JudikaturJustiz13Os34/95

13Os34/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. April 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.April 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Haubenwallner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Heinrich L***** wegen des Verdachtes der Steuerhinterziehung nach § 370 der deutschen Abgabenordnung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht vom 30. September 1994, AZ 13 c Bl 781/94 (ON 14 in 13 Hs 73/94 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Raunig, jedoch in Abwesenheit eines Vertreters der beteiligten Bank ***** zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht vom 30.September 1994, AZ 13 c Bl 781/94 (ON 14 in 13 Hs 73/94 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien) verletzt § 38 Abs 2 Z 1 BankwesenG.

Text

Gründe:

Gegen den deutschen Staatsangehörigen Heinrich L***** ist bei der Staatsanwaltschaft Bonn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der Steuerhinterziehung nach § 370 der deutschen Abgabenordnung anhängig, in dem als richterliche Untersuchungshandlungen (§ 162 dStPO) zwei jeweils am 13.Jänner 1994 zum AZ 51 Gs 14/94 erlassene (S 33 ff und 43 ff in 13 Hs 73/94 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien) und am 10.Juni 1994 zum AZ 51 Gs 514/94 neu gefaßte (S 67 ff) Beschlüsse des Amtsgerichtes Bonn ergingen, mit denen die Beschlagnahme bestimmter Bankunterlagen, die in diesen Beschlüssen bezeichnete Konten betreffen, angeordnet wurde.

Heinrich L***** liegt zur Last, als Geschäftsführer zweier Gesellschaften mit beschränkter Haftung seit dem 1.Jänner 1994 an dritte Personen vorgebliche Vermittlungsprovisionen geleistet zu haben. Tatsächlich seien diese Beträge aber im Wege der Überweisung auf Konten (Nr DM 570 273 276 zugunsten E.D*****) bei der ehemaligen Z*****, (Nr 132 119 748 zugunsten A.K*****) bei der damaligen *****bank sowie auf weitere Konten der beiden Kreditinstitute wieder an ihn selbst transferiert worden. Durch korrespondierende unrichtige Steuererklärungen habe er Körperschafts- und Gewerbesteuer in der Höhe von über zwei Millionen D-Mark hinterzogen (siehe Sachverhaltsdarstellung in ON 1).

Der dieses Ermittlungsverfahren führende leitende Oberstaatsanwalt in Bonn ersuchte am 18.Februar 1994 im Rechtshilfeweg (siehe auch Ergänzungen vom 23.März und 29.Juni 1994, ON 2 und 6), den geschilderten richterlichen Untersuchungshandlungen zu entsprechen.

Mit Beschluß vom 25.Mai 1994 (GZ 13 Hs 73/94-4, ergänzt am 19.Juli 1994, ON 10) des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien wurde unter Anordnung der Eröffnung der betreffenden Konten diesem Rechtshilfeersuchen entsprochen.

Über Beschwerde der Bank ***** als betroffenes Kreditinstitut hob das Landesgericht für Strafsachen Wien am 30.September 1994 zum AZ 13 c Bl 781/94 (ON 14) den bezeichneten Beschluß des Rechtshilfegerichtes ersatzlos auf. Es ging davon aus, daß der begehrten Rechtshilfe die in § 38 Abs 1 BWG normierte Pflicht zur Wahrung des Bankgeheimnisses entgegenstünde. Die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses werde nach § 38 Abs 2 Z 1 leg.cit. zwar im Zusammenhang mit eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahren gegenüber den Strafgerichten und mit eingeleiteten Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, gegenüber den Finanzbehörden durchbrochen. Ein - wie hier - staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren reiche aber zur Aufhebung des Bankgeheimnisses nicht aus. Dazu vertrat das Beschwerdegericht die Ansicht, das vorliegende Rechtshilfeersuchen habe bloß die Erhebung von Erkundungsbeweisen zum Gegenstand, weil nähere Zusammenhänge zwischen den Kontoinhabern und dem in Verfolgung gezogenen Heinrich L***** noch "im Dunkeln blieben". Die begehrte Kontoeröffnung habe daher auch schon aus diesem Grund zu unterbleiben.

Rechtliche Beurteilung

Die Ansicht des Beschwerdegerichtes steht, wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zu Recht ausführt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Die in der Beschwerde zum Charakter des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens nach der deutschen Strafprozeßordnung angestellten, an sich zutreffenden Erwägungen können jedoch weitgehend auf sich beruhen. Kein Zweifel besteht daran, daß durch den im Rechtshilfeersuchen dargelegten Sachverhalt aus der Sicht der innerstaatlichen Rechtsordnung der Verdacht des in die gerichtliche Zuständigkeit (§ 53 Abs 1 lit b FinStrG) fallenden (vorsätzlichen) Finanzvergehens nach § 33 Abs 1 FinStrG indiziert ist. Auszugehen ist ferner davon, daß in dem gegenständlichen Strafverfahren wegen fiskalischer strafbarer Handlungen den deutschen Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich Rechtshilfe zu leisten ist (EvBl 1994/72 = JBl 1995, 127; 13 Os 41-59/94-12; beide mit zahlreichen Hinweisen).

Die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses besteht gegenüber dem Strafgericht bzw den Finanzstrafbehörden gemäß § 38 Abs 2 Z 1 BankwesenG - BWG 1993 (BGBl 1993/532; bis 31.Dezember 1993 § 23 Abs 1 Z 1 KWG) im Zusammenhang mit eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahren grundsätzlich nicht. "Eingeleitet" ist ein gerichtliches Verfahren bereits dann, wenn irgendeine strafgerichtliche Maßnahme gegen einen bekannten oder unbekannten Täter ergriffen wird; daß zugleich auch ein Prozeßrechtsverhältnis begründet wird, ist nicht erforderlich (EvBl 1989/99, 15 Os 126,127/94).

