JudikaturJustiz13Os177/86

13Os177/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Juni 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Juni 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bibulowicz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hans E*** und andere Angeklagte wegen des Vergehens der Vollstreckungsvereitelung nach § 162 Abs. 1 und 2 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten Hans E***, Dr. Ulrich T*** und Arthur L*** gegen das Urteil des Kreisgerichts Korneuburg als Schöffengerichts vom 16. April 1986, GZ. 11 a Vr 483/80-117, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Kodek, der Angeklagten Dr. Ulrich T*** und Arthur L*** und der Verteidiger Dr. Mack, Dr. Richter und Dr. Kern, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Hans E***, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO. wird das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, aufgehoben. Die Angeklagten Hans E***, Dr. Ulrich T*** und Arthur L*** werden von der Anklage:

Es haben im bewußten und gewollten Zusammenwirken in Leobendorf und anderen Orten einen Bestandteil des Vermögens der "S*** K*** Ges.m.b.H." mit Sitz in Leobendorf und deren Rechtsnachfolgerin "L*** M*** G*** Ges.m.b.H." mit

Sitz Leobendorf als Schuldnerinnen mehrerer Gläubiger beseitegeschafft und dadurch die Befriedigung deren Gläubigerin Anna T*** geschmälert, wobei durch die Tat ein Schaden von 4,982.632,19 S herbeigeführt wurde, und zwar:

A. Hans E*** als Geschäftsführer (§ 161 Abs. 1 StGB.) der "S*** K*** Ges.m.b.H." und Arthur L*** durch

1. Beendigung der Generalvertretungsbefugnis der Firma "S***-K*** Ges.m.b.H." betreffend den Vertrieb aller "S***"-Geräte für Österreich vom 25. Juni 1974 zum 31. Dezember 1974;

2. Gründung der "S*** V*** Ges.m.b.H." mit dem Sitz, Standort und Betriebsgegenstand wie die "S*** K*** Ges.m.b.H." am 24. Februar 1975 mittels der "S*** K*** Ges.m.b.H." in Sindelfingen, BRD., und der "M*** I*** AG" in Zug, Schweiz;

B. Hans E*** als Geschäftsführer der "L***

M*** Geräte Ges.m.b.H." (§ 161 Abs. 1 StGB.), Dr. Ulrich T*** und Arthur L*** durch

1. Einstellung der Handelstätigkeit der Firma "S*** K*** Ges.m.b.H." und Übernahme der Angestellten dieser Gesellschaft sowie deren Import- und Vertriebstätigkeit in Österreich durch die neu gegründete "S***-V*** Ges.m.b.H." im ersten Halbjahr 1975;

2. Änderung der Firma "S*** K*** Ges.m.b.H." in Leobendorf in "L*** M*** Geräte Ges.m.b.H." am 6. Juni 1975;

3. Übertragung des Kreditrahmens über 1,000.000 S bei der V*** S*** der (ehemaligen) "S*** K*** Ges.m.b.H."

auf die "S*** V*** Ges.m.b.H." am 4. März 1976;

sie haben hiedurch das Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 und 2 StGB. begangen,

gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft und die drei Angeklagten werden mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden und ihren Berufungen hierauf verwiesen.

Text

Gründe:

Der am 16. Februar 1923 geborene Kaufmann Hans E***, der am 2. April 1925 geborene Geschäftsführer Dr. Ulrich T*** und der am 28. Jänner 1935 geborene Geschäftsführer Arthur L*** - die beiden Erstgenannten sind deutsche, L*** ist schweizerischer Staatsbürger - wurden, abweichend von der ihnen das Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 StGB. anlastenden Anklage, des Vergehens der Vollstreckungsvereitelung nach § 162 Abs. 1 und 2 StGB., Dr. T*** teilweise auch in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB., schuldig erkannt. Darnach haben: Hans E*** als Geschäftsführer der S***-K*** GesmbH Leobendorf (§ 161 Abs. 1 StGB.), Dr. Ulrich T*** teilweise als Beteiligter nach § 12 StGB. - wohl dritter Fall, was aber (Einheitstäterschaft) gleichgültig ist (13 Os 114/86) - sowie (richtig) teilweise als leitender Angestellter der S***-K*** GesmbH bzw. als Geschäftsführer der S***-V*** GesmbH und Arthur L*** (der Zusatz "als Beteiligter gemäß § 12 StGB." ist eine Leerformel: siehe 13 Os 168/86) Vermögen der S***-K*** GesmbH mit dem Sitz in Leobendorf sowie deren Rechtsnachfolgerin, der L*** M*** GesmbH mit dem Sitz in Leobendorf beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung der Gläubigerin Anna T*** hinsichtlich ihrer Forderung zu 3 Cg 62/79 des Kreisgerichts Korneuburg vereitelt, wobei der durch die Tat herbeigeführte Schaden 5.000 S übersteigt, indem

