JudikaturJustiz12Os132/07i

12Os132/07i – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Dezember 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wiaderek als Schriftführer in der Strafsache gegen Mohammad N***** und andere wegen des Verbrechens des Raubes § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Markus E***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 19. Juli 2007, GZ 151 Hv 57/07w-56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und es werden auch aus deren Anlass das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Umfang der Schuldsprüche 2, 3, 4, 5 und 6, demgemäß auch in den die Angeklagten Markus E*****, Paulus B*****, Ömer A*****, Hüseyin D***** und Mohammed K***** betreffenden Strafausspüchen, sowie die hinsichtlich der Angeklagten Ömer A*****, Hüseyin D***** und Mohammed K***** gefassten Beschlüsse nach §§ 50, 52 StGB aufgehoben und es wird die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung verwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Markus E***** auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftig gewordene Schuld- und Freisprüche enthaltenden Urteil wurden - soweit hier von Bedeutung - Markus E***** (2), Hüseyin D***** (4), Ömer A***** (4) und Mohammed K***** (6) jeweils des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB sowie Paulus B***** (3 und 5) der Verbrechen des Raubes nach der genannten Gesetzesstelle, und zwar Markus E*****, Hüseyin D***** und Ömer A***** als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB, Paulus B***** teilweise (5) als solcher, schuldig erkannt. Danach haben nachgenannte Angeklagte in Wien mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen oder abgenötigt, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1) Mohammad N***** am 4. Dezember 2006 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem strafunmündigen Recep B*****, indem Recep B***** Zoran M***** am Hals würgte, während Mohammad N***** ihm ein Handy aus der Tasche nahm;

2) Markus E***** dadurch zur Ausführung der zu Punkt 1 näher beschriebenen Tat beigetragen, dass er mit verschränkten Armen in einer Entfernung von ca 2 m daneben stand und dadurch Mohammad N***** und Recep B***** bei der Tatausführung psychisch unterstützte;

3) Paulus B***** am 31. Oktober 2006 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem strafunmündigen Recep B*****, indem Recep B***** Johannes Sch***** an der Oberbekleidung packte und Geld und Handy forderte, während Paulus B***** mit einem Gürtel Schläge androhte und ein nicht feststellbarer Mittäter die Geldbörse an sich nahm;

4) Ömer A***** und Hüseyin D***** dadurch zur Ausführung der zu Punkt 3 beschriebenen Tat beigetragen, dass sie sich in unmittelbarer Nähe aufhielten und den strafunmündigen Recep B***** sowie Paulus B***** durch ihre Anwesenheit am Tatort unterstützten;

5) Paulus B***** am 3. November 2006 dadurch zur Ausführung eines Raubes beigetragen, dass er durch seine Anwesenheit in unmittelbarer Nähe den strafunmündigen Recep B***** dabei unterstützte, wobei Recep B***** ein unbekanntes Opfer am Kragen packte, das Handy forderte, wobei der Unbekannte dieser Forderung nachkam;

6) Mohammed K***** am 30. November 2006 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem strafunmündigen Recep B*****, indem Mohammed K***** Bernhard Ko***** zu Boden riss, Recep B***** Daniel H***** an einer Hausmauer fixierte, worauf Mohammed K***** Bernhard Ko***** die Geldbörse und Recep B***** Daniel H***** das Handy aus dessen Bekleidung zog.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte Markus E***** mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Das Erstgericht stellte zu den Schuldsprüchen 1 und 2 fest, dass Recep B***** in Anwesenheit mehrerer anderer Personen die Idee äußerte, jemandem ein Handy wegzunehmen. Damit waren sowohl Mohammad N***** als auch Markus E***** einverstanden. In weiterer Folge packte Recep B***** den Passanten Zoran M***** am Hals und würgte ihn, während Mohammad N***** vereinbarungsgemäß das Handy aus der Tasche des Opfers zog. Dabei handelte Mohammad N***** mit dem Vorsatz, durch die beschriebene Gewalt in den Besitz des Handys zu gelangen, um sich dadurch zu bereichern. Der Angeklagte Markus E***** stand in einer Entfernung von ca 2 m dabei und schaute der Tatausführung mit verschränkten Armen zu. Mit vollem Einverständnis hinsichtlich des beschriebenen Tatplanes handelte er dabei einerseits mit dem Vorsatz, eine zusätzliche Drohkulisse für das Opfer darzustellen, hielt es aber auch ernstlich für möglich und fand sich billigend damit ab, die ausführenden Täter Recep B***** und Mohammad N***** durch seine bloße Anwesenheit in unmittelbarer Nähe bei der Tatausführung psychisch zu bestärken (US 14 f).

