JudikaturJustiz11Os98/05d

11Os98/05d – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gödl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Stanyu Marinov T***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall und Abs 4 Z 3 SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Stanyu Marinov T***** und die (die Angeklagten Grigor Andonov G***** und Mitko Vasilev S***** betreffende) Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft sowie über deren (die Angeklagten Stanyu Marinov T***** und Nasko Stoyanov T***** betreffende) Berufung und die Berufung des Angeklagten Nasko Stoyanov T***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 9. März 2005, GZ 8 Hv 140/04h-138, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Stanyu Marinov T***** fallen auch die ihn betreffenden Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche des Angeklagten Nasko Stoyanov T***** enthält, wurde Stanyu Marinov T***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 (zu ergänzen: vierter Fall), Abs 3 (zu ergänzen: erster und zweiter Fall) und Abs 4 Z 3 SMG (I A 2, I B), des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (II) und des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (III) schuldig erkannt.

Danach haben Stanyu Marinov T***** und Nasko Stoyanov T***** in Graz, Seiersberg, Spielfeld sowie weiteren Orten des Bundesgebietes

I. den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer übergroßen Menge (in Beziehung auf ein Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25fache der Grenzmenge ausmacht, § 28 Abs 6 iVm § 28 Abs 3 Z 4 SMG) in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (§ 278 Abs 2 StGB) jeweils im bewussten und gewollten Zusammenwirken

A. 24 kg Heroin (Heroinbase 12.600 +/- 280 Gramm;

Monoacetylmorphinbase 106 +/- 5,9 Gramm Reinsubstanz)

1) Nasko Stoyanov T***** ein- und ausgeführt, indem er das Suchtgift über den Zeitraum einige Tage vor dem 11. Mai 2004 von Bulgarien über Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich transportierte,

2) Stanyu Marinov T***** vom 7. Mai 2004 bis 11. Mai 2004 in Verkehr gesetzt, indem er die Übergabe des Suchtgiftes an einen verdeckten Ermittler vorbereitete, die Übergabe organisierte und das Kaufgeld entgegennehmen sollte,

3) Nasko Stoyanov T***** am 11. Mai 2004 in Verkehr zu setzen versucht, indem er das Suchtgift einem verdeckten Ermittler übergab,

B. Stanyu Marinov T***** allein (allenfalls mit einer unbekannt gebliebenen Person) in Verkehr gesetzt, indem er zusätzlich zu den unter A 2 in Verkehr gesetzten Mengen am 31. Mai 2003 2,6 Gramm Heroin (Heroinbase 0,86 +/- 0,01 Gramm; Monoacetylmorphinbase 0,03 +/- weniger als 0,01 Gramm Reinsubstanz) und 6,4 Gramm Cannabisharz (0,78 +/- 0,03 Gramm Delta-9-THC) sowie am 24. Mai 2003 1,2 Gramm Heroin (Heroinbase 0,25 +/- weniger als 0,01 Gramm, Monoacetylmorphinbase 0,01 Gramm Reinsubstanz) jeweils einem verdeckten Ermittler übergab,

II. Stanyu Marinov T***** und Nasko Stoyanov T***** zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 7. Mai 2004 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den weiteren bislang unbekannt gebliebenen Mittätern Biser St*****, „Enver" und „Ljubtscho" eine kriminelle Vereinigung gegründet und sich an einer solchen als Mitglied beteiligt, indem die Genannten sich zumindest zur Durchführung des in I A dargestellten Suchtgiftgeschäftes, sohin auf längere Zeit zur Ausführung von mehreren Verbrechen durch Mitglieder der Vereinigung zusammenschlossen,

III. Stanyu Marinov T***** als Beitragstäter (§ 12 dritter Fall StGB) in jeweils mehreren Angriffen fremde bewegliche Sachen in einem 2.000 EUR nicht übersteigenden Wert anderen mit dem Vorsatz weggenommen, sich und seine, die unmittelbaren Tathandlungen ausführende Tochter Nikolinka Staniva M***** unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Beitragshandlungen zum Diebstahl in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, indem er seine Tochter im Zeitraum Mai 2002 bis Weihnachten 2003 nach Österreich führte, wo Nikolinka M***** in 7 bis 8 Angriffen unbekannten Berechtigten 1.000 EUR stahl und er einen Anteil (zumindest die Hälfte) der Diebsbeute erhielt. Hingegen wurden die Angeklagten Grigor Andonov G***** und Mitko Vasilev St***** von der wider sie erhobenen Anklage, sie hätten in Graz, Seiersberg, Spielfeld und an anderen Orten des Bundesgebietes

