JudikaturJustiz11Os32/94

11Os32/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. April 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. April 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jannach als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Peter K* und eine andere wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die (Vorgänge der) Anberaumung und Durchführung einer Hauptverhandlung im Verfahren zum AZ 2 U 670/93 des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Bierlein, jedoch in Abwesenheit der betroffenen Beteiligten zu Recht erkannt:

Spruch

Im Strafverfahren zum AZ 2 U 670/93 des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz wurde durch die Anordnung und Durchführung der Hauptverhandlung das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 2 Abs. 3 und 46 Abs. 1 StPO verletzt.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem an die "Kriminalpolizei Graz" gerichteten Schreiben vom 12. Mai 1993 erstattete der Pensionist Klaus B* Anzeige gegen Peter K* wegen "Einbruchs sowie Plünderung", weil dieser in der Zeit zwischen dem 7. April und 3. Mai 1993 in Graz durch Zerschlagen der Eingangstür in das versiegelte Anwesen der (verstorbenen) Maria B* eingedrungen sei und Gegenstände beiseite geschafft habe (5).

Mit Note vom 24. Mai 1993, Zl II 4711/1 93/Sz., teilte die Bundespolizeidirektion Graz, Kriminalpolizeiliche Abteilung, dem Anzeiger mit, daß er denselben Sachverhalt bereits am 3. Mai 1993 zur Anzeige gebracht habe und seinen damaligen Angaben bzw den Angaben der Eva Maria K* zu entnehmen sei, daß es sich bei den von ihm Verdächtigten um seine Schwester Eva Maria K* und deren Ehemann Peter K* handle; da es sich beim angezeigten Vorfall um eine Sachbeschädigung und einen Diebstahl im Familienkreis bzw um eine Besitzstörung handle, sei "die Anzeige" beim zuständigen Bezirksgericht für Strafsachen bzw für Zivilrechtssachen zu erstatten (3).

Je eine Ablichtung der beiden erwähnten Schreiben, denen er vier Fotografien anschloß, sandte Klaus Birnstingl sodann an Hofrat Dr. Ernst S* per Adresse der Staatsanwaltschaft Graz, der sie mit Übersendungsnote vom 24. Juni 1993 zuständigkeitshalber dem Bezirksgericht für Strafsachen Graz übermittelte. Dieses ersuchte am 29. Juni 1993 das Strafbezirksgericht Wien, dem Anzeiger Rechtsbelehrung zu erteilen und allenfalls mit ihm eine Klage aufzunehmen, wobei auf die Frist des § 46 StPO hingewiesen wurde (1).

Nach Weiterleitung des Rechtshilfeersuchens an das zuständige Bezirksgericht Innere Stadt Wien wurde Klaus B* am 31. August 1993 als Zeuge in der Strafsache "gegen Peter K* wegen §§ 125 und 127 StGB in Verbindung mit § 166 StGB" vernommen. Das hierüber aufgenommene Protokoll hat folgenden Wortlaut (9 f): "Ich wurde über mein Entschlagungsrecht gemäß § 152 StPO belehrt. Ich möchte aussagen. Das betreffende Haus, in das von meiner Schwester und meinem Schwager eingebrochen wurde, war amtlich versiegelt. Eine diesbezügliche Unterlage wird von mir zum Beweis angeschlossen. Bezüglich der Eigentumsverhältnisse verweise ich auf den angeschlossenen Beschluß des Landesgerichtes Graz vom 21.6.1993. Ich wurde über die Voraussetzungen einer Privatanklage belehrt und halte meinen Antrag aufrecht. Ich möchte meinen Antrag auf Bestrafung ausdehnen im Sinne des § 272 StGB, da die Betreffenden, wie erwähnt, das versiegelte Haus aufgebrochen haben. Weiters möchte ich eine Liste der abhanden gekommenen Gegenstände anschließen".

Am 10. September 1993 verfügte der Richter des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz die Eintragung von Peter K* und Eva Maria K* als Beschuldigte und die Übertragung des bis dahin im Ns Register eingetragenen Verfahrens in das U Register (1 a). Am 14. September 1993 beraumte er die Hauptverhandlung gegen die beiden Beschuldigten an (1 a verso).

Mit dem gemäß § 458 Abs. 3 StPO in gekürzter Form ausgefertigten) Urteil vom 11. Oktober 1993, GZ 2 U 670/93 7, wurden Peter K* und Eva Maria K* "von der wider sie seitens des Anzeigers Klaus B* erhobenen Anzeige, sie haben in der Zeit zwischen 7. April und 3. Mai 1993 in Graz* im bewußt gemeinsamen Zusammenwirken als unmittelbare Täter

A/ ein Siegel beschädigt, das ein Beamter in Ausübung seines Amtes angelegt hat, um eine Sache unter Verschluß zu nehmen und einen durch ein solches Siegel bewirkten Verschluß zum Teil unwirksam gemacht,

B/ durch Zerschlagen der Eingangstür des Hauses Graz* eine fremde bewegliche Sache in einem S 25.000 nicht übersteigenden Wert beschädigt,

C/ durch Einbruch mit einer vom Grundstück Graz*, entwendeten Holzhacke fremde bewegliche Sachen im Verlaß nach Maria B*, AZ * des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz, nämlich diverse Einrichtungsgegenstände im Werte von etwa S 46.000, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

mangels Vorliegens eines gesetzlich berechtigten Anklägers gemäß § 259 Z 1 StPO freigesprochen."

