JudikaturJustiz11Os78/17f

11Os78/17f – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. September 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Etienne E***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über den Antrag der C***** B***** GmbH auf Erneuerung des Verfahrens in Bezug auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 18. April 2017, AZ 11 Bs 26/17m, 11 Bs 51/17p, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Dem zu AZ 85 BAZ 1422/16b der Staatsanwaltschaft Feldkirch geführten Ermittlungsverfahren gegen (zunächst) unbekannte Täter (später gegen Cebrail Ö*****, Etienne E***** ua) lag der Verdacht zugrunde, dass am 26. Dezember 2016 (um 2:50 Uhr) drei unbekannte Personen den E***** unter Verwendung eines „Angriffsmittels“ am Auge und an der Hand verletzt hätten.

Mit Beschluss vom 26. Dezember 2016 (ON 3 S 4) bewilligte die (Journaldienst-)Richterin des Landesgerichts Feldkirch (28 HR 9/17y) die Anordnung der Staatsanwaltschaft Feldkirch vom gleichen Tag auf – soweit relevant – „Durchsuchung der Räumlichkeiten des C***** B***** in ... L***** … samt den mit diesem Lokal zusammenhängenden Örtlichkeiten“ zwecks „Feststellung, ob sich die Beschuldigten noch im Lokal aufhalten“ aus den in der Anordnung angeführten Gründen, wobei die Maßnahme gemäß § 105 Abs 1 StPO bis 31. Dezember 2016 befristet wurde.

Aus dem Amtsvermerk der Polizeiinspektion H***** vom 26. Dezember 2016 (ON 2 S 7) folgt, dass die angeordnete Durchsuchung (sogleich) am 26. Dezember 2016 (kurz nach 3:30 Uhr) ohne Ergebnis vollzogen wurde.

Gegen die Anordnung der Staatsanwaltschaft und die Bewilligung des Landesgerichts Feldkirch sowie die Hausdurchsuchung am 26. Dezember 2016 richtete sich die mit einem Einspruch wegen Rechtsverletzung verbundene Beschwerde der C***** B***** GmbH (ON 5) mit dem Antrag, auszusprechen, dass die Anordnung, die Bewilligung und die Durchführung der Hausdurchsuchung am 26. Dezember 2016 zu Lasten der Einspruchswerberin und Beschwerdeführerin rechtswidrig waren und alle ihre Rechtsfolgen rückgängig gemacht werden.

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Beschwerde- und Einspruchsgericht gab dieser Beschwerde mit – ausführlich begründetem – Beschluss vom 18. April 2017 (AZ 11 Bs 26/17m, 11 Bs 51/17p [ON 19 der Ermittlungs Akten]) nicht Folge. Dem Einspruch wurde hingegen teilweise stattgegeben und festgestellt, dass die Durchsuchung die Betroffene in den Bestimmungen der §§ 121 Abs 2 erster Halbsatz und 123 Abs 3 zweiter Halbsatz StPO verletzt; im Übrigen wurde der Einspruch abgewiesen.

Gegen diesen Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck richtet sich der (rechtzeitige) Antrag der C***** B***** GmbH auf Erneuerung des Strafverfahrens (Art 8 Abs 2 MRK).

Rechtliche Beurteilung

Für einen – wie hier – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag (RIS-Justiz RS0122228), bei dem es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und Art 35 Abs 1 und Abs 2 MRK sinngemäß (RIS-Justiz RS0122737, RS0128394).

Demnach hat – weil die Opfereigenschaft nach Art 34 EMRK nur anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein ( Grabenwarter/Pabel , EMRK 6 § 13 Rz 16) – auch ein gemäß § 363a StPO ohne EGMR Urteil erhobener Erneuerungsantrag deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine (vom Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende) Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS-Justiz RS0122737 [T17]). Dabei hat sich der Antragsteller mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0124359, RS0128393) und – soweit er (auf Grundlage der Gesamtheit der Entscheidungsgründe) nicht Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen zu wecken vermag – seine Argumentation auf Basis der Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung zu entwickeln (RIS-Justiz RS0125393 [T1]).

Voranzustellen ist, dass den S 2 bis 18 des Antrags ein konkretes, einer sachbezogenen Erwiderung zugängliches Vorbringen nicht zu entnehmen ist, weil darin bloß der – hier nicht relevante – „landesverwaltungsrechtliche Rechtszug bis zum VfGH“ und allgemeine Ausführungen „Zum Sinn und Wesen des Erneuerungsantrags“ zur Darstellung gebracht werden.

Im Übrigen wird der Erneuerungsantrag mit dem – sinngemäßen – Vorbringen, das Oberlandesgericht habe fundamentale Kriterien für die Zulässigkeit einer Hausdurchsuchung ignoriert (wobei die Erneuerungswerberin ihr Vorbringen mit „Grundrechtswidrige Struktur der Prüfung des Einschreitens“ übertitelt), sowie der herben Kritik an der Vorgangsweise sowohl der Polizei (welche „nicht nur aus polizeitaktischen und polizeirechtlichen, sondern auch unter menschenrechtlichen Erwägungen haarsträubend“ gewesen sei) als auch der Rechtsschutzrichterin den eingangs dargestellten Erfordernissen nicht einmal ansatzweise gerecht.

