JudikaturJustiz10ObS34/01z

10ObS34/01z – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. April 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Hans Herold (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Helmut K*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Arnulf Summer, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Rückforderung eines Überbezuges, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. November 2000, GZ 25 Rs 124/00x-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. Juni 2000, GZ 33 Cgs 8/00d-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 (darin S 676,48 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 31. 12. 1940 geborene Kläger bezieht seit 1. 1. 1982 eine Invaliditätspension von der beklagten Partei sowie seit 1. 4. 1982 eine Schweizer Rente. Ab Beginn der Pensionsleistung gewährte die beklagte Partei eine Ausgleichszulage in unterschiedlicher Höhe. Am 18. 7. 1997 langte bei der beklagten Partei, die zunächst kein zwischenstaatliches Pensionsverfahren mit Liechtenstein eingeleitet hatte, das vom Kläger unterfertigte Formular "Angaben für die Abklärung eines Anspruches auf Leistungen aus der Liechtensteinischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung" ein. Mit Schreiben vom 26. 8. 1997 teilte die Liechtensteinische Alters- und Hinterlassenversicherung/Invalidenversicherung/Familienausgleichskass e (AHV/IV/FAK) mit, dass der Kläger in Liechtenstein 15 Beitragsmonate aus unselbständiger Tätigkeit erworben hat. Am 3. 8. 1998 erhielt die beklagte Partei eine Ausfertigung der an den Kläger versandten "Verfügung" der AHV/IV/FAK vom 28. 7. 1998, wonach dem Kläger ab 1. 7. 1996 eine ordentliche einfache Invalidenrente in Höhe von sfr 58,-- und eine ordentliche Zusatzrente für die Ehefrau in Höhe von sfr 20,--, ab 1. 1. 1997 in Höhe von sfr 59,-- bzw sfr 21,-- zuerkannt wurde; die Nachzahlung für die Zeit von 1. 1. 1996 bis einschließlich Juni 1998 inklusive Weihnachtszulage betrug sfr 2.068,--. Auf der zweiten Seite dieser Verfügung ist vermerkt, dass eine Kopie an die beklagte Partei ergeht.

Die beklagte Partei hat auf diese Mitteilung mit dem bekämpften Bescheid vom 23.11.1999 reagiert, mit dem - neben einer Verneinung eines Anspruchs auf Ausgleichszulage ab 1. November 1999 - eine Neubemessung der Invaliditätspension des Klägers ab 1. 7. 1996 auf Grund der Verordnung (EWG) 1408/71 vorgenommen wurde. Auf Grund dessen wurde der im Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis 31. Oktober 1999 entstandene Überbezug in Höhe von S 31.916,20 durch Abzug von monatlichen Raten a S 1.200,-- von der ab 1. 12. 1999 zur Anweisung gelangenden Pension zurückgefordert.

Das Erstgericht gab dem auf Abstandnahme von der Rückforderung gerichteten Klagebegehren statt. Die beklagte Partei sei verpflichtet gewesen, innerhalb angemessener Frist ab dem Zeitpunkt, in dem sie erkennen habe müssen, dass eine Leistung zu Unrecht erbracht worden sei, die für eine bescheidmäßige Feststellung dieser Leistung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Überbezüge zu verhindern. Da die beklagte Partei erst etwa 1 1/4 Jahre nach Bekanntwerden der liechtensteinischen Rentenleistung und somit nicht innerhalb angemessener Frist den Rückforderungsbescheid erlassen habe, bestehe gemäß § 107 Abs 2 lit a ASVG kein Recht der beklagten Partei auf Rückforderung von im Zeitraum von 1. 8. 1998 bis 31. 10. 1999 erbrachten Geldleistungen. In Bezug auf den Zeitraum von 1. 7. 1996 bis 31. 7. 1998 könne dem Kläger keine auch nur leicht fahrlässige Verletzung der Meldevorschriften oder der Auskunftspflicht angelastet werden, da er zeitgleich mit der beklagten Partei die Verfügung der AHV/IV/FAK vom 28. 7. 1998 samt dem Vermerk erhalten habe, dass eine Kopie an die beklagte Partei ergehe. Ein Rückforderungsanspruch lasse sich auch nicht aus dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein im Bereich der Sozialen Sicherheit ableiten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Klagsabweisung ab. Der Kläger wurde schuldig erkannt, der beklagten Partei den Betrag von S 31.916,20 in 21 monatlichen Raten a S 1.500,-- und einer Restrate von S 416,20 zurückzuzahlen.

