JudikaturJustiz13Os196/97

13Os196/97 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Februar 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Februar 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Rouschal, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Benner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Johann K***** sen. wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 12. Juni 1996, GZ 2 U 24/96-14, sowie weitere Vorgänge nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiß und des Vertreters des Privatanklägers, Rechtsanwalt Dr. Anderl, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 2 U 24/96 des Bezirksgerichtes Zell am Ziller wurde § 41 Abs 2 MedienG iVm §§ 261, 450 StPO verletzt, weil

1. nach Einlangen der beiden Privatanklagen dem Privatankläger nicht die Unzuständigkeit gemäß § 450 StPO bekannt gegeben und

2. nach Durchführung der Hauptverhandlung kein Unzuständigkeits-, sondern ein schuldigsprechendes Urteil gefällt wurde.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO werden dieses Urteil und alle darauf beruhenden Entscheidungen, insbesondere auch das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Das Bezirksgericht ist zur Führung der vorliegenden Privatanklagesache unzuständig.

Gemäß §§ 390 390a StPO hat der Privatankläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Text

Gründe:

Am 23. Jänner 1996 langte beim Bezirksgericht Zell am Ziller eine (mit 22. Jänner 1996 datierte) Privatanklage des Adolf A***** gegen Hans (im späteren Verfahrensverlauf: Johann) K***** sen. wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB ein, das nach Darstellung des Privatanklägers durch eine vom Beschuldigten verfaßte, im Dezember 1995 an Haushalte in Uderns und Fügen versandte und dem Privatankläger am 29. Dezember 1995 zugekommene Postwurfsendung verwirklicht worden sei. Am 31. Jänner 1996 langte eine weitere gleichartige Privatanklage des Adolf A***** gegen Hans K***** sen. wegen § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB im Zusammenhang mit ehrenkränkenden Äußerungen in einer weiteren, "an einen Haushalt" gerichteten Postwurfsendung des Beschuldigten vom Jänner 1996 (dem Privatankläger zugekommen am 25. Jänner 1996) beim selben Gericht ein.

Das Verfahren über beide Privatanklagen (ON 1 und ON 1 in ON 4) wurde in der Folge vom Bezirksgericht Zell am Ziller gemäß § 56 StPO unter AZ 2 U 24/96 gemeinsam geführt (AS 7).

In einem nach Vertagung der ersten Hauptverhandlung am 20. Februar 1996 beim Bezirksgericht Zell am Ziller eingelangten Beweisantrag brachte der Privatankläger zum Nachweis, daß die Taten jeweils durch ein Druckwerk begangen wurden und der Beschuldigte daher nach § 111 Abs 2 StGB zu bestrafen sei, vor, zwischenzeitige Erhebungen hätten ergeben, daß "bei Postwurfsendungen wie den gegenständlichen" vom Auftraggeber Porto für mindestens 300 Stück zu bezahlen sei, woraus auf einen Mindestversand von 300 Exemplaren im Postweg geschlossen werden könne (ON 9).

In der Hauptverhandlung vom 12. Juni 1996 gab der Beschuldigte zu, die beiden (von ihm auch verfaßten) inkriminierten Schreiben jeweils 400 bis 500 mal kopiert und sämtliche Kopien durch die Post im Raum Uderns und Fügen in Umlauf gebracht zu haben (AS 39).

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 12. Juni 1996 (ON 14) wurde Johann K***** sen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Danach hat er im Dezember 1995 und Jänner 1996 (nach dem 12. Jänner 1996) in Uderns dadurch, daß er zwei Schreiben verfaßte, in welchen er den Privatankläger des Meineids und der Ausstellung einer falschen eidesstattlichen Erklärung bezichtigte, und diese Schreiben als Postwurfsendung in 400 bis 500facher Ausfertigung im Raum Uderns in Umlauf brachte, den Privatankläger in einer für Dritte wahrnehmbaren Weise eines unehrenhaften Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung herabzusetzen, wobei die Tat in einem Druckwerk und auf eine Weise begangen wurde, wodurch die üble Nachrede einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.

Der vom Angeklagten wegen Nichtigkeit und der Aussprüche über die Schuld und die Strafe erhobenen Berufung gab das Landesgericht Innsbruck mit Urteil vom 10. Dezember 1996, AZ I Bl 360/96 (= ON 20), nicht Folge. In der Urteilsbegründung verwies es allerdings auf die (im Rechtsmittel nicht geltend gemachte) Unzuständigkeit des Bezirksgerichts nach den MedienG.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Landesgericht Innsbruck zutreffend aufgezeigte Nichtbeachtung der eigenen sachlichen Unzuständigkeit durch das Bezirksgerichtes Zell am Ziller verletzt das Gesetz:

Wird nämlich das mit Feiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedrohte Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB in einem (an zahlreichen Haushalte versandten) Druckwerk begangen, so erhöht sich nicht nur die Strafdrohung in bezug auf die Freiheitsstrafe auf das Doppelte (§ 111 Abs 2 StGB), sondern, kommt darüber hinaus die sonst (auch bei dieser erhöhten Strafdrohung) dem Bezirksgericht obliegende (§ 9 Abs 1 Z 1 StPO) sachliche Zuständigkeit zufolge Vorliegens eines Medieninhaltsdeliktes (§ 1 Abs 1 Z 12 MedienG) dem mit der Gerichtsbarkeit in Strafsachen betrauten Landesgericht zu (§ 41 Abs 2 MedienG).