Zu Recht macht die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde hinsichtlich der Anberaumung und Durchführung der Hauptverhandlung einen Verstoß gegen die Bestimmungen der §§ 2 Abs. 1 und Abs. 3 sowie 46 Abs. 1 StPO geltend.

Gemäß § 2 Abs. 1 StPO tritt die gerichtliche Verfolgung strafbarer Handlungen nur auf Antrag eines Anklägers ein; nach § 2 Abs. 3 StPO sind alle nicht der Privatanklage unterliegenden strafbaren Handlungen einschließlich derer, bei denen es zur Verfolgung eines Antrages oder einer Ermächtigung bedarf, Gegenstand der der Staatsanwaltschaft zustehenden öffentlichen Anklage.

Fallbezogen lag ein das Offizialdelikt des Siegelbruches nach § 272 Abs. 1 StGB, das unter anderem Gegenstand des bezeichneten Urteils ist, erfassender (offizioser) Strafantrag nicht vor.

Gemäß § 46 Abs. 1 erster und zweiter Satz StPO muß eine zur Privatanklage berechtigte Person, bei sonstigem Verlust ihres Anklagerechtes, binnen sechs Wochen von dem Tag, an dem ihr die strafbare Handlung und ein der Tat hinlänglich Verdächtiger bekannt geworden sind, einen Verfolgungsantrag gegen diesen stellen; dieser Antrag kann auf Einleitung der Voruntersuchung oder auf die Bestrafung des Täters gerichtet sein und muß beim Strafgericht mündlich oder schriftlich gestellt werden. Weder das von Klaus Birnstingl an die "Kriminalpolizei Graz" gerichtete, ausdrücklich als (auf einen Einbruchsdiebstahl Bezug nehmende) Anzeige bezeichnete Schreiben vom 12.Mai 1993 noch die Übermittlung von Unterlagen an den Ersten Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Graz Hofrat Dr.S* sind demzufolge (weil nicht an das Strafgericht gerichtet) als Erhebung einer Privatanklage anzusehen. Eine solche wurde erst am 31.August 1993 vor dem Bezirksgericht Innere Stadt durch die bezeichnete Erklärung des Klaus B* zu Protokoll gegeben. Sie war indes verspätet. Denn nach den dem Bezirksgericht für Strafsachen Graz vorgelegenen Unterlagen, nämlich der Ablichtung der Note der Bundespolizeidirektion Graz vom 24.Mai 1993 (3) waren Klaus B* die Verdächtigen seit 3.Mai 1993 bekannt, sodaß am 31.August 1993 die Frista des § 46 Abs. 1 erster Satz StPO bereits verstrichen war.

Nach dem Gesagten war daher die gerichtliche Verfolgung des Peter K* und der Eva Maria K* sowohl wegen des Privatanklagedeliktes des im Familienkreis begangenen Diebstahls als auch wegen Siegelbruches nach § 272 StGB von Anfang an unzulässig, wobei es auf sich beruhen kann, ob sich die am 31.August 1993 vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien abgegebene Erklärung des Klaus B*, seinen Antrag (auf Bestrafung) aufrecht zu erhalten und auszudehnen, "da die Betreffende n (nämlich Schwester und Schwager, die eingangs der Vernehmung des Einbruchs bezichtigt wurden) wie erwähnt , das versiegelte Haus aufgebrochen haben" überhaupt auch auf Eva Maria K* bezog.

Vor der Anordnung einer Hauptverhandlung hätte das Bezirksgericht für Strafsachen Graz klären müssen, ob der öffentliche Ankläger eine Strafverfolgung der Angezeigten wegen des Vergehens des Siegelbruches begehrt und außerdem prüfen müssen, ob der Privatankläger sein Klagerecht rechtzeitig geltend gemacht hat. Nur bei Vorliegen dieser (Prozeß )Voraussetzungen hätte die Anberaumung und Durchführung der Hauptverhandlung erfolgen dürfen, andernfalls wäre das Verfahren gemäß § 451 Abs. 2 StPO einzustellen gewesen.

Im Hinblick auf den in der Hauptverhandlung erfolgten Freispruch ist die Vorgangsweise des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz im von der Beschwerde relevierten Umfang ohne Nachteil für die Beschuldigten geblieben, sodaß es in Stattgebung der Beschwerde mit der Feststellung der Gesetzesverletzungen sein Bewenden haben konnte.

Daß nach der Aktenlage Zweifel bestanden, ob überhaupt (nur) der Verdacht eines Privatanklagedeliktes vorlag, da die Behauptungen des Klaus B* (insbesondere 13) darauf hindeuten, daß die Tat zum Nachteil des Nachlasses nach einem Angehörigen der Täter begangen wurde (vgl hiezu Leukauf Steininger Komm 3 § 166 RN 11), sei abschließend nur noch der Vollständigkeit halber festgehalten. Demzufolge wäre (unabhängig von der nach § 272 StGB bestehenden Verdachtslage) auch aus diesem Grund der öffentliche Ankläger einzuschalten gewesen.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.