JudikaturJustiz13Os51/04

13Os51/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Juni 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Juni 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Kirchbacher und Dr. Schwab als weitere Richter in Gegenwart des Richters Mag. Redl als Schriftführer in der Strafsache gegen Alexander K***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht St. Pölten vom 22. Jänner 2004, GZ 32 Hv 146/03b-42, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, des Angeklagten Alexander K***** und seines Verteidigers Mag. Dr. Mekis zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 16 Jahre herabgesetzt.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Alexander K*****r des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 26. August 2003 in Purkersdorf versucht, Julia E***** durch Würgen sowie durch Stöße und Schläge gegen den Körper zu töten.

Die Geschworenen bejahten die Hauptfrage I. nach dem Verbrechen des versuchten Mordes stimmeneinhellig. Folgerichtig unterblieb die Beantwortung der Eventualfragen nach dem Verbrechen der absichtlich schweren Körperverletzung und jene nach dem Vergehen der schweren Körperverletzung.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Nach § 314 Abs 1 StPO ist eine Eventualfrage an die Geschworenen zu stellen, falls in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht werden, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist, als das in der Anklageschrift angeführte. Die vom Beschwerdeführer gewählte Einlassung in der Hauptverhandlung, wonach er für seine (zielgerichtet ausgeführte) Handlung keine Erklärung habe und er sich daran nicht erinnern könne, Julia E***** gegenüber geäußert zu haben: "Sei still, dann ist es gleich vorbei" (S 144/II), ohne Erinnerungslücken zum eigentlichen Tathergang zu behaupten, sowie seine Beteuerung, er habe "das" nicht gewollt und auch keine Begründung dafür (S 147/II), stellt kein Tatsachenvorbringen für eine im Tatzeitpunkt bestehende Zurechnungsunfähigkeit dar, weil damit - ungeachtet der Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen - keine sinnfälligen Anzeichen für eine fehlende Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit dargetan werden. Gleiches gilt für das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen, wonach beim Angeklagten im Handlungszeitpunkt ein Zustand gefühlsmäßiger Einengung vorlag (S 167 ff/II), wobei Alexander K***** dazu neigt, Aggressionen in Ausnahmesituationen ohne innere Vorwarnung impulshaft und unkontrolliert durchbrechen zu lassen (S 33/II iVm S 163/II, 167/II, 171/II), zumal der Gutachter in der Hauptverhandlung unter Analyse der Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers damit lediglich eine die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließende Abartigkeit höheren Ausmaßes iSd § 21 Abs 2 StGB attestierte und darüber hinaus ausdrücklich festhielt, dass keine Anhaltspunkte vorliegen, wonach der Angeklagte im Tatzeitpunkt zurechnungsunfähig gewesen wäre (S 35/II iVm S 163/II, 168 f/II). Die vom Beschwerdeführer begehrte Zusatzfrage nach § 11 StGB war daher nicht indiziert.

Nach dem vom Beschwerdeführer dargestellten Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen befand sich der Angeklagte im Tatzeitpunkt im Zustand einer gefühlsgemütsmäßigen Einengung (S 169/II), wobei ihm seine Aggression entgleiste (S 167/II). Ungeachtet der Frage, ob der Beschwerdeführer solcherart in einem tiefgreifenden, mächtigen Erregungszustand nach Art eines "Affektsturms" handelte, der alle normalen verstandesmäßigen Erwägungen ausschaltet und geeignet ist, die Tötungshemmung hinwegzufegen (vgl Moos in WK² § 76 Rz 12; Kienapfel/Schroll BT I5 § 76 Rz 17), war diese allenfalls vorhandene heftige Gemütsbewegung jedenfalls nicht allgemein begreiflich im Sinn des § 76 StGB. Eine solche wäre nur anzunehmen, wenn sich auch ein Mensch von durchschnittlicher Rechtstreue mit dem Angeklagten vergleichbaren sozio-psycho-psychischen Eigenschaften vorstellen könnte, dass er in der Lage des Täters bei gegebenen Anlass samt seiner infolge finanzieller Schwierigkeiten nach längerer Arbeitslosigkeit, drohender Delogierung, Problemschwangerschaft seiner Frau und fehlender Zukunftsperspektiven geprägten Vorgeschichte bei Ansichtigwerden einer ihm völlig fremden Person (vgl Kienapfel/Schroll BT I5 § 76 Rz 29) in eine derartig heftige Gemütsbewegung geraten wäre (vgl Leukauf/Steininger Komm³ § 76 RN 10 f; Moos in WK² § 76 Rz 28; Kienapfel/Schroll BT I5 § 76 Rz 26; 14 Os 158/99, JBl 2001, 194; SSt 62/82; 14 Os 20/04; 15 Os 153/02). Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen. Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach § 75 StGB unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung eine Freiheitsstrafe von 18 Jahren und wies ihn gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ein.

Bei der Strafbemessung wertete es die grausame und besonders brutale Vorgangsweise als erschwerend; mildernd berücksichtigte es hingegen das Geständnis, dass die Tat beim Versuch blieb und die Unbescholtenheit.

Der auf Herabsetzung der Freiheitsstrafe gerichteten Berufung des Angeklagten kommt Berechtigung zu.

Die bei der Strafbemessung im Zuge der Persönlichkeitsbeurteilung vom Erstgericht erfolgte Berücksichtigung der - in der Zwischenzeit getilgten - Verurteilung des Berufungswerbers wegen der Verbrechen des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143 StGB und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB aus dem Jahr 1991 widerspricht dem § 1 Abs 4 TilgG (Ebner in WK² § 32 Rz 36; 13 Os 42/92). Der damit betonten Gefährlichkeit des Angeklagten wird überdies schon durch dessen Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB Rechnung getragen. Andererseits sind aber auch die erheblichen, im Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch immer anhaltenden psychischen Folgen der Tat beim Opfer (S 155/II) zu gewichten (vgl Ebner in WK² § 32 Rz 78 ff). Unter Berücksichtigung der solcherart korrigierten Strafzumessungskriterien des § 32 StGB und in Abwägung der vom Erstgericht dargestellten besonderen Erschwerungs- und Milderungsumstände entspricht eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren dem Unrechtsgehalt der Tat wie auch der Schuld des Täters. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
6