Schon der nominell in der Tatsachenrüge (Z 5a - inhaltlich Z 5 zweiter Fall) erhobene Einwand einer unvollständigen Begründung trifft zu, denn die Tatrichter setzten sich mit den den (in der Begründung zu Unrecht als geständig bezeichneten; vgl US 18 iVm S 145/II und S 151 ff/II) Rechtsmittelwerber entlastenden Angaben Mohammad N*****s (wonach Markus E***** „nichts gemacht" habe und dieser seiner Ansicht nach „es nicht wollte", denn sonst „hätte er mitgemacht"; vgl S 147/II) nicht auseinander (vgl US 18). Außerdem zeigt der Beschwerdeführer in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zutreffend auf, dass im Urteil Konstatierungen fehlen, wonach die vom Nichtigkeitswerber intendierte Beitragshandlung in irgendeinem kausalen Zusammenhang mit der Verwirklichung des Tatbildes durch die beiden unmittelbaren Täter stand.

Zwar genügt schon die geringste Unterstützung, welche die Straftat eines anderen irgendwie fördert und bis zur Vollendung der Tat wirksam bleibt (vgl Kienapfel/Höpfel AT12 E 5 Rz 11; Fabrizy in WK² § 12 Rz 82 f; 12 Os 73/01). Dazu ist weder ein direkter Kontakt zwischen dem Beitrags- und dem Ausführungstäter vorausgesetzt (vgl Fabrizy in WK² § 12 Rz 84; SSt 61/8) noch ist es notwendig, dass ohne diesen Beitrag eine Ausführung der Tat unmöglich gewesen wäre (vgl 12 Os 14/01). Ein Tatbeitrag kann selbst ohne Wissen des Unterstützten geleistet werden, sofern sich diese Hilfe bei der Tat in irgendeiner Weise (zB durch eine vom unmittelbaren Täter unbemerkt gebliebene Einwirkung auf das Tatopfer oder eine sonstige Erleichterung der Tathandlung) auswirkte (vgl Fuchs AT I6 33/55). Das bloße Begleiten des Täters zum Tatort, der Aufenthalt in Tatortnähe bzw das schlichte Dabeisein, Mitansehen, Mitwissen und widerspruchslose Dulden der Tatausführung begründen für sich allein noch keine psychische Beitragstäterschaft, schließen deren Annahme aber auch nicht von Vornherein aus (vgl Kienapfel/Höpfel AT12 E 5 Rz 18 mwN). Bei einer in Aussicht genommenen Beitragshandlung bedarf es daher konkreter Feststellungen, dass dieser Beitrag zumindest mitkausal für die Ausführung wurde. Ein im Fall fehlender Kausalität vorliegender bloßer Beitragsversuch bliebe nämlich straflos (arg § 15 Abs 2 StGB; vgl Fabrizy in WK² § 12 Rz 85; Kienapfel/Höpfel AT12 E 5 Rz 11 und E 6 Rz 35 f).

Das Erstgericht konstatierte zwar einen Vorsatz des Angeklagten Markus E*****, Beitragsdienste im Sinne der Schaffung einer zusätzlichen Drohkulisse zu leisten. Ob dieser intendierte Tatbeitrag von den unmittelbaren Tätern in Anspruch genommen oder sonst - etwa gegenüber dem Tatopfer - erfolgswirksam wurde, lässt sich dem Urteil aber nicht entnehmen. Die rudimentären Ausführungen im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermögen diesen Mangel an Feststellungen nicht zu ersetzen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 580). Dass der Beschwerdeführer mit dem Plan des strafunmündigen Recep B***** einverstanden war, einem anderen ein Handy wegzunehmen (US 14), reicht nicht aus, um von einer zumindest psychischen Tatunterstützung ausgehen zu können, erörterten doch die Tatrichter in diesem Zusammenhang, dass Markus E***** zwar in den Tatplan „eingeweiht" war, jedoch nicht darüber nachgedacht habe, ob sich die ausführenden Täter durch seine Anwesenheit bestärkt gefühlt hätten (US 18 und US 22 f). Aus den weiteren Ausführungen des erkennenden Gerichtes, wonach der Nichtigkeitswerber die Ausführung des Tatplanes „zumindest ernstlich in Kauf nahm und sich damit billigend abfand" (US 19), wird deutlich, dass eine gemeinsame Absprache zwischen den Beteiligten offenbar nicht vorlag. Umso mehr hätte es daher einer Konstatierung zur ursächlichen Beziehung zwischen Beitrag und Tat in ihrer individuellen Erscheinungsform bedurft (vgl RIS-Justiz RS0090508, RS0089832, RS0089562, RS0089799).