In rechtlicher Hinsicht teilte das Berufungsgericht die Rechtsansicht der beklagten Partei, dass gemäß den einschlägigen zwischenstaatlichen Abkommen im Bereich der Sozialen Sicherheit bei nachträglicher Leistungserbringung eines Vertragsstaats die überhöht erbrachte Leistung des anderen Vertragsstaats als Vorschuss zu betrachten sei, weshalb ein Rückforderungsrecht entstehe.

Im vorliegenden Fall sei auf das - mit 30. November 1998 außer Kraft getretene - Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein im Bereiche der Sozialen Sicherheit vom 26. September 1968, BGBl 1969/72, idF des Zusatzabkommens vom 16. Mai 1977, BGBl 1978/39, und des Zweiten Zusatzabkommens vom 22. Oktober 1987, BGBl 1988/620, sowie - da leistungsbegründende Versicherungsmonate in der Schweizerischen Rentenversicherung und somit Versicherungszeiten in mehr als zwei Vertragsstaaten vorliegen - auf das Übereinkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Fürstentum Liechtenstein, der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Bereich der Sozialen Sicherheit, BGBl 1980/464, idF des Zusatzabkommens vom 8. 10. 1982, BGBl 1984/28, Bedacht zu nehmen.

Gemäß Art 15 Abs 2 AbkSozSi-Liechtenstein (BGBl 1969/72 idF der Zusatzabkommen) sei eine nach Art 15 Abs 1 nach den österreichischen Rechtsvorschriften gewährte innerstaatliche "Vollpension" bei Entstehung eines Leistungsanspruchs nach den Liechtensteinischen Rechtsvorschriften nach den Regelungen des Art 13 Abs 3 und 4 des Abkommens neu festzustellen. Art 8 des Übereinkommens zwischen der BRD, Liechtenstein, Österreich und der Schweiz sehe vor, dass bei der Beanspruchung von Leistungen in Fällen des Art 6 (Zusammenrechnung von Versicherungszeiten für den Erwerb eines Pensionsanspruchs nach den österreichischen Rechtsvorschriften) der österreichische Versicherungsträger nach den von ihm anzuwendenden Rechtsvorschriften festzustellen habe, ob unter Zusammenrechnung der Versicherungszeiten ein Anspruch auf Pension bestehe. Sodann sei vom österreichischen Versicherungsträger zunächst der theoretische Betrag der Pension zu berechnen, die zustünde, wären alle Versicherungszeiten nur nach den österreichischen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen. Schließlich sei vom österreichischen Versicherungsträger die geschuldete Teilpension nach dem Verhältnis der österreichischen Versicherungszeiten zur Gesamtdauer der Versicherungszeiten zu berechnen.

Sowohl Art 27 AbkSozSi-Liechtenstein als auch Art 16 Abs 1 des Übereinkommens zwischen der BRD, Liechtenstein, Österreich und der Schweiz sähen eine nachträgliche Verrechnung bei einem Leistungszufluss aus einem weiteren Vertragsstaat vor, wobei bei einem sich ergebenden Differenzbetrag der überzahlte Betrag bis zur Höhe des nachzuzahlenden Betrages als Vorschuss auf die gebührende Leistung aufgerechnet werden könne. Damit werde über das innerstaatliche Recht hinaus die Hereinbringung von Überbezügen ermöglicht, auch wenn den Anspruchsberechtigten an deren Entstehen kein Verschulden treffe.

Auch eine Prüfung unter dem Aspekt der Verordnung (EWG) 1408/71, die im Rahmen ihres persönlichen und sachlichen Geltungsbereiches an die Stelle der zwischen den EWR-Staaten geschlossenen (bi- und multilateralen) Abkommen über Soziale Sicherheit trete, führe zu keinen anderen Ergebnis. Die Verordnung enthalte nämlich keine Bestimmung über die Aufrechnung, sodass deren Zulässigkeit in Österreich nach innerstaatlichem Recht - und damit unter Berücksichtigung der beiden zwischenstaatlichen Abkommen - zu beurteilen sei. Damit greife § 103 Abs 1 Z 3 ASVG ein, wonach gewährte Vorschüsse auf die zu erbringenden Geldleistungen vom Versicherungsträger aufzurechnen seien. Anders als nach § 107 Abs 2 lit a ASVG sei keine "Verspätungssanktion" vorgesehen. Eine allfällige Verletzung von Meldevorschriften sei ohne Belang.

