JudikaturJustiz10ObS109/13x

10ObS109/13x – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. September 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Walter Lichal, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. April 2013, GZ 10 Rs 216/12a 51, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 15. Mai 2012, GZ 24 Cgs 22/11t 40, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 186,84 EUR (darin enthalten 31,14 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 2. 12. 2010 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 11. 10. 2010 auf Zuerkennung der Invaliditätspension ab.

Mit der dagegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin, die beklagte Partei zur Leistung einer Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 11. 2010 zu verpflichten.

Soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich wendete die beklagte Partei ein, die Klägerin erfülle die allgemeine Anspruchsvoraussetzung der Wartezeit iSd § 236 Abs 4 Z 1 lit a ASVG nicht, weil die von ihr erworbenen 20 Monate der Pflichtversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 2 lit b ASVG nicht Beitragsmonate iSd § 236 Abs 4 Z 1 lit a ASVG seien.

Das Erstgericht erkannte der Klägerin die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß für den Zeitraum 1. 11. 2010 bis 31. 5. 2011 zu und wies das Mehrbegehren auf Gewährung der Invaliditätspension über den 31. 5. 2011 hinaus ab. Weiters verpflichtete es die beklagte Partei für den Gewährungszeitraum zu einer vorläufigen Zahlung in der Höhe von 500 EUR monatlich.

Das Erstgericht legte seiner Entscheidung zusammengefasst folgende Feststellungen zu Grunde:

„Die am 23. 4. 1955 geborene Klägerin hat zum Stichtag 1. 11. 2010 insgesamt 274 Versicherungsmonate erworben, davon 160 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit, 94 Monate einer Ersatzzeit und 20 Monate der Pflichtversicherung in der Teilversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit b ASVG infolge Bezugs von Arbeitslosengeld oder infolge des Fehlens eines Anspruchs auf Notstandshilfe mangels Notlage gemäß § 34 Abs 1 AlVG. Sie hat den Lehrberuf Damenkleidermacherin erlernt, diesen Beruf aber in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag 1. 11. 2010 nicht ausgeübt. Im Zeitraum vom 1. 11. 2010 bis 31. 5. 2011 war sie arbeitsunfähig; ab dem 1. 6. 2011 ist sie in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen oder Stehen (mit im Einzelnen festgestellten weiteren Einschränkungen) zu verrichten. Mit diesem Leistungskalkül kann sie den Beruf einer Buchbinderhelferin oder einer Tagportierin ausüben.“