1. Hans E*** mit 25. Juni 1974 (offenbar aber erst mit 17. Dezember 1974: S. 102, 103/III) zum 31.Dezember 1974 der S***-K*** GesmbH Leobendorf die Generalvertretungsbefugnis der Firma S*** K*** GesmbH Sindelfingen betreffend alle Solo-Geräte für Österreich "aufkündigte" (was Hans E*** freilich nur als Gesellschafter und Geschäftsführer der S*** K*** Ges.m.b.H. Sindelfingen tun konnte),

2. Hans E*** und Arthur L*** sowie Dr. Ulrich T***

am 24. Feber 1975 die Gründung der S***-V*** GesmbH mit Sitz, Standort und Betriebsgegenstand wie die S***-K*** GesmbH Leobendorf mittels der S***-K*** GesmbH in Sindelfingen und der M*** I*** AG in Zug bewirkten und Dr. Ulrich T*** zum Geschäftsführer dieser neuen Gesellschaft bestellten;

3. Hans E*** als Geschäftsführer der L***

M*** GesmbH sowie Dr. Ulrich T*** und Arthur L*** die Einstellung der Handelstätigkeit der Firma S*** K*** GesmbH und die Neuanstellung der Angestellten dieser Gesellschaft bei gleichzeitiger Anrechnung ihrer Vordienstzeit und (zu ergänzen: Erfüllung ihrer) Abfertigungsansprüche sowie die Übernahme der Import- und Vertriebstätigkeit der S*** K*** GesmbH Leobendorf durch die neu gegründete S***-V*** GesmbH im ersten Halbjahr 1975 bewirkten;

4. die Änderung der S***-K*** GesmbH Leobendorf in

L*** M*** GesmbH am 6. Juni 1975 bewirkten;

überdies Dr. Ulrich T*** dadurch, daß er am 4. März 1976 versuchte, den Kreditrahmen über 1 Million Schilling der V*** S*** von der S***-K*** GesmbH auf die

S***-V*** GesmbH zu übertragen;

5. im Dezember 1975 Hans E*** als Geschäftsführer der L*** M*** GesmbH, Dr. Ulrich T*** als

sein Bevollmächtigter und Arthur L*** die Geschäftsanteile der Brüder Hans E*** und Ing. Heinz E*** an der

L*** M*** GesmbH mit dem Sitz in Leobendorf

an die M*** I***-H*** AG mit dem Sitz in Zug in der Schweiz

verkauften,

wodurch es geschehen konnte, daß das Urteil, mit welchem die Klage der Anna T*** gegen die L*** M***

GesmbH zu 3 Cg 62/79 des Kreisgerichts Korneuburg mit dem Zuspruch einer Forderung von 1,795.366,20 S am 31. Jänner 1980 in Rechtskraft erwuchs (offenbar gemeint: "daß das rechtskräftige Urteil, mit welchem der Klage ... stattgegeben worden ist, unvollstreckbar worden ist) und das Konkursverfahren über Antrag der L*** M*** GesmbH mit Beschluß des Kreisgerichts Korneuburg vom 8. Feber 1980, 6 S 3/80, eröffnet wurde. Das Erstgericht stellte (kurz zusammengefaßt) folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Am 11. Juli 1959 hatten der Erstangeklagte Hans E***, sein inzwischen verstorbener Bruder Heinz E*** und der österreichische Kaufmann Ing. Friedrich T*** die S***-K*** GesmbH mit dem Sitz in Leobendorf gegründet. Im Feber 1966 erwarb die durch Hans E*** und Arthur L*** vertretene

I***-S***-M*** AG Neftenbach (Schweiz) den einvernehmlich mit 4,5 Millionen S bewerteten Hälfteanteil des Ing. Friedrich T*** um 1,350.000 S. Schon vor diesem förmlichen Verkauf war im Jahr 1965 vereinbart worden, daß rund zwei Drittel des Werts der Stammanteile des Ing. T*** dadurch aufgebracht werden sollten, daß Ing. T*** und seine Ehegattin Anna (weiterhin) Gehälter von der S*** K*** Ges.m.b.H. Leobendorf beziehen und sodann (bis 1985) pensionsberechtigt sein sollten. Die Ansprüche aus den Dienst- und Pensionsverträgen wurden derart wertgesichert, daß sie sich jeweils in dem Ausmaß erhöhten, als der Mindeststundenlohn eines qualifizierten Facharbeiters der Lohngruppe I von über 18 Jahren nach dem Kollektivertrag für eisen- und metallerzeugende und verarbeitende Industrie und Gewerbe sich gegenüber dem Ausgangsbetrag von 11,30 S, erhöht.