(1) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer übergroßen Menge in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, nämlich im bewussten und gewollten Zusammenwirken 24 kg Heroin mit einer Heroinbase von 12.600 +/- 280 Gramm, Monoacetylmorphinbase 106 +/- 6,9 Gramm Reinsubstanz, ein- und ausgeführt, indem sie das Suchtgift über den Zeitraum einige Tage vor dem 11. Mai 2004 von Bulgarien über Serbien, Kroatien und Slowenien (gemeinsam mit Nasko Stoyanov T*****) nach Österreich transportierten, und

(2) zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 7. Mai 2004 gemeinsam mit Stanyu Marinov T***** und Nasko Stoyanov T***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken, darüber hinaus mit den weiter bislang unbekannt gebliebenen Mittätern mit den Namen Biser St*****, „Enver" und „Ljubtscho" eine kriminelle Vereinigung gegründet und sich an einer solchen als Mitglied beteiligt, indem sich die Genannten zumindest zur Durchführung des zuvor angeführten Suchtgiftgeschäftes, sohin auf längere Zeit zur Ausführung von mehreren Verbrechen durch Mitglieder der Vereinigung zusammenschlossen,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Gegen die Schuldsprüche I A 2, I B sowie II richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 3, 4, 9 lit a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Stanyu Marinov T*****. Die Staatsanwaltschaft bekämpft die Freisprüche der Angeklagten Grigor Andonov G***** und Mitko Vasilev St***** mit einer auf Z 5 leg cit gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Den Nichtigkeitsbeschwerden kommt aus den in der Stellungnahme der Generalprokuratur zutreffend angeführten Gründen keine Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Stanyu Marinov T*****:

Die bloß pauschale Behauptung einer Verletzung des mit Nichtigkeit bedrohten Umgehungsverbotes nach § 252 Abs 4 StPO (Z 3), welche der Beschwerdeführer in der Vernehmung des verdeckten Ermittlers und des Zeugen Philipp Scott F***** zu Angaben der Vertrauensperson über die Initiierung des inkriminierten Suchtgiftgeschäftes durch den Angeklagten deshalb erblickt, weil diese Angaben in Berichten über die verdeckt geführten Ermittlungen festgehalten sind, welche dem Verlesungsverbot nach § 252 Abs 1 StPO unterliegen, genügen ohne deutliche und bestimmte Bezeichnung konkreter Aussagepassagen und korrespondierender Berichtsteile zum Nachweis des geltend gemachten Anfechtungstatbestandes nicht (§ 285a Z 2 StPO; vgl Ratz, WK-StPO § 285d Rz 10).

Der Vollständigkeit halber sei hiezu angemerkt, dass die behauptete Formverletzung, wenn sie vorgelegen wäre, im Sinne des § 281 Abs 3 erster Satz StPO auf die Entscheidung - worunter ausschließlich das Erkenntnis über die Schuld oder über den anzuwendenden Strafsatz zu verstehen ist (vgl Mayerhofer StPO5 § 281 letzter Absatz E 13; 11 Os 26/69, 9 Os 152/73) - unzweifelhaft keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss zu üben vermocht hätte. Denn zum einen bewirkt eine selbst nach § 25 StPO unzulässige Tatprovokation durch die eingesetzte Vertrauensperson - worauf der in der Sache selbst umfassend geständige Beschwerdeführer (S 439/II, 185/III; US 20) ausschließlich rekurriert - nach gefestigter Rechtsprechung keinen materiellen Straflosigkeitsgrund, sondern ist (bloß) bei der Strafzumessung zu berücksichtigen (vgl eingehend 11 Os 126/04, zuletzt 12 Os 69/05x). Zum anderen hat das Erstgericht die Nichtannahme einer - im Sinne des § 25 StPO staatlichen Organen zurechenbaren - Tatprovokation durch die eingesetzte Vertrauensperson nicht auf Angaben derselben, sondern vielmehr auf (auf eigenen unmittelbaren Wahrnehmungen beruhende) Depositionen des verdeckten Ermittlers und des Zeugen Philipp Scott F***** zu deren Observationstätigkeit und zur strikten Kontrolle der Vertrauensperson gestützt (US 20 bis 22).