Die ordentliche Revision sei zulässig, da keine ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung zur maßgeblichen Frage vorliege, ob in Ermangelung einer entsprechenden Regelung in der Verordnung (EWG) 1408/71 und in der Durchführungsverordnung (EWG) 574/72 die Vorschuss- und Aufrechnungsregelungen des bis 30. 11. 1998 gültigen AbkSozSi-Liechtenstein vom 26. 9. 1968 und des Übereinkommens zwischen der BRD, Liechtenstein, Österreich und der Schweiz (BGBl 1980/464 idgF) anzuwenden seien oder ob die Abkommen auch im ungeregelt belassenen Bereich von der Verordnung (EWG) 1408/71 verdrängt würden.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Klagsstattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie ist auch berechtigt.

Der Kläger vertritt unter Hinweis auf die EuGH-Entscheidungen vom 7. 2. 1991, C-277/89 ((Rönfeldt)), und vom 9. 11. 1995, C-475/93 ((Thevenon)), den Standpunkt, dass die weitere Anwendung zwischenstaatlicher Sozialversicherungsabkommen nach dem Inkrafttreten der Verordnung (EWG) 1408/71 auf Personen, die bereits vor dem Inkrafttreten der Verordnung als Wanderarbeitnehmer tätig gewesen seien, nur zulässig sei, soweit die Abkommen für den Versicherten günstiger seien; Sachverhalte, die nach dem Inkrafttreten der Verordnung lägen, seien ausschließlich nach der Verordnung zu beurteilen.

Da der liechtensteinische Versicherungsträger dem Kläger eine Rente erst ab 1. 7. 1996 zuerkannt habe, sei die Neuberechnung nach der Verordnung (EWG) 1408/71 zu beurteilen, da das Fürstentum Liechtenstein mit 1. 5. 1995 dem EWR beigetreten sei. Mangels einer Bestimmung in der Verordnung, dass bei Hinzutreten weiterer ausländischer Leistungen bisherige innerstaatliche Leistungen in Höhe der Nachzahlung durch den ausländischen Versicherungsträger als Vorschuss gelten, komme eine Gegenverrechnung und Rückforderung für den Zeitraum 1. 7. 1996 bis 3. 8. 1998 nicht in Frage. Art 45 der Verordnung (EWG) 574/72 sei auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar. Der Zeitraum nach dem 3. 8. 1998 bis zur Erlassung des Bescheides vom 23. 11. 1999 sei wiederum separat zu beurteilen, und zwar ausschließlich nach § 107 Abs 2 lit a ASVG. Für diesen Zeitraum habe die beklagte Partei im Hinblick auf ihre Untätigkeit durch 1 1/4 Jahre das Rückforderungsrecht verwirkt.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof Folgendes erwogen:

Ausgehend vom maßgeblichen Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides vom 23. 11. 1999 (10 ObS 304/97x = SSV-NF 12/2 = ARD 4954/13/98) sind im Verhältnis zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein, in dem das EWR-Abkommen mit 1. Mai 1995 in Kraft getreten ist (FL LGBl 1995/68 vom 28. April 1995; Beschluss Nr 1/95 des EWR-Rates, ABl L 86 vom 20. 4. 1995), die EWG-Verordnungen Nr 1408/71 und 574/72 anzuwenden. Der Kläger hat offenkundig Versicherungszeiten im Fürstentum Liechtenstein vor dem 1. Mai 1995 erworben.

Art 6 der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 bestimmt, dass diese Verordnung im Rahmen ihres persönlichen und sachlichen Geltungsbereiches an die Stelle der bilateralen und multilateralen Abkommen über soziale Sicherheit tritt. Sie sind damit nicht außer Kraft getreten, sondern werden durch die Verordnung nur insofern verdrängt, als sie einerseits EU-(EWR )Bürger betreffen und andererseits nicht unter anderem günstigere Regelungen ausnahmsweise vorgehen bzw vom Gemeinschaftsrecht (überhaupt) nicht geregelte Punkte solcher

Abkommen gleichfalls unberührt bleiben (10 ObS 304/97x = SSV-NF 12/2

= ARD 4954/13/98; RIS-Justiz RS107577; Karl in Pfeil ((Hrsg)),

Soziale Sicherheit in Österreich und Europa [1998], 206 ff mwN; Resch, Nationale Sozialversicherungsabkommen und EG-Verordnungen zur Sozialen Sicherheit, NZS 1996, 603 [604]; Resch, Europäisches Sozialrecht - erste oberstgerichtliche Entscheidungen, RdW 1997, 461 [462]; EuGH 9. 11. 1995, Rs C-475/93 ((Thevenon)), DRdA 1996/32, Resch).

