JudikaturJustiz13Os38/04

13Os38/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Mai 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Mai 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Felbab als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sunday Okoli O***** wegen der teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) gebliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17. November 2003, GZ 5 Hv 51/03x-55, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Aicher, des Angeklagten Sunday Okoli O***** und seines Verteidigers Dr. Langeder zu Recht erkannt:

Spruch

I. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen.

II. Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf vier Jahre

herabgesetzt.

III. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sunday Okoli O***** der teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG (I./) und des Vergehens nach § 27 Abs 1 zweiter Fall SMG (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift I./ in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt, indem er

1.) von Ende November 2002 bis Ende Jänner 2003 insgesamt zumindest 60 Gramm Heroin und zwei Gramm Kokain an Arnold Sch*****,

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht. Entgegen der Mängelrüge (Z 5) begründet es keine Undeutlichkeit, dass das Erstgericht die im zweiten Rechtsgang neu hinzugekommenen und von den Schuldsprüchen I./ 5.), 6.) und 7.) erfassten Suchtgiftgeschäfte sowie die insgesamt gewerbsmäßige Begehungsweise des Beschwerdeführers auf die - entgegen dem Rechtsmittelvorbringen ausdrücklich als glaubwürdig erachteten - Angaben der als Zeugen vernommenen und den Angeklagten belastenden Suchtgiftkonsumenten stützte.

Eine Unvollständigkeit in Bezug auf die zur Gänze leugnenden Einlassung des Beschwerdeführers liegt nicht vor, setzten sich doch die Tatrichter mit dieser Verantwortung, insbesondere mit der vorgebrachten Verwechslungsgefahr mit anderen Schwarzafrikanern und der behaupteten bloßen Aufbewahrungsfunktion bezüglich eines Mobiltelefons, mit dem die inkriminierten Suchtgiftdeals angebahnt wurden, ebenso auseinander, wie mit seinem Hinweis, die Belastungszeugen würden ihn zu Unrecht beschuldigen (US 9 f). Weshalb die Zustimmung des Angeklagten zu der bei ihm durchgeführten Hausdurchsuchung sowie zu einer Blut- und Harnuntersuchung schulderheblich sein sollte und daher einer näheren Erörterung im Urteil bedurft hätte, wird im Rechtsmittel nicht dargetan. Die Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholt zunächst die bereits in der Mängelrüge dargestellten Einwände, ohne aber damit sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Gleiches gilt für den Einwand, das Erstgericht hätte den (lediglich im Rechtsmittel anlässlich des ersten Rechtsgangs vorgebrachten, in der Hauptverhandlung nicht wiederholten) Einwand, wonach es sich bei dem für die Wiedererkennung des Angeklagten durch die Zeugen entscheidenden Narben um ein in Nigeria verbreitetes Stammeskennzeichen gehandelt habe, zumal diese Suchtgiftkonsumenten - wie vom Erstgericht dargestellt - Sunday Okoli O***** unabhängig voneinander aufgrund teilweise regelmäßiger Kontakte eindeutig wiedererkannten.

In der Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet der Beschwerdeführer einen Mangel an Feststellungen zur gewerbsmäßigen Begehungsweise, weil das Erstgericht lediglich den Gesetzeswortlaut wiedergegeben habe, übergeht aber dabei die mehrfachen und konkret fallbezogenen Feststellungen zur Absicht des Beschwerdeführers, sich durch den wiederkehrenden Verkauf insgesamt großer Mengen Suchtgift eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 8, 10 f und 12 f). Solcherart führt er das Rechtsmittel, welches ein striktes Festhalten an den Urteilsannahmen fordert, nicht prozessordnungsgemäß aus. Die in diesem Zusammenhang vorgebrachte unzureichende Begründung (inhaltlich Z 5) der Gewerbsmäßigkeit übergeht wiederum die detaillierten Erwägungen des erkennenden Gerichtes dazu (US 10 f und 12 f). Im Übrigen stützte das Schöffengericht die Annahme der Qualifikation nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG entgegen den Beschwerdeausführungen nicht auf die Tatsache, dass der Angeklagte auch den nach Ansicht des Erstgerichtes vorliegenden Versuch des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG zu verantworten hat.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Obgleich keine ausreichenden, der Ausführung der Tat unmittelbar vorangehende Handlungen betreffende Feststellungen zu dem dem Angeklagten angelasteten versuchten (§ 15 StGB) Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 SMG vorliegen, bestand kein Anlass zu einem amtswegigen Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO:

