JudikaturJustiz10ObS40/18g

10ObS40/18g – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Juli 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martina Rosenmayr Khoshideh (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Horst Nurschinger (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei B*****, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15–19, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2018, GZ 8 Rs 50/17g 12, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Tochter des Klägers wurde am 2. 6. 2015 geboren. Die Mutter der Tochter bezog für diese vom 7. 8. 2015 bis 1. 9. 2016 pauschales Kinderbetreuungsgeld in der Variante 15 + 3.

Der Vater beantragte am 9. 9. 2016 die Zuerkennung von pauschalem Kinderbetreuungsgeld für die Tochter für den Zeitraum vom 2. 9. 2016 bis zur höchstmöglichen Bezugsdauer. Die Tochter war erst seit 8. 9. 2016 beim Vater „hauptwohnsitzlich“ gemeldet.

Mit dem angefochtenen Bescheid lehnte die beklagte Wiener Gebietskrankenkasse den Antrag des Vaters auf Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld ab. Zwischen 2. 9. 2016 und 7. 9. 2016 habe kein gemeinsamer Haushalt im Sinn des § 2 Abs 6 KBGG zwischen Vater und Tochter bestanden. Es fehle daher an einem tatsächlichen Leistungsbezug über das 15. Lebensmonat des Kindes hinaus, sodass die Anspruchsvoraussetzungen des § 5b Abs 3 KBGG (in der hier unstrittig anwendbaren Fassung BGBl I 2009/116, vgl § 50 Abs 14 KBGG) nicht erfüllt seien.

Das Erstgericht sprach dem Kläger pauschales Kinderbetreuungsgeld für die Tochter in der Höhe von 26,60 EUR täglich (Variante 15 + 3) für den Zeitraum vom 8. 9. 2016 bis 25. 11. 2016 zu. Das Mehrbegehren auf Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld auch für die Zeiträume vom 2. 9. 2016 bis 7. 9. 2016 sowie vom 26. 11. 2016 bis 1. 12. 2016 wies es hingegen unbekämpft ab. Die fehlende gemeinsame „hauptwohnsitzliche“ Meldung bewirke lediglich den Verlust des Anspruchs des Klägers für den Zeitraum vom 2. 9. 2016 bis 7. 9. 2016. Diese Tage des tatsächlichen Nichtbezugs von Kinderbetreuungsgeld verkürzten den höchstmöglichen Bezugszeitraum von insgesamt 18 Monaten, sodass der Anspruch nur bis 25. 11. 2016 gebühre.

Das nur von der Beklagten gegen den klagestattgebenden Teil des Urteils des Erstgerichts angerufene Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge und ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof nicht zu.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt. Der unmissverständliche Wortlaut des § 5b Abs 3 KBGG setze ein lückenloses, zeitliches Anknüpfen der Bezugsteile der Eltern voraus, an dem es hier fehle, sodass die Voraussetzungen für die Verlängerung des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld nicht gegeben seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin zeigt damit keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf:

1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nach dieser Bestimmung ist im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine zur Zeit der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich erhebliche Rechtsfrage fällt daher weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs geklärt wird (RIS Justiz RS0112921 [T5]; RS0112769 [T9, T11]).

2. Zur Frage, ob der nicht durchgehende Bezug von Kinderbetreuungsgeld durch beide Eltern im Anwendungsbereich des § 5 Abs 2 KBGG idF BGBl I 2009/116 anspruchsschädlich sei, hat der Oberste Gerichtshof jüngst in der ausführlich begründeten und einen vergleichbaren Sachverhalt betreffenden Entscheidung 10 ObS 46/18i Stellung genommen und ist dort zu dem Ergebnis gekommen:

Die Verlängerung der Anspruchsdauer über die Vollendung des 30. Lebensmonats hinaus (§ 5 Abs 2 KBGG idF BGBl I 2009/116) setzt nicht voraus, dass der Bezug von Kinderbetreuungsgeld durch den zweiten Elternteil unmittelbar an den Zeitraum des tatsächlichen Bezugs durch den anderen Elternteil anschließt.

3. Dies gilt auch für den Anwendungsbereich des dem § 5 Abs 2 KBGG aF in diesem Zusammenhang vollkommen vergleichbaren § 5b Abs 3 KBGG idF BGBl I 2009/116. Dazu hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 46/18i begründend ausgeführt:

… Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit geschaffen, für einzelne Zeiträume auf das Kinderbetreuungsgeld zu verzichten (§ 2 Abs 5 KBGG idF BGBl I 2009/116), wodurch der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld vorübergehend oder vorzeitig endet (§ 5 Abs 6 KBGG idF BGBl I 2009/116). Der Verzicht bewirkt eine Verkürzung des Anspruchszeitraums (ErläutRV 620 BlgNR 21. GP 59 f).

3.5 Ein Verzicht bewirkt ebenfalls eine Unterbrechung oder Lücke im Kinderbetreuungsgeldbezug, die für sich alleine einer Fortsetzung des Bezugs nicht entgegensteht. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, den Fall einer durch einen Verzicht entstandenen Bezugslücke anders behandeln zu wollen als jenen Fall, in dem der Bezug durch den anderen Elternteil als Folge einer verspäteten Antragstellung nicht nahtlos an den vorangegangenen Bezugszeitraum anschließt.

Ebenso wie die in 10 ObS 46/18i behandelte verspätete Antragstellung bewirkt zwar im vorliegenden Fall die fehlende gemeinsame „hauptwohnsitzliche“ Meldung (§ 2 Abs 6 KBGG) ungeachtet der hier fristgerechten Antragstellung einen teilweisen Anspruchsverlust. Auch der vorliegende Fall kann jedoch aus den in 10 ObS 46/18i dargelegten Gründen nicht anders behandelt werden als eine durch einen Verzicht entstandene Bezugslücke.

Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.

Rechtssätze
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