JudikaturBVwG

I422 2315841-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
24. Oktober 2025

Spruch

I422 2315841-1/8E

I422 2315843-1/7E

I422 2315842-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , der XXXX , geb. XXXX und der minderjährigen XXXX , geb. XXXX , die Minderjährige vertreten durch ihre Mutter XXXX , alle sudanesische Staatsangehörige und vertreten durch die „BBU GmbH“, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, jeweils vom 04.06.2025, Zl. XXXX , XXXX und XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.09.2025 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben. XXXX , XXXX und XXXX wird gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Sudan zuerkannt. Ihnen wird gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von einem Jahr erteilt.

III. Die Spruchpunkte III. bis VI. der angefochtenen Bescheide werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Ein sudanesischer Staatsangehöriger (im Folgenden Erstbeschwerdeführer), seine Ehefrau (Zweitbeschwerdeführerin) und ihre minderjährige Tochter (Drittbeschwerdeführerin) stellten am 02.05.2024 einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen damit begründeten, dass im Sudan Bürgerkrieg herrsche und der Erstbeschwerdeführer gegen die derzeitige Regierung gewesen sei. Er sei mehrmals festgenommen worden. Sein Eigentum sei ihm ohne Angabe von Gründen – wahrscheinlich, weil er gegen die Regierung gewesen sei – weggenommen worden. Im Sudan wie auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten sei der Erstbeschwerdeführer mit dem Tod bedroht worden. Er habe Angst um sein Leben und das Leben seiner Familie.

Am 07.10.2024 folgte die niederschriftliche Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden belangte Behörde / BFA).

Mit gegenständlichen Bescheiden der belangten Behörde vom 04.06.2025 wurde der Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Sudan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Sudan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für eine freiwillige Ausreise mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Gegen die Beschwerde wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 04.07.2025 vollumfänglich Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 11.07.2025 zur Entscheidung vorgelegt.

Am 24.09.2025 wurde unter Anwesenheit der Beschwerdeführer und ihrer Rechtsvertretung eine mündliche Beschwerdeverhandlung abgehalten und die Rechtssache erörtert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind sudanesische Staatsangehörige, Angehörige der Volksgruppe der Araber und bekennen sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind seit 2019 verheiratet und Eltern der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin. Die Identitäten der Beschwerdeführer stehen fest.

Die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen sind gesund.

Der Erstbeschwerdeführer leidet an Diabetes. Hinsichtlich der Behandlung wurde eine Medikation mit Metformin Hydrochlorid Glucophage 500mg empfohlen. Zudem zeigt der Erstbeschwerdeführer ausgeprägte Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung und ist eine rezidivierende depressive Störung zu beobachten.

Der Erstbeschwerdeführer stammt aus Bahri, einer Stadt im sudanesischen Bundesstaat Khartum. Dort besuchte er zwölf Jahre lang die Grundschule und absolvierte anschließend ein Medizinstudium. Nach seinem Studium sammelte er einige Jahre Berufserfahrung als Arzt, bevor er im Jahr 2008 eine Baufirma im Sudan eröffnete. Anschließend gründete er ein Unternehmen, das im Bereich der Infrastruktur tätig war und Traktoren sowie andere Schwerlastgeräte verkaufte. Im Jahr 2010 eröffnete er in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine Import-/Exportfirma, 2014 einen Veranstaltungssaal im Sudan und 2018 eine Produktionsstätte für Tiernahrung in Dubai. Seit der Firmengründung im Jahr 2010 pendelte der Erstbeschwerdeführer regelmäßig in die Vereinigten Arabischen Emirate. Im Jahr 2018 verlegte er seinen Hauptwohnsitz schließlich dorthin.

Die Zweitbeschwerdeführerin stammt – wie auch der Erstbeschwerdeführer – aus Bahri, wo sie für zwölf Jahre die Grundschule absolvierte. Im Anschluss schloss sie das Studium der Zahnmedizin ab und arbeitete als Zahntechnikerin. Im Oktober 2018 zog die Zweitbeschwerdeführerin in die Vereinigten Arabischen Emirate, wo sie ihren Mann heiratete.

Die Beschwerdeführer reisten am 12.04.2024 mit einem aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kommenden Flug mit einem von der Österreichischen Botschaft Abu Dhabi ausgestellten Schengen-Visum C in das Bundesgebiet ein und stellten am 02.05.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Zwei Brüder und eine Schwester des Erstbeschwerdeführers leben in Ägypten. Während der Erstbeschwerdeführer in Österreich außerhalb seines Familienverbundes über keine maßgeblichen familiären Anknüpfungspunkte verfügt, leben die Mutter, vier Schwestern und ein Bruder der Zweitbeschwerdeführerin in Österreich. Zu den Verwandten besteht jedoch weder ein finanzielles oder anderweitig geartetes Abhängigkeitsverhältnis noch ein Naheverhältnis von maßgeblicher Intensität. Ein weiterer Bruder der Zweitbeschwerdeführerin ist im Sudan aufhältig.

Der Erstbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin haben Deutschkurse besucht, bislang jedoch keine Deutschprüfung absolviert. Sie gehen seit ihrem Aufenthalt im Bundesgebiet keiner angemeldeten Erwerbstätigkeit nach. Die Drittbeschwerdeführerin besucht den Kindergarten.

Der Erstbeschwerdeführer nahm im September 2025 an einem zweitägigen Workshop der Ärztekammer XXXX teil.

Die Beschwerdeführer weisen keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in gesellschaftlicher Hinsicht auf. Sie sind weder Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation, noch verfügen sie in Österreich über einen nachhaltigen Freundeskreis.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten, die Drittbeschwerdeführerin ist strafunmündig.

1.2. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:

Der Erstbeschwerdeführer unterliegt im Sudan weder einer staatlichen Verfolgung aufgrund seiner politischen Gesinnung noch aufgrund seiner Tätigkeit für den Berufsverband „Sudanese Professional Association“ (SPA).

Die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen schließen sich den Fluchtgründen des Erstbeschwerdeführers an.

1.3. Zur Lage im Sudan:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung am 02.02.2024) wiedergegeben:

Politische Lage

Nach monatelangen Volksaufständen in allen Bundesstaaten endete im Sudan 2019 das autoritär- islamistische Regime, das 30 Jahre die Geschicke des Landes lenkte. Die Aufstände, die zunächst aufgrund eines dramatischen Anstiegs der Lebensmittelpreise ausbrachen, spitzten sich schnell zu und forderten den Sturz von Präsident Omar al-Baschir (BS 23.2.2022; vgl. AA 1.6.2022). Die Lage dieser bis dahin friedlichen Proteste für wirtschaftliche sowie politische Reformen eskalierte bei der gewaltsamen Auflösung einer Sitzblockade vor dem Armee-Hauptquartier am 3.6.2019 - Berichten zufolge starben dabei über Hundert Demonstrierende. Die anschließende Revolution führte in der Folge zur Entmachtung des Langzeit-Diktators al-Baschir im April 2019 (AA 1.6.2022). Nach dem Umsturz übernahm für kurze Zeit der sog. militärischer Übergangsrat (Transitional Military Council -TMC) die Macht (UKHO 6.2023), Verhandlungen zwischen dem TMC und dem Oppositionsbündnis „Kräfte für Freiheit und Wandel“ (Forces for Freedom and Change - FFC) führten aber dennoch zu einer zivil-geführten Übergangsregierung (AA 1.6.2022; vgl. BS 23.2.2022, UKHO 6.2023).

Zwei Abkommen - die „Political Declaration“ und die „Constitutional Declaration“ - dienen als Basis für die Übergangsphase und den Machttransfer auf die zivil-geführte Regierung (AA 1.6.2022). Die „Constitutional Declaration“ erschuf Institutionen der Exekutive, Legislative und Judikative, die den Sudan in der Übergangszeit regieren sollen (BS 23.2.2022). An der Spitze dieser Organe steht der Souveränitätsrat (Sovereignty Council - SC), bestehend aus fünf Militärs und sechs Zivilisten (BS 23.2.2022; vgl. AA 1.6.2022). Der TMC-Vorsitzende, General Abdel Fattah Burhan, übernahm als Vorsitzender des SC das Amt des Staatsoberhaupts. Zum Premierminister wurde Abdalla Hamdok ernannt, der mitsamt einer technokratischen Übergangsregierung die Regierungsgeschäfte Anfang September 2019 übernahm (AA 1.6.2022). Deklariertes Ziel der Übergangsregierung, die maximal drei Jahre im Amt bleiben sollte, war eine Wende des Sudan durch am Ende der Übergangsphase angesetzte Wahlen zur Demokratie (BS 23.2.2022).

Unter al-Baschir waren Präsidentschaftswahlen wie auch die zur Nationalversammlung alle fünf Jahre vorgesehen. Im Rahmen der 2019 unterzeichneten Abkommen waren Wahlen für 2022 vorgesehen, aber durch die Unterzeichnung des Friedensabkommens von Juba (Dschuba) im Oktober 2020 und eine Änderung des Verfassungsrahmens wurden sie um 39 Monate ab Unterzeichnung verschoben, wodurch sich die geplanten Wahlen auf Anfang 2024 verschoben (USDOS 20.3.2023). Das Friedensabkommen von Juba wurde von der sudanesischen Übergangsregierung mit drei bewaffneten Darfur-Gruppen, vertreten durch die sog. Revolutionäre Front (Revolutionary Front - RF), geschlossen, um den seit Jahren schwelenden Konflikt in Darfur zu beenden. Das Abkommen garantiert den Anführern der Gruppen einen Sitz im SC und den Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile Autonomie. Überdies soll die RF in die nationale Armee integriert werden. Zwei größere bewaffnete Gruppierungen - das Sudan Liberation Movement/Army (SLM/A) sowie die Sudan People's Liberation Army (SPLA-North) sind dem Abkommen allerdings nicht beigetreten (BS 23.2.2022).

Im Herbst 2021 eskalierten die politischen Spannungen; die Wirtschafts- und Versorgungskrise verschärfte sich, befeuert durch u. a. die Blockade des Seehafens in Port Sudan durch Angehörige der Beja. Am 25.10.2021 putschte das Militär um General Burhan und dessen Stellvertreter General Mohamed Hamdan Dagalo alias Hemeti, unterstützt durch weitere Verbündete, die Übergangsregierung (AA 1.6.2022). Nicht nur Premierminister Hamdok wurde seines Amtes enthoben und unter Arrest gestellt, sondern auch mehrere hochrangige Beamte verhaftet, das Kabinett entlassen und der Ausnahmezustand verhängt (USDOS 20.3.2023). Kurz darauf wurde der SC aufgelöst und durch einen neuen Rat ersetzt, dessen Mitglieder ausschließlich aus den Reihen der sudanesischen Streitkräfte (Sudanese Armed Forces - SAF) bzw. der paramilitärischen „Rapid Support Forces“ (RSF) stammten. Der Rat wandelte sich von einer Einheitsregierung zu einer Militärjunta (HBS 17.7.2023).

Der für viele Beobachter und Bürger überraschende Staatsstreich löste über Monate Großdemonstrationen in allen Teilen des Landes aus (AA 6.1.2022; vgl. EUAA 11.8.2023, USDOS 20.3.2023). Die neuen Machthaber reagierten mit der wochenlangen Abschaltung der Internet- und Telefonverbindungen, und Polizei wie Sicherheitskräfte gingen mit Härte gegen die Protestierenden vor (AA 6.1.2022; vgl. FH 2023). Im Oktober 2022 unterzeichneten mehr als 50 sudanesische pro-demokratische Widerstandskomitees einen Verfassungsentwurf, welcher eine dezentrale Zivilregierung, den Rücktritt der Militärregierung, die Abschaffung der Verfassungserklärung („Constitutional Declaration“) von 2019 und die Einsetzung einer neuen Übergangsverfassung wie eines Parlaments fordert. Im Dezember 2022 unterzeichnete das Militär ein Rahmenabkommen, um eine Zusammenarbeit mit zivilen Gruppen bei der Bildung einer Übergangsregierung zu ermöglichen (FH 2023). Nichtsdestotrotz wird der Sudan seit dem Putsch von einem Generalrat unter der Leitung von General Burhan, Oberkommandant der SAF und De- facto-Präsident, und General Dagalo (Hemeti), Chef der RSF, regiert (EUAA 11.8.2023).

Die interne Spaltung, in Verbindung mit erheblichem internationalem Druck, führte schließlich dazu, dass sich die beiden Führer auf einen Übergang zu einer zivil-geführten Regierung Anfang April 2023 einigten. Aufgrund erneuter Spannungen zwischen den zwei militärischen Fraktionen verzögerte sich die Umsetzung ebenjener Vereinbarung. Eine wesentliche Meinungsverschiedenheit ergab sich aus dem Vorstoß der SAF-Führung, die RSF in die nationale Armee zu integrieren, was die Kontrolle der RSF über profitable Aktivitäten wie den Goldabbau bedrohen würde. Mitte April eskalierte die Situation und weitete sich zu einem umfassenden militärischen Konflikt bzw. Bürgerkrieg aus (HBS 17.7.2023).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges Amt%2C Bericht %C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand Mai 2022%29%2C 01.06.2022.pdf. Zugriff 19.10.2023

- BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report - Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069719/country report 2022 SDN.pdf, Zugriff 2.11.2023

- EUAA - European Union Agency for Asylum (11.8.2023): Security and political developments in Sudan, particularly in the Khartoum state, including civilian impacts, https://www.ecoi.net/en/file/local/2096198/2023 08 EUAA COI QueryResponse Q26 Sudan_Security_and_political_situation_Khartoum.pdf, Zugriff 20.10.2023

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023

- HBS - Heinrich Böll Stiftung (17.7.2023), Der Krieg im Sudan: Schon vergessen?, https://www.boell.de/de/2023/07/17/der-krieg-im-sudan-schon-vergessen, Zugriff 23.10.2023

- UKHO - UKHome Office [Vereinigtes Königreich] (6.2023): Country Policy and Information Note - Sudan: Security situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093601/SDN_CPIN_Security_situation.pdf, Zugriff 2.11.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.htmL Zugriff 19.10.2023

Sicherheitslage

Die Sicherheit ist nicht gewährleistet (EDA 19.12.2023). Seit dem 15.4.2023 kommt es landesweit zu schweren Kampfhandlungen zwischen der Sudanese Armed Forces (SAF) und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) (EDA 19.12.2023; vgl. AA 14.9.2023, BMEIA 3.5.2023). Zahlreiche weitere bewaffnete Gruppierungen sind involviert und unterstützen die eine oder andere Partei. Die Kämpfe fordern zahlreiche zivile Todesopfer und Verletzte (EDA 19.12.2023). Die Lage ist volatil, unübersichtlich und kann sich schnell ändern. Es kommt vermehrt zu Überfällen (AA 14.9.2023; vgl. BMEIA 3.5.2023) und die Entwicklung ist ungewiss (EDA 19.12.2023).