Dabei war die Entwicklung des Mindeststundenlohns für beide Vertragsparteien nicht absehbar. Der Vorteil des Verkäufers durch die gewählte Form der Abwicklung lag in der finanziellen Sicherung seiner eigenen Zukunft sowie der Zukunft seiner Ehegattin und allenfalls auch (vorübergehend) seiner Tochter, jener der Käuferin in der Abwälzung der Belastung von zwei Dritteln

des - wirtschaftlich von ihr geschuldeten - Kaufpreises auf die Leobendorfer Gesellschaft, verbunden mit den sich aus der (gewinnmindernden) Auszahlung von (fiktiven) Gehalts- und Pensionsleistungen ergebenden steuerlichen Vorteilen. Bis zum Tod des Ing. Friedrich T*** am 2.September 1968 wurden die geschuldeten Leistungen erbracht; ebenso in der Folge bis einschließlich Jänner 1975 die Pensionsansprüche der Anna T*** im vollen Ausmaß, sodann bis März 1976 ohne Berücksichtigung der weiteren Indexsteigerung (über das letztberücksichtigte Maß von 27,40 S auf 34 S hinaus). Grob gerechnet erhielten die Eheleute T*** aus dem Verkauf des Hälfteanteils an der S*** K*** GesmbH Leobendorf 1,350.000 S einmalig sowie in Summe 3,356.000 S an Gehältern und Pensionen. Dazu kommt noch der Betrag von 1,500.000 S im Jahr 1980 aus der Ablösung der auf der Liegenschaft EZ 1198 der Katastralgemeinde Leobendorf eingeräumten Pfandrechte zur Sicherstellung der Pensionsansprüche, sodaß ihnen insgesamt 6,210.000 S (rechnerisch exakt: 6,206.000 S) zuflossen. Seit 1971 (rückwirkend für 1969) erkannte das Finanzamt 40 Prozent der Pension der Anna T*** als verdeckte Gewinnausschüttung, sodaß ein entsprechender Betrag dem Gewinn - steuervermehrend - zugerechnet wurde. Dies und die unerwartet starke Indexsteigerung ließen die weitere Erfüllung der Vertragspflichten zum wirtschaftlichen Problem werden. Hans E***, der neben seiner wirtschaftlich beherrschenden Stellung im S***-K*** (Sindelfingen und Neftenbach) außerdem Geschäftsführer der Leobendorfer GesmbH war, beschloß nun, diese Gesellschaft wirtschaftlich auszuhöhlen und dann zu liquidieren, um künftigen Forderungen der Anna T*** aus dem Pensionsvertrag die wirtschaftliche Grundlage der Verwirklichung zu entziehen (S 101/III). Darüber stellte er das Einvernehmen mit Dr. T***, der ihn seit 1974 in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer in Österreich vertrat, und Arthur L***, der die Schweizer Konzernbetriebe leitet sowie von 1967 bis 1973 auch Geschäftsführer der Leobendorfer GesmbH gewesen war, her (S. 102/III).

In Verfolgung dieses Plans wurde 1975 eine

S***-V*** GesmbH mit dem Sitz in Leobendorf

gegründet, der Hans E*** als Geschäftsführer der alten Gesellschaft deren Betriebsstätte sowie weitere Objekte vermietete. Auf diese neue Vertriebsgesellschaft wurde die Handelstätigkeit der S***-K***, der schon zum Jahresende 1974 die Generalvertretung der Produkte von S***-S*** aufgekündigt worden war, schrittweise verlagert. Die S***-K*** GesmbH wurde in L*** M*** GesmbH umbenannt. Laut

einem "Scheinprotokoll" vom 14. Juni 1975 über eine ordentliche Generalversammlung sei beschlossen worden, den Jahresgewinn 1974 von 860.000 S an die Gesellschafter auszuschütten. Am 4. Dezember 1975 traten die Brüder E*** ihre Stammanteile an der

L*** M*** GesmbH der M*** I***-H*** AG

in Zug ab.

Am 4. März 1976 versuchte Dr. T*** bei der V***

S*** den der S***-K*** GesmbH eingeräumten Kreditrahmen

auf die S*** V*** GesmbH zu übertragen, was aber

abgelehnt wurde. Am 26. März 1976 erteilte Hans E*** als

Geschäftsführer die Vollmacht, die Grundstücke der

L*** M*** GesmbH an die S***

V*** GesmbH zu verkaufen, was in der Folge, und zwar zu einem nach der Ansicht des Erstgerichts, das diesbezüglich einen Freispruch fällte, zumindest gemäß den Vorstellungen der Angeklagten angemessenen Preis auch geschah.