Abkommen und Verordnungen sind demgemäß zueinander in Beziehung zu setzen und somit durchaus auch einer inhaltlichen Prüfung nebeneinander zugänglich.

Wie sich aus dem angefochtenen Bescheid vom 23. 11. 1999 ergibt, beruht die Neufeststellung der Invaliditätspension bereits auf der Verordnung (EWG) Nr 1408/71.

Für Rückforderungsansprüche des "Trägers eines Mitgliedsstaats" betreffend nicht geschuldete Zahlungen kommt Art 111 der (Durchführungs )Verordnung (EWG) 574/72 vom 21. 3. 1972 (abgedruckt auch in Oetker/Preis, EAS, Band Rechtsvorschriften, Abschnitt A 2030) als maßgebliche EWR-rechtliche Norm in Betracht. Wie bereits in der mehrfach zitierten Entscheidung 10 ObS 304/97x = SSV-NF 12/2 = ARD 4954/13/98 dargestellt wurde, wird insoweit, als gemäß Art 111 der VO 574/72 derjenige Träger, der die relevante "Vorleistung" erbracht hat (hier der österreichische), von dem Träger, der aufgrund der späteren Entscheidungen Nachzahlungen zu erbringen hat (hier: Liechtenstein), den Einbehalt des entsprechenden Betrages verlangen kann, nur eine gegenseitige Verpflichtung der Versicherungsträger der Mitgliedsstaaten im Interesse der gegenseitigen Wahrung der Interessen normiert. Wird ein Ersuchen in diesem Sinne gestellt, so ist der nachzahlungspflichtige Träger zum Einbehalt und zur Überweisung an den forderungsberechtigten Träger verpflichtet. Diese Bestimmung betrifft somit nur das Rechtsverhältnis zwischen den Sozialversicherungsträgern zweier Vertragsstaaten; sie lässt aber offen, welche Möglichkeiten dem Versicherungsträger offen stehen, wenn die Nachzahlung nicht einbehalten und an den forderungsberechtigten Sozialversicherungsträger überwiesen, sondern an den Versicherten ausbezahlt wird.

Im nächsten Schritt ist daher zu prüfen, ob entsprechende Regelungen über die Möglichkeit der Rückforderung im zwischenstaatlichen Abkommen mit Liechtenstein vom 26. 9. 1968 und dem "Vierseitigen Übereinkommen" enthalten sind.

Art 27 des bis 30. 11. 1998 in Geltung gestandenen AbkSozSi-Liechtenstein vom 26. September 1968 und Art 16 Abs 1 des noch in Geltung stehenden und auf den Kläger im Hinblick auf seine zumindest dreiseitige Versicherungslaufbahn (Österreich, Schweiz, Liechtenstein) anzuwendenden Vierseitigen Übereinkommens haben folgenden wortgleichen Inhalt:

"Hat ein Träger eines Vertragsstaates einen Vorschuß gezahlt, so kann die auf denselben Zeitraum entfallende Nachzahlung einer entsprechenden Leistung, auf die nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates Anspruch besteht, einbehalten werden. Hat der Träger eines Vertragsstaates für eine Zeit, für die der Träger des anderen Vertragsstaates nachträglich eine entsprechende Leistung zu erbringen hat, eine höhere als die gebührende Leistung gezahlt, so gilt der diese Leistung übersteigende Betrag bis zur Höhe des nachzuzahlenden Betrages als Vorschuß im Sinne des ersten Satzes."

Diese Regelung entspricht dem Art 38 AbkSozSi Italien, zu dem der erkennende Senat bereits ausgesprochen hat (SSV-NF 5/70), dass daraus zwar ein Recht auf Einbehaltung und Aufrechnung abgeleitet werden kann, nicht aber das Recht, nicht gebührende Leistungen zurückzufordern. Dieses Recht ist vom Recht auf Einbehaltung und Aufrechnung verschieden: Sowohl bei der Aufrechnung als auch bei der Einbehaltung einer Nachzahlung geht es nicht um die Pflicht des Empfängers zum Rückersatz einer ihm schon erbrachten Leistung, sondern das Recht des Versicherungsträgers, die Auszahlung einer anderen Leistung zu verweigern.