Der Flughafen Khartum ist gesperrt und ist von den bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen; der Flugbetrieb von und nach Khartum ist ausgesetzt (AA 14.9.2023; vgl. BMEIA 3.5.2023), der Flughafen in Port Sudan operiert und fliegt zahlreiche Destinationen in der Region an. Vereinbarte Waffenruhen werden immer wieder verletzt (AA 14.9.2023).

Strom sowie Internet- und Telefonverbindungen können zeitweise ausfallen (BMEIA 3.5.2023). Es kommt verbreitet zu Plünderungen, Vergewaltigungen und Hausbesetzungen. Auch Minen werden eingesetzt (EDA 19.12.2023).

Es wird von schwerem Beschuss und Luftangriffen berichtet. Mehrere von beiden Seiten vereinbarte Waffenstillstände wurden gebrochen. Die Armee schloss Verhandlungen mit der RSF aus und gab an, nur deren Kapitulation zu akzeptieren. Vorherige Vermittlungsversuche durch die Präsidenten Kenias, Dschibutis und Südsudans sind gescheitert (BAMF 24.4.2023). Um eine Einigung für eine Waffenruhe zu erreichen, wurden am 14.5.2023 die Gespräche in Jeddah aufgenommen. Nichtsdestotrotz intensivierten sich die Kämpfe zwischen den Konfliktparteien. Da die Polizei aufgrund der anhaltenden Kämpfe ihren Aufgaben nicht mehr nachkomme, sei vielerorts ein Vakuum in der Sicherheitslage entstanden (BAMF 15.5.2023).

Medienberichten zufolge wurde am Abend des 20.5.2023 eine siebentägige Waffenruhe vereinbart, die ab dem 22.5.2023 um 21:45 Uhr Ortszeit beginnen sollte. Anders als bei vorherigen Waffenruhen haben beide Parteien, die sudanesische Armee (SAF) und die Rapid Support Forces (RSF), das Abkommen unterzeichnet (BAMF 22.5.2023).

Die BBC berichtete, dass die Kämpfe in dicht besiedelten Gebieten stattfanden und Khartum zu einem Kriegsgebiet wurde. Die Kämpfe breiteten sich schnell auf angrenzende Städte und Provinzen aus. Laut einem Bericht der International Crisis Group vom Juni 2023 steuert der Sudan auf ein Staatsversagen hin und die Kämpfe erstrecken sich auf verschiedene Teile des Landes. Im Juli 2023 setzten sich die Kämpfe in Khartum sowie in den Bundesstaaten Darfur, Kordofan und Blue Nile fort. Zu diesem Zeitpunkt war Khartum weitgehend unter Kontrolle der RSF (EUAA 11.8.2023).

Im Juli 2023 kontrolliert die Sudanesische Armee die Außenbezirke der Hauptstadt sowie den größten Teil von Omdurman und den östlichen und nördlichen Teil des Landes. Laut dem UNHCR gibt es neben den bewaffneten Kämpfen auch eine Zunahme der Kriminalität und einen allgemeinen Zusammenbruch von Recht und Ordnung im Land. Insbesondere Khartum ist stark von Gewalt betroffen. Die Kämpfe zwischen der Armee und der Sudan People's Liberation Movement North (SPLM-N) haben sich auch auf die Bundesstaaten Süd-Kordofan und Blue Nile ausgeweitet. In Khartum kommt es weiterhin zu Plünderungen, Angriffen auf öffentliche Einrichtungen und der Besetzung von Privathäusern. Die heftigsten Kämpfe fanden in Omdurman statt, wo die Sudanesische Armee massive Luftangriffe und Beschuss einsetzte, um die Rapid Support Forces (RSF) aus Teilen der Stadt zu vertreiben (EUAA 11.8.2023). Laut Amnesty International sind in den letzten 6 Monaten mindestens 5.000 Zivilisten getötet, mehr als 12.000 verletzt und über 5,7 Millionen Menschen vertrieben worden (AI 15.10.2023).

Am 7.12.2023 teilte das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) mit, dass seit Ausbruch der Kämpfe Mitte April 2023 mehr als 12.190 Menschen getötet und mehr als 6,6 Mio. Menschen vertrieben wurden (BAMF 11.12.2023).

Am 10.12.2023 wurden ein Evakuierungskonvoi des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (ICRC) angegriffen. Dabei starben zwei Menschen, sieben wurden verletzt. Nach Absprache mit der SAF und der RSF sollte der Konvoi in einem sicheren Korridor über 100 Zivilpersonen aus Khartum evakuieren. Die Evakuierungsmission wurde sofort gestoppt und wird ohne weitere Absprachen zunächst nicht wieder aufgenommen (BAMF 11.12.2023; vgl. RW 13.12.2023).

Ferner kam es in Kosti (Kusti), Hauptstadt des Bundesstaat White Nile zu tagelangen Kämpfen der Volksgruppen Hausa uns Nuba. Demnach seien am 6.5.2023 die Kämpfe ausgebrochen und bis zu 25 Menschen getötet und ca. 50 verletzt worden. Am 10.5.2023 hätten sich die Führer der jeweiligen Volksgruppen auf einen Waffenstillstand geeinigt (BAMF 15.5.2023).

Zudem ist ein Wiederaufflammen von Spannungen und Gewalt zwischen den Gemeinschaften zu verzeichnen. Im Juni 2023 waren die Auswirkungen der interkommunalen Gewalt in West-Darfur deutlich zu spüren. Mehrere Berichte wiesen auf eine Kampagne gezielter Angriffe gegen Zivilisten aufgrund ihrer Stammeszugehörigkeit hin, welche u. a. von einigen bewaffneten Männern in RSF-Uniformen durchgeführt wurden. Am 12.9.2023 kam es in der Nähe des Dorfes Anjemei südöstlich der Stadt El Geneina zu einem tödlichen Angriff mit 5 getöteten Männern (darunter drei Kinder) und einen Verletzten. Da die Täter in den Tschad flohen, kam die Befürchtung auf, dass der Vorfall eine Eskalation der Spannungen zwischen den Stämmen auslösen, bzw. zu einem Übergreifen des Konflikts führen könnte (UNHCR 10.10.2023a).

Seit Beginn der Regenzeit im Juli 2023 sind laut dem Sudan Floods Dashboard 2023 rund 89.000 Menschen in 22 Orten in neun Bundesstaaten von schweren Regenfällen und Überschwemmungen betroffen. Berichten zufolge sind mindestens 8.227 Häuser zerstört und 7.540 beschädigt worden. Im Jahr 2022 waren in 16 der 18 Bundesstaaten des Sudan 349.000 Menschen von schweren Regenfällen und Überschwemmungen betroffen. Mindestens 24.860 Häuser wurden zerstört und 48.250 weitere beschädigt (RW 9.2023a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik [Deutschland] (14.9.2023): Sudan: Reise- und Sicherheitshinweise (Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/sudansicherheit/203266#content_5, Zugriff 2.2.2024

- AI - Amnesty International (15.10.2023): Sudan: Civilians still being killed and displaced after six months of conflict, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2023/10/sudan-civilians-still-being-killed-and-displaced-after-six-months-of-conflict/, Zugriff 23.10.2023

- BMEIA - Bundesministerium Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (3.5.2023): Reiseinformation Sudan (Republik Sudan), https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/sudan, Zugriff 2.2.2024

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (22.5.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw21-2023.pdf?__blob=publicationFile amp;v=2, Zugriff 2.2.2024

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (15.5.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw20-2023.pdf?__blob=publicationFile amp;v=2, Zugriff 2.2.2024

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (24.4.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw17-2023.pdf?__blob=publicationFile amp;v=4, Zugriff 2.2.2024

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (11.12.2023) [Deutschland]: Kurzmitteilungen (KW50/2023), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw50-2023.pdf?__blob=publicationFile amp;v=4, Zugriff 13.12.2023

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (19.12.2023): Reisehinweise für den Sudan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/sudan/reisehinweise-fuerdensudan.html#eda0326b6, Zugriff 2.2.2024

- EUAA - European Union Agency for Asylum (11.8.2023): Security and political developments in Sudan, particularly in the Khartoum state, including civilian impacts, https://www.ecoi.net/en/file/local/2096198/2023_08_EUAA_COI_Query_Response_Q26_Sudan_Security_and_political_situation_Khartoum.pdf, Zugriff 20.10.2023

- RW - ReliefWeb (13.12.2023): Regionale Sudan-Reaktion Lagebericht, 12. Dezember 2023, https://reliefweb.int/report/sudan/regional-sudan-response-situation-update-12-december-2023, Zugriff 13.12.2023

- RW - ReliefWeb (9.2023a): Sudan: Überschwemmungen - Sep 2023, https://reliefweb.int/disaster/fl-2023-000199-sdn, Zugriff 13.12.2023

- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (10.10.2023a): Protection Brief Dafur Region, October 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098689/Protection+Brief+-+Darfur+-+October+2023.pdf, Zugriff 13.12.2023

Rechtsschutz / Justizwesen

In der Verfassungserklärung und den einschlägigen Gesetzen ist eine unabhängige Justiz vorgesehen (USDOS 20.3.2023). Sie ist formal unabhängig und nicht weisungsgebunden, aber der Sudan ist kein Rechtsstaat. Der institutionell schwachen Verwaltung fehlt es häufig an Kompetenz und Mitteln, aber auch am Willen, Zuständigkeiten, Gesetze und Verordnungen transparent auszulegen und anzuwenden. Es gibt weiterhin keine funktionierende Gewaltenteilung. Die Rechtsprechung ist zwar formell nicht an politische Vorgaben gebunden, aber die Besetzung der Richterstellen unterliegt politischem Einfluss (AA 1.6.2022).

Die Übergangsverfassung von 2019 gewährt allen Sudanesen die grundlegenden Menschenrechte, darüber hinaus hat Sudan eine Reihe von internationalen Konventionen ratifiziert. Die praktische Umsetzung lief jedoch schleppend und wird angesichts des Militärputsches und dem seither verhängten Ausnahmezustand noch stärker infrage gestellt (AA 1.6.2022).

Die Interimsverfassung beabsichtigte die politisch beeinflusste Justiz der Ära al-Baschir durch eine unabhängige Richterschaft zu ersetzen. Im Mai 2021 setzte der Souveränitätsrat (SC) den Obersten Richter Nemat Abdullah Khair ab und akzeptierte den Rücktritt von Generalstaatsanwalt Taj al-Ser Ali al-Hebr, der sich über die mangelnde Unabhängigkeit beklagt hatte. Im selben Monat wurden zudem mehr als 20 Staatsanwälte aus ihrem Amt entlassen. Nach dem Coup vom Oktober 2021 ersetzte General Burhan den amtierenden Generalstaatsanwalt wie den Obersten Richter durch ehemalige Funktionäre der Nationalen Kongresspartei (National Congress Party – NCP) [die Partei al-Baschirs, Anm.]. Der neue Oberste Richter, Abdulaziz Fath al-Rahman Abdeen, ordnete im Dezember 2021 die Wiedereinsetzung aller zuvor entlassenen Richter an (FH 2023), wodurch die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz untergraben wurde, so das US-amerikanische Außenministerium (USDOS 20.3.2023).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

Sicherheitsbehörden

Bis Oktober 2021 trug das Innenministerium die Hauptverantwortung für die innere Sicherheit. Das Innenministerium hatte die Aufsicht über die Polizeibehörden, das Verteidigungsministerium und den Allgemeinen Nachrichtendienst. Zu diesen Polizeibehörden gehören die Sicherheitspolizei, die Polizeispezialeinheiten, die Verkehrspolizei und die kampferprobte sog. Zentrale Reservepolizei. Verschiedene Kräfte dieser Polizeieinheiten waren im ganzen Land präsent. Das Verteidigungsministerium beaufsichtigt alle Sicherheitsdienste, einschließlich der SAF, der RSF, des Grenzschutzes und der Verteidigungs- und militärischen Nachrichtendienste. Sie sind auch für den Schutz kritischer Infrastruktur zuständig (USDOS 20.3.2023).

Die Polizei zeichnet sich durch einen Mangel an Personal, Fachkenntnissen und Ausstattung aus. Ein häufiger Wechsel auf Leitungspositionen beeinträchtigt außerdem die Formulierung und Umsetzung strategischer Ziele. Aufgrund geringer Gehälter sind viele Polizisten auf Nebeneinkünfte angewiesen, wodurch sich die Korruptionsgefahr erhöht. Menschenrechtsaktivisten kritisieren die Polizei immer wieder wegen exzessiver Gewaltanwendung. Auf Demonstrationen erleiden Protestierende nicht selten Verletzungen durch Polizisten, in einigen Fällen wurde auch von Vergewaltigungen und Todesfällen berichtet. Angesichts der Vielfalt an Sicherheitskräften kann allerdings nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob Täter zur Polizei gehören. Grundsätzlich genießt die sudanesische Polizei kein großes Vertrauen oder hohes Ansehen in der Bevölkerung, weshalb oft keine Strafanzeigen gestellt werden (AA 1.6.2022).

