JudikaturJustiz12Os52/95

12Os52/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Januar 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Jänner 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Wietrzyk als Schriftführerin in der Strafsache gegen Juso N***** und Avdija M***** wegen des Vergehens nach § 33 Abs 1, Abs 2 lit a und b, § 13 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Juso N***** und Avdija M***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15.Dezember 1994, GZ 12 E Vr 6452/93-54, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Tiegs, der Angeklagten und der Verteidiger Dr.Burghofer und Dr.Ainedter zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Juso N***** und Avdija M***** des teils vollendeten, teils versuchten Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und § 13 FinStrG sowie des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a und d (richtig: b) FinStrG schuldig erkannt.

Danach haben sie in Wien, Juso N***** als eingetragener und Avdija M***** als tatsächlicher (Mit )Geschäftsführer, in Wahrnehmung der steuerlichen Agenden der D***** GmbH vorsätzlich

I. unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, und zwar

A/ durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1990 und Nichtabgabe einer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1991 Verkürzungen dieser bescheidmäßig festzusetzenden Abgabe

1. für das Jahr 1990 am 25.März 1992 in Höhe von 153.608 S bewirkt;

2. für das Jahr 1991 am 31.März 1992 in Höhe von 314.022 S zu bewirken versucht;

B/ durch Unterlassung der Anmeldung und Abfuhr eine Verkürzung der selbst zu berechnenden Kapitalertragsteuer für das Jahr 1991 um 183.536 S bewirkt;

II. in der Zeit vom 11.März 1992 bis 11.Oktober 1992 unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen, nämlich durch Abgabe einer unrichtigen Voranmeldung für Jänner 1992 und durch Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar bis August 1992, eine Verkürzung von Umsatzsteuer(Vorauszahlungen) für diesen Zeitraum von insgesamt 1,532.178 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten;

III. unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 des Einkommensteuergesetzes 1988 entsprechenden Lohnkonten für den Zeitraum Dezember 1991 bis Dezember 1992 eine Verkürzung von Lohnsteuer um 1,517.212 S und von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen um 273.098 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten.

Rechtliche Beurteilung

Den dagegen von beiden Angeklagten aus Z 4, 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.

Ihrer Verfahrensrüge (Z 4) zuwider konnte die Ausforschung und Vernehmung der Geschäftsführer angeblicher Subunternehmen (Enim-, HSM-, Altan- und Quamora Bau GmbH) zum Beweis dafür, daß diese Gesellschaften für die D***** GmbH mit eigenen Dienstnehmern Arbeiten durchgeführt haben (111 f/III), unterbleiben, ohne Verteidigungsrechte der Beschwerdeführer zu beeinträchtigen.

Abgesehen von der im bekämpften Zwischenerkenntnis zu Recht vermißten näheren Bezeichnung der behaupteten Bauarbeiten in zeitlicher und örtlicher Hinsicht, fehlt den Beweisanträgen vor allem die nach Lage des Falles zur Überprüfung ihrer Berechtigung unerläßliche Konkretisierung, inwieweit die begehrten Zeugeneinvernahmen geeignet sein sollten, jene mit dem Beweisziel objektiv unvereinbaren Besonderheiten im Rechnungswesen der D***** GmbH (US 17 und 31) in Frage zu stellen. Dieses Beweisergebnis, namentlich die dem Geldtransfer an die Firma E***** unmittelbar folgenden Rücküberweisungen (US 31; vgl auch Buchsachverständigengutachten 101 f/III) wäre aber auch dadurch nicht zu entkräften, daß die Differenz zwischen den Eingängen und "den durch Kassabuch und Banküberweisungen belegten Auszahlungen" der D***** GmbH möglicherweise eine Größenordnung ergibt, die rein rechnerisch einer geringen Verdienstspanne im Sinne der behaupteten Vermittlertätigkeit entsprechen könnte. Dies umsoweniger, als feststeht, daß die Geldflüsse zu den angeblichen Subunternehmen im Kassabuch gar keinen Niederschlag fanden (35/II) und es sich überdies (großteils) um Barauszahlungen gehandelt hat (221 f/II). Zur insoweit beantragten Ergänzung des Sachverständigengutachtens bestand demnach gleichfalls kein Grund.