Der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrages auf Vernehmung der unter dem Decknamen „Mark" agierenden Vertrauensperson, welche dem Nachweis dienen sollte, dass (zusammengefasst) der Angeklagte Stanyu Marinov T***** von „Mark" seit 2001 zum Abschluss und zur Durchführung des letztlich im Mai 2004 stattgefundenen Suchtgiftgeschäftes größeren Umfanges gedrängt wurde und „Mark" unter Ausnützung der ihm bekannten schlechten wirtschaftlichen Situation des Angeklagten diesen durch das Versprechen eines erheblichen wirtschaftlichen Vorteiles in Höhe einer Zuwendung von „30.000" dazu überredete und veranlasste, tatsächlich der Planung und Durchführung des Suchtgiftgeschäftes zuzustimmen (S 247 verso, 249 f/III), Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt. Zum einen betrifft das Beweisthema - wie erwähnt - keine für die Lösung der Schuldfrage entscheidende Tatsache, zum anderen war der Antrag auf Vernehmung der Vertrauensperson, deren Identität vom Bundesministerium für Inneres über Aufforderung durch das Gericht nicht bekanntgegeben wurde (ON 111, 120), auf einen undurchführbaren Beweis gerichtet (vgl zuletzt 15 Os 25/05y). Überdies zielte der Antrag mangels Darlegung von Gründen, weshalb die behauptete Tatprovokation durch die Vertrauensperson - ungeachtet der Depositionen des verdeckten Ermittlers und des Zeugen Philipp Scott F***** (ON 137) zu deren strikter Kontrollunterworfenheit - überhaupt im Sinne des § 25 StPO staatlichen Organen zuzurechnen sein sollte (vgl neuerlich 11 Os 126/04), auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis ab (vgl Mayerhofer aaO § 281 Z 4 E 19 i, j).

Die gegen den Schuldspruch II gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich mit der Behauptung eines Fehlens von Feststellungen zu dem auf die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gerichteten Vorsatz nicht an der Gesamtheit der Urteilsannahmen, denen zufolge nämlich die Durchführung des vom Beschwerdeführer verhandelten und organisatorisch abgewickelten Suchtgiftgeschäftes mehrerer Personen (I A 2) Planelement des zuvor (in Bulgarien) von ihm mitinitiierten Zusammenschlusses mehrerer Personen zu einer auf die Ausführung von auf große und übergroße Mengen bezogene Suchtgiftstraftaten ausgerichteten kriminellen Vereinigung war (US 13 ff). Indem die Beschwerde solcherart den gebotenen Vergleich des Urteilssachverhaltes mit dem darauf angewendeten Gesetz unterlässt, verfehlt sie die gesetzmäßige Ausführung des geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes (vgl Mayerhofer aaO § 281 Z 9a E 5).

Dies trifft auch auf die gegen den Schuldspruch I A 2 gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) zu, mit welcher der Beschwerdeführer eine Beurteilung in Richtung des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall und Abs 4 Z 3 SMG bloß als Beteiligter am Tatversuch (§§ 12 dritter Fall, 15 StGB) anstrebt, ohne aber unter Zugrundelegung des (gesamten) konkreten Urteilssachverhaltes die behauptete rechtliche Konsequenz aus dem Gesetz abzuleiten (vgl Ratz aaO § 281 Rz 588). Nach den damit von der Beschwerde vernachlässigten Urteilsannahmen (US 12 bis 17, 20) wurde das tatverfangene Suchtgift, welches zuvor vom Beschwerdeführer verkauft worden war, dem gemeinsamen Tatplan gemäß vom Angeklagten Nasko Stoyanov T***** nach Österreich eingeführt, aus dem Versteck im Fahrzeug ausgebaut und dem verdeckten Ermittler übergeben, worauf nach Durchführung eines Suchtgifttests der polizeiliche Zugriff und die Festnahme des Angeklagten T***** erfolgte. Damit aber war das Suchtgift mit seiner Überlassung in den Gewahrsam eines anderen unter Aufgabe des Gewahrsams des Überlassenden - unbeschadet dessen, dass es sich beim Übernehmer um einen verdeckten Ermittler der Polizei handelt - in Verkehr gesetzt (vgl zuletzt 15 Os 22/04).