Rechtlich führte das Erstgericht zusammengefasst aus, die Klägerin habe die für die Invalditätspension erforderliche Wartezeit nach § 236 Abs 4 Z 1 lit a ASVG (die sogenannte „ewige Anwartschaft“ bei Vorliegen von 180 Beitragsmonaten) erfüllt. Die von ihr zum Stichtag 1. 11. 2010 erworbenen 20 Monate der Pflichtversicherung in der Teilversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit b ASVG seien als Beitragsmonate iSd § 236 Abs 4 Z 1 lit a ASVG zu werten. Es könne keinen Unterschied machen, ob die Beiträge vom Versicherten bzw dessen Dienstgeber aufgrund von Erwerbstätigkeit oder von den in § 52 Abs 4 ASVG genannten Stellen (insbesondere vom Arbeitsmarktservice) getragen werden. Der Versichertengemeinschaft kämen die gemäß § 52 Abs 4 ASVG getragenen Beiträge zur Deckung ihres Finanzierungsbedarfs gleichermaßen zu wie die aufgrund einer Pflichtversicherung nach § 4 ASVG oder aufgrund einer freiwilligen Versicherung geleisteten Beiträge. Der Gesetzgeber des PensionsharmonisierungsG habe mit der Neufassung des § 232 Abs 1 ASVG keineswegs eine abschließende, für den gesamten Bereich des ASVG geltende Definition der „Beitragszeiten“ bzw „Beitragsmonate“ vorgenommen. Die in § 232 Abs 1 ASVG enthaltene Terminologie werde dem Regelungsgedanken des § 236 Abs 4 Z 1 lit a ASVG nicht gerecht, weshalb eine korrigierende Auslegung in dem Sinn angezeigt sei, dass auch die „neuen“ Pflichtversicherungszeiten nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG zur Erfüllung der Wartezeit beitragen.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagestattgebenden Teil der erstinstanzlichen Entscheidung gerichteten Berufung der beklagten Partei Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision aufgrund Vorliegens einer Rechtsfrage von einer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung zulässig sei. Rechtlich ging es davon aus, dass die zum Stichtag festgestellten 20 Monate einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit b ASVG nicht als Beitragsmonate für die Erfüllung der Wartezeit nach § 236 Abs 4 Z 1 lit a ASVG zu werten seien. § 236 ASVG regle die Wartezeit für Leistungen der gesetzlichen Pensionsversicherung. Die Wartezeit solle als sekundäre Leistungsvoraussetzung sicherstellen, dass nur solche Leistungswerber in den Genuss von Leistungen kommen, die der Versichertengemeinschaft schon eine bestimmte Zeit angehören und durch ihre Beiträge zur Finanzierung der Leistungsverpflichtung dieser Gemeinschaft bereits beigetragen haben. Gemäß § 236 Abs 4 Z 1 lit a ASVG sei die „ewige Anwartschaft“ erfüllt, wenn bis zum Stichtag 180 Beitragsmonate vorliegen. Zeiten des Bezugs einer Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung (aus der Zeit nach dem 31. 12. 1995 bis zum 1. 1. 2005) seien gemäß § 227 Abs 1 Z 5 ASVG Ersatzzeiten. Soweit die Leistungen ab dem 1. 1. 2005 bezogen worden seien, stellen diese Zeiten für ab 1. 1. 1955 geborene Versicherte Zeiten einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG (iSd § 3 Abs 1 Z 2 APG) dar. Deutlich werde diese Differenzierung insbesondere in den Bestimmungen der § 231 Z 1 lit b, § 232 Abs 1 und § 233 Abs 2 ASVG. Die wörtliche, systematische und teleologische Interpretation der maßgeblichen Gesetzesstellen zeige deutlich, dass Zeiten des Bezugs einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung bis zum 31. 12. 2004 für die Erfüllung der Wartezeit als Ersatzmonate, ab dem 1. 1. 2005 (für die nach dem 1. 1. 1955 geborenen Versicherten) jedoch als Monate einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG (iSd § 3 Abs 1 Z 2 APG sowie des § 232 Abs 1 ASVG) gelten, nicht aber als Beitragsmonate iSd § 236 Abs 4 Z 1 lit a ASVG. Der Oberste Gerichtshof habe wenngleich unter Bezugnahme auf § 255 Abs 2 ASVG bzw § 255 Abs 7 ASVG bereits ausgeführt, dass eine Behandlung der Zeiten einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG als „Beitragsmonate“ zu einer sachlich nicht rechtfertigbaren Ungleichbehandlung jener Versicherten führen würde, für die aufgrund des Geburtsdatums vor dem 1. 1. 1955 § 227 ASVG weiterhin Anwendung finde (mit der dort eindeutigen Qualifikation von Zeiten eines Arbeitslosengeldbezugs als bloße Ersatzzeiten). Diese Schlussfolgerung gelte genauso für die hier vorzunehmende Beurteilung dieser Zeiten im Hinblick auf die Erfüllung der Wartezeit nach § 236 Abs 4 Z 1 lit a ASVG.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, weil zu der Frage, ob Zeiten nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG als Beitragsmonate iSd § 236 Abs 4 Z 1 lit a ASVG gelten, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung besteht.

Die Revisionswerberin bringt zusammengefasst vor, aus dem Zweck des die Wartezeit regelnden § 236 ASVG folge, dass sämtliche Versicherungszeiten heranzuziehen seien, in welchen der Versichertengemeinschaft Beiträge geleistet worden seien. Dies sei auch bei den nach dem 1. 1. 2005 erfolgten aus der Arbeitslosenversicherung geleisteten Beiträgen unzweifelhaft der Fall.