Unbegründet ist ferner der Vorwurf unvollständiger und unzureichender Begründung (Z 5) der Konstatierung, daß die D***** GmbH Dienstnehmer beschäftigte, ohne Lohnabgaben für diese zu entrichten (US 17), und zur Verschleierung dieser Tatsache Subunternehmerarbeiten lediglich vortäuschte (US 28).

Nach der Aussage des Zeugen Richard Z***** (47 f/III) beruht dessen Annahme, die D***** GmbH habe sich verschiedener Subunternehmen bedient, nicht auf Wahrnehmung von Tatsachen, sondern lediglich einer Schlußfolgerung aus den von ihm in seiner Eigenschaft als Firmenbuchhalter festgestellten (wenn auch - seiner Meinung nach aus Schlampigkeit - nur teilweise rechnungsmäßig belegten) Geldflüssen (57/III). Insoweit handelte es sich demnach gar nicht um ein der Begründungspflicht unterliegendes Zeugnis (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 150 E 2). Davon abgesehen gehen die Mängelrügen aber auch deshalb ins Leere, weil gerade die Depositionen dieses Zeugen in ihrer Gesamtheit, vor allem seine Wahrnehmungen über eine auffallende Diskrepanz zwischen Geldabgängen und Fakturen, nicht für, sondern gegen die Verantwortung der beiden Angeklagten spricht. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß Richard Z***** die Beschwerdeführer bis zu der wegen des mangelhaften Rechnungswesens erfolgten Vollmachtskündigung "mehr oder weniger" (61/III) steuerlich vertreten hat, zumal er dabei auf die Informationen durch die Geschäftsführer und die ihm übermittelten Belege angewiesen war.

Dem Einwand des Angeklagten N***** zuwider ist das Erstgericht nicht davon ausgegangen, daß (auch) die E***** GmbH keine Geschäftstätigkeit entfaltete (vgl US 15), hat es doch bei Ermittlung der strafbestimmenden Wertbeträge - zugunsten der Beschwerdeführer - sogar mehrere Rechnungen dieses Unternehmens berücksichtigt (US 27). Lediglich in dem Umfang, als die behaupteten Arbeitsleistungen dieses Fakturenausmaß überstiegen, betrachtete es diese - mit mängelfreier Begründung (US 31) -, nicht aber das Unternehmen selbst als vorgetäuscht.

Daß die Abgabenbehörde bei Beurteilung der Barauszahlungen an verschiedene Gesellschaften dem Umstand maßgebliches Gewicht beigemessen hat, daß die Empfängerunternehmen steuerlich nicht erfaßt waren, kann auf sich beruhen. Denn der Schöffensenat gelangte auf Grund eigener Beweiswürdigung - wenn auch auf Basis der mit den rechtskräftigen Abgabenbescheiden in Ansehung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen vorgenommenen qualifizierten Vorprüfung der Verdachtslage (Dorazil/Harbich § 55 E 1) zu der bekämpften Feststellung. Dabei stützte es sich vor allem auf die Ergebnisse des Buchsachverständigengutachtens und die im Beweisverfahren hervorgekommenen Rücküberweisungen seitens der E***** GmbH (US 15 f, 30 f).

Im übrigen hat das Erstgericht ohnehin unterstellt, daß die nachgewiesenen Zahlungseingänge großteils an andere Firmen überwiesen wurden und demnach nicht als Barvermögen in der Gesellschaft verblieben. Es betrachtete diese Überweisungen aus dem im Urteil angeführten Gründen - im Einklang mit Denkgesetzen und Lebenserfahrung - jedoch als bloß vorgetäuscht. Dies erforderte folgerichtig aber die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung und das Entstehen einer Kapitalertragsteuerpflicht (US 25).

