JudikaturJustiz13Os122/12h

13Os122/12h – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Dezember 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Dezember 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Haberreiter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Predrag R***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Predrag R***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. September 2012, GZ 152 Hv 46/12t 125, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im die Angeklagten Predrag R***** und Dalibor V***** betreffenden Verfallserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Predrag R***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch ein Predrag R***** und Dalibor V***** betreffendes Verfallserkenntnis enthält, wurde Predrag R***** des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB (I bis III) und Dalibor V***** des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall StGB (III/3 und VI) sowie des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (VII) schuldig erkannt.

Danach haben in Wien und an anderen Orten

(I bis III und VI) in teilweise einverständlichem Zusammenwirken mit anderen Mittätern gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz anderen fremde bewegliche Sachen durch Einbruch, indem sie in Wohnstätten durch gewaltsames Öffnen von Türen oder Fenstern eindrangen, weggenommen und wegzunehmen versucht, und zwar Predrag R***** von 9. September bis 29. September 2011 in 22 im Urteil einzeln bezeichneten Fällen dort genannte Gegenstände in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert (I bis III) und Dalibor V***** nachts zum 17. Juli 2011 sowie am 29. September 2011 in zwei im Urteil einzeln bezeichneten Fällen dort genannte Gegenstände in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert (III/3 und VI);

(VII) Dalibor V***** am 15. Mai 2012 Polizeibeamte dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er sie einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich „des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und der Verletzung einer Amtspflicht“, wissentlich falsch verdächtigte, indem er bei seiner Vernehmung als Angeklagter vor Gericht angab, dass er angeschrien wurde, während seiner Vernehmung knien musste und die Beamten ihn dazu zwangen, tatsächlich von ihm nicht begangene Einbrüche zugestehen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Schuldsprüche I bis III von Predrag R***** aus Z 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl.

Das Schöffengericht leitete die Täterschaft dieses Angeklagten im Wesentlichen aus dem Umstand ab, dass das bei ihm sichergestellte Mobiltelefon zu den Tatzeitpunkten im Sendebereich der jeweiligen Tatorte eingeloggt war. Indem die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) den logisch und empirisch einwandfreien Urteilsannahmen, wonach aus dem Inhalt des Rufnummernspeichers auch auf die Verwendung dieses Telefons durch den Angeklagten im fraglichen Zeitraum zu schließen sei (US 16 f), lediglich eigene Beweiswerterwägungen entgegen stellt, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Kritik der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall), die Heranziehung der Tatwiederholung als erschwerend verstoße bei gleichzeitiger Annahme von Gewerbsmäßigkeit gegen das Doppelverwertungsverbot, trifft nicht zu, kommt es doch nach § 70 StGB nur auf eine Wiederholungstendenz, nicht aber auf tatsächlich mehrfache Tatbegehung an (RIS Justiz RS0091375, RS0091183).

Aus welchem Grund § 130 dritter Fall StGB trotz Zusammentreffens der Diebstahlsqualifikationen nach §§ 128 und 129 StGB nicht in die nach § 29 StGB zu bildende Subsumtionseinheit hätte aufgenommen werden dürfen, erklärt die (der Sache nach auf Z 10 gestützte) Rüge nicht (vgl dazu Ratz in WK 2 § 29 Rz 1 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur von nicht geltend gemachter Nichtigkeit hinsichtlich des Predrag R***** und Dalibor V***** betreffenden Verfallserkenntnisses (§§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO), weil dem Urteil keinerlei Entscheidungsgrundlagen zu dieser vermögensrechtlichen Anordnung zu entnehmen sind (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO, Ratz , WK StPO § 290 Rz 9).

Diese Nichtigkeit (vgl RIS Justiz RS0114233) war vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen aufzugreifen (§§ 285e erster Satz, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO). Da sich die Berufung des Angeklagten Predrag R***** bloß gegen den Strafausspruch richtet, ist dem Oberlandesgericht in einem solchen Fall zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte die amtswegige Wahrnehmung einer die vermögensrechtliche Anordnung betreffenden Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO zugunsten dieses Angeklagten nicht möglich (RIS Justiz RS0119220 [T9]; Ratz , WK StPO § 294 Rz 10 und § 295 Rz 7 und 14).

Im neuen Verfahren steht dem Einzelrichter die betreffende Entscheidung zu (§ 445 Abs 2 StPO).

Wie die Generalprokuratur weiters zutreffend ausführt, besteht in Ansehung des Dalibor V***** betreffenden Schuldspruchs wegen eines Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (VII) kein Anlass für ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO. Werden Polizeibeamte (wissentlich) der Erzwingung eines unrichtigen Geständnisses falsch verdächtigt, begründet dies nicht den Vorwurf des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, sondern jenen des trotz des § 313 StGB nur mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedrohten (RIS Justiz RS0096828; vgl auch RIS Justiz RS0125293) Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (RIS Justiz RS0093367, RS0093403; Marek/Jerabek , Korruption und Amtsmissbrauch 4 Rz 14; Pilnacek in WK 2 § 297 Rz 35).

Mit der rechtsirrigen Annahme des zweiten (statt des ersten) Falls des § 297 Abs 1 StGB ist jedoch kein Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO verbunden. Denn der Subsumtionsfehler lässt den hier anzuwendenden Strafrahmen (§ 130 zweiter Satz StGB) unberührt und hat sich auch nicht bei der Strafzumessung nachteilig ausgewirkt, weil der vom Erstgericht unter dem Gesichtspunkt eines „Zusammentreffens von zwei Verbrechen“ (US 23) herangezogene Erschwerungsgrund nach § 33 Abs 1 Z 1 StGB schon mit Blick auf die Tatwiederholung bei der Begehung von Einbruchsdiebstählen (III/3 und VI) verwirklicht wurde (vgl Ratz , WK StPO § 290 Rz 24).

Die Kostenentscheidung, die die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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