JudikaturJustiz10ObS79/01t

10ObS79/01t – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. April 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Hans Herold (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter

in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Erich S*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr. Franz Wohlfahrt, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Jänner 2001, GZ 10 Rs 316/00i-68, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 3. Mai 2000, GZ 27 Cgs 69/97b-59, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Berufsunfähigkeit des Klägers unter Hinweis auf die Entscheidung SSV-NF 4/143 (vgl auch RIS-Justiz RS0084393; zuletzt 10 ObS 343/99k und 10 ObS 323/00y) zutreffend verneint (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).

Den Revisionsausführungen ist noch Folgendes entgegenzuhalten:

Hat ein Versicherter Versicherungsmonate in mehreren Zweigen der Pensionsversicherung nach dem ASVG (nämlich der Arbeiter und der Angestellten) erworben, so kommen für ihn gemäß § 245 Abs 1 ASVG die Leistungen des Zweiges der Pensionsversicherung in Betracht, dem er leistungszugehörig ist. Im vorliegenden Fall steht die Leistungszugehörigkeit des Klägers zur Pensionsversicherung der Angestellten unbestritten fest. Aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit ist aus der Pensionsversicherung der Angestellten die Berufsunfähigkeitspension zu leisten. Die besonderen Leistungsvoraussetzungen für die Berufsunfähigkeitspension finden ihre Regelung im § 273 ASVG. Danach gilt der Versicherte als berufsunfähig, dessen Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Dabei ist von jenem Angestelltenberuf auszugehen, den der Versicherte zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübt hat.

Der Kläger hat im Zeitraum vom 2. 10. 1989 bis 26. 6. 1994 bei einer Werkzeugfirma eine Verkaufsabteilung betreut und dabei die Kundenberatung hinsichtlich Tischlerwerkzeug und sonstigem Werkzeug, die Regalbetreuung und die Preisauszeichnung durchgeführt. Er hat damit diese der Beschäftigungsgruppe 2 des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten Österreichs zuzuordnende Angestelltentätigkeit über einen so langen Zeitraum (57 Beitragsmonate) ausgeübt, dass nicht mehr von einer bloß vorübergehenden Tätigkeit gesprochen werden kann (SSV-NF 6/153 ua). Der Kläger kann innerhalb des Verweisungsfeldes nach § 273 Abs 1 ASVG ohne unzumutbaren sozialen Abstieg noch verschiedene andere, ebenfalls der Beschäftigungsgruppe 2 des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten Österreichs zuordenbare, einfache Angestelltentätigkeiten verrichten, wie insbesondere die vom Berufungsgericht ausdrücklich genannte Tätigkeit eines Telefonisten in Handelsbetrieben mit telefonischer Bestellannahme und einfacher Produktberatung. Dies wird auch in der Revision nicht in Zweifel gezogen. Der Kläger vertritt in seinen Revisionsausführungen jedoch die Ansicht, dass bei der Frage der Verweisbarkeit auf seine Angestelltentätigkeit überhaupt nicht Bedacht genommen werden dürfe, weil er im maßgebenden Zeitraum der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag überwiegend in seinem erlernten Beruf als Tischler tätig gewesen sei, daher seine Tätigkeit als Arbeiter jene als Angestellter überwiege und somit seine Berufsunfähigkeit analog nach der Bestimmung des § 255 ASVG zu beurteilen sei.

Es trifft zu, dass die Voraussetzungen für den Anspruch eines Pensionswerbers auf Berufsunfähigkeitspension, dessen Versicherungszeiten - wie beim Kläger - überwiegend auf eine Beschäftigung zurückgehen, die gemäß § 13 ASVG die Zugehörigkeit zur Pensionsversicherung der Arbeiter begründet hätte, nicht nach § 273 ASVG, sondern unter analoger Anwendung des Invaliditätsbegriffes des § 255 ASVG zu beurteilen sind (SSV-NF 2/71; 3/2; 3/99 uva; RIS-Justiz RS0084342; RS0083723). Nach § 255 Abs 1 ASVG gilt der Versicherte nur dann als invalid, wenn er nicht nur in dem zuletzt ausgeübten, sondern in jedem der in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag ausgeübten erlernten (angelernten) Berufen nicht mehr die Hälfte des Normalverdienstes gesunder Personen erreichen könnte. Es würde nun einen unüberbrückbaren Wertungswiderspruch bedeuten, bei einer Gesamtschau der in den letzten 15 Jahren zurückgelegten Tätigkeiten eine ausgeübte und ebenfalls einen Berufsschutz begründende Angestelltentätigkeit - hier die eines Verkäufers in einer Werkzeugfirma - anders zu beurteilen als einen ausgeübten ebenfalls Berufsschutz begründenden erlernten oder angelernten Beruf im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG, auf den der Kläger selbst dann verwiesen werden könnte, wenn er einen anderen in den letzten 15 Jahren ebenfalls ausgeübten erlernten oder angelernten Beruf nicht mehr ausüben könnte. War daher ein Versicherter in den letzten 15 Jahren sowohl in erlernten (angelernten) Berufen im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG als auch in Angestelltenberufen im Sinn des § 273 ASVG tätig, so können dann, wenn die Voraussetzungen des Versicherungsfalles des § 255 Abs 1 ASVG zu beurteilen sind, jedenfalls die als Angestellter erworbenen Versicherungszeiten nicht anders behandelt werden als diejenigen aus einem erlernten oder angelernten Beruf. Dieser Grundsatz muss zumindest in dem Fall Geltung haben, in dem, wie hier, die Angestelltentätigkeit im Rahmen einer zulässigen Verweisungstätigkeit weiterhin verrichtet werden kann (SSV-NF 4/143; RIS-Justiz RS0084393; 10 ObS 343/99k; 10 ObS 323/00y). Ein Versicherter, der mehrfach Berufsschutz als Angestellter oder auch als qualifizierter Arbeiter in einem erlernten oder angelernten Beruf genießt, verfügt über vielfältigere Ausbildung, Kenntnisse und Fähigkeiten als ein nur in einem Beruf tätig gewesener Versicherter. Er darf daher in allen Berufssparten verwiesen werden, auf die sich sein Berufsschutz erstreckt (SSV-NF 5/65). Die Revisionsausführungen bieten keinen Anlass, von diesen in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen abzugehen. Sie lassen insbesondere außer Betracht, dass durch die Tätigkeit als Angestellter ein eigener und von einer anderen erlernten oder angelernten Tätigkeit unabhängiger Berufsschutz erworben wird und eine Verweisung auf andere Angestelltentätigkeiten daher nur insoweit in Betracht kommt, als durch deren Ausübung der Berufsschutz nach § 273 ASVG nicht verloren geht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Eine Gerichtsgebühr fällt in Sozialrechtssachen gemäß § 80 ASGG nicht an.

Rechtssätze
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