JudikaturJustiz13Os12/06y

13Os12/06y – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Mai 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Mai 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Dachler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christian K***** und eine weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Christian K***** und Ursula S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. September 2005, AZ 095 Hv 81/05k, nach Anhörung der Generalprokuratur und Äußerung des Verteidigers (§ 35 Abs 2 StPO) in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Christian K***** und Ursula S***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie am 20. September 2004 als Sicherheitswachebeamte in Wien im Wachzimmer Hermann-Bahr-Straße mit dem Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht auf Überprüfung des Verdachtes der Begehung einer gerichtlich zu ahndenden strafbaren Handlung durch unbekannte Personen zum Nachteil der Anna N***** zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch, dass sie es unterlassen haben, eine korrespondierende Anzeige der Anna N***** entgegen zu nehmen, wissentlich missbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten mit - gemeinsam ausgeführten - auf Z 4, 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, denen jedoch in keinem Punkt Berechtigung zukommt.

Durch die Abweisung (S 261 f) des in der Hauptverhandlung vom Verteidiger der beiden Angeklagten gestellten Antrags auf Ladung und Vernehmung des Dr. Friedrich H***** (S 261 iVm S 147) wurden - der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider - keine Verteidigungsrechte gekürzt. Die Einvernahme des Zeugen wurde mit der Begründung verlangt, dass dieser „eigene Wahrnehmungen zum gegenständlichen Sachverhalt hat, er hat den ihm geschilderten Sachverhalt ausgeschmückt und nach eigenen Interessen verfasst, es ist nicht auszuschließen, dass es sich hiebei um eine Retourkutsche seitens Mitgliedern der KRIPO gegen den Beschuldigten K***** handelt" (S 261).

Abgesehen davon, dass der Genannte unbestritten weder Zeuge des Vorfalls vom 20. September 2004 in der Straßenbahnlinie 25 noch der verfahrensgegenständlichen versuchten Anzeigeerstattung vom selben Tag war und die Erstrichter ihre Tatsachenfeststellungen nicht auf die - nach den Verfahrensergebnissen von Dr. H***** formulierte - Beschwerde an das Bundesministerium für Inneres (S 15 f), sondern die Aussagen der Tatzeugen gestützt haben (US 8 ff), ergibt sich schon aus der Formulierung des Antrags („es ist nicht auszuschließen"), dass die verlangte Beweisaufnahme nicht der Verifizierung einer den Angeklagten bekannten, zu ihrer Entlastung geeigneten Tatsache, sondern bloß der Klärung dienen sollte, ob überhaupt Beweismittel auffindbar waren, welche die damit in Frage gestellte Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen erschüttern könnten.

Mangels aktuell gebotener konkreter Anhaltspunkte für einen wie immer gearteten Zusammenhang zwischen den vom Angeklagten Christian K***** erwähnten Amtshandlungen, die er in der Vergangenheit gegen namentlich nicht genannte Kriminalbeamte geführt haben soll und die Anlass für die nunmehrige Befürchtung von - ihm gar nicht angedrohten (vgl S 191) - Racheaktionen sind, und Dr. Friedrich H***** oder gar den im Verfahren vernommenen Zeugen, zielte das Begehren - vom Erstgericht zutreffend erkannt - im Ergebnis auf einen in diesem Verfahrensstadium unzulässigen Erkundungsbeweis ab, weil dem Antrag Ausführungen dazu fehlen, dass durch den begehrten Zeugen der angestrebte Beweis überhaupt erbringbar wäre (Ratz, WK-StPO §281 RZ 330).

Daher geht auch der Hinweis auf § 8 RL-BA schon deshalb ins Leere, weil nicht nachvollzogen werden kann, weshalb zu sachgerechter Antragstellung eine Befragung Dris H***** durch den Verteidiger erforderlich sein sollte.

Zwar stellt die derzeit in Geltung stehende StPO, wie die Beschwerde zutreffend erwähnt, keine expliziten Regeln für die Mindestanforderungen an einen Beweisantrag auf (anders § 55 Strafprozessreformgesetz, welcher die in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes erarbeiteten Anforderungen übernimmt). Aus der mit der Zielsetzung des Art 6 Abs 1 MRK, das Verfahren binnen angemessener Frist zum Abschluss zu bringen, konvergierenden Vorschrift des § 232 Abs 2 StPO erhellt jedoch unmissverständlich, dass das Gericht, soll es zu Beweisaufnahmen veranlasst werden, in die Lage versetzt werden muss, zu erkennen, ob diese der Aufklärung dienen oder die Hauptverhandlung ohne einen solchen Nutzen verzögern würden. Dazu kommt, dass die vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rsp dargelegten - nicht immer gleichen (vgl WK-StPO § 281 Rz 327 f) - Antragserfordernisse (kritisch Bertel, JBl 2004, 597 [Entscheidungsanmerkung] und - ohne eigene Argumentation bloß mit pauschalem Verweis auf Mayerhofer/Hollaender, ÖJZ 2005, 447 [450 f] - Schwaighofer, ÖJZ 2006, 325 [239] - dagegen aber Ratz, Einige Bemerkungen über Beweisanträge, JBl 2005, 198; der Rsp zustimmend auch Schmoller, WK-StPO § 3 Rz 63 und - im Grundsatz - Fuchs, Strafrecht im Wandel, Schriftenreihe des BMJ Bd 118, 5 [18 ff]), streng genommen nur jene Voraussetzungen darstellen, welche verlangt werden, um den Obersten Gerichtshof mit der Frage der Berechtigung des Antrages befassen zu können. Sie sind - so gesehen - nur Anforderungen an die Zulässigkeit der Verfahrensrüge (WK-StPO § 281 Rz 321).

