JudikaturJustiz10Ob55/16k

10Ob55/16k – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. September 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und durch den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Viehböck Breiter Schenk Nau Rechtsanwälte OG in Mödling, gegen die beklagte Partei J*****, vertreten durch Posch, Schausberger Lutz Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen 30.426,70 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. Mai 2016, GZ 3 R 55/16b 44, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Entgegen der Behauptung des Revisionswerbers ist das Berufungsgericht nicht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertG abgewichen.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung liegen einen Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertG rechtfertigende, das Vertragsverhältnis überdauernde (RIS-Justiz RS0109283, RS0117925) Vorteile durch vom Handelsverteter zugeführte Neukunden, die zu einer Wertsteigerung des Unternehmens führen (RIS-Justiz RS0062649) dann nicht vor, wenn der Geschäftsherr zum Zeitpunkt der Beendigung des Handelsvertetervertrags (9 Ob 32/11p) gar keine vernünftige Möglichkeit mehr hatte (RIS-Justiz RS0122237), diese auch nur potentiell (RIS-Justiz RS0112456) zu nutzen.

2.1 Zur Frage des Fortwirkens der durch zugeführte Neukunden entstandenen Vorteile im Fall der Veräußerung des Unternehmens hat der Oberste Gerichtshof bereits Stellung genommen. Auch wenn der Wert des Kundenstocks nicht ausdrücklich zur Grundlage der Bemessung des Kaufpreises gemacht worden ist, streitet eine tatsächliche Vermutung dafür, dass dieser wertbildend Berücksichtigung gefunden hat. Dem Geschäftsherrn steht jedoch der Gegenbeweis offen (RIS-Justiz RS0106003). Er kann die Vermutung durch den Beweis entkräften, doch keine Vorteile aus dem Neukundenstamm im Zusammenhang mit dem Verkauf gezogen zu haben, weil der Erwerber etwa auf diesen Kundenstamm keinen Wert legte und dieser daher auch nicht in die Bemessung des Kaufpreises einfloss, weil der Erwerber nur an den Betriebsmitteln interessiert ist (9 Ob 21/13y; 8 ObA 9/15d). Dass die Kunden nicht mitübertragen wurden (vgl Nocker , HVertG² § 24 Rz 576), fordert die Rechtsprechung nicht. Dass der Erwerber nur an den Betriebsmitteln interessiert war, ist nach den zuletzt genannten Entscheidungen nur ein Beispiel für einen gelungenen Gegenbeweis.

2.2 Unzutreffend behauptet der Revisionswerber, die Beklagte habe nicht vorgebracht, sie habe keine Vorteile aus dem Kundenstamm ziehen können. Sie brachte vor, die Käuferin habe eine eigene Vertriebsstruktur samt Kundenstamm gehabt, der Kundenstamm und die Neukunden seien nicht wertbildend gewesen, der österreichische Kundenstamm (den der Kläger zugeführt habe) habe eine absolut untergeordnete Rolle gespielt. Dass die Vorinstanzen dieses Vorbringen für ausreichend hielten, ist im zu beurteilenden Einzelfall jedenfalls vertretbar (vgl RIS-Justiz RS0042828).

2.3 Nach den Feststellungen ist der Beklagten der Gegenbeweis im maßgeblichen Umfang (nämlich die vom Kläger der Beklagten zugeführten Kunden betreffend) gelungen. Die Erwerberin des Unternehmens der Beklagten hatte an den Österreichkunden kein Interesse, weil sich dieser Kundenkreis mit ihren eigenen Kunden zum überwiegenden Teil überschnitt. Der von der Beklagten mit ihren Österreichkunden erzielte Umsatz war für die Käuferin bei der Festsetzung des Kaufpreises ohne Bedeutung. Ihre Hauptinteressen hatte sie an der Marke und an – als einzige des verkauften Kundenstamms – drei Großkunden bzw Kundengruppen in Deutschland, der Schweiz und in Skandinavien. Selbst wenn die Beklagte in Österreich keine Kunden gehabt hätte, hätte sich dies nicht auf den Kaufpreis ausgewirkt.

3. Dass der Kaufpreis auch eine Umsatzbeteiligung enthielt, ist nicht entscheidungsrelevant, weil für den Gesamtkaufpreis die Österreichkunden keine Rolle spielten.

4. Entgegen der Behauptung des Revisionswerbers hat das Berufungsgericht, die Neuheit der Kunden für die Käuferin nicht zur Voraussetzung eines Ausgleichsanspruchs gemacht. Es hat vielmehr in Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung die Fortwirkung des Vorteils für die Beklagte dahin geprüft, ob die Kunden für den Erwerber von Interesse waren und Einfluss auf die Bildung des Kaufpreises hatten. Die Ausführungen des Revisionswerbers zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Marchon (C 315/14; ECLI:EU:C:2016:211) und zur Richtlinie 86/653/EWG vermögen schon deshalb keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

5. Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat sich ausreichend mit der Beweisrüge auseinandergesetzt. Der Revisionswerber bekämpft mit seinen Ausführungen in Wirklichkeit die nicht revisible Beweiswürdigung der Vorinstanzen.

Rechtssätze
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