Auch weshalb der dem Angeklagten angelastete Suchtgiftverkauf - ungeachtet des Umstandes, dass unter Inverkehrsetzen (§ 28 Abs 2 vierter Fall SMG) jede Tätigkeit zu verstehen ist, mit der die Verfügungsgewalt über ein Suchtgift durch einen tatsächlichen Vorgang oder einen Rechtsakt übertragen wird (vgl Kodek/Fabrizy SMG § 28 Anm 2.2.1; Foregger/Litzka/Matzka SMG § 28 Anm V.2 jeweils mwN) - keine unmittelbare (Mit )Täterschaft im Sinne des § 28 Abs 2 vierter Fall SMG verwirklichen soll, legt die nicht am gesamten Urteilssachverhalt orientierte Beschwerde nicht prozessordnungsgemäß dar. Der Beschwerdeführer verkennt überdies, dass die Form der strafbaren Beteiligung nach § 12 StGB angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen und des sich daraus ergebenden Fehlens eines Nachteiles aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO nicht angefochten werden kann (vgl Fabrizy WK2 § 12 Rz 120 ff; Ratz aaO § 281 Rz 646).

Weil sich die nach dem zuvor Gesagten rechtsirrige - von der Staatsanwaltschaft unbekämpft gebliebene - Verurteilung des Angeklagten Nasko Stoyanov T***** wegen versuchter anstatt vollendeter Inverkehrsetzung von Suchtgift (I A 3) ebenfalls nicht zum Nachteil dieses Angeklagten ausgewirkt hat, besteht zu einem amtswegigen Vorgehen nach § 290 StPO kein Anlass.

Anzumerken bleibt (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass zwar in Ansehung der nach den Urteilsfeststellungen in Bulgarien erfolgten Gründung der kriminellen Vereinigung (US 13) Anknüpfungspunkte für die inländische Gerichtsbarkeit wegen dieser Auslandstat (vgl 15 Os 104/97; gegenteilig 13 Os 73/94) - etwa nach § 64 Abs 1 Z 6 oder § 65 Abs 1 Z 2 StGB - nicht vorliegen, dieser Umstand aber gegenständlich auf sich beruhen kann, weil die Angeklagten Stanyu Marinov T***** und Nasko Stoyanov T***** jeweils - ohne nähere Differenzierung nach den beiden in § 278 Abs 1 StGB enthaltenen Deliktsfällen - bloß des (also eines) Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB schuldig erkannt wurden (II), das Urteil für eine Deliktsverwirklichung im Inland nach § 278 Abs 1 zweiter Deliktsfall StGB aber tragfähige Feststellungen enthält (US 12 bis 17). Danach aber ist die Annahme echter Idealkonkurrenz des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 zweiter Deliktsfall (Abs 3 erster Fall) StGB und der Verbrechensqualifikation nach § 28 Abs 3 zweiter Fall SMG aus folgenden Erwägungen im Ergebnis rechtsrichtig:

§ 28 Abs 3 zweiter Fall SMG pönalisiert - unter dem Gesichtspunkt der besonderen Gefährlichkeit (vgl EvBl 2001/54 = 11 Os 44, 45/00) - die Begehung einer in Abs 2 leg cit bezeichneten Tat als Mitglied einer kriminellen Vereinigung. Nach § 278 StGB in der geltenden Fassung des StRÄG 2002 genügt für die Bildung einer kriminellen Vereinigung deren Ausrichtung auf die Ausführung auch nur einer einzigen (in § 278 Abs 2 StGB genannten) Vereinigungstat (vgl auch die EBRV 1166 BlgNR 21. GP, 35).

