JudikaturJustiz12Os97/12z

12Os97/12z – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. August 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lindenbauer als Schriftführer in der Strafsache gegen Kris G***** wegen Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall, Abs 2 SMG, AZ 14 Hv 51/11t des Landesgerichts Leoben, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil vom 1. Juni 2011 (ON 11) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Dr. Haslwanter, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landegerichts Leoben vom 1. Juni 2011, GZ 14 Hv 51/11t 11, verletzt im wegen mehrerer Vergehen nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall „teils“ iVm Abs 2 SMG ergangenen Schuldspruch § 27 Abs 2 SMG und § 35 Abs 1 SMG iVm § 37 SMG sowie in dem nach § 27 Abs 2 SMG ergangenen Sanktionsausspruch § 28 Abs 1 zweiter Satz StGB.

Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch, demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, das Verfahren nach §§ 35 Abs 1, 37 SMG durchzuführen.

Text

Gründe:

Mit an die mündliche Verkündung (ohne Beifügung der beschlossenen Angleichung am Rand der Urschrift) angeglichenem (vgl ON 15) in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil des Landesgerichts Leoben vom 1. Juni 2011, GZ 14 Hv 51/11t 11, wurde Kris G***** mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach „§ 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall teils iVm Abs 2 SMG“ schuldig erkannt und hiefür nach § 27 Abs 2 SMG zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Wochen verurteilt.

Vom weiteren Vorwurf, an den minderjährigen René K***** Suchtgift überlassen zu haben, wurde Kris G***** gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Gemäß §§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 StGB wurde ihm in der Hauptverhandlung auch die Weisung erteilt, sich monatlich einem Harntest zu unterziehen und dem Gericht darüber unaufgefordert Bestätigungen vorzulegen. Diese Anordnung wurde in die gekürzte Urteilsausfertigung aufgenommen (ON 11 S 3).

Nach dem (hier zusammengefasst wiedergegebenen) Schuldspruch hat Kris G***** von 2008 bis 4. März 2011 in E***** und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar in wiederholten Angriffen THC hältiges Marihuana erworben und bis zum Eigenkonsum besessen sowie teilweise anderen im Zuge des gemeinsamen Konsums unentgeltlich überlassen.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil steht wie die Generalprokuratur gemäß § 23 Abs 2 StPO im Ergebnis zutreffend ausführt mit dem Gesetz in mehrfacher Hinsicht nicht im Einklang:

Die Privilegierung nach § 27 Abs 2 SMG umfasst nicht nur den ausschließlichen persönlichen Gebrauch des Suchtgifts durch den Täter, sondern auch das uneigennützige Handeln für den persönlichen Gebrauch eines anderen (RIS Justiz RS0124624; Litzka/Matzka/Zeder , SMG 2 § 27 Rz 70; Schwaighofer in WK 2 § 27 SMG Rz 57 jeweils mwN). Die nicht zur Gänze erfolgte Unterstellung der im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) geschilderten Taten unter § 27 Abs 2 SMG steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Der Vollständigkeit halber ist mit Blick auf den Schuldspruchpunkt 2./ („im Zuge des Suchtmittelkonsums tatsächlich inne hatte“) auch festzuhalten, dass hinsichtlich der Tatmodalitäten des Erwerbs und des Besitzes ein alternatives Mischdelikt vorliegt. Erwerb und anschließender Besitz derselben Suchtgiftmenge durch denselben Täter begründen nur eine strafbare Handlung (vgl RIS Justiz RS0114037 [T4]).

Nach § 35 Abs 1 SMG hat die Staatsanwaltschaft unter den in Abs 3 bis Abs 7 leg cit genannten Voraussetzungen und Bedingungen von der Verfolgung einer Straftat nach § 27 Abs 1 und Abs 2 SMG oder § 30 SMG, die ausschließlich für den eigenen persönlichen Gebrauch oder den persönlichen Gebrauch eines anderen begangen worden ist, ohne dass der Beschuldigte daraus einen Vorteil gezogen hat, unter Bestimmung einer Probezeit von einem bis zu zwei Jahren vorläufig zurückzutreten. Nach Einbringen der Anklage hat das Gericht die Bestimmungen der §§ 35 und 36 SMG sinngemäß anzuwenden und das Verfahren unter den für die Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen (§ 37 SMG).

Fallaktuell steht der Verurteilung entgegen, dass die Einzelrichterin in der den Bezugspunkt der materiellrechtlichen Beurteilung bildenden gekürzten Urteilsausfertigung keine ein Vorgehen nach § 35 Abs 1 SMG, § 37 SMG ausschließende Feststellungen traf (vgl RIS Justiz RS0101786; RS0125764 [T3]).

Der von § 27 Abs 2 SMG ausgehende Strafausspruch orientiert sich zudem nicht an der bei Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen maßgebenden Bestimmung des Strafgesetzbuches. Ausgehend von der vom Erstgericht wie bereits dargelegt verfehlt auch nach § 27 Abs 1 SMG vorgenommenen Subsumtion, wäre nach § 28 Abs 1 zweiter Satz StGB auch die Strafe nach diesem, hier die Höchststrafe normierenden Gesetz zu bestimmen gewesen.

Da der Schuldspruch zum Nachteil des Angeklagten wirkt, war die Feststellung der Gesetzesverletzung mit der aus dem Spruch ersichtlichen konkreten Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

Mit Blick auf das Referat der entscheidenden Tatsachen und der im Fall einer Verurteilung gebotenen, von der Einzelrichterin gegenständlich aber unterlassenen Feststellungen zum Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für einen vorläufigen Rücktritt von einer Verfolgung, war dem Erstgericht zunächst die Abklärung der gesetzlichen Voraussetzungen, also die Durchführung des Verfahrens nach §§ 35 Abs 1, 37 SMG aufzutragen (vgl § 288 Abs 2 Z 2a StPO).

Die ohne gesetzliche Grundlage in die Ausfertigung des Urteils aufgenommene (vgl RIS Justiz RS0101841; Jerabek , WK StPO § 494 Rz 1) und vom aufgehobenen Urteil rechtslogisch abhängende Weisung nach §§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 StGB gilt gleichfalls als beseitigt (vgl Ratz , WK StPO § 292 Rz 28; RIS Justiz RS0100444).

Wie von der Generalprokuratur zutreffend angemerkt, entspricht die Kris G***** erteilte Weisung im Übrigen auch nicht dem Gesetz. Weisungen müssen nach Inhalt und Zielsetzung zur Schaffung jener Voraussetzungen beitragen, die ein rückfallfreies Verhalten des Rechtsbrechers fördern und erleichtern, dürfen sich jedoch nicht darauf beschränken, dem Verurteilten aufzutragen, innerhalb der Probezeit keine (gleichartige oder ungleichartige) neue strafbare Handlung zu begehen (vgl Schroll in WK 2 § 51 Rz 6; RIS Justiz RS0092261; RS0092285). Eine solche Weisung, die sich sachlich im Verbot der Begehung einer neuen Straftat erschöpft, entspricht nicht der Zielsetzung der §§ 50 ff StGB. Die Begehung einer Straftat innerhalb der Probezeit stellt vielmehr einen eigenen Widerrufsgrund dar. Die ergangene Anordnung, innerhalb der Probezeit sich des Konsums von Suchtgiften zu enthalten und regelmäßig den Nachweis der Drogenfreiheit zu erbringen, stellt eine derart unzulässige Weisung dar (vgl 13 Os 57/99).

Rechtssätze
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