Wohl legt der zweite Satz des Art 27 AbkSozSi-Liechtenstein bzw des Art 16 Abs 1 des Vierseitigen Übereinkommens durch die Verwendung des Wortes "gezahlt" nahe, dass damit eine materiell nicht gebührende Zahlung an den Versicherten angesprochen ist. Andererseits wird aber auf die Qualifikation als Vorschuss "im Sinne des ersten Satzes" Bezug genommen, der wiederum nur die Möglichkeit des Einbehalts vorsieht, nicht aber eine Aufrechnung auf laufende Leistungen oder eine Rückforderung regelt. Als innerstaatliche Grundlage für eine Aufrechnung von Vorschüssen käme nur § 103 ASVG in Betracht. Diese Bestimmung beschränkt die Möglichkeit der Aufrechnung von Geldleistungen auf Vorschüsse in ihrem Abs 1 Z 3 aber ausdrücklich auf die in §§ 104 Abs 1 letzter Satz und 368 Abs 2 ASVG genannten Vorschüsse. Somit kann auf die in den Abkommen definierten Vorschüsse § 103 ASVG nicht angewendet werden, sondern es können nur die in den Abkommen selbst angeordneten Rechtsfolgen zum Zuge kommen, die jedoch - wie erwähnt - auf den Einbehalt der Nachzahlung beschränkt sind.

Die Rückforderung kann auch nicht auf § 107 ASVG gestützt werden, auf den sich die beklagte Partei im erstinstanzlichen Verfahren gestützt hatte. Das Rückforderungsrecht nach dieser Bestimmung setzt voraus, dass der Zahlungsempfänger den Bezug durch bewusst unwahre Angaben, bewusste Verschweigung maßgebender Tatsachen oder Verletzung der Meldevorschriften (§ 40 ASVG) herbeigeführt hat oder wenn der Zahlungsempfänger erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührt. Das Recht auf Rückforderung wird von § 107 Abs 2 ASVG ausgeschlossen, wenn der Versicherungsträger zum Zeitpunkt, in dem er erkennen musste, dass die Leistung zu Unrecht erbracht worden ist, die für eine bescheidmäßige Feststellung erforderlichen Maßnahmen innerhalb einer angemessenen Frist unterlassen hat (lit a); außerdem verjährt das Rückforderungsrecht binnen drei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem dem Versicherungsträger bekannt geworden ist, dass die Leistung zu Unrecht erbracht worden ist (lit b).

Zutreffend hat das Erstgericht zwischen den Überbezügen bis zur Zustellung der Verfügung der AHV/IV/FAK vom 28. 7. 1998 einerseits und den danach angefallenen Überbezügen differenziert, zumal sich der Ausschluss des Rückforderungsrechts nach § 107 Abs 2 lit a ASVG nicht auf Leistungen bezieht, die vor dem Zeitpunkt erbracht wurden, in dem der Versicherungsträger erkennen musste, dass sie zu Unrecht erbracht wurden (SSV-NF 3/96, 4/139). Wenn die beklagte Partei erst rund 1 1/4 Jahre nach Bekanntwerden der tatsächlichen Gewährung der liechtensteinischen Rentenleistung mit dem angefochtenen Bescheid reagiert hat, kann nicht mehr von der Einhaltung einer angemessenen Frist gesprochen werden (vgl SSV-NF 4/37).

Aber auch für den Zeitraum vor Kenntnis von der Gewährung einer liechtensteinischen Leistung ist eine Verletzung von Meldepflichten, auf die sich die beklagte Partei im erstinstanzlichen Verfahren gestützt hat ("Der Kläger hat es verabsäumt, die zuerkannte Rente der AHV Liechtenstein an die beklagte Partei zu melden."), zu verneinen, da der Kläger praktisch zeitgleich mit der beklagten Partei von der Verfügung der AHV/IV/FAK vom 28. 7. 1998 mit dem Hinweis verständigt wurde, dass auch die beklagte Partei eine Kopie erhält. Er konnte berechtigterweise davon ausgehen, dass der beklagten Partei diese Verfügung auch tatsächlich bekannt wird, so wie es nach den Feststellungen auch geschehen ist; auch von der Antragstellung auf Gewährung einer liechtensteinischen Leistung wurde die beklagte Partei nach den Feststellungen in Kenntnis setzt.

Mangels Meldepflichtverletzung besteht kein Rückforderungsrecht der beklagten Partei, weshalb das Ersturteil wiederherzustellen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Der Einheitssatz gebührt in einem Ausmaß von 60 %.

Rechtssätze
7