Ob hinsichtlich eines in mehreren Teilen weitergegebenen Suchtgiftquantums, welches die große Menge noch nicht erreicht, ein oder mehrere Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster (oder siebenter) Fall SMG oder ein im Versuchsstadium gebliebenes weiteres Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG - allenfalls unter der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit - vorliegt, hängt davon ab, inwieweit der Täter seinen Entschluss, eine abermals große Menge in Verkehr zu setzen, schon durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt hat (vgl 14 Os 29/04; 14 Os 166/03; 13 Os 10/03). Dazu wird im Ersturteil ausgeführt, dass Sunday Okoli O***** durch die im Schuldspruch I./ dargestellten Straftaten "dreißigmal" (worauf noch einzugehen sein wird) das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG vollendet habe. Hinsichtlich der verbleibenden Restmenge von 12 Gramm Heroin hielt das erkennende Gericht fest, "dass der Angeklagte auch im Hinblick auf deren Verkauf in der Absicht handelte, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen und ebenso die Absicht hatte, wiederum eine große Menge an Suchtgift zu veräußern, sodass im Hinblick auf die verbleibenden Restmengen von einem weiteren Verbrechen, begangen in Form des Versuches ausgegangen werden konnte" (US 13). Allerdings fehlen Urteilsannahmen, wonach ein weiteres Inverkehrsetzen von Suchtgiften unmittelbar bevorstand, das zusammen mit den nach Schuldspruch I./ bereits weitergegebenen und rechnerisch eine zusätzliche Grenzmenge iSd § 28 Abs 6 SMG noch nicht erreichenden 12 Gramm Heroin (bei einem festgestellten Reinheitsgrad von 10 % - US 12 - daher 1,2 Gramm Reinsubstanz) und den vom Schöffengericht in diesem Zusammenhang unerwähnt gelassenen, in Verkehr gesetzten 12 Gramm Kokain (zu dessen Reinheitsgrad das Urteil nichts ausführt) neuerlich eine große Menge im Sinne des § 28 Abs 6 SMG ergeben würde.

Klarstellend (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 292, 622 ff) dazu ist festzuhalten, dass Sunday Okoli O***** durch die im Schuldspruch I./ dargestellten Straftaten nach den erstgerichtlichen Konstatierungen "zumindest das Dreißigfache" der großen Menge iSd § 28 Abs 6 SMG bereits in Verkehr gesetzt hatte. Er verwirklicht damit die vom erkennenden Gericht rechtsirrig unberücksichtigt gelassene Qualifikation nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG. Solcherart liegt - in Anbetracht des in dieser Bestimmung zum Ausdruck kommenden besonderen Zusammenrechnungsgrundsatzes für eine insgesamt übergroße Menge (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 521) - ein Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG vor, das in Bezug auf das oben dargestellte, für sich allein betrachtet noch keine Grenzmenge erreichende Suchtgiftquantum in der Entwicklungsstufe des Versuchs blieb.

Da der Angeklagte nach dem (in der rechtlichen Qualifikation verfehlten) Schuldspruch lediglich die (mehrfach verwirklichten) Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 SMG und ein weiteres versuchtes (§ 15 StGB) Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 SMG (hinsichtlich dem keine ausreichenden Feststellungen vorliegen) verantwortet, wurde er damit im Hinblick auf das rechtsrichtig anzunehmende teils vollendete, teils versuchte (§ 15 StGB) Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG nicht benachteiligt.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung und Anwendung des § 36 StGB (allerdings ohne Anführung der Bedachtnahme auf § 28 StGB) nach dem ersten Strafsatz des § 28 Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren, wobei es bei der Strafbemessung als erschwerend den langen Deliktszeitraum und "die große Anzahl von Verbrechen (30)", als mildernd hingegen die bisherige Unbescholtenheit wertete.

