JudikaturJustiz12Os21/15b

12Os21/15b – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. März 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. März 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Humer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Lorik C***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 16 St 130/13d der Staatsanwaltschaft Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Mirsad O***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 23. Jänner 2015, AZ 10 Bs 7/15b, 10 Bs 25/15z (ON 550 des Ermittlungsakts), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

In dem (unter anderem) gegen Lorik C***** wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen geführten Ermittlungsverfahren (AZ 16 St 130/13d der Staatsanwaltschaft Graz) verhängte der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Graz mit Beschluss vom 20. November 2014 über Mirsad O***** die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht , Verdunkelungs und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a StPO (ON 288). Diese Haft wurde zuletzt mit Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 12. Jänner 2015 aus den genannten Haftgründen fortgesetzt (ON 474).

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen gerichteten Beschwerde gab das Oberlandesgericht mit dem nun angefochtenen Beschluss nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft aus den vorstehend erwähnten Haftgründen fort.

Das Oberlandesgericht erachtete Mirsad O***** dringend verdächtig, er habe sich von 2011 bis November 2014 in W*****, G***** und an anderen Orten als Mitglied (§ 278b Abs 2 StGB iVm § 278 Abs 3 StGB) an den terroristischen Vereinigungen „Jaish Al Muhajireen Wal Ansar“, „Jabath Al Nusra“, „Islamischer Staat“ (IS) und/oder „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien“ (ISIS), somit an auf längere Zeit angelegten Zusammenschlüssen von mehr als zwei Personen, die darauf ausgerichtet sind, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigungen eine oder mehrere terroristische Straftaten (§ 278c StGB), und zwar Morde (§ 75 StGB), Körperverletzungen (§§ 84 bis 87 StGB) und schwere Sachbeschädigungen (§ 126 StGB), durch die eine Gefahr für das Leben eines anderen und für fremdes Eigentum in großem Ausmaß entstehen können und die geeignet sind, eine schwere oder länger anhaltende Störung des öffentlichen Lebens oder eine schwere Schädigung des Wirtschaftslebens herbeizuführen, und mit dem Vorsatz begangen werden, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern und die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Grundstrukturen des Staates Syrien ernsthaft zu erschüttern oder zu zerstören, beteiligt, indem er junge Muslime durch Vorträge und Gespräche zur Teilnahme an den Kampfhandlungen der genannten Terrorgruppen anwarb und für diese den Kontakt zu dschihadistischen Kampfverbänden in Syrien herstellte.

Dieses Verhalten subsumierte das Oberlandesgericht dem Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB.

Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde des Mirsad O***** schlägt fehl.

Das Oberlandesgericht gab klar zu erkennen, dass es der Frage allfälliger „Förderung von terroristischen Vereinigungen durch die Beteiligung an Geldsammlungen für den IS oder den ISIS“ keine Haftrelevanz zuerkannte (vgl BS 20: „Erörterungen können … auf sich beruhen“), womit die darauf bezogenen Beschwerdeausführungen keiner Erwiderung bedürfen.

Der Vorwurf, das Oberlandesgericht habe gegen das Überraschungsverbot verstoßen, indem es die Annahme dringenden Tatverdachts in Richtung eines § 278b Abs 2 StGB subsumierbaren Verhaltens anders begründete als das Erstgericht, geht schon mit Blick auf das Wesen von Beschwerdeentscheidungen in Haftsachen fehl. Jene haben nämlich den erstinstanzlichen Beschluss nicht bloß zu beurteilen, sondern zu ersetzen, und solcherart eine neue reformatorische (dh auch eine eigenständige Beweiswürdigung beinhaltende) Entscheidung zu treffen (RIS Justiz RS0116421; Kier in WK 2 GRBG § 2 Rz 25). Abgesehen davon behauptet die Beschwerde zu Recht nicht einmal, dass sich das Oberlandesgericht auf Sachverhaltselemente oder Beweisergebnisse gestützt hätte, die dem Beschuldigten unbekannt waren (vgl 14 Os 26/12y), oder dass das Beschwerdegericht eine für diesen überraschende Subsumtion vorgenommen hätte (vgl Wiederin , WK StPO § 6 Rz 192).

Die Begründung dringenden Tatverdachts kann im Grundrechtsbeschwerdeverfahren in sinngemäßer Anwendung der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden. Demnach hat eine am Gesetz orientierte Beschwerde einen Begründungsmangel aufzuzeigen oder anhand deutlich und bestimmt bezeichneter Aktenbestandteile erhebliche Bedenken gegen die (vorläufige) Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts zu erwecken (vgl RIS Justiz RS0110146 [insb T23]).

Soweit der Beschwerdeführer diesen Annahmen bloß eigene Auffassungen und Beweiswerterwägungen zu seiner Einlassung, den Angaben des Sevket G*****, seinen Telefonkontakten mit Personen in Syrien und zu fehlenden belastenden Angaben durch solche Personen entgegensetzt, verlässt er den dargestellten Anfechtungsrahmen einer Grundrechtsbeschwerde.

Entsprechendes gilt für die Argumentation, wonach die dem Beschuldigten angelasteten Internetvorträge zu Zeitpunkten stattfanden, zu denen die „terroristischen Vereinigungen“ noch nicht existierten, „d.h. auf die Terrorlisten gesetzt wurden“.

Ob die Vorträge in G***** vor „aktiv“ an terroristischen Handlungen Beteiligten gehalten wurden, betrifft keinen entscheidenden Umstand.

Soweit der Beschwerdeführer das Vorliegen von Flucht und Tatbegehungsgefahr pauschal in Abrede stellt, inhaltlich jedoch nur die Erwägungen des Beschwerdegerichts zum erstgenannten Haftgrund (unter Hinweis auf die Unverwertbarkeit von Ergebnissen des „unzulässigen Lauschangriffs“) kritisiert, zeigt er eine Grundrechtsverletzung gar nicht auf (vgl RIS Justiz RS0061196; Kier in WK 2 GRBG § 2 Rz 44).

Die Beschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.

Über die unter einem erhobene Beschwerde des Mirsad O***** betreffend die zugleich ergangene Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts hinsichtlich der vom Erstgericht bewilligten Überwachungsmaßnahme nach § 134 Z 4 StPO (ON 58) ergeht eine gesonderte Entscheidung.