JudikaturJustiz12Os34/06a

12Os34/06a – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Juni 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juni 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Dachler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Zivorad M***** wegen des Verbrechens der Geldfälschung nach § 232 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. Jänner 2006, GZ 052 Hv 45/05z-73, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde der Angeklagte des Verbrechens der Geldfälschung nach § 232 Abs 2 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er nachgemachtes Geld von unbekannten Mittelsmännern mit dem Vorsatz übernommen, dass es als echt und unverfälscht in Verkehr gebracht werde, nämlich im Mai 2005 in Serbien bzw in Wien drei gefälschte 500-Euro-Banknoten (A I) und am 13. 6. 2005 in Anif/Salzburg 1161 gefälschte 500-Euro-Banknoten (A II). Die auf die Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Verfahrensrüge die Abweisung des schriftlich gestellten Beweisantrages vom 27. Dezember 2005 (ON 66) moniert, ist sie hiezu nicht legitimiert. Die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 setzt nämlich voraus, dass über einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag nicht oder nicht im Sinne des Antragstellers entschieden wurde. Bloß in der Anklageschrift oder in Schriftsätzen gestellte Anträge sind daher irrelevant (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 309f). Nach dem unbestrittenen Inhalt des Protokolls über die Hauptverhandlung vom 23. Jänner 2006 wurden jedoch keine weiteren Beweisanträge (außer die in ON 66 enthaltenen) gestellt (S 387/II), womit die schriftlichen Anträge aber nicht ordnungsgemäß wiederholt worden sind (15 Os 164/00; vgl auch Mayerhofer StPO5 § 281 Z 4 E 1, 15, 29, 33a sowie WK-StPO § 281 Rz 313). Außerdem fehlt im genannten Antrag jeglicher Hinweis, weshalb die zum Beweis dafür, dass es nach der Legende des verdeckten Ermittlers niemals vorgesehen gewesen sei, das Falschgeld außerhalb der Bank in Verkehr zu setzen, begehrte Einvernahme der Zeugen Nebojsa M***** und Dejan J***** - die Befragung von Lilia M***** sollte entgegen den Beschwerdeausführungen zu einem anderen Beweisthema erfolgen - das behauptete Ergebnis erwarten lasse (WK-StPO aaO Rz 327).

Die Tatrichter haben die von ihnen angenommene Glaubwürdigkeit des verdeckten Ermittlers unter anderem auf dessen persönlichen Eindruck in der Hauptverhandlung gestützt und auch auf die ihnen gebotene Gelegenheit hingewiesen, das Mienenspiel dieses Zeugen - und solcherart sein Verhalten während der Befragung (11 Os 141/00; 924 BlgNR 18. GP 36; vgl auch Teil II II.5. des Einführungserlasses vom 22. Dezember 1993 zum Strafprozessänderungsgesetz 1993, JMZ 578.012/41-II 3/93 [veröff in JABl 6/94]) - zu beobachten. Damit war aber das Erstgericht entgegen der in der Mängelrüge (Z 5) vorgetragenen Kritik zu darüber hinausgehenden Erwägungen für die aus der Vernehmung gewonnene Überzeugung nicht verpflichtet, zumal sich der ihr zugrunde liegende Vorgang der Eindrucksbildung mit allen dafür maßgeblichen Einzelumständen nicht vollständig in Worte fassen lässt (11 Os 20/03, 14 Os 92/87, Mayerhofer aaO § 270 E 134). Im Ergebnis gleichlautend mit dem gemäß § 166a StPO anonymisiert vernommenen verdeckten Ermittler hat sein dienstführender Beamter, der Zeuge Andreas P*****, angegeben, dass dem Angeklagten der Eindruck vermittelt wurde, das Falschgeld solle (vorerst) in einer Bank deponiert, gegen echtes Geld ausgetauscht und in der Folge, für den Fall, dass die behauptete Malversation (eines Bankmitarbeiters) nicht entdeckt werden sollte, in Umlauf gebracht werden (S 239, 241/II). Das Schöffengericht war daher nicht verhalten, sich mit der Aussage dieses Zeugen gesondert auseinander zu setzen, sodass die behauptete Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht vorliegt. Mit dem, überdies nicht aktenkonformen weiteren Einwand, der Genannte habe nicht näher ausgeführt, auf welche Weise das Geld in Umlauf gebracht werden sollte (spricht er doch ausdrücklich davon, dies wäre geschehen, wenn man es nicht als Falschgeld entdeckt hätte [S 241/II]), wird hingegen ein formelles Begründungsgebrechen nicht zur Darstellung gebracht.

Da das Bestehen bankinterner, der Entdeckung von Falsifikaten dienender Vorschriften keine Rückschlüsse auf die beim Angeklagten erweckte Vorstellung, das Geld solle, wenngleich über weitere Mittelsmänner und erst nach einiger Zeit in Verkehr gebracht werden (vgl Schroll WK2 § 232 Rz 23, 28), zulässt, war auch die Aussage des Zeugen Leopold R*****, der die vorgesehenen Maßnahmen schilderte (S 261, 263/II), nicht erörterungsbedürftig.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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  • RS0114858OGH Rechtssatz

    23. April 2007·3 Entscheidungen

    Mit der Einführung verfahrensrechtlicher Zeugenschutzbestimmungen durch das StPÄG 1993 (§ 166a StPO: Vernehmung eines Zeugen unter Wahrung seiner Anonymität und § 229 Abs 2 StPO: Ausschluss der Öffentlichkeit zur Verhinderung der Enttarnung) hat der Gesetzgeber eine Einengung der damit kollidierenden Verteidigungsrechte des Angeklagten im Interesse des Schutzes vitaler Individualrechte des Zeugen bewusst in Kauf genommen (JAB 924 BlgNr XVIII.GP, 35ff). Die dadurch allenfalls erschwerte Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen wird durch die - einem solchen Zeugen je nach Lage des Falles entweder jegliche Beweiskraft aberkennende oder aber auch diesen Beweis voll akzeptierende - freie Beweiswürdigung ausreichend kompensiert. Eine Verletzung des in Art 6 EMRK verankerten Fairnessgebotes wird dadurch nicht bewirkt, denn das Recht auf Prüfung der Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen findet jedenfalls dort seine Schranken, wo dadurch die Anonymisierung eines solchen Zeugen unterlaufen würde. Die nach der Neufassung des § 250 Abs 3 StPO durch das StRÄG 1998 vorgesehene (nicht nichtigkeitsbewehrte) Anwendung der Bestimmungen des § 162a Abs 1 letzter Satz und Abs 2 bis 4 StPO schließt die dem freien Ermessen des Gerichtes vorbehaltene Möglichkeit, den Angeklagten während der Vernehmung eines Zeugen aus dem Sitzungssaal zu entfernen (§ 250 Abs 1 StPO), nicht aus.