Ein ebensolcher Rechtsfehler mangels Feststellungen unterlief dem Jugendschöffengericht - wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend aufzeigt - überdies beim Schuldspruch 5, weil auch hier die Tatrichter ausschließlich die subjektive Tatseite des Angeklagten Paulus B*****, nicht jedoch die Kausalität seines Tatbeitrags konstatierten (vgl US 16 f). Der solcherart bewirkte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO war von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 StPO). Darüber hinaus haften dem angefochtenen Urteil weitere von Amts wegen wahrzunehmende, den Beschwerdeführer und Paulus B*****, Ömer A*****, Hüseyin D***** sowie Mohammed K***** zum Nachteil gereichende Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs 1 Z 9 und 10 StPO an. Dem Urteil mangelt es zunächst an Konstatierungen zu einem für den Tatbestand nach § 142 Abs 1 StGB essentiellen Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung in Bezug auf die in den Schuldsprüchen 2, 3, 4, 5 und 6 genannten Taten (welche ansonsten dem § 105 Abs 1 StGB zu unterstellen wären), der bei allen Tatbeteiligten vorliegen muss, mögen sie als unmittelbare Täter oder als Beitragstäter (vgl Kienapfel/Höpfel AT12 E 5 Rz 29; Fabrizy in WK2 § 12 Rz 105) gehandelt haben. Auch insoweit vermögen die verba legalia im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) diesen Mangel an Feststellungen nicht auszugleichen.

Des weiteren knüpft der Tatbestand des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB an die Tatmittel der Gewalt gegen eine Person bzw an die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben an. Letzteres wird durch den Hinweis auf § 89 StGB präzisiert. Diese Tatmodalität stellt somit auf bloß einen Teil der droherheblichen Rechtsgüter nach § 74 Abs 1 Z 5 StGB ab. Die Ankündigung einer das Rechtsgut der Ehre beeinträchtigenden Misshandlung (§§ 83 Abs 2, 115 Abs 1 StGB) im Sinne einer üblen, unangemessenen Behandlung, welche das körperliche Wohlbefinden eines anderen nicht unerheblich beeinträchtigt (vgl Kienapfel/Schroll BT I5 § 83 Rz 65 und § 115 Rz 12 mwN; Burgstaller/Fabrizy in WK2 § 83 Rz 23; SSt 53/35), scheidet hingegen als Tatmittel des Raubes aus, zumal auch eine darauf abstellende Äußerung keine begründete Besorgnis für Leib oder Leben hervorzurufen vermag (vgl 12 Os 88/07v).

Die im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) dargestellte Gewaltanwendung durch den strafunmündigen Recep B***** findet in den Konstatierungen keinen Niederschlag. Demgemäß bleibt zum Schuldspruch 3 (und dem damit zusammenhängenden Schuldspruch 4) als einzig festgestellte Tathandlung eine von Paulus B***** geäußerte Drohung übrig. Die dazu festgehaltene Ankündigung von Schlägen mit einem im Urteil nicht näher beschriebenen (Nieten )Gürtel (US 15 und US 20) wäre nur dann tatbildlich nach § 142 Abs 1 StGB, wenn die von Paulus B***** in Aussicht gestellte Einwirkung nach - im Urteil nicht festgestellten - Umständen des Einzelfalls über das Inaussichtstellen einer Misshandlung hinausgegangen und sachverhaltsbezogen auf die (im Fall eines Widerstrebens des Tatopfers) bevorstehende Zufügung einer Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung abgezielt hätte (vgl Jerabek in WK² § 74 [2006] Rz 29; Eder-Rieder in WK² § 142 [2006] Rz 32; Schwaighofer in WK2 § 105 [2006] Rz 56 f; 13 Os 101/81, EvBl 1982/11, 21; 12 Os 41/07g; 12 Os 88/07v). Dieser nichtigkeitsbegründende (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) Mangel an Feststellungen wirkt sich auch auf den damit zusammenhängenden Ömer A***** und Hüseyin D***** betreffenden Schuldspruch 4 aus. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Markus E***** war daher - ohne Eingehen auf die weiteren Einwände - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben und der ihn betreffende Schuldspruch samt Strafausspruch aufzuheben (§ 285e StPO).

Aus Anlass dieser Nichtigkeitsbeschwerde waren wegen der aufgezeigten Fehler überdies die Paulus B*****, Ömer A******, Hüseyin D***** sowie Mohammed K***** betreffenden Schuldsprüche 3, 4, 5 und 6 und die darauf beruhenden Strafaussprüche mitsamt den Beschlüssen auf Anordnung der Bewährungshilfe betreffend die Angeklagten Ömer A*****, Hüseyin D***** sowie Mohammed K***** zu kassieren (§ 290 Abs 1 StPO iVm § 285e StPO).

Die Sache war demzufolge an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung betreffend die den Schuldsprüchen 2 bis 6 zugrunde liegenden Vorwürfe zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird in Bezug auf den Schuldspruch 4 als Voraussetzung für eine neuerliche Verurteilung nach § 142 Abs 1 StGB gegebenenfalls zu präzisieren sein, in welcher Weise durch die bloße Anwesenheit der Angeklagten Ömer A***** und Hüseyin D***** der Tatausführungswille der unmittelbaren Täter verstärkt wurde, zumal bislang Konstatierungen über eine Absprache zwischen den Tatbeteiligten nicht getroffen wurden (vgl US 15 f und US 21). Mit seiner Berufung war der Angeklagte Markus E***** auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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