Die SAF sind das Militär des Sudan. Sie bestehen aus Armee, Marine, Luftwaffe und den Grenzschutztruppen. Seit der Unabhängigkeit 1956 ist das sudanesische Militär ein dominanter Akteur im Land. Darüber hinaus spielen die SAF, wie die Sicherheitskräfte im Allgemeinen, eine wichtige Rolle in der sudanesischen Volkswirtschaft, da sie Berichten zufolge mehr als 200 Handelsunternehmen kontrollieren, darunter solche, die im Goldabbau, der Kautschukproduktion, der Landwirtschaft oder dem Fleischexport tätig sind (UKHO 6.2023; vgl. CIA 23.10.2023). Die Armee und pro-demokratische Gruppen haben die Integration der RSF in die regulären Streitkräfte gefordert, allerdings hat sich die RSF der Integration in die Armee widersetzt, um ihre Macht nicht zu verlieren(AJ 16.4.2023) Die SAF konzentrieren sich in erster Linie auf die innere Sicherheit, Grenzfragen und potenzielle Bedrohungen von außen durch die Nachbarländer (CIA 23.10.2023). Da es nicht gelingt, den Schutz der Zivilbevölkerung in der Peripherie, insbesondere in Darfur, sicherzustellen, geraten die Sicherheitskräfte häufig in Kritik. Auch der Aufbau der im Friedensabkommen von Juba vereinbarten integrierten Sicherheitskräfte für Darfur („joint forces“) verläuft schleppend (AA 1.6.2022).

Die RSF sind eine halbautonome paramilitärische Truppe, die 2013 gegründet wurde, um bewaffnete Rebellengruppen im Sudan zu bekämpfen. Ihr Befehlshaber ist der als Hemeti bekannte General Dagalo. Die RSF waren zunächst dem Nationalen Nachrichten- und Sicherheitsdienst unterstellt, kamen dann aber unter das direkte Kommando des damaligen Präsidenten al-Baschir, der sie als seine persönliche Leibgarde aufbaute (CIA 23.10.2023; vgl. AA 1.6.2022), wobei Hemeti mit al-Baschir bei dessen Sturz brach. Die RSF gingen aus den sog. Janjaweed-Milizen hervor, die für einen Großteil der Menschenrechtsverletzungen in Darfur (2005-2008) verantwortlich gemacht werden. Sie werden des Weiteren als an der gewaltsamen Auflösung der Proteste vom 3.6.2019 beteiligt angesehen (AA 1.6.2022). Die RSF rekrutiert aus allen Teilen des Sudan, nicht nur wie ursprünglich aus arabischen Darfuri-Gruppen. In der Vergangenheit kämpfte diese paramilitärische Miliz sowohl im Jemen als auch gegen Aufständische in Darfur sowie den Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile (CIA 23.10.2023). Überdies schützte sie die Grenze zu Libyen (AA 1.6.2022; vgl. CIA 23.10.2023) und war an der zur Zentralafrikanischen Republik aktiv. Ökonomisch gesehen sind die RSF Berichten zufolge an einigen Wirtschaftsunternehmen beteiligt, vornehmlich am Goldabbau,(CIA 23.10.2023). Hemeti ist seit der Revolution jedenfalls ein Machtfaktor im Sudan (AA 1.6.2022). Seit der Entmachtung al-Baschirs waren die RSF in mehr als 155 Vorfälle verwickelt, die auf Zivilisten abzielten und über 300 zivile Todesopfer forderten. Ferner wurde ihr vorgeworfen, Zivilisten willkürlich festzunehmen (ACLED 14.4.2023; vgl. UKHO 6.2022).

Auch aufgrund des im April 2023 ausgebrochenen Konflikts zwischen SAF und RSF leidet die Zivilbevölkerung in Darfur weiterhin unter dem Versagen der sudanesischen Behörden, für Sicherheit zu sorgen. Amnesty International und andere Nichtregierungsorganisationen haben wiederholt Beweise für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durch sudanesische Regierungstruppen dokumentiert, u. a. rechtswidrige Tötungen von Zivilpersonen, rechtswidrige Zerstörungen von zivilem Eigentum, Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen, gewaltsame Vertreibungen von Zivilpersonen, ethnische Säuberungen und Einsätze chemischer Waffen (AI 24.4.2023).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

- ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (14.4.2023): Sudan: Political Process to Form a Transitional Government and Shifting Disorder Trends, https://acleddata.com/2023/04/14/sudan-situation-update-april-2023-political-process-to-form-a-transitional-civilian-government-and-the-shift-in-disorder-trends/, Zugriff 31.10.2023

- AI - Amnesty International (24.4.2023): Sudan: Kein Ende des Leids für die Zivilbevölkerung, https://www.amnesty.at/presse/sudan-kein-ende-des-leids-fuer-die-zivilbevoelkerung/, Zugriff 31.10.2023

- AJ - Al Jazeera (16.4.2023): Sudan unrest: What are the Rapid Support Forces?, https://www.aljazeera.com/news/2023/4/16/sudan-unrest-what-is-the-rapid-support-forces, Zugriff 31.10.2023

- CIA - Central intelligence Agency (23.10.2023): The World Factbook Sudan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/sudan/#military-and-security, Zugriff 31.10.2023

- UKHO - UKHome Office [Vereinigtes Königreich] (6.2023): Country Policy and Information Note - Sudan: Security situation, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1162778/SDN_CPIN_Security_situation.pdf, Zugriff 31.10.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassungserklärung von 2019 verbietet zwar Folter oder unmenschliche Behandlung oder Bestrafung (USDOS 20.3.2023), Übergriffe der Polizei, der Armee oder der Sicherheitsdienste können jedoch Folter, auch mit Todesfolge, einschließen. Daneben gibt es eine verbreitete Praxis von brutalen Übergriffen der Polizei als Ermittlungsinstrument und Einschüchterungsmethode auch unterhalb der Folterschwelle (AA 1.6.2022). Auch gibt es zahlreiche Berichte über gewaltsame Übergriffe auf friedliche Demonstranten unter der Militärjunta (USDOS 20.3.2023). Die Sicherheitskräfte haben auch Kinder misshandelt, bzw. menschenunwürdiger Behandlung ausgesetzt (HRW 12.1.2023).

Die Übergangsregierung hatte Schritte zur Stärkung einiger Rechte unternommen. Durch Änderungen des Strafgesetzes sind Auspeitschen und andere Formen der Körperstrafe seit 13. Juli 2020 verboten (AA 1.6.2022; vgl. FH 2023, USDOS 20.3.2023). Verfehlungen der Sicherheitskräfte können nach dem Gesetz zwar grundsätzlich mit Disziplinarverfahren, Entlassung aus dem Dienst und Haft geahndet werden. Angehörige der Sicherheitskräfte, die foltern, wurden bislang jedoch kaum zur Verantwortung gezogen (AA 1.6.2022). Außerdem wird häufig mit Gewalt gegen Aktivisten, politische Gefangene und Journalisten vorgegangen. Diese werden ohne Zugang zu einem Rechtsanwalt in Isolationshaft gehalten und waren häufig Opfer von Folter und unmenschlicher Behandlung (FH 2023). Auch in Gefängnissen sind außergerichtliche Tötung und tödliche Folter verbreitete Praktiken (BS 2022; vgl. OMCT 30.8.2021, USDOS 20.3.2023).

UN-Experten äußerten sich im August 2023 alarmiert über Berichte über brutale und weitverbreitete Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt durch die Streitkräfte RSF. Dazu gehören Berichte über das gewaltsame Verschwindenlassen von Frauen und Mädchen und Handlungen wie Zwangsarbeit und sexuelle Ausbeutung. Berichten zufolge wurden Hunderte von Frauen durch die RSF inhaftiert und unter unmenschlichen oder erniedrigenden Bedingungen festgehalten, sexuellen Übergriffen ausgesetzt und sind von sexueller Sklaverei bedroht (OHCHR 17.8.2023). Am 6.12.2023 erklärten die USA offiziell, dass man bestätigen könne, dass die Rapid Support Forces (RSF) und verbündete Milizen Kriegsverbrechen begangen haben. Dazu zählten Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ethnische Säuberungen, insbesondere in West-Darfur. Zudem wird die Misshandlung von Inhaftierten in Haftanstalten der sudanesischen Armee (SAF) und der RSF angemahnt. Unmittelbare Konsequenzen für die Kriegsparteien haben diese Feststellungen allerdings nicht (BAMF 11.12.2023).

Von den in der Scharia, die im Sudan als Rechtsquelle Gültigkeit besitzt, festgelegten Köperstrafen ist vor allem die Prügelstrafe weit verbreitet. Es kommt außerdem vor, dass Frauen wegen „unschicklicher Kleidung“ mit Stockhieben bestraft werden. Das einschlägige Gesetz (Public Order Law) wurde Ende November 2019 abgeschafft. Amputationen und Steinigungen haben in den letzten Jahren nicht mehr stattgefunden. In bestimmten Fällen können Körperstrafen durch Zahlung von „Blutgeld“ abgewendet werden. Insgesamt ist eine Lockerung der strengen Regeln zu beobachten (AA 1.6.2022).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (11.12.2023): Kurzmitteilungen (KW50/2023), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw50-2023.pdf?__blob=publicationFile amp;v=4, Zugriff 13.12.2023

- BS 2022 - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI 2022 Country Report – Sudan, https://bti-project.org/en/reports/country-report/SDN#pos0, Zugriff 2.11.2023

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2022, https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/sudan, Zugriff 7.11.2023

- OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (17.08.2023): UN experts alarmed by reported widespread use of rape and sexual violence against women and girls by RSF in Sudan, https://www.ohchr.org/en/press-releases/2023/08/un-experts-alarmed-reported-widespread-use-rape-and-sexual-violence-against, Zugriff 3.11.2023

- OMCT - OMCT World Organisation Against Torture (30.8.2021), Sudan: Will the Convention against Torture prompt a better detention system?, https://www.omct.org/en/resources/statements/sudan-will-the-convention-against-torture-prompt-a-better-detention-system, Zugriff 2.11.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

Korruption

2022 wurde der Sudan als eines der korruptesten Länder der Welt wahrgenommen, wie es der 162. Platz von 180 untersuchten Ländern im Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) belegt (TI 2023 vgl. FH 2023). Im Vergleich zum Vorjahr 2021 stellt dies eine Verbesserung um zwei Ränge dar (TI 2023). Staatsbedienstete sollen zusätzliche Zahlungen für Dienstleistungen verlangen, auf die Einzelpersonen oder Unternehmen Anspruch haben, wodurch ein System entstand, in dem Regierungsbeamte persönliche und indirekte Interessen an verschiedenen Unternehmen verfolgen. Die Korruption behindert zudem Rechtssprechung und Strafverfolgung im Sudan (ACAPS 11.7.2023).

Zwar sieht das Gesetz strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vor, allerdings wird es nicht wirksam umgesetzt. Korruption ist daher auch in Regierungskreisen weit verbreitet (USDOS 20.3.2023). Die zivil-geführte Übergangsregierung nutzte dieses bestehende Recht und die Verfassungserklärung zur Bekämpfung offizieller Korruption und richtete im Jahr 2021 die „Kommission für Korruptionsbekämpfung und Rückgewinnung öffentlicher Vermögenswerte“ ein (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Die Kommission hatte die Aufgabe, korrupte Handlungen zu untersuchen, aufzudecken und zu verhindern. Ein spezieller Antikorruptionsanwalt untersuchte und verfolgte Korruptionsfälle, in die Beamte, ihre Ehepartner oder Kinder verwickelt waren. Zu den Strafen für Beamte bei Verurteilung wegen Unterschlagung zählten Gefängnis bzw. Hinrichtung, obwohl sie fast nie vollstreckt wurden. Nach der Machtübernahme durch das Militär wurde die Antikorruptionskommission jedoch aufgelöst (USDOS 20.3.2023).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

- ACAPS - ACAPS (11.7.2023), Sudan: Khartoum pre-crisis profile, https://www.acaps.org/fileadmin/Data_Product/Main_media/20230711_ACAPS_Thematic_report_Sudan_Khartoum_pre-crisis_profile.pdf, Zugriff 3.11.2023

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023

- TI - Transparancy International (2023), Corruption Perception Index 2022, https://www.transparency.org/en/cpi/2022/index/sdn, Zugriff: 6.11.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen stand während des al-Baschir-Regimes unter strenger staatlicher Beobachtung. In der Zeit der zivil-geführten Regierung ließ dieser Druck kurzzeitig nach, doch seit dem Militärputsch steigt er wieder an (AA 1.6.2022; vgl. FH 2023). Menschenrechtsgruppen befürchten seitdem Vergeltungsmaßnahmen seitens der Regierung. Unter der Übergangsregierung (arbeiteten inländische wie internationale Menschenrechtsgruppen im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkungen - sie untersuchten und veröffentlichten ihre Erkenntnisse über Menschenrechtsfälle. Regierungsbeamte waren oft kooperativ und gingen auf ihre Ansichten ein, auch wenn einige Einschränkungen für NGOs bestehen blieben, insbesondere in Konfliktgebieten (USDOS 20.3.2023).

Der Zugang nach Darfur, darunter einige Teile Nord-Darfurs und das östliche Marra-Gebirge, und zu anderen vom Konflikt betroffenen Regionen ist für UN-Organisationen weiter eingeschränkt. Für humanitäre Hilfeleistung sind die Verwaltungsverfahren nach wie vor kompliziert und variieren sowohl zwischen Bundes- und Landesbehörden als auch zwischen den einzelnen Bundesstaaten. Laut manchen Beobachtern versucht die Regierung aktiv den internationalen Zugang zu „sensiblen“ Gebieten einzuschränken, weshalb auch die Zahl ausgestellter Visa für UN-Polizisten wie IStGH-Ankläger gering ausfällt (USDOS 20.3.2023).