Rechtliche Beurteilung

Dazu ist auszuführen:

1. Sowohl das Entstehen eines Anspruchs als auch dessen Höhe hängt von den Versicherungszeiten ab. Vor dem Inkrafttreten des Allgemeinen Pensionsgesetzes (APG) am 1. 1. 2005 wurden unter dem Oberbegriff „Versicherungszeiten“ sowohl Beitragszeiten verstanden (§§ 225, 226, 251 Abs 4 ASVG) als auch Ersatzzeiten, in denen keine Erwerbstätigkeit vorlag (§ 224 ASVG; Tomandl , Grundriss des Österreichischen Sozialrechts 6 Rz 131). Bei Ersatzzeiten handelt es sich um Zeiten, die, ohne dass für sie ein Beitrag entrichtet wurde, als leistungswirksam berücksichtigt werden. Es sind in der Regel Zeiten, während derer der Versicherte aus verschiedenen vom Gesetzgeber als berücksichtigungswürdig anerkannten Gründen nicht in der Lage war, Beiträge zu entrichten (RIS-Justiz RS0084574) .

2.1. Durch das Pensionsharmonisierungsgesetz (BGBl I 2004/142) wurde das APG erlassen und unter anderem das ASVG novelliert. Das APG, mit dem das Pensionskonto eingeführt wurde, enthält in Hinsicht auf die Versicherungszeiten eine wesentliche Änderung. Da es in einem Pensionskonto keine Ersatzzeiten gibt, werden die bisher als solche anerkannten Zeiten bei der Berechnung der Pension künftig wie Beitragszeiten mit einer Beitragsgrundlage behandelt. Entsprechend dem Grundsatz der Beitragswahrheit müssen für sie Beiträge entrichtet werden. Diese Beiträge sind aber nicht von der versicherten Person, sondern vom Bund, vom Arbeitsmarktservice oder von einem öffentlichen Fonds zu leisten (§ 3 Abs 1 Z 2 APG; 653 BlgNR 22. GP 16). Ein Vorteil des neuen Systems besteht darin, dass die Finanzierungslast nicht mehr wie bei den Ersatzzeiten auf eine künftige Generation übertragen wird ( Pinggera/Pöltner/Stefanits , Das neue Pensionsrecht, Rz 128, 132).

2.2. Die früheren Ersatzzeiten wurden ab 1. 1. 2005 durch entsprechende Teilpflichtversicherungen in der Pensionsversicherung abgelöst (§ 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG; 10 ObS 145/10m, SSV-NF 24/72). Die Zeiten, die zu einer Teilversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG führen, sind als Zeiten der Pflichtversicherung gemäß § 225 ASVG Beitragszeiten (10 ObS 139/09b; Brodil/Windisch-Graetz , Sozialrecht in Grundzügen 6 120). Personen, die wie die Klägerin nach dem 1. 1. 1955 geboren sind, können nach der seit 1. 1. 2005 geltenden Rechtslage demnach keine Ersatzzeiten mehr erwerben (10 ObS 162/09k, SSV-NF 23/77; Brodil/Windisch-Graetz , Sozialrecht in Grundzügen 6 , 120).

2.3. Auf Personen, die vor dem 1. 1. 1955 geboren sind, sind die Regelungen über die Ersatzzeit (§§ 227 und 227a ASVG in der jeweils geltenden Fassung) aber nach wie vor anzuwenden (§ 617 Abs 3 ASVG).

2.4. Seit der Pensionsreform 2003 werden aus systematischen Gründen Zeiten einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung, die aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben wurden (§ 3 Abs 1 Z 1 APG), Zeiten einer Teilversicherung in der Pensionsversicherung, für die der Bund, das Arbeitsmarktservice oder ein öffentlicher Fonds Beiträge zu zahlen hat (§ 3 Abs 1 Z 2 APG), und Zeiten einer freiwilligen Versicherung in der Pensionsversicherung (§ 3 Abs 1 Z 3 APG) unterschieden (10 ObS 162/09k, SSV NF 23/77). Es ist eine „neue Dreiteilung“ der Versicherungszeiten bzw Beitragszeiten vorzunehmen ( Pinggera/Pöltner/Stefanits , Das neue Pensionsrecht, Rz 128). Heckenast geht von der Schaffung einer den Ersatzzeiten gleichwertigen neuen Kategorie von Versicherungszeiten aus ( Heckenast , Über die Entstehung einer neuen Kategorie von Versicherungsmonaten, SozSi 2010, 286 [288]).