Im Falle der Ausrichtung einer kriminellen Vereinigung auf die Begehung bloß eines Suchtgiftverbrechens ist mit der konkreten Tatausführung, mit der solcherart keine Förderung noch weiterer in Aussicht genommener Vereinigungsstraftaten verbunden ist, der Zweck der kriminellen Vereinigung erschöpft, sodass § 278 Abs 1 zweiter Fall (Abs 3 erster Fall) StGB gegenüber § 28 Abs 3 zweiter Fall SMG im Hinblick auf den dadurch vollständig erfassten Unrechtsgehalt der Tat als materiell subsidiär zurücktritt. Ist dagegen die kriminelle Vereinigung - wie vorliegend festgestellt (US 13) - über eine tatsächlich begangene Suchtgiftstraftat hinaus auch auf die Ausführung weiterer (im Einzelnen noch nicht näher konkretisierter) Suchtgiftstraftaten ausgerichtet, so ist echte Konkurrenz des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 zweiter Deliktsfall (Abs 3 erster Fall) StGB und der Verbrechensqualifikation nach § 28 Abs 3 zweiter Fall SMG anzunehmen, weil das Tatunrecht durch § 28 Abs 3 zweiter Fall SMG allein nicht vollständig erfasst wird (vgl 12 Os 7/05d; Kirchbacher/Schroll RZ 2005, 143 FN 52; Kienapfel/Schmoller BT II § 130 Rz 52 f).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die Mängelrüge (der Sache nach Z 5 zweiter Fall), welche eine Unvollständigkeit der Entscheidungsbegründung durch Nichtberücksichtigung von Verfahrensergebnissen reklamiert, die den auf die Durchführung eines Suchtgifttransportes gerichteten Vorsatz der Angeklagten Grigor Andonov G***** und Mitko Vasilev St***** indizieren, verfehlt ihr Ziel. Dem Beschwerdestandpunkt zuwider sind die Angaben des Angeklagten Nasko Stoyanov T***** zu einem vor Antritt der Schmuggelfahrt stattgefundenen Treffen dieser Angeklagten mit Biser St***** im Ersturteil nicht unerörtert geblieben (US 18). Der Beschwerdehinweis auf die weitere Deposition des Angeklagten T*****, wonach ihm Grigor Andonov G***** im Februar 2004 bei der Montage der präperierten Tanks am Chassis des Transporters behilflich gewesen sei, lässt die unmittelbar nachfolgende entscheidende Aussagepassage außer Acht, der zufolge Grigor Andonov G***** über die konkrete Schmuggelfahrt nicht Bescheid wusste, zumal T***** ihm bei der Montage der präparierten Gastanks mitteilte, dass diese für den Schmuggel von Zigaretten dienen sollten (S 473 b/I). Diese Angaben, denen somit ein auf den Schmuggel von Suchtgift in den präparierten Tanks gerichteter Vorsatz des Angeklagten G***** nicht zu entnehmen ist, bedurften daher keiner besonderen Erörterung. Dies trifft auch auf die von der Anklagebehörde hervorgehobenen Angaben des Angeklagten Grigor Andonov G***** zur Mithilfe des Mitko Vasilev St***** bei „Montagearbeiten am Transportfahrzeug" zu, weil G***** darin deponierte, er habe mit der Montage der Gastanks nichts zu tun gehabt, sondern lediglich ein Schutzblech (S 235, 238/I) am Fahrzeug befestigt, wobei ihm St***** behilflich gewesen sei (S 479/I). Die somit zum Teil nicht dem Gesetz gemäß ausgeführte, im Übrigen unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Stanyu Marinov T***** war daher ebenso wie die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft schon in nichtöffentlicher Beratung nach § 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO zurückzuweisen.

Daraus folgt die Entscheidungskompetenz des Oberlandesgerichtes Graz über die Berufungen der Angeklagten Stanyu Marinov T***** und Nasko Stoyanov T***** sowie über jene der Staatsanwaltschaft (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

Rechtssätze
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  • RS0119763OGH Rechtssatz

    22. Oktober 2021·3 Entscheidungen

    Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen im Sinne des § 278 Abs 3 StGB begangene Straftaten in echter Idealkonkurrenz zu dem gleichzeitig begangenen Vereinigungsdelikt stehen. Die Auffassung unumschränkter echter Konkurrenz lässt jene Delikte außer acht, die durch die Begehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung qualifiziert sind. Wenn gleichzeitig alle Tatbestandsmerkmale der „Beteiligung" an einer kriminellen Vereinigung lediglich durch die Begehung einer strafbaren Handlung im Rahmen der Vereinigung erfüllt sind, so hat die Strafbarkeit nach § 278 Abs 1 (Abs 3 erster Fall) StGB hinter jener der spezielleren und jeweils höher bestraften Qualifikationsdelikte zurückzutreten, schließt dieser Deliktstypus den anderen doch begriffsnotwendig in sich ein (Spezialität). Nur in den Fällen, in denen es sich um einen Zusammenschluss zur Begehung anderer - noch nicht hinreichend konkretisierter - Verbrechen oder in § 278 StGB aufgezählten Vergehen durch zumindest ein Mitglied der Vereinigung oder die (aktive) Beteiligung an sonstigen Aktivitäten sowie Vorbereitungen der Vereinigung handelt, sofern dies im Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) geschieht, dass dadurch die Vereinigung oder durch sie zu begehende Straftaten gefördert werden (§ 278 Abs 3 zweiter und dritter Fall StGB), wäre der Unrechtsgehalt durch die Bestrafung wegen eines tatsächlich ausgeführten, wenn auch durch die Begehung als Vereinigungsmitglied qualifizierten Delikts allein noch nicht abgegolten, sondern in einem solchen Fall vielmehr echte Konkurrenz gegeben.