Menschenrechtsaktivisten können Beschwerden über mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen bei der staatlichen Nationalen Menschenrechtskommission einreichen. In der Regel leitet sie solche Beschwerden an die beschuldigte Institution weiter. Obwohl die Kommission nicht formell aufgelöst wurde, ist sie seit dem Militärputsch untätig (USDOS 20.3.2023).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan (Stand: Mai 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 23.10.2023

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023

- ICNL - International Center for Not-for-Profit Law (1.10.2023): Civic Freedom Monitor: Sudan, https://www.icnl.org/resources/civic-freedom-monitor/sudan, Zugriff 5.12.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Übergangsverfassung von 2019 verpflichtet die Übergangsregierung die Menschenrechte aller Bürger ohne Diskriminierung zu wahren und ihre Gleichbehandlung vor dem Gesetz zu gewährleisten. In der Verfassung wird ferner die Rechenschaftspflicht für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere schwere Menschenrechtsverletzungen eingefordert (FH 2023 vgl. AA 1.6.2022). Der Ausnahmezustand, der kurz nach dem Militärputsch verhängt wurde, schränkt jedoch einige bürgerliche Freiheiten ein (AA 1.6.2022).

Im Jahr 2022 gehörten zu den großen Menschenrechtsproblemen rechtswidrige Tötungen, unmenschliche Haftbedingungen, Einschränkungen der Meinungsäußerung und der Medienfreiheit sowie Korruption in der Regierung. Weitere Probleme sind geschlechtsspezifische Gewalt, Diskriminierung sexueller Minderheiten und Kinderarbeit (USDOS 20.3.2023).

Sicherheitskräfte gehen weiterhin mit exzessiver Gewalt gegen Proteste vor, töten Demonstrierende und verletzen Tausende. Protestteilnehmer, darunter auch Minderjährige, werden rechtswidrig inhaftiert und misshandelt (AI 28.3.2023). Zwar hat die Militärregierung Sonderausschüsse zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen eingerichtet, bislang aber noch keine Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen. Paramilitärische Kräfte und Rebellengruppen verüben nach wie vor Gewalttaten gegen Zivilisten, vor allem in Darfur, Südkordofan und Blue Nile, während lokale Milizen aufgrund von fehlender Militärpräsenz und Straffreiheit weiterhin erheblichen Einfluss ausüben. Interkommunale Gewalt, die auf Landbesitzstreitigkeiten und Ressourcenknappheit beruht, führt zu Todesfällen (USDOS 20.3.2023).

Die Menschenrechts- und Schutzsituation im Sudan hat sich 2023 weiter dramatisch verschlechtert, insbesondere in Khartum und Darfur. Die Gewalteskalation in dicht besiedelten Gebieten der umkämpften Städte führt zu einer großen Zahl ziviler Opfern und zur weitgehenden Zerstörungen der Infrastruktur. Zwischen 7.5.2023 und 20.8.2023 dokumentierte die UN-Mission im Sudan 655 mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen und -Misshandlungen in Zusammenhang mit interkommunaler Gewalt und bewaffneten Zusammenstößen. Davon waren insgesamt 12.629 Menschen direkt betroffen. Auch in Darfur hat sich die Menschenrechtslage deutlich verschlechtert, dank gezielter Angriffe und massiver Gewalt. In al-Dschunaina flammte im Kontext des Konflikts zwischen den SAF und den RSF ethnisch motivierte Gewalt ebenfalls wieder auf, ebenso außerhalb der größeren Städte Darfurs. Besorgniserregend, so der UN-Sicherheitsrat, sind die gezielten Drohungen und Schikanen gegen Menschenrechtsaktivisten sowie die Morde an prominenten Persönlichkeiten der Masalit. Die anhaltende Unterbrechung der Telekommunikation erschwert in Darfur die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht (UNSC 31.8.2023).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

- AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty Report 2022 Sudan, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/sudan-2022, Zugriff 7.11.2023

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 7.11.2023

- UNSC - UN Security Council (31.8.2023): Situation in the Sudan and the activities of the United Nations Integrated Transition Assistance Mission in the Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2097534/N2324851.pdf, Zugriff 7.11.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Sudan, Zugriff 7.11.2023

Haftbedingungen

Die Bedingungen in sudanesischen Gefängnissen sind nach wie vor hart und teilweise lebensbedrohlich (USDOS 20.3.2023). Es gibt verschiedene Arten von Haftanstalten, von Gefängnissen über Untersuchungshaftanstalten, Haftzellen in Polizeistationen und Hafteinrichtungen des Nachrichtendienstes bzw. der Streitkräfte. Der Zustand der Haftanstalten kann nicht unabhängig geprüft werden. Viele sollen überfüllt sein und menschenunwürdige Zustände aufweisen: Überbelegung von Zellen, mangelhafte sanitäre Einrichtungen, unzureichende medizinische Versorgung und keine Trennung von weiblichen und männlichen respektive minderjährigen und erwachsenen Häftlingen (AA 1.6.2022). Auch Beheizung, Belüftung und Beleuchtung sind in den Gefängnissen oft unzureichend. Einige Gefangene haben keinen Zugang zu Medikamenten oder ärztlichen Untersuchungen, und die meisten haben keine Betten. Familienmitglieder oder Freunde versorgen die Gefangenen mit Lebensmitteln und anderen Dingen (USDOS 20.3.2023). Begüterte Gefangene können sich die Haftbedingungen andererseits erträglicher gestalten (AA 1.6.2022).

Grundsätzlich ist es unklar, welche Unterschiede es zwischen Hafteinrichtungen gibt. Aussagen von Menschenrechtsorganisationen und ehemaligen Häftlingen sind hierzu widersprüchlich (AA 1.6.2022). Die Aufsicht über die Gefängnisse liegt bei der Direktion für Gefängnisse und Reformen, eine Polizeiabteilung, die dem Innenministerium untersteht. Das Innenministerium gibt per se keine Informationen über die physischen Bedingungen in den Gefängnissen heraus (USDOS 20.3.2023). Das im Dezember 2009 durch die Nationalversammlung verabschiedete Gesetz über Gefängnisvorschriften und die Behandlung von Insassen („The Regulation of Prisons and Treatment of Inmates Act“) entspricht nach UN-Angaben nicht ihren Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen (AA 1.6.2022).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

Minderheiten

Die Bevölkerung umfasst mehr als 500 ethnische Gruppen, die zahlreiche Sprachen und Dialekte sprechen. Einige dieser ethnischen Gruppen bezeichnen sich selbst als Araber und berufen sich dabei auf ihre Sprache oder andere kulturelle Merkmale. In Konfliktregionen gibt es immer wieder Fälle interethnischer Gewalt. 2022 gab es mehrere Berichte über Hassreden und diskriminierende Äußerungen, die nach der Ernennung ziviler Gouverneure Zunahmen, ebenso interkommunale Spannungen (USDOS 20.3.2023).

Es gibt keine Gesetze, die Frauen oder Angehörige von Minderheiten daran hindern, zu wählen oder anderweitig am politischen Leben teilzunehmen; und sie beteiligen sich auch (USDOS 20.3.2023).

In Blue Nile, der Grenzregion zu Äthiopien, welche von der SPLA/M-North) regiert wird, forderten Zusammenstöße zwischen den ethnischen Gruppen der Hausa und der Birta schon über 100 Menschenleben und führten zu einer massiven Vertreibung in der Region (HRW 12.1.2023). Im Oktober 2022 wurden dort bei Kämpfen zwischen ethnischen Gruppen innerhalb von zwei Tagen mindestens 220 Menschen getötet. Laut UN gab es in diesem Bundesstaat ab Juli immer wieder schwere interethnische Auseinandersetzungen, bei denen mindestens 359 Menschen getötet und 469 verletzt wurden - sowohl Personen, die an den Kämpfen beteiligt waren, als auch unbeteiligte Zivilpersonen. Aufgrund der Kämpfe wurden mehr als 97.000 Zivilpersonen vertrieben. Die Regierung des Bundesstaats Blue Nile verhängte einen 30-tägigen Ausnahmezustand und verbot Versammlungen (AI 28.3.2023).

Quellen:

- AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty Report 2022 Sudan, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/sudan-2022. Zugriff 7.11.2023

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2022, https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/sudan. Zugriff 7.11.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html. Zugriff 19.10.2023

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Trotz der in der Übergangsverfassung verankerten Gleichbehandlungsgarantien und einiger Verbesserungen in jüngster Zeit sind Frauen in vielen Rechtsbereichen weiterhin benachteiligt. Die Übergangsregierung ratifizierte im April 2021 das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, versäumte es jedoch, die Bestimmungen zur Anerkennung der Gleichstellung in den Bereichen Ehe, Scheidung und Elternschaft zu billigen. Zudem werden Frauen durch die geltenden Ehegesetze diskriminiert (FH 2023).

Gegenwärtig sind mehr als vier Millionen sudanesische Frauen und Mädchen von sexueller bzw. geschlechtsspezifischer Gewalt bedroht (WHO 24.7.2023), wobei schon vor Ausbruch der Kämpfe nach UN-Schätzungen mehr als drei Millionen gefährdet waren, auch durch häusliche Gewalt (WHO 5.7.2023). Vergewaltigung, sexuelle Belästigung sowie häusliche Gewalt sind im Sudan Straftaten, und eine Überlebende einer Vergewaltigung kann nicht wegen Ehebruchs belangt werden. Die Vergewaltigung in der Ehe ist hingegen nicht als Straftat anerkannt. Es gibt keine verlässlichen Statistiken zur Häufigkeit von Vergewaltigung und häuslicher Gewalt im Land. Menschenrechtsorganisationen berichten von erheblichen Hindernissen bei Anzeigen von geschlechtsspezifischer Gewalt, darunter kulturelle Normen, eine zurückhaltende Ermittlungsbereitschaft der Polizei und Straffreiheit für Täter (USDOS 20.3.2023). Letztere bleiben vor allem in Zeiten bewaffneter Konflikte straffrei (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023).

Demonstrantinnen sind im Sudan oft sexuellen Übergriffen ausgesetzt (AI 27.3.2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Nach Angaben des UN-Experten für die Menschenrechtssituation im Sudan wandten Angehörige der Sicherheitskräfte sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt, darunter auch Vergewaltigungen, gegen Frauen, die sich an vorderster Front an den Protesten gegen den Militärputsch beteiligt hatten, an (AI 27.3.2023; vgl. HRW 12.1.2023). Ferner gibt es mehrere Berichte über sexuelle Gewalt von Sicherheitskräften gegen Frauen im ganzen Land, angeblich um sie von der Teilnahme an Protesten abzuhalten (USDOS 20.3.2023).

Seit dem Ausbruch des Konflikts im April 2023 ist sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Sudan endemisch geworden. Mit Stand Ende August 2023 hat das Referat zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (Combating Violence Against Women - CVAW), eine staatliche Stelle, 124 Vergewaltigungsfälle seit Konfliktbeginn dokumentiert, wobei fast alle Fälle von den RSF begangen wurden (TG 29.8.2023).

Angesichts der hohen Dunkelziffer bei geschlechtsspezifischer Gewalt ist die tatsächliche Zahl der Fälle höchstwahrscheinlich weitaus höher (WHO 5.7.2023): Die CVAW geht z. B. davon aus, dass sie nur ungefähr 2 % der Gesamtfälle dokumentiert (SC 7.7.2023). Für viele Überlebende ist es aufgrund von Scham, Stigmatisierung oder Angst vor Repressalien schwer, sexuelle Gewalt anzuzeigen. Die Meldung von Übergriffen und die Inanspruchnahme von Hilfe wird auch durch den Mangel an Elektrizität und Internetanschlüssen sowie durch den fehlenden Zugang für humanitäre Hilfe aufgrund der instabilen Sicherheitslage erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Angriffe auf und die Besetzung von Gesundheitseinrichtungen hindern Opfer auch daran, medizinische Notversorgung zu suchen und in Anspruch zu nehmen (WHO 5.7.2023). Aktivisten und Mediziner nutzen die sozialen Medien, um ein Unterstützungsnetz für Überlebende und von sexueller Gewalt bedrohte Frauen zu schaffen (AJ 16.5.2023).

Vertriebene und sich auf der Flucht befindende Frauen sind überdies besonders gefährdet, Opfer sexueller Gewalt zu werden (WHO 24.7.2023; vgl. UNHCR 15.6.2023, WHO 5.7.2023).

Mehrere NGOs berichten, dass Frauen von den RSF entführt werden, um Lösegeld zu erpressen. Während sie als Geiseln gehalten werden, werden sie oft vergewaltigt. Viele werden in den Tschad verschleppt oder als Sexsklaven missbraucht (TG 29.8.2023), und Hunderte Frauen werden von den Milizionären unter unmenschlichen, erniedrigenden Bedingungen gefangen gehalten (UN News 17.8.2023). Gemäß einer Gruppe unabhängiger UN-Menschenrechtsexperten setzen die RSF „Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt“ gegen Frauen wie Mädchen „als Mittel zur Bestrafung und Terrorisierung von Gemeinschaften“ ein (UN News 17.8.2023; vgl. TG 29.8.2023). Die überwiegende Mehrheit jener Taten wird in den beiden Bundesstaaten al-Khartum und Darfur begangen (SC 7.7.2023; vgl. ST 1.7.2023, WHO 5.7.2023). In Khartum und in al-Dschunaina, West-Darfur, soll es die meisten Fälle von sexueller Gewalt geben (AJ 16.5.2023).

In West-Darfur kommt es weiterhin zu geschlechtsspezifischer Gewalt, darunter konfliktbedingte sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen. In Darfur wurden nach Angaben des UN-Experten bei interethnischen Auseinandersetzungen und Angriffen auf vertriebene Frauen und Mädchen acht Vergewaltigungen verübt, die 15 Frauen und fünf Mädchen betrafen. Bei den Tätern handelte es sich um bewaffnete Männer, von denen die meisten Militäruniformen trugen. Obwohl alle acht Fälle bei der Polizei angezeigt wurden, erfolgte nur in einem einzigen Fall - der Vergewaltigung eines zwölfjährigen Mädchens in Nord-Darfur - eine Festnahme (AI 27.3.2023).

Die Einheit zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen des sudanesischen Ministeriums für soziale Entwicklung berichtet von einer deutlichen Zunahme geschlechtsspezifischer Gewalt in Khartum, Süd-Darfur und West-Darfur, die angeblich von den RSF und verbündeten Einheiten verübt wurde (UNSC 31.8.2023).

