JudikaturJustiz13Ns82/17p

13Ns82/17p – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. November 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. November 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig und Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Dragan R***** wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 48 Hv 77/17m des Landesgerichts Wiener Neustadt, über den Antrag des Angeklagten auf Delegierung nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Antrag wird nicht Folge gegeben.

Die Akten werden dem Oberlandesgericht Wien zurückgestellt.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Da der Antrag (ua) auf § 29 JGG Bezug nimmt, sei vorausgeschickt, dass eine Delegierung die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Gerichts voraussetzt, dem die Sache abgenommen werden soll ( Oshidari , WK-StPO § 39 Rz 2; 14 Ns 11/16b ua). Nach Anklagevorwurf und Aktenstand liegen dem Angeklagten ausnahmslos Taten zur Last, die er nach Vollendung des 18. Lebensjahres begangen habe (zur vom Anklagevorwurf I erfassten Tat siehe insoweit ON 2 S 7). Daher geht das Landesgericht Wiener Neustadt zutreffend von seiner Zuständigkeit als Tatortgericht (hier: gemäß § 36 Abs 3 erster Satz, 37 Abs 1 erster Satz, Abs 2 erster Satz StPO) aus. § 29 JGG, der die örtliche Zuständigkeit jenes Gerichts normiert, in dessen Sprengel der Beschuldigte zur Zeit des Beginns des Strafverfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, gilt nämlich nur in Jugendstrafsachen; in Strafsachen gegen junge Erwachsene ist diese Bestimmung nicht anzuwenden (§ 46a JGG e contrario; Schroll in WK 2 JGG § 29 Rz 1).

Ein wichtiger Grund, aus dem allein gemäß § 39 StPO die Veränderung des gesetzlichen Richters (Art 83 Abs 2 B-VG) ausnahmsweise zulässig wäre, wird aber hier nicht dargetan:

Kein solcher Grund ist, dass der Wohnort des Angeklagten in Braunau am Inn, somit im Sprengel eines anderen Gerichts, gelegen ist (RIS-Justiz RS0053539 [T4]). Das Argument, seine Anreise zum Gericht sei wegen seiner „Mittellosigkeit“ „problematisch“, ist mit Blick auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Angeklagten laut Personalblatt (ON 2 S 15) aktenfremd (vgl im Übrigen RIS-Justiz RS0127777).

Hinzu kommt, dass mit der beantragten Delegierung – angesichts der nur teilweise geständigen Verantwortung des Angeklagten (ON 2 S 33 ff) – auch die Anreise der Zeugin Zalinka J*****, deren Wohnort im Sprengel des Landesgerichts Wiener Neustadt liegt (ON 2 S 41), zum Landesgericht Ried im Innkreis verbunden wäre. Mangels Einverständnisses oder übereinstimmenden Antrags von Ankläger und Angeklagtem liegen im Übrigen – dem Antragsvorbringen zuwider – die Voraussetzungen für die Vernehmung dieser Zeugin unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung (§ 247a Abs 1 zweiter Satz StPO) nicht vor.