JudikaturJustiz13Os22/23v

13Os22/23v – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. April 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. April 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Lung in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Geschworenengericht vom 11. Jänner 2023, GZ 17 Hv 27/22d 124, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhendem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Geschworenengericht vom 19. Mai 2022 (ON 78) wurde * S* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Nach dem Wahrspruch hat er am 3. September 2021 in V* * A* vorsätzlich zu töten versucht, indem er ihr mit einem Stanleymesser mehrere Schnitte zufügte, die multiple langstreckige und tiefreichende Schnittwunden an der Kehle, an Hals und Nacken, an der rechten Schulter, am Hinterkopf, vom linken Schulterblatt bis zur rechten Gesäßgegend, an Brustkorb und Oberbauch, an beiden Armen und Händen sowie an der rechten Wange mit Durchtrennung des Kopfnickermuskels und der Rückenmuskulatur, der linken Daumenbeugesehne sowie von Nerven dreier Finger der linken Hand, verbunden mit erheblichem Blutverlust, beim Opfer zur Folge hatten.

[3] Mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 19. Oktober 2022, AZ 13 Os 74/22i, (ON 108) wurden in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten der Wahrspruch der Geschworenen, der im Übrigen unberührt blieb, zur nach dem Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB) gestellten Zusatzfrage sowie das darauf beruhende Urteil im Schuldspruch, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche sowie im Kostenausspruch, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Geschworenengericht des Landesgerichts Klagenfurt zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung mit dem Auftrag verwiesen, die u nberührt gebliebenen Teile des Wahrspruchs der Entscheidung zugrunde zu legen.

[4] Mit dem nun angefochtenen Urteil wurde * S* auf der Grundlage des im zweiten Rechtsgang erfolgten Wahrspruchs der Geschworenen, welche die nach dem Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB) gestellte Zusatzfrage verneinten, sowie des nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 19. Oktober 2022 (ON 108) unberührt gebliebenen Wahrspruchs der Geschworenen vom 19. Mai 2022 neuerlich des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

[5] Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 345 Abs 1 Z 6, 8 und 10a StPO.

[6] Die Fragenrüge (Z 6) erklärt nicht, weshalb in der Zusatzfrage – entgegen dem Wortlaut des Gesetzes – ein „Tatsachensubstrat“ zu umschreiben gewesen sein soll, und entzieht sich solcherart einer meritorischen Erledigung. Hinzugefügt sei, dass gemäß § 313 StPO im geschworenengerichtlichen Verfahren gerade nicht nach der konkreten Fallgestaltung zu fragen ist, sondern nur nach dem Vorliegen der gesetzlichen Kriterien des in Rede stehenden Straf losigkeit sgrundes. Zwar bilden – ebenso wie in den Fällen der §§ 314 und 316 StPO – in der Hauptverhandlung vorgekommene Tatsachen den Anlass, nicht aber den Inhalt der Fragestellung (RIS Justiz RS0117501, RS0100495 und RS0100686 [T8]; zum Ganzen Lässig , WK StPO § 313 Rz 9 f und Ratz , WK StPO § 281 Rz 619).

[7] Die Instruktionsrüge (Z 8) übersieht, dass der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 8 StPO nicht aus der bloßen Möglichkeit einer noch eingehenderen oder deutlicheren Gestaltung der Erörterung abgeleitet werden kann (RIS Justiz RS0100819 [T2]). Im Übrigen ist die schriftliche Rechtsbelehrung nach abstrakten Gesichtspunkten ohne Bezugnahme auf konkrete Tatumstände abzufassen (RIS Justiz RS0109476 [insbesondere T2]).

[8] Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO zielt – soweit hier von Bedeutung (Fehler in der Sachverhaltsaufklärung werden nicht behauptet) – darauf, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO) aufzuzeigen, die nahelegen, dass die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO iVm § 302 Abs 1 StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben (RIS Justiz RS0118780 [T13, T16 und T17]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 470 und 490).

[9] Hievon ausgehend weckt die Tatsachenrüge mit dem Hinweis auf die Bemühen um Erfolgsabwendung im Sinn des § 16 Abs 2 StGB behauptende Verantwortung des Angeklagten beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen.

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß §§ 344, 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[11] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 344, 285i StPO).

[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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