2019 hob die Übergangsregierung das Gesetz über die öffentliche Ordnung auf, das u. a. Frauen für als unanständig empfundene Kleidung oder Verhalten bestrafen konnte. Nichtsdestotrotz berichten feministische Gruppen, dass Frauen weiterhin für „Verstöße gegen die Moral“ bestraft werden (FH 2023).

Weibliche Genitalverstümmelung bzw. -beschneidung (FGM/C) ist nach wie vor verbreitet und wird im ganzen Land angewendet. 2020 wurde FGM/C kriminalisiert und unter Strafe gestellt (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Das Gesetz sieht eine Strafe von drei Jahren Haft vor. Ob es seit dem Militärputsch durchgesetzt wird, ist allerdings unklar. Nach UN-Angaben liegt die Prävalenzrate von FGM/C bei Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 Jahren bei 87 %, wobei es geografische wie ethnische Unterschiede gibt (USDOS 20.3.2023).

Quellen:

- AI - Amnesty International (27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World’s Human Rights; Sudan 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2089612.html, Zugriff 20.11.2023

- AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty Report 2022 Sudan, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/sudan-2022, Zugriff 7.11.2023

- AJ - Al Jazeera (16.5.2023): Women speak out about sexual violence in Sudan fighting, https://www.aljazeera.com/news/2023/5/16/women-speak-out-online-about-reports-of-sexual-violence-in-sudan, Zugriff 20.11.2023

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Sudan, https://www.ecoi.net/en/document/2085500.html, Zugriff 20.11.2023

- SC - Save the Children (7.7.2023): Sudan: Children as young as 12 raped and assaulted, as sexual violence rips through the country, https://www.savethechildren.net/news/sudan-children-young-12-raped-and-assaulted-sexual-violence-rips-through-country, Zugriff 20.11.2023

- ST - Sudan Tribune (1.7.2023): Sudan’s women unit reports surge in sexual violence cases linked to RSF elements, https://sudantribune.com/article274786/, Zugriff 20.11.2023

- TG - The Guardian (29.8.2023): Women in Sudan facing a “tragedy” of sexual violence as rape cases rise, https://www.theguardian.com/global-development/2023/aug/29/women-in-sudan-facing-a-tragedy-of-sexual-violence-as-cases-rise, Zugriff 20.11.2023

- UNFPA - United Nations Population Fund (15.10.2023): Sudan’s women and girls endure six months of conflict with no end in sight, https://www.unfpa.org/news/sudan%E2%80%99swomen-and-girls-endure-six-months-conflict-no-end-sight, Zugriff 20.11.2023

- UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (15.6.2023): UNHCR: Heightened risks, violations and sexual violence reported by civilians fleeing Sudan, https://www.unhcr.org/news/press-releases/unhcr-heightened-risks-violations-and-sexual-violence-reported-civilians, Zugriff 20.11.2023

- UN News - United Nations News (17.8.2023): Rape by Sudan’s RSF militia used to “punish and terrorise” warn rights experts, https://news.un.org/en/story/2023/08/1139847?s=03, Zugriff 20.11.2023

- UNSC - United Nations Security Council (31.8.2023): Situation in the Sudan and the activities of the United Nations Integrated Transition Assistance Mission in the Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2097534/N2324851.pdf, Zugriff 7.11.2023

- WHO - World Health Organization (24.7.2023): Three months of violence in Sudan: Health hanging in the balance, https://reliefweb.int/report/sudan/three-months-violence-sudan-health-hanging-balance, Zugriff 20.11.2023

- WHO - World Health Organization (5.7.2023): Sudan: top UN officals sound alarm at spike in violence against women and girls, https://www.who.int/news/item/05-07-2023-sudan-top-un-officials-sound-alarm-at-spike-in-violence-against-women-and-girls, Zugriff 20.11.2023

Kinder

In der Verfassungserklärung heißt es, dass Personen, deren Mutter oder Vater sudanesische Staatsangehörige sind, das Recht auf die Staatsbürgerschaft innehaben. In der Regel erfolgen Geburtenregistrierungen auf nicht diskriminierende Weise. Somit erhalten die meisten Neugeborenen Geburtsurkunden, einige in entlegenen Gebieten jedoch nicht. Zugelassene Hebammen, Ambulanzen, Kliniken und Krankenhäuser können entsprechende Zertifikate ausstellen. Ohne eine gültige Geburtsurkunde ist weder eine Einschulung noch der Zugang zur medizinischen Versorgung möglich. Allerdings akzeptieren viele Ärzte die mündliche Zusicherung des Patienten, dass eine solche vorhanden ist (USDOS 20.3.2023).

Die nicht obligatorische Primärschulbildung ist bis zur achten Klasse ex lege gebührenfrei, wobei Schul-, Uniform- und Prüfungsgebühren dennoch häufig zu entrichten sind (USDOS 20.3.2023). Durch den Konflikt haben seit April 2023 etwa 12 Millionen Kinder die Schule nicht mehr besucht, gleichbedeutend mit insgesamt 19 Millionen Kindern, die im Sudan nicht zur Schule gehen. „Der Sudan steht kurz davor, zur schlimmsten Bildungskrise der Welt zu werden", so UNICEF zur aktuellen Lage (RW 19.10.2023).

Im Sudan existiert weder ein Mindestalter für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr noch ein Vergewaltigungsgesetz (USDOS 20.3.2023). Laut der NGO Save the Children (SC) werden Kinder schon im Alter von 12 Jahren vergewaltigt, einige aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihres Geschlechts (SC 7.7.2023; vgl. TG 29.8.2023). Die Regierung bemüht sich um die Durchsetzung von Gesetzen, die Kindesmissbrauch unter Strafe stellen, und verfolgt Fälle von Kindesmissbrauch wie sexueller Ausbeutung von Kindern eher als vergleichbare Erwachsenenfälle. Hierbei kann das Strafmaß variieren: Eine Verurteilung kann eine Haftstrafe, eine Geldbuße oder beides umfassen. Einige Polizeiinspektionen verfügen über „kinderfreundliche“ Familien- und Kinderschutzeinheiten und bieten rechtliche, medizinische und psychosoziale Unterstützung für Kinder an (USDOS 20.3.2023).

Pornografie, einschließlich der Kinderpornografie, ist illegal. Verstöße gegen Letzteres ziehen eine Geldstrafe sowie eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren nach sich (USDOS 20.3.2023).

Weiters kommt es im Sudan zu Früh- bzw. Zwangsehen. Das gesetzliche Heiratsalter liegt für Mädchen bei 10 und für Buben bei 15 Jahren respektive der Pubertät. Nach UN-Angaben werden 12 % der Frauen vor dem Alter von 15 Jahren und 34 % vor dem 18. Lebensjahr verheiratet. In einigen Fällen, sagt das US-amerikanische Außenministerium, heiraten Männer Mädchen, um ihre Arbeitskraft auszubeuten (USDOS 20.3.2023).

Kinder leiden stark unter den Auswirkungen des anhaltenden Konflikts. Tod, Verstümmelung und Zwangsrekrutierung von Kindern sind zu beobachten. Die Risiken Krankheit, Unterernährung und mangelnde Gesundheitsversorgung haben sich für Kinder ebenfalls erhöht (UNHCR 10.10.2023 vgl. UNICEF 24.7.2023). Einige bewaffnete Gruppen des Landes rekrutieren angeblich Kinder als Kämpfer (FH 2023). Am 7.12.2023 befanden sich 80 Kinder unter den von den RSF in West-Darfur festgenommenen Personen (BAMF 11.12.2023). Viele Kinder besitzen keine Dokumente, die ihr Alter belegen. Daher glauben Kinderrechtsorganisationen, dass bewaffnete Gruppen den Mangel an Dokumenten ausnutzen, um Kinder zu rekrutieren oder zu beschäftigen. Durch fehlenden Zugang gibt es nur wenige Berichte über den Einsatz von Kindersoldaten durch solche Gruppen, und diese Berichte sind oft schwer zu verifizieren. Die bewaffneten Gruppen geben an, Kindersoldaten nicht aktiv zu rekrutieren, Kinder, die sich freiwillig melden, aber auch nicht zu hindern, sich ihren Bewegungen anzuschließen. Zudem setzen sie sie angeblich nicht im Kampf ein (USDOS 20.3.2023).

Quellen:

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (11.12.2023): Kurzmitteilungen (KW50/2023), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw50-2023.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 13.12.2023

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023

- RW - ReliefWeb (19.10.2023): Sudan Six months of conflict - Key Facts and Figures, https://reliefweb.int/report/sudan/sudan-six-months-conflict-key-facts-and-figures-19-october-2023, Zugriff 13.12.2023

- SC - Save the Children (7.7.2023): Sudan: Children as young as 12 raped and assaulted, as sexual violence rips through the country, https://www.savethechildren.net/news/sudan-children-young-12-raped-and-assaulted-sexual-violence-rips-through-country, Zugriff 20.11.2023

- TG - The Guardian (29.8.2023): Women in Sudan facing a “tragedy” of sexual violence as rape cases rise, https://www.theguardian.com/global-development/2023/aug/29/women-in-sudan-facing-a-tragedy-of-sexual-violence-as-cases-rise, Zugriff 20.11.2023

- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (10.10.2023): Protection Brief Sudan September 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098634/Protection+Brief+-+Sudan+- +September+2023.pdf, Zugriff 8.11.2023

- UNICEF - United Nations Children's Fund (24.7.2023): Severe violations of children’s rights an ‘hourly occurrence’ in Sudan, warns UNICEF, https://www.unicef.org/press-releases/severeviolations-childrens-rights-hourly-occurrence-sudan-warns-unicef, Zugriff 8.11.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen und Emigration vor, und obwohl die Regierung diese Rechte weitgehend respektiert (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023), werden diese Rechte in der Praxis immer noch von staatlichen Sicherheitskräften und anderen bewaffneten Gruppen im ganzen Land behindert. Die meisten der mehr als 3,7 Millionen IDPs im Sudan (Stand: Juli 2022) konzentrieren sich auf die langjährigen Konfliktgebiete Darfur, Südkordofan und Blue Nile (FH2023). Die sudanesische Lagerpolitik schränkt die Bewegungsfreiheit von Asylbewerbern und Flüchtlingen ein, indem sie sie verpflichtet, in ausgewiesenen Lagern zu bleiben. Außerhalb der Lager wurden einige Flüchtlinge und Asylbewerber verhaftet, schikaniert oder erpresst (HRW 12.1.2023).

Ferner begann die Regierung die Bewegungsfreiheit von Personen in einigen der von ethnischen Konflikten betroffenen Bundesstaaten einzuschränken. Aus mehreren Berichten geht hervor, dass diese Entscheidung vor allem bereits gefährdete oder marginalisierte Gemeinschaften getroffen hat (FH 2023). Für Menschen außerhalb der Konfliktgebiete war die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes im Allgemeinen ungehindert (USDOS 20.3.2023). Im Jahr 2020 schaffte die Übergangsregierung die Notwendigkeit von Ausreisegenehmigungen sowie eine Vorschrift ab, nach der Frauen die Erlaubnis eines männlichen Vormunds einholen mussten, um mit Kindern ins Ausland zu reisen (FH 2023).

Quellen:

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2022, https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/sudan, Zugriff 7.11.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

Grundversorgung und Wirtschaft

Zahlreiche Menschen haben nicht genügend Nahrungsmittel und leiden unter akutem Hunger (AI 28.3.2023). Die Bereitstellung humanitärer Hilfe wird in vielen Teilen des Landes u. a. durch Unsicherheit, Plünderungen, schlechte Kommunikationsverbindungen und Bargeldmangel beeinträchtigt (BAMF 11.12.2023). Die Auswirkungen der Kämpfe zwischen den SAF und des RSF wirken sich auf das Land verheerend aus, sowohl humanitär als auch wirtschaftlich (GTAI 17.11.2023).

Somit sieht auch die kurz- und mittelfristige wirtschaftliche Entwicklung eher düster aus. Das BIP brach 2023 im zweistelligen Bereich ein. Hinzu kommt, dass die sudanesische Wirtschaft bereits seit 2018 kontinuierlich schrumpft. Die Economist Intelligence Unit (EIU) rechnet für 2024 mit einer BIP-Abnahme um 2,7 %. Etwas optimistischer zeigt sich der Internationale Währungsfonds (IWF), der dem Land ein minimales Wachstum von 0,3 % zutraut. Voraussagen zur wirtschaftlichen Entwicklung sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. Sie hängen in erster Linie davon ab, wann die Kämpfe enden und sich die politische Lage wieder stabilisiert. So lange jedoch das Militär die Regierung stellt, dürften auch die in den letzten Jahren in Aussicht gestellten Hilfszusagen internationaler Geberinstitutionen weiter auf Eis liegen (GTAI 17.11.2023).

Der Konflikt zerstört die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen im Sudan, bringt die Produktion zum Stillstand und baut Humankapital sowie staatliche Kapazitäten ab. Die Wachstumsprognose für den Sudan 2023 wurde um 12,5 % nach unten korrigiert, da der bewaffnete Konflikt die industrielle Basis des Landes sowie die Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen beschädigt hat. Er hat auch zu einem Einbruch der Wirtschaftstätigkeit - einschließlich Handel, Finanzdienstleistungen sowie Informations- und Kommunikationstechnologie - und zur Aushöhlung des Staates geführt, was sich nachteilig auf die Ernährungssicherheit und die Zwangsvertreibung auswirkt (RW 19.10.2023)

Quellen:

- AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty Report 2022 Sudan, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/sudan-2022, Zugriff 7.11.2023

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (11.12.2023): Kurzmitteilungen (KW50/2023), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw50-2023.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 13.12.2023

- GTAI - Germany Trade Invest (17.11.2023): Bürgerkrieg lässt Wirtschaft einbrechen, https://www.gtai.de/de/trade/sudan/wirtschaftsumfeld/buergerkrieg-laesst-wirtschaft-einbrechen-228498, Zugriff 13.12.2023

- RW - ReliefWeb (19.10.2023): Sudan Six months of conflict - Key Facts and Figures, https://reliefweb.int/report/sudan/sudan-six-months-conflict-key-facts-and-figures-19-october-2023, Zugriff 13.12.2023

Medizinische Versorgung

Im weltweiten Vergleich ist die medizinische Versorgung im Sudan unterdurchschnittlich (LD o.D.). Sie ist auf dem Land, in den ländlichen Regionen, vielfach technisch, apparativ und hygienisch problematisch. In Khartum ist die Versorgung zwar besser (AA 14.9.2023), aber immer noch auf geringem Niveau. In den größeren Städten gibt es vergleichsweise ordentliche, aber internationalen Standards nicht genügende Krankenhäuser – vor allem die Hygienestandards und die Medikamentenversorgung sind unzureichend (AA 1.6.2022). Pro Tausend Einwohner stehen im Land 0,7 Krankenhausbetten und ca. 0,41 Ärzte zur Verfügung. Letztere, ca. 19.200 im Land (LD o.D.), sind aber in der Regel gut ausgebildet (AA 1.6.2022).

