JudikaturJustiz11Os189/93

11Os189/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Februar 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Februar 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kramer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Tihomir K***** wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgeriches für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17.September 1993, GZ 3d Vr 9799/93-30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Tihomir K***** des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 24.Juli 1993 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit einem namentlich unbekannt gebliebenen Mittäter fremde bewegliche Sachen, nämlich verwertbare Gegenstände, gewerbsmäßig zumindest zwei namentlich nicht bekannten Frauen mit dem Vorsatz, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen versucht.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt in keinem Anfechtungspunkt Berechtigung zu.

Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich dagegen, daß das Erstgericht dem in der Hauptverhandlung am 17.September 1993 gestellten Beweisantrag (auf Einholung des Gutachtens) eines "Sachverständigen aus der Psychologie-Psychiatrie oder ähnlichen kompetenten Sachverständigen" zum Beweis dafür, daß - in weitgehend sinngemäßer Ergänzung der Prozeßerklärung des Verteidigers - die Fähigkeit des Zeugen Wilhelm R***** (auf dessen Angaben das Erstgericht die Feststellungen zu den objektiven Tatbestandsvoraussetzungen stützte), Wahrnehmungen zu machen und diese gedächtnistreu wiederzugeben, in Frage stehe, nicht entsprochen habe. Sie vermag damit aber keine Beeinträchtigung wesentlicher Verteidigungsrechte aufzuzeigen.

Das Erstgericht folgte unter Berücksichtigung der gesamten Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs. 2 StPO) der Aussage des Zeugen R*****, er habe in beiden Fällen wahrgenommen, daß der Angeklagte jeweils in die Handtasche hineingriff (132, 134, 137); der im Vorfeld dieser Wahrnehmungen gelegene Umstand, aus welchem Grund der Zeuge auf den Angeklagten und seinen Komplizen aufmerksam wurde, ist daher ohne Belang. Hinsichtlich der in der Beschwerdeargumentation hervorgehobenen Antwort des Zeugen R***** auf die (nach den Verfahrensergebnissen gar nicht indizierte - 125 f - unpräzise und kein Schuldspruchfaktum - US 6 - betreffende) Frage, ob der Angeklagte zweimal im Lokal "N*****" war, wäre es dem Verteidiger unbenommen geblieben, eine in diesem Zusammenhang für erforderlich erachtete Klarstellung im Wege des ihm gemäß § 249 Abs. 1 StPO eingeräumten Fragerechts herbeizuführen.

Das Schöffengericht hat zwar nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls die Beschlußfassung über den in Rede stehenden Beweisantrag des Angeklagten zunächst vorbehalten, ohne daß dessen spätere Erledigung aus dem Hauptverhandlungsprotokoll zu entnehmen ist; es hat allerdings in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils dargelegt, aus welchen Erwägungen es die Beiziehung eines psychiatrischen oder psychologischen Sachverständigen für entbehrlich hielt (US 12). Der Sache nach wurde durch die (formelle) Nichterledigung des bezeichneten Beweisantrages eine Urteilsnichtigkeit (Z 4) nicht bewirkt.

Die Untersuchung des Geisteszustandes eines Zeugen setzt zum einen, soll sie nicht auf die unzulässige Aufnahme eines reinen Erkundungsbeweises hinauslaufen, konkret erhebliche Bedenken gegen dessen allgemeine Wahrnehmungs- oder Wiedergabefähigkeit (§ 151 Z 3 StPO) oder doch gegen seine (vom Einzelfall unabhängige) Aussageehrlichkeit schlechthin - die bei Erwachsenen nur ausnahmsweise aktuell sein werden - voraus (vgl. SSt. 49/55 ua); sie ist zum anderen, weil sich die Zeugenpflicht nur auf das Erscheinen vor Gericht und auf das Ablegen des Zeugnisses erstreckt (§§ 150, 160 StPO), lediglich mit seiner Zustimmung gestattet. Umstände hingegen, die bloß gegen die Glaubwürdigkeit oder Verläßlichkeit eines Zeugen im gegebenen Anlaßfall sprechen, unterliegen ausschließlich der Beweiswürdigung durch das Gericht (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 41; Foregger-Kodek StPO6 Erl. IV je zu § 150).

Entgegen dem sachlich unter dem Gesichtspunkt einer offenbar unzureichenden Begründung (Z 5) erhobenen Einwand, es werde im Urteil nicht dargetan, worauf sich die Feststellung gewerbsmäßiger Tatbegehung gründe, hat das Schöffengericht ohnedies jene Erwägungen dargelegt, aus denen es zur Überzeugung eines Handelns des Beschwerdeführers in gewerbsmäßiger Absicht und demzufolge zwangsläufig auch mit Diebstahlsvorsatz gelangte (US 4, 5, 12 f). Dabei ließ es die Verantwortung des (bereits einschlägig vorbestraften) Angeklagten über seine Bargeldreserven nach der zuletzt am 13.Juli 1993 erfolgten Haftentlassung und seine beabsichtigte Rückkehr nach Bosnien nach Erlangung eines Reisepasses durch die bosnische Botschaft keineswegs unerörtert, versagte ihr jedoch mit mängelfreier Begründung (US 12, 13) den Glauben. Was die Beschwerde dagegen ins Treffen führt, erschöpft sich in einer gegen Urteile der Kollegialgerichte - nach wie vor - unzulässigen Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen den Grundsatz "in dubio pro reo" behauptet, übersieht er, daß diesem keineswegs die Bedeutung einer "negativen" Beweisregel zukommt, wonach sich das Gericht bei Verfahrensergebnissen, die mehrere Deutungen oder Schlußfolgerungen zulassen, grundsätzlich die für den Angeklagten günstigste der sich anbietenden Varianten zu eigen machen muß. Das Gericht hat vielmehr darüber, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist, stets nach seiner freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider den Angeklagten vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (§ 258 Abs. 2 StPO), wobei es sich jede Meinung bilden kann, die den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung nicht widerspricht. Insoweit ist es auch nicht erforderlich, daß Schlußfolgerungen (aus zweifelsfrei festgestellten) Prämissen zwingend sind; genug daran, daß sie den Denkgesetzen entsprechen (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 26 ff, 40 ff zu § 258).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO) und teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 285 d Abs. 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO) bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Daraus folgt, daß über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten das hiefür zuständige Oberlandesgericht Wien zu befinden hat (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.

Rechtssätze
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