Die Berufung des Angeklagten ist im Ergebnis berechtigt. Die vom Erstgericht angenommenen Strafzumessungsgründe sind noch dahin zu ergänzen, dass dem Angeklagten zusätzlich der Umstand als erschwerend anzulasten ist, dass er teilweise Suchtgift an Minderjährige weitergab sowie das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen mit einem Vergehen. Mildernd war hingegen darüber hinaus der bisherige ordentliche Lebenswandel des Angeklagten (nicht nur dessen Unbescholtenheit; vgl Ebner in WK2 § 34 Rz 6), dass die Tat teilweise beim Versuch geblieben ist, dass er die Tat nach Vollendung des 18., jedoch vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangen hat (zumal der Gesetzgeber mit der JGG-Novelle 2001 sowohl § 34 Abs 1 Z 1 StGB als auch § 36 StGB neu formulierte und damit zum Ausdruck brachte, dass auch im Fall einer altersbedingten Reduktion der Mindeststrafdrohung gemäß § 36 StGB der auf dieselbe Altersgruppe abstellende Strafmilderungsgrund zu beachten ist; vgl Fuchs in Jesionek-FS, 82; Schroll in Jesionek-FS, 194; aM Ebner in WK2 § 34 Rz 2) und die Sicherstellung des vom Schuldspruch II./ erfassten Suchtgiftes. Die zusätzlichen, vom Erstgericht nicht beachteten Milderungsgründe lassen das Unrecht der Taten und die Schuld des Täters in einem mildern Licht erscheinen. In Stattgebung der Berufung war daher unter gebührender Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) im Hinblick auf die bei jungen Erwachsenen nach § 36 StGB reduzierte Mindeststrafe die Freiheitsstrafe auf eine unter dem erstgerichtlichen Strafmaß von sechs Jahren liegende, tat- und täteradäquate Freiheitsstrafe von vier Jahren herabzusetzen. Hinzuweisen ist, dass die im angefochtenen Urteil abermals ausgesprochene Einziehung des sichergestellten Suchtgifts nach § 34 SMG bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig geworden ist (ON 34 iVm ON 43).

Die Kostenentscheidung gründet sich § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
4
  • RS0117463OGH Rechtssatz

    18. Januar 2018·3 Entscheidungen

    Angesichts materiellrechtlicher Gleichwertigkeit von Real- und Idealkonkurrenz macht es für die Anzahl begründeter (gleichartiger) Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG keinen Unterschied, ob die jeweils großen Mengen (= Grenzmengen im Sinne des § 28 Abs 6 SMG) tateinheitlich oder tatmehrheitlich in Verkehr gesetzt wurden. Wurde den Urteilsfeststellungen zufolge vorsätzlich eine Suchtgiftmenge in Verkehr gesetzt, deren Reinsubstanz an Wirkstoff dem Zweifachen oder Mehrfachen der Grenzmenge entspricht, sind dadurch mehrere Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG verwirklicht. Für diese rechtliche Beurteilung ist es gleichgültig, ob die Suchtgiftmenge durch einen Einzelakt oder, wenn der konstatierte Wille des Täters von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste, sukzessiv in Verkehr gesetzt wurde. In Ansehung einer "Restmenge", womit der nach gedanklichem Abzug der in der Gesamtmenge enthaltenen "großen" Mengen (= Grenzmengen) verbleibende Überrest des in Verkehr gesetzten Suchtgiftes gemeint ist, liegen - gleichermaßen im Fall eines Einzelaktes wie (trotz des beschriebenen Gesamtvorsatzes) im Fall sukzessiven Inverkehrsetzens - ein (oder mehrere) Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster oder siebter Fall SMG oder ein im Versuchsstadium gebliebenes weiteres Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG vor. Ob hinsichtlich der Restmenge statt § 27 Abs 1 sechster oder siebter Fall SMG ein solches im Versuchsstadium gebliebenes weiteres Verbrechen anzunehmen ist, hängt fallbezogen davon ab, ob der Täter seinen Entschluss, erneut eine große Menge in Verkehr zu setzen, schon durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt hat.