Die Einfuhr von gängigen Medikamenten ist nur eingeschränkt möglich. Medikamente werden häufig im Zoll festgehalten, medizinische Hilfslieferungen ebenso. Viele Arzneimittel sind für die durchschnittliche Bevölkerung unerschwinglich und der Pflegedienst ist dürftig. Das Sozialversicherungssystem funktioniert ebenfalls nur unzulänglich. Viele Betriebe entziehen sich dem staatlichen System. Zum Tragen kommt es überhaupt nur dort, wo die nötige Infrastruktur vorhanden ist, vornehmlich in den wenigen städtischen Ballungszentren. Auf dem Lande hat das System noch nicht Fuß fassen können (AA 1.6.2022).

Der Konflikt im Sudan beeinträchtigt das Gesundheitssystem und die soziale Basisinfrastruktur, was u. a. zum Ausbruch von Gesundheitkatastrophen wie Cholera in mehreren Bundesstaaten führte (UNHCR 6.11.2023). Am 26.9.2023 erklärte das sudanesische Gesundheitsministerium offiziell einen Choleraausbruch im Bundesstaat Gedaref (al-Qadarif). Choleraverdachtsfälle wurden auch in den Bundesstaaten Khartum und Südkordofan registriert, aber der begrenzte Zugang und die Unmöglichkeit, Proben an ein Labor zu schicken, verhindern eine Bestätigung eines Ausbruchs (RW 9.2023b). Die Zahl der Cholerafälle betrug Stand 11.12.2023 5.414, darunter 170 Todesfälle. Insgesamt haben sich die Zahlen im Dezember 2023 mehr als verdoppelt (BAMF 11.12.2023). Der Ausbruch kommt zu einer Zeit, in der das sudanesische Gesundheitssystem an seine Grenzen stößt. Etwa 70 % der Krankenhäuser in den vom Konflikt betroffenen Staaten sind nicht funktionsfähig, und die Einrichtungen in den nicht vom Konflikt betroffenen Staaten sind durch den Zustrom von Vertriebenen überfordert (RW 9.2023b).

Infektionskrankheiten können grundsätzlich kaum noch behandelt werden. Masern sind auf dem Vormarsch (ARD 8.12.2023). Zwischen 15.4. und 15.9.2023 wurden landesweit über 4.000 Masernfälle mit 107 Todesopfern festgestellt (RW 9.2023b). Für kranke Kinder fehlt die medizinische Versorgung, viele sind inzwischen unterernährt. Die WHO unterstützt nach eigenen Angaben 21 mobile Kliniken, Behandlungszentren für Cholera und Unterernährung. Mit Partnern werde alles getan, um trotz der verheerenden Sicherheitslage medizinische Güter zu verteilen (ARD 8.12.2023).

Gemeinsam mit Partnern setzt sich der UNHCR dafür ein, Hilfe für Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt und Missbrauchsopfer zu leisten, u.a durch psychosoziale Unterstützung und Fallmanagement (UNHCR 6.11.2023).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.9.2023): Sudan: Reise- und Sicherheitshinweise (Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/sudansicherheit/ 203266#content_5, Zugriff 12.12.2023

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcbe r_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_ 01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (11.12.2023): Kurzmitteilungen (KW50/2023), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw50-2023.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 13.12.2023

- LD - Laenderdaten.info (o.D.): Gesundheitswesen im Sudan, https://www.laenderdaten.info/Afrika/Sudan/gesundheit.php, Zugriff 13.12.2023

- RW - ReliefWeb (9.2023b): Sudan: Cholera Outbreak - Sep 2023, https://reliefweb.int/disaster/ep-2023-000181-sdn, Zugriff 13.12.2023 - MSF - Médecins Sans Frontières (19.10.2023): Sudan: MSF suspends surgery in Khartoum hospital as supplies remain blocked, https://www.ecoi.net/de/dokument/2099640.html, Zugriff 13.12.2023

- ARD - Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (8.12.2023): Seit Ausbruch des Bürgerkriegs - WHO geht von mehr als 12.000 Toten im Sudan aus, https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/sudan-who-100.html, Zugriff 13.12.2023

- UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (6.11.2023): Sudan Emergency Sixmonth Impact Update As of 6 November 2023, https://reliefweb.int/report/sudan/sudanemergency-six-month-impact-update-6-november-2023, Zugriff 13.12.2023

Rückkehr

Die Regierung arbeitet mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen, zurückkehrenden Flüchtlingen oder Asylbewerbern sowie anderen gefährdeten Personen Schutz und Hilfe zu bieten (USDOS 20.3.2023).2021 kehrten knapp 800 sudanesische Flüchtlinge aus Niger, Ägypten, Libyen, Tunesien, Algerien, Marokko, Somalia und Dschibuti zurück, so die IOM. 2022 registrierte die IOM einen starken Anstieg. Rückkehrende können durch IOM betreut werden, sofern sie dies wünschen (AA 1.6.2022).

Das deutsche Auswärtige Amt (AA) hat keine Kenntnis von einer etwaigen besonderen Behandlung der nach Sudan zurückgeführten sudanesischen Staatsangehörigen. Allein die Stellung eines Asylantrags im Ausland hat nach Erkenntnissen des AA bisher nicht zu staatlichen Repressionen geführt (AA 1.6.2022). Weder längere Auslandsaufenthalte noch Asylanträge im Ausland führten bisher zu einer Gefährdung bei der Rückkehr. Das gilt auch für Deserteure und Wehrdienstverweigerer. Selbst Personen, die im Ausland Asyl erhalten haben, können in den Sudan zurückkehren, wie im Sudan lebende Betroffene berichten. Mit erhöhter Aufmerksamkeit der Behörden, d.h. zusätzlichen Fragen bei der Einreise, müssen Personen, deren politisches Engagement bekannt ist, bisweilen rechnen. Für Personen, die aus Europa zurückkehren und nicht öffentlich gegen die Regierung auftraten, besteht dieses Risiko im Regelfall nicht (AA 1.6.2022).

Der UNHCR fordert in Anbetracht der derzeit instabilen Lage im Sudan Aufnahmestaaten auf, die Ausstellung negativer Entscheidungen über Asylanträge von sudanesischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen auszusetzen. Die Aussetzung sollte so lange aufrechterhalten werden, bis sich die Lage im Sudan stabilisiert hat und verlässliche Informationen über die Sicherheits- und Menschenrechtssituation vorliegen, um die Notwendigkeit der Gewährung internationalen Schutzes für einzelne Antragsteller umfassend beurteilen zu können (RW 5.2023).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

- RW – RefWorld (5.2023): Sudan: UNHCR Position on Returns to Sudan, https://www.refworld.org/docid/6450e5814.html?__cf_chl_tk=qdbnqk0NdHgZHAH7JKbl0k3Ooa.Nr7mClilcr3wPodc-1705498540-0-gaNycGzNDaU, Zugriff 13.12.2023

- USDOS - United States Department of State (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

Dokumente

Das Urkundenwesen in Sudan ist unzulänglich. Gegen Geldzahlung ist fast jede gewünschte Urkunde erhältlich. Seit 2016 werden keine Beglaubigungen mehr vorgenommen, es findet aber weiterhin eine anwaltliche Urkundenüberprüfung statt. Ältere sudanesische Ausweisdokumente sind in der Regel echt, allerdings können sie unwahre Angaben in Bezug auf Fotos, Namensführung und Alter enthalten. Die Gültigkeit aller nicht maschinenlesbaren Pässe endete am 24.11.2015. Seit 2013 werden biometrische und maschinenlesbare Reisepässe ausgestellt, bei denen eine nachträgliche Verfälschung praktisch nicht mehr möglich ist. Im Zweifelsfall kann ein Kooperationsanwalt eine Überprüfung der Angaben vornehmen. In vielen Gebieten existiert ein nur spärliches Urkunden- und Registerwesen. Es ist weiterhin eine Zunahme an durchgeführten Urkundenüberprüfungen von im Rahmen der Visumverfahren vorgelegten Ehe- und Geburtsurkunden aus der Region zu verzeichnen. Die Echtheit von Dokumenten (Personenstandsurkunden, Gerichtsurteile, Anzeigen, usw.) kann ebenfalls durch einen Kooperationsanwalt überprüft werden (AA 1.6.2022).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

2. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in die Akten der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den jeweiligen bekämpften Bescheid und Beschwerdeschriftsatz sowie in die zitierten Länderberichte.

Auskünfte aus dem Strafregister, dem zentralen Melderegister, dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger, der Betreuungsinformation sowie dem Informationsverbundsystem zentrales Fremdenregister wurden ergänzend zu den vorgelegten Verwaltungsakten eingeholt.

Überdies wurde Beweis aufgenommen durch die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 24.09.2025 in Anwesenheit der Beschwerdeführer und ihrer Rechtsvertretung.

2.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die Identitäten der Beschwerdeführer wurden von der belangten Behörde aufgrund von Reisepasskopien und vorliegenden Visadaten festgestellt und im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht bestritten.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer, ihrer Herkunft, zur Volksgruppen- und Glaubenszugehörigkeit, zu den Schulausbildungen und Berufserfahrungen sowie zu den Lebensumständen und zum Aufenthalt der Familienangehörigen gründen auf der Zusammenschau der Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde und zuletzt im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin seit 2019 verheiratet sind, ergibt sich aus den glaubhaften Angaben der Beschwerdeführer und einer in Vorlage gebrachten Kopie der Heiratsurkunde.

Hinsichtlich der Ausbildung und der beruflichen Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Herkunftsstaat wurde jeweils ein Zertifikat über den Universitätsabschluss sowie eine Arbeitsbewilligung in Vorlage gebracht.

Dass die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen gesund sind, basiert auf den gleichbleibenden Angaben der Zweitbeschwerdeführerin. Mit Beschwerde vom 04.07.2025 wurden von der Zweitbeschwerdeführerin Arztbriefe vom 10.05.2024 und 14.04.2025 vorgelegt, wonach am 09.05.2024 und 04.04.2025 eine Saugcurettage infolge einer Missed Abortion durchgeführt wurde. Den Arztbriefen war zu entnehmen, dass die Eingriffe komplikationslos durchgeführt wurden, sich der postoperative Verlauf unauffällig gestaltete und die Zweitbeschwerdeführerin in gutem Allgemeinzustand in die häusliche Pflege entlassen werden konnte. Weiterführende Unterlagen wurden von der Zweitbeschwerdeführerin nicht vorgelegt und gab sie im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 24.09.2025 an, dass es ihr und ihrer Tochter gut gehe und sie gesund seien.

Im Verfahren brachte der Erstbeschwerdeführer übereinstimmend vor, an Diabetes zu leiden. Mit Beweismittelvorlage vom 19.09.2025 legte der Erstbeschwerdeführer zudem ein Konvolut an medizinischen Unterlagen betreffend seiner Diabeteserkrankung vor. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab der Erstbeschwerdeführer an, derzeit das Medikament Metformin Hydrochlorid Glucophage 500 mg einzunehmen. Weiters brachte der Erstbeschwerdeführer im Zuge der Beweismittelvorlage zwei Befunde des Betreuungszentrums Hemayat vom 16.07.2025 und 15.08.2025 in Vorlage, wonach der Erstbeschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide und eine rezidivierende depressive Störung zu beobachten sei.

Die Feststellungen betreffend ihre Ausreise, die Einreise in das Bundesgebiet sowie ihre Asylantragsstellung erschließen sich aus der Zusammenschau der Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Administrativverfahren sowie aus den Eintragungen im Informationsverbundsystem zentrales Fremdenregister. Der Aufenthalt der Beschwerdeführer im österreichischen Bundesgebiet ist durch die Eintragungen im zentralen Melderegister verschriftlicht.

Dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin Deutschkurse besuchten, basiert auf den jeweiligen in Vorlage gebrachten Teilnahme- bzw. Anmeldebestätigungen für die Sprachniveaus A1 bis B1. Die Absolvierung einer Deutschprüfung wurde von den Beschwerdeführern weder behauptet noch mittels entsprechender Unterlagen belegt.

Dass weder der Erstbeschwerdeführer noch die Zweitbeschwerdeführerin einer angemeldeten Erwerbstätigkeit nachgehen, basiert auf den Angaben der Beschwerdeführer und einer Abfrage im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger. Dass die Drittbeschwerdeführerin den Kindergarten besucht, wurde durch die Vorlage einer Anmeldebestätigung glaubhaft gemacht.

Die Teilnahme des Erstbeschwerdeführers an einem zweitägigen Workshop der Ärztekammer XXXX wurde durch Vorlage einer entsprechenden Teilnahmebestätigung belegt.

Die Feststellungen bezüglich der gesellschaftlichen Integrationsmerkmale ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerdeverhandlung. Zwar gab der Erstbeschwerdeführer an, einen Freund namens Günther und schon neue Freunde kennengelernt zu haben, ein verfestigter Freundeskreis konnte davon jedoch nicht abgeleitet werden.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich bzw. erschließt sich auf Grundlage des Alters der Drittbeschwerdeführerin ihre Strafunmündigkeit.

2.2. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:

Der Erstbeschwerdeführer begründete seinen gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen damit, dass er aufgrund seiner Tätigkeit für die „Sudanese Professional Association“ (SPA) massiven Repressionen seitens der Regierung ausgesetzt worden sei. Die Regierung habe in seine wirtschaftlichen Aktivitäten eingegriffen, ihn enteignet, mehrfach festgenommen und bedroht. Er habe Angst um sein Leben und fürchte, im Falle einer Rückkehr inhaftiert zu werden.

