112 aussprach. Die Übergangsbestimmung des § 265 Abs 1p FinStrG normiert nämlich, dass (unter anderem) § 38 FinStrG in der vor Inkrafttreten der FinStrG Novelle 2010 BGBl 2010/104 (1. Jänner 2011) geltenden Fassung auf wie hier vor Inkrafttreten dieser Novelle begangene Finanzvergehen weiterhin anzuwenden ist. Tatzeitrecht und Urteilszeitrecht sind daher insoweit ex lege identisch, was (da § 38 Abs 1 FinStrG hier sowohl für die Subsumtion als auch für den Strafrahmen maßgebend ist) gemäß § 4 Abs 2 FinStrG zur Anwendung des Tatzeitrechts führt. Da § 38 Abs 1 FinStrG in der solcherart gemäß § 21 Abs 2 erster Satz FinStrG anzuwendenden Fassung BGBl I 2005/103 bei einem (hier aktuellen) strafbestimmenden Wertbetrag von mehr als 3.000.000 Euro neben der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sieben Jahren androhte, wirkt der aufgezeigte Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten, womit er (mangels Urteilsanfechtung zu dessen Nachteil) auf sich zu beruhen hat.

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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