Ein am 17. Feber 1976 der Anna T*** gemachtes Angebot, die Pensionszahlungen durch eine einmalige Abschlagszahlung zu beenden, wurde von dieser nicht angenommen. Nach fruchtlosen Verhandlungen kam es zum Prozeß, in dem die L*** M*** GesmbH

schließlich rechtskräftig zur Zahlung der aufgelaufenen Pensionen im Betrag von 1,795.366 S s.A. verurteilt wurde (Urteil des Kreisgerichts Korneuburg vom 7. September 1979, 3 Cg 62/79-11, rechtskräftig seit 31. Jänner 1980).

Am 8. Februar 1980 wurde über die L*** M***

GesmbH über ihren Antrag der Konkurs eröffnet, in der Folge aber mangels Gläubigermehrheit aufgehoben. Der Bericht des Masseverwalters zeigt die völlige Vermögenslosigkeit der Gesellschaft zu dieser Zeit (6 S 3/80 des Kreisgerichts Korneuburg). Die eingangs erwähnten Schuldsprüche bekämpfen die Staatsanwaltschaft (teilweise) zugunsten des Angeklagten Dr. T*** mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO., sowie die drei Angeklagten (zur Gänze) mit getrennt ausgeführten, jeweils auf § 281 Abs. 1 Z. 5, 9 lit. a und b sowie (außer T***) 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.

Rechtliche Beurteilung

Das Vergehen der Vollstreckungsvereitelung nach § 162 Abs. 1 StGB. begeht ein Schuldner, der einen Bestandteil seines Vermögens verheimlicht, beiseite schafft, veräußert oder beschädigt, eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorschützt oder anerkennt oder sonst sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung eines Gläubigers durch Zwangsvollstreckung oder in einem anhängigen Zwangsvollstreckungsverfahren vereitelt oder schmälert. Ist der Schuldner, wie vorliegend, eine juristische Person oder eine Personengesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so stehen dem persönlich verpflichteten Schuldner leitende Angestellte gleich (§ 161 StGB.). Nach dem in dieser Norm bezogenen § 309 StGB. sind als leitende Angestellte u.a. auch Geschäftsführer anzusehen. Gemäß den allgemeinen Grundsätzen des § 12 StGB. ist auch eine Beteiligung anderer Personen an der vom Schuldner (oder seinem Organ) begangenen Vollstreckungsvereitelung möglich. Nicht nur Handlungen während eines anhängigen Zwangsvollstreckungsverfahrens sind tatbildlich, sondern darüber hinaus Vereitelungen der Befriedigung eines Gläubigers durch Zwangsvollstreckung überhaupt. Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 1971 gingen dabei so weit, auch eine Handlung in den Tatbestand einzubeziehen, die mit dem Vorsatz gesetzt wird, im Zug einer erst in fernerer Zeit drohenden Zwangsvollstreckung die Befriedigung des Gläubigers zu vereiteln oder zu schmälern (E***tGB. S. 307, linke Spalte). Indes ist der Oberste Gerichtshof der Ansicht, daß das Befriedigungsrecht des Gläubigers nicht schlechthin, sondern nur insoweit geschützt wird, als es "durch Zwangsvollstreckung" effektuiert werden soll. Die alternative Gleichstellung im Tatbild des § 162 StGB. mit der Vereitelung oder Schmälerung der Befriedigung eines Gläubigers "in einem (bereits) anhängigen Zwangsvollstreckungsverfahren" macht deutlich, daß sich - zumal bei der im Strafrecht stets gebotenen, die rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmöglichkeiten realistisch berücksichtigenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise (LSK. 1983/157 u.a.) - die exekutive Eintreibung einer bestimmten Forderung bereits objektiv faßbar abzeichnen muß. In dieselbe Richtung weist der die Auslegung der Tatbestände primär regelnde, im § 1 Abs. 1 StGB. verankerte Bestimmtheitsgrundsatz. Das Ergebnis dieser Interpretation setzt hier nicht unter allen Umständen das Vorliegen eines Exekutionstitels voraus, wohl aber die wegen Verzugs des Schuldners bevorstehende klageweise Geltendmachung der Forderung. Bei Forderungen, die zeitlich gestaffelt in wiederkehrenden Leistungen zu erfüllen sind (etwa bei Dauerschuldverhältnissen), kann in aller Regel noch nicht von einer drohenden Vereitelung oder Schmälerung von Befriedigungsrechten eines Gläubigers gesprochen werden, solang die Leistungen termingerecht erbracht werden. Gleiches gilt, wenn künftige Leistungen an unabsehbare Bedingungen geknüpft und daher in ihrem Umfang noch ungewiß sind.