3.1. § 232 Abs 1 ASVG, der die Zuordnung zur Art des Versicherungsmonats bei Vorliegen verschiedener Versicherungszeiten innerhalb eines Monats regelt, unterscheidet Beitragszeiten der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit und Monate einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG. Nach der Rechtsprechung folgt aus § 232 Abs 1 ASVG, dass der Gesetzgeber in Bezug auf die Feststellung der Leistungen aus der Pensionsversicherung Zeiten einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG nicht als Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit behandelt, auch wenn sie gemäß § 225 Abs 1 Z 1 ASVG Beitragszeiten sind (RIS-Justiz RS0125347; Brodil/Windisch Graetz , Sozialrecht in Grundzügen 6 120). Es wurde auch schon ausgesprochen, dass Zeiten, die vor dem 1. 1. 2005 Ersatzzeiten waren, durch die Umstellung des Pensionsrechts mit dem APG zu „besonderen“ Beitragszeiten mutiert seien, die nicht mit einer aktuellen Erwerbstätigkeit zusammenhängen (10 ObS 145/10m, SSV-NF 24/72; kritisch Heckenast , Über die Entstehung einer neuen Kategorie von Versicherungsmonaten, SozSi 2010, 286 [289]; ZAS 2011/182 [185]).

3.2. In den jeweils den Berufsschutz nach § 255 Abs 2 ASVG (idF vor dem BudgetbegleitG 2011) betreffenden Entscheidungen 10 ObS 139/09b und 10 ObS 162/09k wurde aus § 232 Abs 1 ASVG sowie aus dem Umstand, dass in diesen Zeiten ebenso wie in den Ersatzzeiten, die sie ablösten, eine „Berufstätigkeit“ nicht ausgeübt wurde, abgeleitet, dass unter „Beitragsmonaten“ iSd § 255 Abs 2 ASVG (idF vor dem BudgetbegleitG 2011) nicht Zeiten nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG zu verstehen sind. Würde dies anders gesehen werden, bestünde ein sachlich nicht rechtfertigbarer Unterschied zu jenen (vor dem 1. 1. 1955 geborenen) Versicherten, für die weiterhin die Ersatzzeitenregelung des § 227 ASVG Anwendung finde (RIS-Justiz RS0125347; idS auch Heckenast aaO in SozSi 2010, 290).

3.3. Die Entscheidung 10 ObS 145/10m, SSV NF 24/72 erging zu § 255 Abs 7 ASVG. Nach dieser Regelung gilt als invalid auch der Versicherte, der schon bei Eintritt in das Erwerbsleben außer Stande war, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, aber trotz seiner Beeinträchtigung mindestens 120 „Beitragsmonate der Pflichtversicherung nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz“ erworben hat. Unter Hinweis auf den Gesetzeszweck (der Bevorzugung von Personen, die trotz ihrer Beeinträchtigung am Erwerbsleben teilgenommen haben) wurde ausgeführt, dass bei Ermittlung der für einen Anspruch nach § 255 Abs 7 ASVG erforderlichen Beitragsmonate Zeiten, die früher als Ersatzzeiten qualifiziert wurden und seit dem Inkrafttreten des APG der Teilversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG unterliegen, nicht zu berücksichtigen sind (RIS-Justiz RS0126271). Historisch betrachtet könne die Bezugnahme auf das ASVG nicht Zeiten betreffen, die im Jahr 2004 Ersatzzeiten waren und erst durch die Umstellung des Pensionsrechts mit dem APG zu „besonderen“ Beitragszeiten mutiert seien, die nicht mit einer aktuellen Erwerbstätigkeit zusammenhängen.