Hinsichtlich seiner Tätigkeit für die SPA führte der Erstbeschwerdeführer vor dem erkennenden Gericht aus, dass er mit seinen Firmen seit 2013 eine „sudanesische Hilfsvereinigung“ unterstütze. Seine Firmen seien hauptsächlich in den Gebieten Khartoum-Bahri, Kosti und Marawi tätig geworden. Das Ziel sei gewesen, zu helfen, aber im Geheimen, unter dem Radar der Regierung. Aus verschiedenen Ortschaften habe es Firmen mit demselben Ziel gegeben. Daraus habe sich 2016 der Berufsverband „Sudanese Professional Association“ gegründet und sei unter diesem Schirm gemeinsam agiert worden. Ende 2016 sei der Erstbeschwerdeführer aufgrund seiner Beteiligung an einer Demonstration im Namen der SPA in den Fokus des sudanesischen Übergangsregierungskomitees gelangt. Die damalige Regierung habe ihn aufgrund seiner Beteiligung an den Arbeiten der SPA sofort als Opposition, als ihren Gegner, angesehen. Die SPA – vom Erstbeschwerdeführer vor dem BFA noch als „Volkswiderstandskomitee“ bezeichnet – sei maßgeblich am Sturz des damaligen Präsidenten al-Baschir beteiligt gewesen, woraufhin im Sudan eine Übergangsregierung entstanden sei. Diese sei mittlerweile vom Militär abgelöst worden.

Die Angaben des Erstbeschwerdeführers hinsichtlich der Machtübernahme im Sudan stimmen mit den aktuellen Länderinformationen überein, wonach 2019, nach monatelangen Volksaufständen in allen Bundesstaaten, das autoritär-islamistische Regime endete und der Langzeit-Diktators al-Baschir entmachtet wurde. Nach dem Umsturz übernahm für kurze Zeit der sogenannte militärische Übergangsrat. Im Herbst 2021 eskalierten die politischen Spannungen; die Wirtschafts- und Versorgungskrise verschärfte sich. Am 25.10.2021 putschte das Militär um General Burhan und dessen Stellvertreter General Mohamed Hamdan Dagalo alias Hemeti, unterstützt durch weitere Verbündete, die Übergangsregierung und folgte dem die Verhängung eines Ausnahmezustandes. Kurz darauf wurde die bisherige Regierung aufgelöst und durch einen neuen Rat ersetzt, dessen Mitglieder ausschließlich aus den Reihen der sudanesischen Streitkräfte (Sudanese Armed Forces – SAF) bzw. der paramilitärischen „Rapid Support Forces“ (RSF) stammten. Der Rat wandelte sich von einer Einheitsregierung zu einer Militärjunta. Erneute Spannungen und wesentliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den zwei militärischen Fraktionen SFA und RSF führten Mitte April 2023 zu einer Eskalation der Situation und weitete sich diese zu einem umfassenden militärischen Konflikt bzw. Bürgerkrieg aus (vgl. Punkt 1.3. „Politische Lage“).

Dem Vorbringen, wonach der Erstbeschwerdeführer aufgrund seiner oppositionellen Tätigkeit für die SPA in den Fokus des sudanesischen Übergangsregierungskomitees geraten sei und nunmehr verfolgt bzw. bedroht werde, ist aus der Sicht des erkennenden Gerichtes anhand folgender Ausführungen keine Glaubhaftigkeit beizumessen:

Zunächst ist aus der Sicht des erkennenden Gerichts nicht glaubhaft, dass der Erstbeschwerdeführer aufgrund seiner Teilnahme an einer von der SPA organisierten Demonstration im Jahr 2016 in den Fokus der sudanesischen Regierung geraten sei. Laut den Angaben des Erstbeschwerdeführers habe es sich um eine großangelegte Demonstration gehandelt und hätten dabei „ca. 2500, wenn nicht sogar mehr Menschen“ teilgenommen (Verhandlungsprotokoll, S 7). Der Erstbeschwerdeführer sei im Zuge der Demonstration für die Flyer und Broschüren zuständig gewesen. Auf Nachfrage, gab der Erstbeschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, dass im Sudan zwar regelmäßig Demonstrationen organisiert werden würden, er jedoch nur an der genannten Demonstration im Jahr 2016 teilgenommen habe. Mangels einer exponierten Stellung des Erstbeschwerdeführers scheint es aus der Sicht des erkennenden Gerichts nicht plausibel, dass er aufgrund der einmaligen Demonstrationsteilnahme – vor allem unter Berücksichtigung der hohen Teilnehmerzahl – in das Blickfeld der sudanesischen Regierung geraten ist.

An der Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Erstbeschwerdeführers lässt auch der zeitliche Rahmen der geschilderten Verfolgungshandlungen in Verbindung mit der politischen Lage im Sudan zweifeln.

Nachdem der Erstbeschwerdeführer durch seine Tätigkeit für die SPA und seine Demonstrationsteilnahme im Jahr 2016 in den Fokus der Regierung geraten sei, schilderte der Erstbeschwerdeführer im Laufe des Verfahrens umfangreiche Repressionen, denen er seitens der sudanesischen Regierung ausgesetzt worden sei. Im Rahmen der Erstbefragung am 02.05.2024 brachte der Erstbeschwerdeführer zu seinem Fluchtvorbringen befragt vor, gegen die derzeitige Regierung zu sein. Er sei mehrmals festgenommen worden und sei ihm sein Eigentum ohne die Angabe von Gründen – wahrscheinlich aber, weil er gegen die Regierung gewesen sei – weggenommen worden. Vor der belangten Behörde führte der Erstbeschwerdeführer aus, Probleme mit dem Übergangskomitee zu haben und schilderte daraus resultierende Vorfälle in Form von Bedrohungen, Enteignungen und Festnahmen, welche sich in den Jahren von 2017 bis 2023 abgespielt hätten. Schließlich gab er im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, dass die Probleme mit der Regierung bis in das Jahr 2013 zurückreichen würden und ihn die damalige Regierung als Opposition, als ihren Gegner, angesehen habe, weshalb er festgenommen und misshandelt worden sei, was sich bis in das Jahr 2023 gezogen habe. Zuletzt habe er laut eigener Angaben vor der belangten Behörde am 06.01.2024 einen Anruf eines Verwandten erhalten. Dieser sei Polizist und habe dem Erstbeschwerdeführer von einer Liste erzählt, welche Namen von Personen enthalte, die unter dem Deckmantel des Krieges umgebracht werden sollten. Auf dieser Liste finde sich auch der Name des Erstbeschwerdeführers.

Laut den Angaben des Erstbeschwerdeführers habe er seit 2013 Probleme mit der Regierung und würden diese bis in das Jahr 2024, als der Erstbeschwerdeführer seinen Namen auf einer „Eliminierungsliste“ gefunden habe, reichen. An der Glaubhaftigkeit der vorgebrachten Verfolgungshandlungen, die seitens der sudanesischen Regierung gesetzt worden seien, lässt jedoch die instabile politische Lage im Sudan zweifeln. Seit 2013 kam es laut den Länderfeststellungen und den übereinstimmenden Ausführungen des Erstbeschwerdeführers im Sudan zu mehrfachen Machtverschiebungen. Im Jahr 2019 wurde der langjährige Diktator al-Baschir gestürzt und daraufhin eine Übergangsregierung gegründet. Diese wurde bereits im Herbst 2021 von einem Militärrat abgelöst, welcher nunmehr in eine Militärjunta umgewandelt wurde. Dass der Erstbeschwerdeführer über mehrere Jahre hinweg und ungeachtet der jeweiligen Machthaber von der sudanesischen Regierung verfolgt worden sei, scheint aus der Sicht des erkennenden Gerichts nicht plausibel.

Deutlich werden die Widersprüche in Bezug auf die geschilderten Festnahmen des Erstbeschwerdeführers. Vor der belangten Behörde gab der Erstbeschwerdeführer zunächst an, dass am 08.07.2020 Zivilisten im Auftrag der Übergangsregierung mit der Polizei gekommen seien und seine Firma übernommen hätten. Er sei enteignet und alle Mitarbeiter seien „rausgeschmissen“ worden. Auch sein Auto sei mitgenommen worden. Seine Rechtsberatung habe ihm daraufhin geraten, eine Anzeige zu erstatten. Diese müsse jedoch in Anwesenheit des Erstbeschwerdeführers erfolgen, woraufhin der Erstbeschwerdeführer am 17.08.2020 von den Vereinigten Arabischen Emiraten in den Sudan gereist sei. Am 06.09.2020 suchte er zunächst den Übergangssouveränitätsrat und anschließend die Staatsanwaltschaft (laut Beschwerde handle es sich nicht um die Staatsanwaltschaft, sondern eine untergeordnete Behörde) auf, um die Anzeige zu erstatten. Als er das Gebäude verlassen habe, hätten bereits fünf unbekannte Personen des Übergangsregierungskomitees auf ihn gewartet. Drei von ihnen seien bewaffnet gewesen. Sie hätten mit ihm reden wollen und ihn aufgefordert, mitzukommen. Er sei auf den Rücksitz eines Autos gesetzt und vor den Vorsitzenden des Übergangskomitees gebracht worden. Der Erstbeschwerdeführer sei vom 06.09.2020 bis 15.09.2020 festgehalten worden und es sei ihm vorgeworfen worden, Volksausschüsse zu unterstützen, die die Revolution mit Geld unterstützen würden. Am 20.09.2020 habe der Erstbeschwerdeführer eine weitere Anzeige aufgegeben, da der Akt vom 06.09.2020 verschwunden sei. Im Anschluss sei er am 10.10.2020 in die Vereinigten Arabischen Emirate zurückgekehrt. Trotz der Anzeige sei nichts geschehen, woraufhin seine Rechtsberatung am 21.06.2021 eine Urgenz verschickt habe. Am 18.12.2021 sei der Erstbeschwerdeführer erneut in den Sudan gereist. Am 21.12.2021 sei er dort, vor dem Haus seiner Mutter, von Leuten erwartet worden. Nachdem er aufgefordert worden sei, seine Handys abzugeben, sei er „wieder zu jenem Übergangsregierungskomitee“ gebracht worden (AS 69). Unter Berücksichtigung der aktuellen Länderberichte, wonach die Übergangsregierung bereits zwei Monate zuvor – im Herbst 2021 – gestürzt und vom Militärrat abgelöst worden war, stimmen die Angaben des Erstbeschwerdeführers jedoch nicht mit den damaligen Machtverhältnissen im Sudan überein. Obwohl im Dezember 2021 der Militärrat die Regierungsgeschäfte übernommen hat, schilderte der Erstbeschwerdeführer am 18.12.2021 erneut, von der Übergangsregierung festgenommen und an den selben Ort der ersten Haft gebracht worden zu sein.

Im Rahmen der Beschwerdeschrift änderte der Erstbeschwerdeführer die Aussagen hinsichtlich der damals bestehenden Machtverhältnisse. Demnach habe am 25.10.2021 ein Militärputsch stattgefunden und seien die Positionen in der Justiz neu besetzt worden. Der Erstbeschwerdeführer habe aufgrund dessen gehofft, dass sein Verfahren besser und effizienter geführt werden würde, weshalb er am 18.12.2021 neuerlich in den Sudan gereist sei. Er sei jedoch trotz des Machtwechsels neuerlich festgenommen worden. Obwohl der Erstbeschwerdeführer seine Aussage korrigierte und in der Beschwerde die tatsächlichen zu diesem Zeitpunkt herrschenden Machtverhältnisse wiedergegeben wurden, ist es aus der Sicht des erkennenden Gerichts dennoch nicht glaubhaft, dass er von der sudanesischen Regierung verfolgt bzw. bedroht wurde. So gab der Erstbeschwerdeführer vor dem BFA an, am 15.03.2023 – und nach der zweiten Festnahme – ein weiteres, drittes Mal in den Sudan gereist zu sein. Aus der Sicht des erkennenden Gerichts spricht jedoch die wiederholte Einreise in den Sudan gegen eine Bedrohung bzw. Verfolgung durch die sudanesische Regierung. Vor allem unter Berücksichtigung dessen, dass der Erstbeschwerdeführer laut eigener Angaben im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung über einen unbefristeten Aufenthaltstitel für die Vereinigten Arabischen Emirate verfügt und seinen Hauptwohnsitz bereits 2018 dorthin verlegt habe.