Die unter Berufung auf eine Verletzung von Art 8 MRK behauptete „Aktenwidrigkeit“ liegt nicht vor, weil das Oberlandesgericht aktenkonform ausführte (s BS 6), dass die Polizeibeamten nach den „Ersterhebungen“ (insbesondere den Informationen durch die Augenzeugin Silvia V*****) davon ausgehen konnten, dass sich die „Täterschaft“ noch im Lokal befinden würde (ON 2 S 3, S 7). Die Polizei erhielt bereits um 3:30 Uhr vom Journalstaatsanwalt die gerichtlich bewilligte Anordnung zur Durchsuchung der Räumlichkeiten (ON 2 S 8); die niederschriftliche Vernehmung der Zeugin V***** (in welcher sie aussagte: „… Dann kamen eh schon die Security und schickten uns alle sofort raus.“ [ON 2 S 16]) begann hingegen erst um 4:21 Uhr (ON 2 S 15). Bei Anordnung, Bewilligung und Durchführung der Durchsuchung lag die in Rede stehende niederschriftliche Aussage der Zeugin V***** – der Behauptung der Erneuerungswerberin zuwider – demnach noch nicht vor. Gleiches gilt naturgemäß für vor dem Landesverwaltungsgericht V***** am 6. März 2017 abgelegte Zeugenaussagen.

Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Bewilligung einer Durchsuchung durch das Beschwerdegericht hat sich im Übrigen auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch das Erstgericht zu beziehen („ex-ante“ Perspektive). Nachträglich eingetretene oder bekannt gewordene Umstände, die aus späterer Sicht zur Annahme führen, es fehle an einer Durchsuchungsvoraussetzung, machen die seinerzeitige Entscheidung nicht rechtswidrig (RIS Justiz RS0131252, RS0127268 [T7]; 13 Os 67/16a und dazu Ratz , EvBl LS 2017/87, 524; vgl weiters Riffel , RZ 2016, 159 [160 f], Nimmervoll , JSt 2016/2, 103).

Der weitere Vorwurf, im angefochtenen Beschluss sei nicht dargelegt worden, auf welche bestimmten Tatsachen die Polizeibeamten den Verdacht einer Straftat hätten gründen können, ist mit Blick auf BS 6 nicht nachvollziehbar.

Die (lapidare) Behauptung, die Begründung des Beschwerdegerichts für die „Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit“ sei nicht „präzise“ bzw nicht „nachvollziehbar“, wird nicht deutlich und bestimmt aus einer bestimmten Konventionsgarantie abgeleitet und versagt mit Blick auf BS 7.

Gleiches gilt in Ansehung der behaupteten „Menschenrechtswidrigkeit“ des Umstands, „dass sich das Gericht die Anordnung der Staatsanwaltschaft durch einen Verweis in ihrem Blankobeschluss zu eigen gemacht habe“ (vgl dazu im Übrigen RIS Justiz RS0124017).

Mit dem (den Beschwerdeausführungen – ON 5 S 3 – entsprechenden) Vorbringen, es sei in einem Rechtsstaat unerklärlich, dass „die Polizei den beiden vor Ort anwesenden Geschäftsführern nicht geglaubt hat“ (die angeblich bereits bei Eintreffen der Polizei behauptet hatten, die mutmaßlichen Täter hätten das Lokal schon verlassen), orientiert sich der Erneuerungsantrag nicht am festgestellten Sachverhalt (RIS Justiz RS0125393).

Im Übrigen wären das kriminalpolizeiliche, staatsanwaltschaftliche und gerichtliche Handeln selbst bei jeweiliger Kenntnis der von der Erneuerungswerberin genannten Umstände (die der eigenständigen Prüfung durch die staatlichen Organe unterlagen) zu den damaligen Zeitpunkten willkürfrei und rechtmäßig gewesen.

Schließlich wird noch in der „Verfahrensführung“ (ersichtlich gemeint ist jene des Rechtsmittelgerichts) „eine Verletzung der Menschenrechte der Erneuerungswerberin“ gesehen, zumal weder konkrete Verfahrensschritte gesetzt noch die beantragten Zeugen in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gehört worden seien und der angefochtene Beschluss nicht „auch nur die Andeutung einer Beweiswürdigung“ enthalte. Mit diesem Anbringen wird abermals die Verletzung einer Konventionsgarantie nicht nachvollziehbar vorgetragen.

Zur angeregten Antragstellung im Sinn des Art 89 Abs 2 B-VG (vgl S 22 bis 25) hinsichtlich der „Verfassungswidrigkeit des § 106 Strafprozessordnung“ (vgl S 22 bis 25 des Erneuerungsantrags) sah sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst.

Der Antrag war daher gemäß § 363b Abs 2 Z 3 StPO bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Rechtssätze
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