JudikaturJustiz13Os64/17m

13Os64/17m – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. September 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Verbandsverantwortlichkeitssache der T***** GmbH wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a, Abs 3 lit c FinStrG iVm § 28a Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des belangten Verbandes gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 8. März 2017, GZ 31 Hv 4/16s 23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem belangten Verband fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die T***** GmbH – im zweiten Rechtsgang – gemäß § 3 Abs 1 Z 1 und 2 (zu ergänzen: Abs 2) VbVG für die §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a (zu ergänzen: und lit b), Abs 3 lit c FinStrG unterstellten Taten des Hans S*****, die dieser als mit rechtsgeschäftlicher Generalhandlungsvollmacht ausgestattete Person und als faktischer Geschäftsführer (§ 2 Abs 1 Z 1 und 3 VbVG) unter Verletzung ihr obliegender Pflichten zu ihren Gunsten rechtswidrig und schuldhaft begangen hatte, verantwortlich erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 3, 4 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des belangten Verbandes geht – wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – fehl.

Der Erledigung der Verfahrensrüge ist Folgendes voranzustellen:

Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 19. September 2014, GZ 35 Hv 4/14x-438a, wurde Hans S***** des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und b, Abs 3 lit c FinStrG schuldig erkannt, weil er als faktischer Geschäftsführer der T***** GmbH im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit anderen Personen die Anmeldung und die Abfuhr der durch erstmalige Abgabe von Mineralöl des KN Codes 2710 1999 im Steuergebiet zur Verwendung als Treibstoff entstandene Mineralölsteuer unter Verwendung inhaltlich falscher Urkunden sowie von Scheingeschäften oder anderen Scheinhandlungen, somit unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige , Offenlegungs oder Wahrheitspflichten, anlässlich von 254 Liefervorgängen zwischen 28. Juni 2011 und 5. Dezember 2011 unterließ und dadurch vorsätzlich Verkürzungen an Mineralölsteuer um insgesamt 3.172.822,63 Euro, sohin in einem 500.000 Euro übersteigenden strafbestimmenden Wertbetrag bewirkte (ON 9).

Dagegen gerichtete Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten und des belangten Verbandes wies der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 9. März 2016, GZ 13 Os 82/15f 10, zurück, womit der Schuldspruch in Rechtskraft erwuchs (ON 7).

Die materielle Rechtskraft des Schuldspruchs bewirkt, dass sich der Verurteilte – vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens – gegenüber niemandem darauf berufen kann, dass er die Tat, deretwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, tatsächlich nicht begangen hätte (RIS Justiz RS0112232; Lewisch , WK StPO Vor §§ 352–363 Rz 50 ff).

Da dem belangten Verband im Verfahren gegen Hans S***** die Rechte des Beschuldigten zukamen (§ 15 Abs 1 zweiter Satz VbVG), ihm daher bereits bei dieser Gelegenheit die Möglichkeit offenstand, zu den Vorwürfen, für die er verantwortlich erklärt werden könnte, Stellung zu nehmen und er den Schuldspruch seines Entscheidungsträgers auf gleiche Weise wie dieser bekämpfen konnte, erstreckt sich die Bindungswirkung auch auf ihn.

Mit Zweifeln an der Verhandlungsfähigkeit des Hans S*****, der als (zwischenzeitig im Firmenbuch eingetragener) Vertreter und rechtskräftig verurteilter Entscheidungsträger des belangten Verbandes von seinem Recht Gebrauch machte, zur Sache keine Aussage zu tätigen (§ 17 Abs 2 VbVG), „psychisch fertig“ und vollzugsuntauglich sei, lässt die Rüge übrigens weder einen Bezug zum geltend gemachten (Z 3) noch zu einem anderen Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 StPO erkennen. Gleiches gilt für Spekulationen, was der Genannte im Fall von „Verhandlungsfähigkeit“ hätte darlegen können.