Aus den dargelegten Erwägungen erweisen sich die Argumente der Mängelrügen (in Verbindung mit den sonstigen aktenkundigen Beweisergebnissen) auch als ungeeignet, erhebliche Bedenken gegen die entscheidende Tatsache zu erwecken (Z 5 a), daß die D***** GmbH eigene Dienstnehmer beschäftigte.

Soweit die Beschwerdeführer in ihren Rechtsrügen (Z 9 lit a) Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite behaupten, setzen sie sich prozeßordnungswidrig über den - im gegebenen Rahmen bindenden - Urteilssachverhalt hinweg, wonach sie die ihnen zur Last gelegten Finanzvergehen unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten nicht nur vorsätzlich begingen (zu I) und überdies den Verkürzungserfolg wissentlich herbeiführten (zu II und III), sondern zudem durch "zum Scheine getätigte Überweisungen" eine Täuschung der Organe der Finanzbehörden anstrebten (US 31).

Es trifft ferner die Behauptung des Angeklagten M***** nicht zu, daß (zu II) weder ausreichende Feststellungen zum objektiven Tatbestand, noch zur subjektiven Tatseite getroffen wurden; denn nach dem Urteilssachverhalt haben die Beschwerdeführer im Bewußtsein, daß ihre Verhaltensweise gewiß zu Abgabenverkürzungen führen werde (US 34), für den Zeitraum Februar bis August 1992 keine Umsatzsteuervoranmeldungen und für Jänner 1992 eine solche mit geringer Gutschrift abgegeben (US 28). Eines Eingehens darauf, "aus welchem Grund dies unrichtig bzw nicht erfolgte", bedurfte es demgegenüber nicht, da - außerhalb der subjektiven Tatseite liegende - Motive keine für die rechtliche Beurteilung entscheidenden Tatsachen darstellen.

Die Einwände gegen die subjektiven Tatbestandskomponenten gehen aber auch unter dem Gesichtspunkt mangelhafter Begründung (Z 5) fehl:

Zur wissentlichen Herbeiführung des Verkürzungserfolges (II und III) stützte sich das Schöffengericht nämlich nicht nur - wie Juso N***** behauptet - auf die aus dem gravierenden Verstoß gegen fundamentale steuerliche Grundsätze abgeleitete Evidenz in subjektiver Hinsicht, sondern auch eine Reihe anderer Kriterien (US 34), welche dafür und zur Begründung vorsätzlicher Begehungsweise (zu I) eine denkgesetzmäßige Grundlage bilden.

Dem Einwand des Angeklagten M***** (zu I/A/2 und B), er wäre mit Rücksicht auf die bereits ab Oktober 1992 (US 23) durchgeführte Betriebsprüfung zur Abgabe der Steuererklärungen, die "bis 31.März 1993 einzureichen gewesen wären", nicht mehr verpflichtet gewesen, ist zu erwidern:

Die Umsatzsteuererklärung (§ 21 Abs 4 UStG 1988) für das Jahr 1991 war nach § 134 BAO bis 31.März 1992 einzureichen.

Bezüglich der Kapitalertragsteuer (fallbezogen nach § 93 Abs 2 Z 1 a EStG 1988) hat der zum Abzug Verpflichtete die einbehaltenen Steuerbeträge binnen einer Woche nach dem Zufließen der Kapitalerträge abzuführen (§ 96 Abs 1 Z 1 EStG 1988) und dem Finanzamt eine Anmeldung einzureichen (§ 96 Abs 3 EStG 1988), im vorliegenden Fall sohin mit Rücksicht auf die laufenden verdeckten Gewinnausschüttungen spätestens innerhalb der ersten Woche des Jahres 1992.

