JudikaturJustiz13Os37/04

13Os37/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. April 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Tiziana G***** wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 26. Jänner 2004, GZ 33 Hv 153/03a-16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Tiziana G***** des Verbrechens (richtig: der Verbrechen, EvBl 2003/133) nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG als Beitragstäterin nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt, weil sie von Anfang September 2002 bis Ende November 2002 dadurch, dass sie Fairuz R***** mit ihrem PKW mehrmals "zum Zweck des Ankaufs einer unbekannten Menge Suchtgiftes nach Wien chauffierte und beim anschließenden Weiterverkauf von insgesamt ca 20 bis 30 Gramm Heroin an Alexander T***** in Leonding anwesend war", zum Inverkehrsetzen einer großen Menge Suchtgift durch Fairuz R***** beitrug. Nach den getroffenen Feststellungen ersuchte R***** die Angeklagte, sie nach Wien zu chauffieren, wo sie, was auch Tiziana G***** wusste, für Alexander T***** Heroin besorgen wollte. Damit war die Angeklagte einverstanden und brachte sie, den gemeinsamen Tatplan umsetzend, zumindest zwei Mal nach Wien. Dort besorgte R***** "in Gegenwart und mit Willen" der Angeklagten jeweils 10 Gramm Heroin mit einem Reinheitsgehalt von wenigstens 33,46 %, zumindest also 3,346 g Reinsubstanz pro Fahrt. Dann fuhren G***** und R***** mit dem "von ihnen erworbenen Heroin" zur Wohnung des Alexander T*****. Dort übergab, was die Angeklagte - weil es zuvor zwischen ihr und R***** so ausgemacht war - wusste und womit sie sich auch von Anbeginn abfand, R***** "jeweils 10 Gramm des aus Wien besorgten Heroins" an Alexander T*****. Den Feststellungen zufolge wusste die Angeklagte, dass sie "insgesamt" zum Inverkehrsetzen einer großen Menge Heroin durch R***** durch Ankauf und anschließenden Weiterverkauf an T***** beitrug, und fand sich damit auch ab. Die sehr gute Suchtgiftqualität war ihr schon vor der ersten Wien-Fahrt bekannt (US 2 f)

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten verfehlt ihr Ziel. Vorweg ist festzuhalten, dass dem Strafverfahren AZ 33 Hv 114/03s des Landesgerichtes Linz gegen Tiziana G***** und Daniel R***** jene Anklage zugrunde lag, die auch den Vorwurf gegen Tiziana G***** enthielt (B), der zum angefochtenen Schuldspruch führte. In jenem Verfahren wurde unter anderem Alexander T***** in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen. Vor Urteilsfällung in Ansehung anderer Anklagepunkte wurde das Verfahren gegen Tiziana G***** wegen des hier in Rede stehenden Tatvorwurfes gemäß § 57 StPO ausgeschieden. Eine Kopie der Anzeige und weiterer Aussagen des Alexander T***** befindet sich als ON 2 im vorliegenden Akt, Ablichtungen des Hauptverhandlungsprotokolls (mit Aussagen der Zeugen Alexander T***** [S 277 ff], Thomas N***** [S 297 ff] und Cornelia S***** [S 309 ff]) sowie des Urteils aus jenem Verfahren als ON 8 und

9.

Im vorliegenden Verfahren wurde der gesamte Akteninhalt einverständlich verlesen (S 397), wovon konform mit dem Hauptverhandlungsprotokoll auch die Beschwerde ausgeht. Dem Vorbringen aus Z 3 und 5 liegt ersichtlich die unzutreffende Auffassung zugrunde, dass die oben genannten Aktenstücke nicht zum Inhalt des vorliegenden Aktes zählen.

Die Verfahrensrüge (Z 3 iVm § 252 Abs 1 StPO) kritisiert demnach zu Unrecht die Verlesung der Aussage des Zeugen Alexander T***** (S 277 ff), die aber wie erwähnt einverständlich und demnach prozessordnungsgemäß (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO) vorgenommen wurde. Diese Aussage wurde übrigens sogar wortwörtlich verlesen. Auch die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) beruht darauf, dass die erwähnten Aussagen der Zeugen T*****, N***** und S***** in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen seien, was aber durch die Verlesung der Fall war (vgl § 258 Abs 1 StPO).