Im Hinblick auf das Vorliegen der Untersuchungshandlungen des Amtsgerichtes Bonn durch die beiden dem Rechtshilfeersuchen zugrunde liegenden Beschlüsse entspricht das gegenständliche deutsche Ermittlungsverfahren einem solchen im Inland zumindest in Form von Vorerhebungen geführten und damit einem eingeleiteten Strafverfahren im Sinn des § 38 Abs 2 Z 1 BWG (vgl nochmals EvBl 1994/72). Die im Zusammenhang mit einem gerichtlichen Strafverfahren die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses durchbrechende Bestimmung unterscheidet nicht zwischen in- und ausländischen Strafverfahren und gilt demnach gleichermaßen für beide (Jabornegg-Strasser-Floretta,

Das Bankgeheimnis, S 157; Liebscher, ÖJZ 1984, S 255 f).

Daß das Ermittlungsverfahren dabei von der das Rechtshilfeersuchen stellenden staatsanwaltschaftlichen Behörde geführt wird, ist bedeutungslos, weil das zuständige österreichische Gericht den diesem zugrunde liegenden Sachverhalt ohnehin sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht so zu überprüfen hat, als wäre dieser im Inland verwirklicht worden. Reicht er unter diesem Aspekt zur Einleitung eines Strafverfahrens (wenigstens in Form gerichtlicher Vorerhebungen) durch ein inländisches Gericht (sei es auch gegen noch unbekannte Täter) aus, was hier auf Grund der Sachverhaltsdarstellung des Rechtshilfeersuchens unzweifelhaft ist, dann ist die dem inländischen Gericht (Untersuchungsrichter) zukommende Prüfungskompetenz grundsätzlich die gleiche wie jene des Rechtshilfegerichtes vor Bewilligung des Rechtshilfeersuchens. Das die Rechtshilfe bewilligende und leistende inländische Gericht ist demnach als Strafgericht im Sinne des § 38 Abs 2 Z 1 BWG anzusehen (Linke-Epp-Doukupil-Felsenstein, Internationales Strafrecht, § 51 ARHG, Erl. 4.). Durch seine Prüfungskompetenz ist die Überleitung des ausländischen Verfahrens in ein inländisches Strafverfahren und demzufolge die Gleichstellung des Ermittlungsverfahrens mit dem im § 38 Abs 2 Z 1 BWG als Voraussetzung genannten "eingeleiteten" gerichtlichen Verfahren gewährleistet (wiederum 15 Os 126,127/94).

Auch die Ansicht des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht, vorliegendenfalls handle es sich lediglich um die Aufnahme von unzulässigen Erkundungsbeweisen, steht mit dem Gesetz nicht in Einklang. Gerichtliche Vorerhebungen (und diesen entsprechende Rechtshilfehandlungen) bedingen zwangsläufig auch Erkundigungen darüber, ob ein bereits bestehender Tatverdacht eine weitere Verfolgungsschritte rechtfertigende Konkretisierung erwarten läßt. Das Beweisbegehren im Vorverfahren muß daher keineswegs schon in jeder Beziehung denselben Anforderungen prozessualer Tauglichkeit entsprechen wie ein in der Hauptverhandlung gestellter Beweisantrag (11 Os 125/91).

Allerdings setzt die Durchbrechung des Bankgeheimnisses im Zusammenhang mit eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahren nach § 38 Abs 2 Z 1 BWG eine zwischen dem offen zu legenden Bankkonto und dem Beschuldigten bestehende Verbindung voraus, die den Verdacht zu begründen vermag, diese Person habe sich (auch) die aus dieser speziellen Verbindung erwachsende Verfügungsmöglichkeit bei Begehung der Straftat zunutze gemacht (EvBl 1987/151). Nach der Sachverhaltsdarstellung des Rechtshilfeersuchens ist dies der Fall (S 35, 45, 71 ff des erstgerichtlichen Aktes). Aus einer Mitteilung des betroffenen Kreditinstitutes ergibt sich darüber hinaus, daß die bei den in Rede stehenden Konten angeführten Namen Code-Namen für Devisenkonten sind, hinter denen andere Personen stehen (S 62). Auch die dem angefochtenen Beschluß zugrunde liegende Beschwerde des Kreditinstitutes vermag die sich aus dem Rechtshilfeersuchen ergebenden Verdachtsmomente nicht zu bestreiten, sondern beschränkt sich lediglich auf den Hinweis, der Zusammenhang zwischen den offen zu legenden Konten und dem Beschuldigten wäre nicht ausreichend dargelegt. Dem stehen die im Rechtshilfeersuchen dargestellten Indizien entscheidend entgegen. Der darin geschilderte Sachverhalt wird insbesondere auch durch die Bezugnahme auf die nach dem bisherigen Stand des Ermittlungsverfahrens wesentlichsten Beweismittel (Zeugenaussage des Aleksander W*****, siehe S 13) hinreichend begründet. Ein Beweis hiefür ist nicht erforderlich, hat sich doch die Prüfung eines solchen Ersuchens gemäß § 56 ARHG grundsätzlich auf die Darstellung des Sachverhaltes in diesem zu beschränken (vgl neuerlich 13 Os 41-59/94-12 in ähnlichem Zusammenhang).

Die dem Beschwerdegericht unterlaufenen Gesetzesverstöße gereichten dem Verdächtigten nicht zum Nachteil, weswegen deren Feststellung wie aus dem Spruch ersichtlich genügen konnte.

Rechtssätze
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