In das Recht des belangten Verbandes, über seine Vertretung im Verbandsverantwortlichkeitsverfahren selbst zu entscheiden, darf das Gericht nicht eingreifen (vgl Hilf/Zeder in WK 2 VbVG § 16 Rz 4 ff, 7). Im Fall des Einschreitens eines Wahlverteidigers besteht bei bewusst eingegangener Interessenkollision auch keine Pflicht des Gerichts, für den belangten Verband eine andere Vertretung zu bewirken (§ 16 Abs 2 VbVG; vgl dazu auch Hilf/Zeder in WK 2 VbVG § 16 Rz 7, 10).

Dem Vorwurf fehlender Individualisierung (Z 3) zuwider ist dem Erkenntnis deutlich zu entnehmen, für welche Straftaten der belangte Verband aufgrund welcher Umstände verantwortlich erklärt wurde (US 1 f). Die im Referat der entscheidenden Tatsachen erfolgte pauschale Zusammenfassung gleichartiger Einzeltaten zu einer gleichartigen Verbrechensmenge genügt dem Individualisierungsgebot (RIS Justiz RS0119552).

Auch der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) kommt keine Berechtigung zu. Da die Anträge ausschließlich darauf zielten nachzuweisen, dass die T***** GmbH aus unterschiedlichen Gründen als Steuerschuldnerin ausscheide, oder darauf, dass Hans S***** die ihm angelasteten Straftaten nicht begangen habe oder niemals „steuerlich Wahrnehmender“ der T***** GmbH war (ON 22 S 7 iVm ON 21 S 10 f), verfielen sie zu Recht der Abweisung. Zufolge materieller Rechtskraft des gegen den Entscheidungsträger ergangenen Schuldspruchs, der – wie bereits dargelegt – auch für den belangten Verband in seinem Verfahren Bindungswirkung entfaltet

(vgl dazu auch Zwettler , Zur Bindung an das Strafurteil im Lichte des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes [VbVG]

JAP 2013/2014, 14), war über die Steuerschuld der T***** GmbH und die Tatbegehung durch ihren Entscheidungsträger bereits abgesprochen (RIS Justiz RS0112232).

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des belangten Verbandes wird im Fall des § 3 Abs 2 VbVG durch die rechtswidrige und schuldhafte Begehung einer Tat durch einen Entscheidungsträger begründet ( Hilf/Zeder in WK 2 VbVG § 3 Rz 22, 24). Weshalb der Schuldspruch des faktischen Geschäftsführers des belangten Verbandes die Annahme einer rechtswidrigen und schuldhaften Entscheidungsträgertat nicht tragen sollte (vgl dazu Hilf/Zeder in WK 2 VbVG § 2 Rz 18; Kirchbacher in WK 2 StGB § 161 Rz 13), leitet die Rüge (der Sache nach Z 9 lit a) nicht aus dem Gesetz ab. Indem sie die Straftat des Hans S***** bestreitet oder für dessen Schuldspruch maßgebliche Tatsachen übergeht, entzieht sie sich einer meritorischen Erwiderung (RIS Justiz RS0099810).

Dass die m it Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 19. September 2014, GZ 35 Hv 4/14x-438a, festgestellte Begehung der Straftat durch Hans S***** (samt den für den Schuldspruch entscheidenden Tatsachen) für den (am Verfahren mit Beschuldigtenrechten beteiligten) belangten Verband nicht rechtlich verbindlich und er dafür nicht verantwortlich sei (vgl dazu RIS-Justiz RS0112232), erschöpft sich im Übrigen in einer bloßen Behauptung (vgl aber RIS Justiz RS0116569). Der zur Untermauerung der Argumentation erfolgte Verweis auf eine Rechtssatzkette, die sich mit rechtskräftigen Verurteilungen von Entscheidungsträgern und daran anschließende Verbandsverantwortlichkeitsverfahren gar nicht auseinandersetzt (RIS-Justiz RS0099391), genügt zur deutlichen und bestimmten Bezeichnung des Nichtigkeitsgrundes (Z 9 lit a) jedenfalls nicht.

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ihre weiteren Einwände nicht auf Basis des rechtskräftigen Schuldspruchs des Entscheidungsträgers des belangten Verbandes Hans S***** entwickelt, verfehlt sie die prozessförmige Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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