4. Für den vorliegenden Fall ergibt sich:

4.1. § 236 Abs 4 ASVG, der auch nach dem Inkrafttreten des APG weiterhin maßgeblich ist (RIS-Justiz RS0125346), regelt die Wartezeit bei Vorliegen einer bestimmten Anzahl von Versicherungsmonaten unabhängig von deren zeitlichen Lagerung (sogenannte „ewige Anwartschaft“). Gemäß § 236 Abs 4 Z 1 ASVG ist die „ewige Anwartschaft“ erfüllt, wenn bis zum Stichtag

a) mindestens 180 Beitragsmonate, ausgenommen Zeiten einer Selbstversicherung gemäß § 16a, soweit sie zwölf Versicherungsmonate überschreiten, oder

b) ... erworben worden sind.

4.2. Die Wartezeit als sekundäre Leistungsvoraussetzung soll sicherstellen, dass nur solche Leistungsbezieher in den Genuss von Leistungen kommen, die der Versichertengemeinschaft bereits eine bestimmte Zeit angehören und durch ihre Beiträge zur Finanzierung der Leistungsverpflichtungen dieser Gemeinschaft beigetragen haben (RIS-Justiz RS0106536; RS0084485). Dagegen bestehen auch keine verfassungsmäßigen Bedenken (RIS Justiz RS0056550).

4.3. Dem Rechtsstandpunkt der Revisionswerberin, aus dem in § 236 Abs 4 Z 1 lit a ASVG verwendeten Begriff „Beitragsmonat“ ergebe sich, dass darunter sämtliche Versicherungszeiten zu verstehen seien, in welchen der Versichertengemeinschaft Beiträge (nach dem 1. 1. 2005 auch durch den Bund, das Arbeitsmarktservice oder einen öffentlichen Fonds) geleistet wurden, ist nicht zu folgen. Wie bereits das Berufungsgericht erkannt hat, findet dies seine Begründung vor allem darin, dass andernfalls eine sachlich nicht rechtfertigbare Differenzierung zu den vor dem 1. 1. 1955 geborenen Versicherten bestünde, für die weiterhin gemäß § 617 Abs 3 ASVG die Ersatzzeitenregelung der §§ 227, 227a ASVG Anwendung findet und die daher auch nach dem 1. 1. 2005 nur Ersatzmonate, aber keine Beitragsmonate iSd § 236 ASVG erwerben können (siehe auch Heckenast, ZAS 2011, 182 [186, FN 11]). Diese Versicherten wären allein aufgrund ihres Geburtsdatums vor dem 1. 1. 1955 gegenüber den nach diesem Datum geborenen Versicherten erheblich benachteiligt. Eine derartige, sachlich nicht begründbare Ungleichbehandlung aufgrund des Alters kann dem Gesetzgeber aber nicht zugesonnen werden. Vielmehr muss die Absicht des Gesetzgebers gefolgert werden, dass Zeiten der neuen Teilversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG in der Pensionsversicherung leistungsrechtlich nicht die Wirkung von Beitragsmonaten iSd § 236 Abs 4 Z 1 ASVG haben sollen. Zeiten, die vor dem Inkrafttreten des APG als Ersatzzeiten qualifiziert wurden und seither der Teilversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG unterliegen, sind demnach für die Erfüllung der Wartezeit nach § 236 Abs 4 Z 1 ASVG nicht zu berücksichtigen.

5. Die von der Klägerin erworbenen 20 Monate der Pflichtversicherung in der Teilversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit b ASVG infolge des Bezugs von Arbeitslosengeld und Krankengeld bzw infolge des Fehlens eines Anspruchs auf Notstandshilfe mangels Notlage gemäß § 34 Abs 1 AlVG können demnach für die Erfüllung der Wartezeit nach § 236 Abs 4 Z 1 lit a ASVG nicht herangezogen werden; die Wartezeit ist nicht erfüllt.

Die Revision ist somit nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Die strittige Rechtsfrage ist komplex und geht in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinaus. Dass die Vermögensverhältnisse der Klägerin einen Kostenersatz nahe legen, ergibt sich aus der aktenkundigen angespannten Vermögenslage der Klägerin. Es waren ihr daher aus Billigkeitsgründen die halben Kosten ihrer Revision zuzusprechen. Der Umstand, dass die Klägerin Verfahrenshilfe genießt, ändert nichts an der Kostenersatzpflicht der beklagten Partei nach Billigkeit (RIS Justiz RS0126140).

Rechtssätze
9