Der Eindruck der mangelnden Glaubhaftigkeit gründet sich auch in der Darstellung der Bedrohungen, insbesondere hinsichtlich der geschilderten Inhaftierungen. Der Erstbeschwerdeführer gab vor dem BFA an, ihm seien im Zuge der Festnahmen die Medikamente verwehrt worden. Zudem sei ihm mehrfach der Toilettengang untersagt worden und er sei geschlagen worden. Obwohl sich der Erstbeschwerdeführer unter Berücksichtigung seiner Angaben zu den drei Festnahmen insgesamt 25 Tage in Haft befunden haben soll, erschöpften sich seine Ausführungen in einer gänzlich allgemein gehaltenen und oberflächlich gestalteten Rahmengeschichte, der jegliche Tiefe und persönlicher Charakter fehlt. Realkriterien, wie sie für Erzählungen von selbst wahrgenommenen Ereignissen typisch sind, wie etwa eine zeitlich und örtlich nähere Einordnung oder auch nur unwesentliche Details oder Nebenumstände oder Empfindungen in dem Moment des gewaltsamen Übergriffs, lassen seine Ausführungen im gegebenen Zusammenhang gänzlich vermissen. So leidet der Erstbeschwerdeführer unter Diabetes, weshalb sich sein Blutzuckerwert abhängig von der jeweiligen Nahrungsaufnahme verändert. Die Lebensmittelversorgung und der gesundheitliche Zustand des Erstbeschwerdeführers wurden jedoch gänzlich ausgespart und dies, obwohl sich der Erstbeschwerdeführer während seiner ersten Festnahme zehn Tage ohne Medikamente in Haft befunden haben soll. Zudem machte er – bis auf seine Festnahme am Flughafen – keine näheren Angaben, wo er sich in Haft befunden habe. Dass der Erstbeschwerdeführer keine genauen Angaben gemacht hat, verwundert, denn nach seiner ersten Freilassung sei ihm sein Auto gebracht worden. Anschließend sei er aufgefordert worden, „wegzugehen“ (AS 67). Wenn er den Ort der Festnahme eigenständig verlassen habe, scheine es schlüssig, dass er genauere Informationen über den Standort oder das Gebäude habe. Doch auch in den Schilderungen hinsichtlich der zweiten Festnahme beschrieb der Erstbeschwerdeführer den Ort der Inhaftierung nicht näher: „Ich war wieder am selben Ort der ersten Haft“ (AS 68). Auch Angaben, wann die angeblichen Verletzungshandlungen gegen ihn vorgenommen wurden und wie sich diese zugetragen hätten, wurden zu keinem Zeitpunkt getroffen. In seinen Darlegungen erschöpft sich der Erstbeschwerdeführer in allgemein gehaltenen Stehsätzen, die geprägt sind von Detailarmut und die nicht darauf schließen lassen, dass hier ein persönliches Erlebnis geschildert wird. Hinzukommt, dass der Erstbeschwerdeführer trotz mehrfacher Inhaftierungen immer wieder in den Sudan zurückkehrte. Selbst bei Wahrunterstellung stellen die Festnahmen für den Erstbeschwerdeführer sohin kein fluchtauslösendes Ereignis dar. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, als dass der Erstbeschwerdeführer bereits im September 2022 – nach seiner zweiten Inhaftierung – nach Österreich reiste. Vor der belangten gab er an: „Ich wollte einfach Stress abbauen. Da die Familie meiner Frau schon hier war, war es ein passender Ort“ (AS 69). Nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Arabischen Emirate reiste der Erstbeschwerdeführer 2023 schließlich ein weiteres Mal in den Sudan.

Bringt der Erstbeschwerdeführer vor, dass er schließlich die Vereinigten Arabischen Emirate verlassen habe, da er einen Anruf eines Verwandten habe, welcher Polizist sei, und sein Name auf einer Liste stehe, auf der Personen stehen würden, welche unter dem Deckmantel des Krieges im Sudan umgebracht werden sollen, ist auch diesem Vorbringen die Glaubhaftigkeit zu versagen. Gegen eine unmittelbar von der sudanesischen Regierung ausgehende Bedrohung bzw. Verfolgung spricht die späte Asylantragstellung der Beschwerdeführer. Die Beschwerdeführer reisten laut der Angaben im Rahmen der Erstbefragung und der Beschwerdeschrift am 12.04.2024 mit einem aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kommenden Flug mit einem Schengen-Visum C in das Bundesgebiet ein. Den Antrag auf internationalen Schutz stellten die Beschwerdeführer jedoch erst am 02.05.2024 – drei Wochen nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet – und nach Ablauf der Gültigkeit ihres Visums.

Im Laufe des Verfahrens brachte der Erstbeschwerdeführer umfangreiche Beweismittel bezüglich seiner unternehmerischen Tätigkeit und der im Sudan ergangenen Enteignung in Vorlage. Wie bereits von der belangten Behörde erkannt wurde, erscheint der Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen Wettbewerb bzw. dem unternehmerischen Verhalten und der politischen Verfolgung jedoch konstruiert. Zwar wurden projektbezogene Dokumente, Zertifikate über die Firmenregistrierung, Mietverträge über Baumaschinen, ein Dokument der Zollbehörde, eine Aufforderung zur Firmenliquidation und Dokumente betreffend einer Enteignung vorgelegt, doch lassen die Dokumente – selbst bei Unterstellung der Echtheit – keine Rückschlüsse zu, ob die Enteignung tatsächlich auf einer politischen Verfolgung gründen und kommt ihnen folglich keine maßgebliche Beweiskraft zu.

Schließlich ist hinsichtlich der in Vorlage gebrachten Beweismittel auch auf die klinisch-physikalische Untersuchung des Betreuungszentrums Hemayat vom 15.08.2025 hinzuweisen, wonach am rechten Schienbein des Erstbeschwerdeführers eine vier Zentimeter lange dunkle und strichförmige Hautverfärbung zu sehen sei und diese gemäß dem Befund von einer körperlichen Misshandlung herrühren könnte. Diesbezüglich ist jedoch auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu verweisen, wonach die Existenz von Narben allein nicht geeignet ist, die Nachvollziehbarkeit eines Fluchtvorbringens zu belegen (vgl. VwGH 03.03.2025, Ra 2025/18/0035, mwN; vgl. ergänzend dazu, dass ein medizinisches Gutachten zwar geeignet sein kann, die Verletzungsursache von vorhandenen Narben zu belegen, jedoch nicht zur Aufklärung der Frage, im Zuge welcher Ereignisse ein Asylwerber die Verletzungen erlitten haben mag, VwGH 18.09.2024, Ra 2024/18/0451, mwN).

Aus dem Gesagten ist es dem Erstbeschwerdeführer somit nicht gelungen, eine aktuelle, gegen seine Person gerichtete Verfolgungsgefahr, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Die Zweibeschwerdeführerin gab vor der belangten Behörde an, sich gemeinsam mit der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin dem Vorbringen und den Fluchtgründen des Erstbeschwerdeführers anzuschließen. Sofern im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung seitens der Zweitbeschwerdeführerin erstmalig die Befürchtung geltend gemacht wurde, dass die Drittbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in den Sudan beschnitten werde, ist anzumerken, dass weibliche Genitalverstümmelung bzw. -beschneidung (FGM/C) im Sudan 2020 kriminalisiert und unter Strafe gestellt wurde (vgl. Punkt 1.3. „Frauen“). Es wird nicht verkannt das FGM/C trotz des Verbotes nach wie vor verbreitet und angewendet wird, jedoch ist notorisch bekannt, dass weibliche Genitalverstümmelung bzw. -beschneidung einem familiären bzw. gesellschaftlichen Druck unterliegt. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde aufgrund dessen im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung befragt, ob sie derartiges zulassen würde. Die Zweitbeschwerdeführerin verneinte dies jedoch ausdrücklich: „Nein, auf keinen Fall“ (Verhandlungsprotokoll, S 12).

2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Richters bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH 04.04.2001, 2000/01/0348, mwN) und erfolgte zuletzt eine Erörterung der aktuellen Länderberichte im Rahmen der mündlichen Verhandlung (vgl. VwGH 06.04.2021, Ra 2020/18/0506, mwN). Ebenso wurden im Rahmen der Beschwerdeverhandlung die EUAA Country Guidance Sudan, der EUAA Sudan – Country Focus vom April 2024 sowie die UN High Commissioner for Refugees (UNHCR), Position on Returns to Sudan, May 2023, https://www.refworld.org/policy/countrypos/unhcr/2023/en/124252, Zugriff am 23.09.2025, eingebracht.

Die Beschwerdeführer und ihre Rechtsvertretung traten diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland zuletzt in der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert entgegen.

Das bloße Aufzeigen von spezifischen Problemlagen im Herkunftsstaat vermag die Glaubwürdigkeit der Länderfeststellungen nicht zu erschüttern. Vielmehr sparen die Länderfeststellungen die im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer vorherrschenden Schwierigkeiten und Probleme nicht nur nicht aus, sondern legen diese ebenfalls offen, sodass diese der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden konnten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge dieser Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.2. dargelegt, konnte der Erstbeschwerdeführer im gegenständlichen Fall keine Gründe glaubhaft machen, die für eine asylrelevante Verfolgung sprächen. Der Erstbeschwerdeführer unterliegt im Sudan keiner Bedrohung oder Verfolgung aufgrund seiner oppositionellen Gesinnung bzw. der Tätigkeit für die „Sudanese Professional Association“.

Obwohl sich die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen im Verfahren dem Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers anschlossen, wurde in der Beschwerdeschrift erstmalig darauf verwiesen, dass im gegenständlichen Fall dennoch die frauenspezifischen Fluchtgründe der Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin aufgrund der Situation von Frauen und Mädchen im Sudan zu berücksichtigen seien.

Gemäß den aktuellen Länderberichten sind gegenwärtig mehr als vier Millionen sudanesische Frauen und Mädchen von sexueller bzw. geschlechtsspezifischer Gewalt bedroht, wobei schon vor Ausbruch der Kämpfe nach UN-Schätzungen mehr als drei Millionen gefährdet waren, auch durch häusliche Gewalt. Seit dem Ausbruch des Konflikts im April 2023 ist sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Sudan endemisch geworden. Mit Stand Ende August 2023 hat das Referat zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (Combating Violence Against Women - CVAW), eine staatliche Stelle, 124 Vergewaltigungsfälle seit Konfliktbeginn dokumentiert, wobei fast alle Fälle von den RSF begangen wurden. Es wird nicht verkannt, dass die tatsächlichen Zahlen der Fälle angesichts der hohen Dunkelziffer bei geschlechtsspezifischer Gewalt höchstwahrscheinlich weitaus höher sind, der Berichtslage ist aber nicht zu entnehmen, dass diese systematisch angewendet wird und jede Frau, die in den Sudan zurückkehrt davon betroffen wäre. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Beschwerdeführerinnen im Falle einer Rückkehr nicht alleine, sondern gemeinsam als Familienbund – mit dem Ehemann bzw. Vater – in den Sudan zurückkehren würden. Schließlich machten die Beschwerdeführerinnen nicht geltend, persönlich jemals davon betroffen gewesen zu sein.

Eine darüberhinausgehende Verfolgung wurde weder von Seiten der Beschwerdeführer behauptet, noch war eine solche für das Bundesverwaltungsgericht erkennbar.

Den Beschwerdeführern ist es damit nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung von maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass den Beschwerdeführern im Herkunftsstaat Sudan keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide):

Gemäß § 8 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Aus den in den Bescheiden zugrunde gelegten Länderinformationen sowie den in der Beschwerdeverhandlung ins Verfahren eingeführten Berichten lässt sich die nach wie vor volatile Lage aufgrund des Kriegs erkennen und stellt sich die Lage im Sudan als derart schlecht dar, dass in den letzten 20 Monaten weite Teile des Landes von wahlloser Gewalt heimgesucht worden sind und sich die konfliktbedingte Gewalt gegen große Teile der Zivilbevölkerung richtet. Rechtswidrige Tötungen von Zivilpersonen und Zerstörungen von zivilem Eigentum, gewaltsame Vertreibungen von Zivilpersonen sowie ethnische Säuberungen stehen an der Tagesordnung. Verschärft wird die Situation zudem durch die akute Ernährungsunsicherheit. Die Bereitstellung humanitärer Hilfe wird in vielen Teilen des Landes u. a. durch Unsicherheit, Plünderungen, schlechte Kommunikationsverbindungen und Bargeldmangel zudem beeinträchtigt. Die Auswirkungen der Kämpfe zwischen den SAF und der RSF wirken sich auf das Land verheerend aus, sowohl humanitär als auch wirtschaftlich. Hinzu kommt, dass der Erstbeschwerdeführer als Diabetiker und die Zweitbeschwerdeführerin als Frau bzw. die Drittbeschwerdeführerin als Minderjährige besonders vulnerabel sind. Von der prekären Sicherheits- und Versorgungslage werden die Beschwerdeführer betroffen sein und können sie sich – übereinstimmend mit den Empfehlungen von UNHCR – nicht in einen anderen Landesteil zurückziehen, da nicht nur ihre Herkunftsregion betroffen ist, sondern sich die Lage im ganzen Land derart volatil und sich schnell ändernd darstellt.

Den UNHCR-Richtlinien ist besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung“) (vgl. etwa VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114, Rn. 9, mwN). Die Verpflichtung zur Beachtung der sowohl vom UNHCR als auch von der EASO herausgegebenen Richtlinien ergibt sich aus dem einschlägigen Unionsrecht (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533, Rn. 21ff). Gemäß Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) sind zwecks angemessener Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz genaue und aktuelle Informationen aus verschiedenen Quellen, wie etwa EASO und UNHCR sowie einschlägigen internationalen Menschrechtsorganisationen, einzuholen, die Aufschluss über die allgemeine Lage insbesondere in den Herkunftsstaaten der Antragsteller geben. Speziell im Zusammenhang mit der Prüfung des internen Schutzes im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) ordnet Art. 8 Abs. 2 dieser Richtlinie an, dass unter anderem bei der Prüfung der Frage, ob die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht, die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, eingeholt werden (vgl. VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0457). Diese Berichte sind vom BFA außer Acht gelassen worden.

UNHCR ist der Ansicht, dass Personen, die vor dem anhaltenden Konflikt im Sudan fliehen, sowie sudanesische Staatsangehörige, die sich außerhalb des Landes befinden und aufgrund des Konflikts nicht dorthin zurückkehren können, wahrscheinlich internationalen Flüchtlingsschutz oder ergänzende Formen des Schutzes, einschließlich subsidiären Schutzes, benötigen. Darüber hinaus können Personen, die vor dem Konflikt im Sudan fliehen oder aufgrund des Konflikts nicht zurückkehren können, auch die Kriterien der GFK für den Flüchtlingsstatus erfüllen.

Da eine individuelle Verfolgung im Sinne der GFK verneint wurde und den Beschwerdeführern daher nicht der Status des Asylberechtigten zukommen kann, war ihm vor dem Hintergrund der UNHCR- und EASO-Empfehlungen aufgrund der instabilen und volatilen Sicherheits- und Versorgungslage im Sudan der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen. Bei einer Rückkehr in den Sudan ist eine Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK maßgeblich wahrscheinlich. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 war gleichzeitig auszusprechen, dass ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen ist.

Mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten verlieren die übrigen Spruchpunkte III. bis VI. ihre Grundlage und waren diese ersatzlos zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im gegenständlichen Fall wurde sich eingehend mit der Asylrelevanz des Fluchtvorbringens – und den individuellen Umständen des Einzelfalles (vgl. VwGH 23.12.2024, Ra 2024/19/0385) – auseinandergesetzt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.