Das Gesetz definiert das Medieninhaltsdelikt als eine durch den Inhalt eines Mediums (wozu nach den Begriffsbestimmungen des § 1 MedienG auch das Druckwerk zählt) begangene, mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung, die in einer an einen größeren Personenkreis gerichteten Mitteilung oder Darbietung besteht. Für den Begriff des "Druckwerks" gilt die Legaldefinition des § 1 Abs 1 Z 4 MedienG (vgl EvBl 1989/146), die wiederum auf den Begriff des Medienwerkes verweist. Danach ist ein Druckwerk ein ausschließlich in Schrift- oder Standbildern bestehender, zur Verbreitung an einen größeren Personenkreis bestimmter, in einem Massenherstellungsverfahren in Medienstücken vervielfältigter Träger von Mitteilungen oder Darbietungen mit gedanklichem Inhalt.

Die beiden zwecks Versendung an einen größeren Personenkreis in einem "Massenherstellungsverfahren" (nämlich fototechnischer Vervielfältigung in 400 bis 500 Ausfertigungen) vervielfältigten Schreiben entsprechen dem Druckwerksbegriff des § 1 Abs 1 Z 4 MedienG. Angesichts der großen Anzahl der hergestellten Fotokopien ist auch die weitere Voraussetzung (§ 1 Abs 1 Z 12 MedienG) der vorgesehenen Verbreitung an einen "größeren Personenkreis" gegeben, der schon mit 50 Exemplaren erreicht wird (Hartmann/Rieder Komm zum MedienG, § 1 Anm I 4; vgl den noch niedriger angenommenen Richtwert des größeren Personenkreises bei Leukauf/Steininger Komm3 § 69 RN 3). Demzufolge liegt hier ein die Zuständigkeit des Landesgerichtes begründendes Medieninhaltsdelikt vor.

Bei einem Privatanklagedelikt (wie jenem nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB) ist jedoch weiters zu beachten, daß (vgl EvBl 1994/20; EvBl 1995/41 = JBl 1996/126; Medien und Recht 1992/7) der Privatankläger sein Anklagerecht verliert, wenn er nicht innerhalb der sechswöchigen Frist des § 46 Abs 1 StPO seinen Verfolgungsantrag beim sachlich und örtlich zuständigen Gericht gestellt hat (s. oben). Dabei sind für die Beurteilung der Zuständigkeit die in der Privatanklage aufgestellten Tatsachenbehauptungen maßgebend, aus denen der Privatankläger mit zumindest vertretbarer Rechtsansicht die Zuständigkeit des von ihm angerufenen Gerichtes ableitet. Nachträgliche Änderungen zuständigkeitsrelevanter Umstände vermögen die bereits eingetretene Rechtswirksamkeit eines Verfolgungsantrages nicht mehr zu beseitigen.

Da der Privatankläger in beiden Privatanklagen vorbrachte, daß die inkriminierten Schreiben durch Postwurfsendungen (somit in großer Zahl) an Haushalte in zwei Ortschaften (ON 1) bzw in einer (ON 1 in ON 4) Ortschaft verteilt wurden und jeweils auch Bestrafung nach § 111 Abs 2 StGB begehrte, ergab sich bereits aus dem Tatsachenvorbringen in den Privatanklagen das Vorliegen eines Medieninhaltsdeliktes. Das Vorbringen des Privatanklägers im Beweisantrag ON 9 und das diesbezügliche Geständnis des Angeklagten in der Hauptverhandlung hat dies nur verstärkt, in Ansehung der für die Zuständigkeit begründenden Umstände kam ihm keine Bedeutung mehr zu.

Demgemäß wäre das Bezirksgericht Zell am Ziller verpflichtet gewesen, sogleich nach Einlangen der beiden Privatanklagen aufgrund ihres Inhaltes gemäß § 450 StPO (in der Hauptverhandlung durch Urteil i.S. § 261 StPO) seine sachliche Unzuständigkeit auszusprechen (Mayerhofer StPO4 § 450 ENr 1a). Keinesfalls durfte es den Beschuldigten schuldig erkennen und zu einer Strafe verurteilen.

In Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes waren nicht nur die aufgezeigten Gesetzesverletzungen festzustellen, sondern im Sinn des § 292 letzter Satz StPO das Urteil vom 12. Juni 1996 aufzuheben und die sachliche Unzuständigkeit des Bezirksgerichtes auszusprechen. Eine formelle Aufhebung der darauf beruhenden Entscheidungen war (vgl Mayerhofer StPO4 ENr 64 zu § 292 StPO) auszusprechen, weil davon auch das Urteil des Rechtsmittelgerichts betroffen ist.

Die dem Angeklagten somit (auch) zu Unrecht treffende Kostenersatzpflicht war aufzuheben und nach §§ 390, 390a StPO dem Privatankläger aufzuerlegen (vgl Mayerhofer StPO4 § 292 StPO ENr 168, 185 und 14 Os 185, 186/88).

Rechtssätze
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