Der Rechtsirrtum des Beschwerdeführers über das Ende der gesetzlichen Erklärungsfrist ist ersichtlich auf die Neufassung der Legaldefinition des § 33 Abs 3 lit a FinStrG durch die FinStrG-Novelle 1985 zurückzuführen. Darnach ist eine Abgabenverkürzung nach Abs 1 oder Abs 2 bewirkt, wenn Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, zu niedrig, oder infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruchs nicht innerhalb eines Jahres ab dem Ende der gesetzlichen Erklärungsfrist (Anmeldefrist, Anzeigefrist) festgesetzt wurden.

Für die Heranziehung der zweiten Alternative der zitierten Gesetzesstelle bleibt nach dem Urteilssachverhalt (US 12, 30) jedoch kein Raum.

Völlig verfehlt ist die Heranziehung der erwähnten Bestimmung in Ansehung der Kapitalertragsteuer, weil deren Verkürzung als Abgabe, die selbst zu berechnen ist, dann bewirkt ist, wenn diese (ganz oder teilweise) nicht entrichtet (abgeführt) wurde (§ 33 Abs 3 lit b FinStrG). Auch insoweit ist dem Erstgericht daher kein Rechtsirrtum unterlaufen.

Zu Unrecht behauptet der Angeklagte M***** schließlich, ihm sei allein schon deshalb kein strafrechtlich relevanter Vorwurf zu machen, weil eine von ihm abgegebene Steuererklärung der Finanzbehörde gegenüber in Ermangelung einer organschaftlichen Vertretungsmacht rechtlich wirkungslos gewesen wäre:

Nach dem Urteilssachverhalt war dieser Angeklagte faktischer Geschäftsführer der D***** GmbH und vertrat mit dem Mitangeklagten N***** einvernehmlich die Interessen des Unternehmens gegenüber den Behörden, im besonderen den Finanzbehörden (US 6). Infolge - jedenfalls faktischer und pauschaler - Wahrnehmung auch der steuerlichen Angelegenheit der genannten Gesellschaft (US 3), wäre er demnach zur Abgabe der Steuererklärung nicht nur befugt (Dorazil/Harbich § 33 E 25 und 26), sondern auch verpflichtet gewesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten waren daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte die Angeklagten nach § 33 Abs 5 FinStrG unter Anwendung des § 21 Abs 1 und Abs 2 FinStrG zu einer Geldstrafe von je 1,6 Mio S, im Falle der Uneinbringlichkeit zu acht Monaten Freiheitsstrafe. Dabei wertete es als erschwerend die Begehung von Abgabenverkürzungen verschiedener Art, die Tatwiederholungen und den in der Aufnahme eines Wirtschaftsbetriebes unter vorsätzlicher Negierung der Abgabenpflichten zum Ausdruck kommenden intensiven Täterwillen, als mildernd hingegen den ordentlichen Lebenswandel und die Tatsache, daß die Tat teilweise beim Versuch geblieben ist.

Der Berufung beider Angeklagten, welche sie im wesentlichen auf die unsubstantiierte Behauptung gründen, Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen wären überhöht, kommt keine Berechtigung zu.

Von einer untergeordneten Tatbeteiligung (§ 33 Z 6 StGB) des Angeklagten N***** kann angesichts der im Urteil festgestellten Absprache (US 34) keine Rede sein, mag der Berufungswerber auch infolge seiner mangelhaften Deutschkenntnisse gegenüber dem Mitgeschäftsführer nach außen hin im Hintergrund geblieben sein.

Aber auch der Angeklagte M***** vermag mit dem Hinweis auf die Bevollmächtigung eines steuerlichen Vertreters und seine "bescheidenen Kenntnisse von den Formalerfordernissen des Umsatzsteuergesetzes" keinen zusätzlichen Milderungsgrund aufzuzeigen. Die ihm angelastete Ausstellung von Scheinbelegen zur Verschleierung illegal beschäftigter Dienstnehmer ist auch ohne besondere Kenntnisse als rechtswidrig erkennbar.

Zu einer Korrektur der vom Erstgericht tat- und schuldgerecht ausgemessenen Strafe bestand demnach kein Grund.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

Rechtssätze
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