Im gegenständlichen Fall wurden bis einschließlich Jänner 1975 die Forderungen der Anna T***, nämlich deren Pensionsansprüche, in vollem Ausmaß und sodann bis einschließlich Februar 1976 ohne Berücksichtigung der weiteren Indexsteigerung erfüllt. Die Ansprüche standen (abgesehen von einer absoluten zeitlichen Begrenzung: bis 1985) wegen ihrer Bindung sowohl an eine Wertsicherung als auch an die Lebensdauer der Gläubiger in ihrem vollen künftigen Umfang naturgemäß nicht fest. Zur Zeit der Kündigung der Generalvertretungsbefugnis im Jahr 1974 war es jedenfalls in einer einen bestimmten Klagsanspruch begründenden Art und Weise keineswegs absehbar, in welchem Umfang künftige Leistungen Objekte einer exekutiven Befriedigung werden könnten.

Dazu kommt, daß der bis zum 1. Jänner 1975 in Geltung gestandene § 1 des Gesetzes vom 25. Mai 1883, RGBl. Nr. 78, als verkümmert zweiaktiges Absichtsdelikt konzipiert und nur auf eine bereits im Zuge befindliche oder doch dem Täter drohende Zwangsvollstreckung abgestellt war, die erst dann angenommen werden konnte, wenn schon die Gefahr der Einleitung eines Exekutionsverfahrens bestand und der Täter dies wußte (SSt. 17/110). Nun fällt die erste Tathandlung, nämlich die Aufkündigung der Generalvertretungsbefugnis der Firma S*** K*** Ges.m.b.H. Sindelfingen am 25. Juni 1974 (offenbar erst am 17. Dezember 1974; S. 102, 103/III) per 31. Dezember 1974 noch in die Zeit der Geltung der alten Rechtslage. Diese war in ihrer Gesamtauswirkung infolge der ausdrücklichen zeitlichen Begrenzung, die eine Handlung im Blick auf eine erst in fernerer Zukunft drohende Zwangsvollstreckung nicht pönalisiert hatte (Liebscher in WK Rz. 1 zu § 162 StGB.), für den Täter insoweit günstiger (§ 61, zweiter Satz, StGB.).

Geht man in Übereinstimmung mit der Aktenlage wie die Generalprokuratur in ihrer schriftlichen Stellungnahme davon aus, daß der entscheidende, zur wirtschaftlichen Aushöhlung und schließlich zur Stillegung des Betriebs der Gesellschaft mit beschränkter Haftung führende Schritt die im Zusammenspiel von E*** und L*** bewerkstelligte "Beendigung" (Aufkündigung) des Generalvertretungsvertrags (1 des Urteilsspruchs) war, weil die Vertretung der Erzeugnisse des S***-K*** offensichtlich den Hauptinhalt der Geschäftstätigkeit darstellte, wogegen den in 2 bis 4 des Urteilsspruchs bezeichneten weiteren Tathandlungen nur "illustrative" Bedeutung für den Erfolgseintritt (Vermögensbeseitigung) zukommt, so erweist sich erst recht, daß im Tatzeitpunkt (§ 61, zweiter Satz, StGB.) das damals aktuelle Schutzobjekt, nämlich eine drohende Zwangsvollstreckung (§ 1 Exekutionsvereitlungsgesetz), fehlte.

Diese rechtlichen Überlegungen, die zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit dieses in seinem freisprechenden Teil nicht ohnehin unberührt bleibt, und zum Freispruch von der den nunmehr aufgehobenen Schuldsprüchen zugrundeliegenden Anklage (nicht vom abweichenden Urteilssatz) führen, wurden von keinem der Nichtigkeitswerber geltend gemacht. Der Oberste Gerichtshof hatte daher aus Anlaß der ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden die den Angeklagten zum Nachteil gereichende unrichtige Anwendung des Gesetzes von Amts wegen aufzugreifen und so vorzugehen, als wäre der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO. in der aufgezeigten Richtung geltend gemacht worden.

Mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen waren sämtliche Prozeßparteien hierauf zu verweisen.

Nach dem oben Gesagten brauchte die von der Generalprokuratur zutreffend wahrgenommene Verjährung der Strafbarkeit des Angeklagten L*** nicht mehr gesondert erörtert zu werden.

Rechtssätze
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