Dem sinngemäß eine offenbar unzureichende (Schein )Begründung hinsichtlich der subjektiven Tatseite monierenden Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) genügt es zu entgegnen, dass - der Beschwerdeauffassung zuwider - der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wollen oder Wissen des Angeklagten methodisch gerechtfertigt und auch rechtsstaatlich zulässig ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).

Der äußere Geschehensverlauf aber wurde aus - eingehend erörterten - Aussagen einer Reihe von Zeugen und keineswegs bloß aus dem „Umstand, dass die Angeklagten" (zu ergänzen: von ihrem Vorgesetzten) „als motivierte und eifrige Sicherheitswachebeamte geschildert wurden", gleichermaßen einwandfrei erschlossen (US 7 - 11). Eine „Erfolgshaftung" läge, der Beschwerdeauffassung zuwider, nur vor, wenn es keiner Urteilskonstatierungen zu subjektiven Erfordernissen bedürfte. Von einem Begründungsmangel iSd Z 5 kann daher keine Rede sein.

„Widersprüchliche Feststellungen" (Z 5 dritter Fall), welche die Beschwerde zu erkennen glaubt, liegen vor, wenn die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 270 Abs 2 Z 4 [§ 260 Abs 1 Z 1] StPO) oder die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen untereinander nach Maßgabe von Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungswerten unvereinbar sind (WK-StPO § 281 Rz 437 - 439). Erwähnung oder Nichterwähnung einer Gesetzesstelle im Erkenntnis (hier: § 2 StGB) haben damit nichts zu tun (vgl § 260 Abs 1 Z 4 StPO, dessen Einhaltung aus Z 3 unbeachtlich ist [§ 260 Abs 1 Z 3 letzter Teilsatz StPO]). Auch eine verfehlte rechtliche Beurteilung in den Entscheidungsgründen wäre übrigens unbeachtlich, wenn nur im Ergebnis der zutreffende rechtliche Schluss gezogen wurde (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO; WK-StPO § 281 Rz 413 f).

Soweit die Beschwerdeführer in ihrer Rechtsrüge (Z 9 lit a) mangelnde Feststellungen in Ansehung der Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs und des Schädigungsvorsatzes behaupten und damit für nicht abschließend geklärt erachten, „ob nicht etwa eine - straffreie - Form der bewussten Fahrlässigkeit vorlag", sind sie auf die in der Mängelrüge selbst zitierten, oben bezeichneten Konstatierungen (US 3, 7 f, 11) zu verweisen. Sie führen damit diesen Teil der Rechtsrüge nicht prozessordnungsgemäß aus, weil sie nicht - wie es dafür erforderlich wäre - am gesamten konstatierten Sachverhalt festhalten.

Das abrupte Ende der Amtshandlung wurde gar wohl festgestellt, aus den Angaben der Angeklagten aber nicht die von den Beschwerdeführern vermisste Feststellung einer „Pflichtenkollission" (die darin bestanden hätte, dass aufgrund eines anderen Einsatzes die Beendigung der Amtshandlung pflichtgemäß erfolgte und die Nichtaufnahme der Anzeige nicht vorwerfbar war) als Ursache für deren Verhalten abgeleitet. Mit der Behauptung eines Feststellungsmangels wird solcherart der Sache nach - aus Z 9 lit b unbeachtlich - nur das Ergebnis der Beweiswürdigung in Frage gestellt. Im Übrigen hat keiner der Angeklagten Aussagen im Sinne der Rechtsmittelbehauptung aufgestellt. Vielmehr hatten beide ausdrücklich deponiert, das Gespräch sei bereits davor beendet und lediglich die Aufnahme einer Meldung im Tagesbericht wegen des späteren Einsatzes vergessen worden (vgl Christian K*****: S 65, 183f und S 45 ON 32, Ursula S***** S 73, 199 und 51 in ON 32).

Da die Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen die Subsumtion der Tat unter § 302 Abs 1 StGB nicht berührt, geht die solcherart keine fehlerhafte rechtliche Beurteilung iS der Anwendung eines anderen Strafgesetzes zum Ausdruck bringende Behauptung, dass „bei rechtsrichtiger Beurteilung des Sachverhalts das Delikt gemäß §§ 2, 302 Abs 1 StGB verwirklicht wäre", unter dem Aspekt des angezogenen Nichtigkeitsgrundes (Z 10) ins Leere (zur Anwendbarkeit des § 2 beim Amtsmissbrauch vgl im Übrigen Hilf in WK² § 2 Rz 16). Die Reklamation des Milderungsgrundes nach § 34 Abs 1 Z 5 StGB stellt nur ein Berufungsvorbringen dar.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - entgegen der Meinung der Generalprokuratur - schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), sodass über die Berufungen der Angeklagten das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 285i StPO).

Zu einem gegen § 90a Abs 2 Z 1 StPO gerichteten Vorgehen nach § 89 Abs 2 B-VG sieht sich der Oberste Gerichtshof schon deshalb nicht veranlasst, weil auch ungeachtet dieser Einschränkung keinerlei Anlass für diversionelles Vorgehen bestanden hätte, die in ihrer Verfassungskonformität in Frage gestellte Vorschrift mithin nicht anzuwenden war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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