JudikaturJustiz10ObS85/98t

10ObS85/98t – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. März 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Hopf als weitere Richter (Senat nach § 11 a Abs 3 Z 1 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann S*****, Kaufmann, *****, vertreten durch Dr. Walter Brandt und Dr. Karl Wagner, Rechtsanwälte in Schärding, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen vorzeitiger Alterspension wegen langer Versicherungsdauer, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Dezember 1997, GZ 12 Rs 270/97f-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. August 1997, 14 Cgs 203/96d-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Am 2.1.1998 wurde das Berufungserkenntnis vom Erstgericht an Rechtsanwalt Dr. Walter Brandt, der in der Klage zufolge erteilter Bevollmächtigung gemäß § 30 Abs 2 ZPO neben dem Rechtsanwalt Dr. Karl Wagner als einer der beiden Vertreter des Klägers ausgewiesen war, zugestellt. Am 5.2.1998 bestätigte das Erstgericht die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Berufungserkenntnisses. Am 4.2.1998 gab Dr. Wagner namens des Klägers eine Revision gegen das Berufungserkenntnis zur Post, die am 5.2.1998 beim Erstgericht einlangte.

Mit Beschluß vom 5.2.1998 hob das Erstgericht die Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Berufungserkenntnisses als nichtig auf. Die Kanzleigemeinschaft der Rechtsanwälte Dr. Brandt und Dr. Wagner sei im Herbst des Vorjahres aufgelöst worden. Ab diesem Zeitpunkt sei die Vertretung des Klägers ausschließlich durch Dr. Wagner erfolgt; dies sei gerichtsbekannt. Die Zustellung des Berufungserkenntnisses an Dr. Brandt sei lediglich irrtümlich erfolgt. Bei ordnungsgemäßer Zustellung wäre von einem Beginn der Revisionsfrist am 7.1.1998 auszugehen, sodaß die Revision am 4.2.1998 rechtzeitig zur Post gegeben worden sei.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Die Revision des Klägers wurde dem Obersten Gerichtshof vorgelegt; sie ist verspätet.

Rechtliche Beurteilung

Wie schon eingangs ausgeführt, wurde in der Klage die Vertretung des Klägers durch zwei Rechtsanwälte - Dr. Brandt und Dr. Wagner - angezeigt. Dieses Vertretungsverhältnis wurde auch in der späteren Urkundenvorlage des Klägers vom 16.10.1996 (ON 2) und einem vorbereitenden Schriftsatz des Klägers vom 5.5.1997 (ON 8) ausgewiesen. Daß die Vollmacht des Klägers an Dr. Brandt jemals durch Kündigung oder Widerruf aufgehoben worden wäre, wurde nie durch Schriftsatz oder auf sonstige, aus den Akten nachvollziehbare Weise dem Gericht und dem Gegner mitgeteilt. Laut Beschluß vom 5.2.1998 war dem Erstgericht dennoch die Aufhebung der Kanzleigemeinschaft zwischen Dr. Brandt und Dr. Wagner und die folgende ausschließliche Vertretung des Klägers durch Dr. Wagner ab Herbst 1997 bekannt. Im Akt fand diese Kenntnis allerdings vor diesem Beschluß keinen Niederschlag. Insbesondere enthielt auch die (verspätete) Berufungsbeantwortung des Klägers vom 11.11.1997, die nur von Dr. Wagner gefertigt wurde, keinen dementsprechenden Hinweis (ON 12).

Grundsätzlich ist für Rechtstreitigkeiten, in denen kein absoluter Anwaltszwang herrscht, die Kündigung oder der Widerruf der Vollmacht gegenüber Gericht und Gegenpartei erst mit der Mitteilung an sie wirksam. Wenngleich also im Innenverhältnis das Vollmachtsverhältnis durch Kündigung oder Widerruf im Zeitpunkt der Willenserklärung erlischt, ist der Eintritt der Wirkungen gegenüber Gericht und Gegenpartei von deren Benachrichtigung abhängig. Das Gericht hat, auch wenn ihm auf andere Weise Widerruf oder Kündigung der Vollmacht zur Kenntnis gelangt sind, bis zum Einlangen des Schriftsatzes den bisherigen Bevollmächtigten als voll befugten Parteienvertreter zu behandeln (§ 36 Abs 1 ZPO; Fasching II 288f; EvBl 1976/68; EvBl 1963/451; ZBl 1937/707). Im bezirksgerichtlichen Verfahren könnte der Schriftsatz auch durch gerichtliches Protokoll ersetzt werden, wenn die Partei nicht durch Rechtsanwälte vertreten ist (§ 434 Abs 1 ZPO; Fasching aaO 290; EvBl 1964/228). Diese auch in Arbeits- und Sozialrechtssachen geltende Verfahrensbesonderheit ist allerdings ausgeschlossen, wenn die Partei durch eine qualifizierte Person vertreten ist (§§ 39 Abs 2 Z 2, 40 Abs 1 ASGG).

Die ausdrückliche Benachrichtigung vom Erlöschen der Vollmacht ist unerläßlich, damit gegenüber dem Gericht und der Gegenpartei die mit dem Erlöschen der Vollmacht verbundenen Wirkungen eintreten (RZ 1968, 54; EvBl 1964/228). Die Bestimmung des § 36 ZPO soll verhindern, daß das Gericht Untersuchungen darüber anzustellen hat, wer nun eigentlich (noch oder erstmals) der bevollmächtigte Prozeßvertreter einer Partei ist (Fasching aaO 289; AnwBl 1977, 354).

Da das Erlöschen der Prozeßvollmacht des Klägers an Dr. Brandt nie ausdrücklich angezeigt wurde, konnte das Berufungerkenntnis wirksam an Dr. Brandt zugestellt werden (§ 93 Abs 1 ZPO; RZ 1993/10; AnwBl 1990/3.462; MietSlg 36.748; RZ 1937, 236; ZBl 1930/230). Ist eine Partei durch zwei Bevollmächtigte vertreten, beginnt die Rechtsmittelfrist bereits mit der Zustellung an einen der beiden Vertreter zu laufen (EvBl 1963/451; 7 Ob 645/95).

Gemäß § 505 Abs 2 ZPO beträgt die Revisionsfrist vier Wochen von der Zustellung des Berufungserkenntnisses an. Ausgehend von der Zustellung am 2.1.1998 endete die Revisionsfrist sohin am 30.1.1998. Die Bestimmungen über die Gerichtsferien finden in einer Sozialrechtssache keine Anwendung (§ 39 Abs 4 ASGG). Die erst am 4.2.1998 zur Post gegebene Revision des Klägers ist daher verspätet und vom Revisionsgericht zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40, 50 Abs 1 ZPO begründet.

Rechtssätze
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