Angesichts der beweiswürdigenden Erwägungen, mit denen sowohl belastende Aussagen als auch wechselhafte Angaben der Angeklagten und der Zeugen ohne Widerspruch zu den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen ausführlich erörtert wurden (US 4 ff), kann entgegen dem auf einen Teil der Beweisergebnisse gestützten Vorbringen gegen die Feststellungen zur inneren Tatseite von einer unzulässigen Vermutung zu Lasten der Angeklagten keine Rede sein. Die Argumentation (Z 11), eine Bedachtnahme gemäß § 31 StGB sei entgegen der - an Wortlaut, Kontext und Zweck dieser Bestimmung (vgl Ratz in WK² § 31 Rz 1 und 3) ausgerichteten - bisherigen Rechtsprechung auch vor Rechtskraft des Vor-Urteils geboten, um den Angeklagten vor Nachteilen zu schützen, die im Fall gesonderter Aburteilung durch Unterbleiben einer Bedachtnahme entstünden, ist nicht stichhältig:

§ 31 StGB betrifft Fälle, in denen gegen einen Angeklagten wegen zwei oder mehrerer Taten zwei oder mehr Verfahren stattfinden, die nach den zeitlichen Verhältnissen gemäß § 56 StPO vereinigt werden könnten. Zweck des § 31 StGB ist es, dem tätergünstigen Absorptionsprinzip des § 28 Abs 1 StGB auch in diesen Fällen Geltung zu verschaffen (Ratz in WK² § 31 Rz 1).

Wird bei subjektiver Konnexität von Verfahren (§ 56 erster Fall StPO) eine Verurteilung zu einem Zeitpunkt rechtskräftig, zu dem das Verfahren über Rechtsmittel gegen die Verurteilung des Angeklagten im anderen Verfahren noch andauert, ist in jenem Rechtsmittelverfahren oder, wenn es zur Urteilsaufhebung und Anordnung neuer Verhandlung und Entscheidung führt, im zweiten Rechtsgang bei Bemessung der Strafe auf das rechtskräftige Urteil gemäß § 31 StGB Bedacht zu nehmen. Wird das Rechtsmittelverfahren durch Rechtsmittel-Zurückziehung beendet, wäre dem Umstand, dass die Urteile zu einander im Verhältnis des § 31 StGB stehen, gemäß § 31a StGB und § 410 StPO Rechnung zu tragen (vgl Ratz in WK² § 31a Rz 11). Dem Hinweis, die Verurteilung der Angeklagten im Verfahren 33 Hv 114/03s des Landesgerichtes Linz sei mit der Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichtes Linz am 24. Februar 2004 rechtskräftig geworden, kommt demnach nur für das Berufungsverfahren Bedeutung zu. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 Z 1 StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
3
  • RS0117463OGH Rechtssatz

    18. Januar 2018·3 Entscheidungen

    Angesichts materiellrechtlicher Gleichwertigkeit von Real- und Idealkonkurrenz macht es für die Anzahl begründeter (gleichartiger) Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG keinen Unterschied, ob die jeweils großen Mengen (= Grenzmengen im Sinne des § 28 Abs 6 SMG) tateinheitlich oder tatmehrheitlich in Verkehr gesetzt wurden. Wurde den Urteilsfeststellungen zufolge vorsätzlich eine Suchtgiftmenge in Verkehr gesetzt, deren Reinsubstanz an Wirkstoff dem Zweifachen oder Mehrfachen der Grenzmenge entspricht, sind dadurch mehrere Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG verwirklicht. Für diese rechtliche Beurteilung ist es gleichgültig, ob die Suchtgiftmenge durch einen Einzelakt oder, wenn der konstatierte Wille des Täters von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste, sukzessiv in Verkehr gesetzt wurde. In Ansehung einer "Restmenge", womit der nach gedanklichem Abzug der in der Gesamtmenge enthaltenen "großen" Mengen (= Grenzmengen) verbleibende Überrest des in Verkehr gesetzten Suchtgiftes gemeint ist, liegen - gleichermaßen im Fall eines Einzelaktes wie (trotz des beschriebenen Gesamtvorsatzes) im Fall sukzessiven Inverkehrsetzens - ein (oder mehrere) Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster oder siebter Fall SMG oder ein im Versuchsstadium gebliebenes weiteres Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG vor. Ob hinsichtlich der Restmenge statt § 27 Abs 1 sechster oder siebter Fall SMG ein solches im Versuchsstadium gebliebenes weiteres Verbrechen anzunehmen ist, hängt fallbezogen davon ab, ob der Täter seinen Entschluss, erneut eine große Menge in Verkehr zu setzen, schon durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt hat.