JudikaturBVwG

G316 2317925-2 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
15. Oktober 2025

Spruch

G316 2317925-2/8Z

Teilerkenntnis

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina MUCKENHUBER über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA. Rumänien, vertreten durch RA Dr. Michael-Paul PARUSEL, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.04.2024, Zl. XXXX , betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, zu Recht:

A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Belangte Behörde) vom 10.04.2024 wurde gegen den rumänischen Staatsangehörigen XXXX (im Folgenden: BF) gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 5 Jahren erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III).

Dagegen erhob der BF durch seine Rechtsvertretung am 20.08.2025 die gegenständliche Beschwerde.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 18.09.2025 wurde die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen.

Am 06.10.2025 übermittelte der BF durch seine Rechtsvertretung fristgerecht einen Antrag zur Vorlage der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.

Die gegenständliche Beschwerde und der Vorlageantrag wurden mit dem maßgeblichen Verwaltungsakt am 09.10.2025 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist rumänischer Staatsangehöriger.

Er gibt an, sich seit dem Jahr 2011 im Bundesgebiet aufzuhalten und war von 2011 bis August 2023 im Bundesgebiet gemeldet.

Er verfügt seit 2012 über eine Anmeldebescheinigung als Selbständiger und war von 2011 bis Mai 2023 als Selbständiger im Bundesgebiet versichert.

Der BF hat im Februar 2012 im Bundesgebiet eine rumänische Staatsangehörige geheiratet und lebte mit ihr und den drei gemeinsamen Kindern (geb. 2012, 2013 und 2015) im gemeinsamen Haushalt.

1.2. Am 03.07.2023 wurde die belangte Behörde vom LKA EB XXXX informiert, dass der BF in Verdacht stand, eine Straftat begangen zu haben.

Daraufhin übermittelte die belangte Behörde dem BF an seine damalige Meldeadresse und dem damaligen Rechtsvertreter ein Parteiengehör über die Prüfung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, woraufhin eine Stellungnahme von Seiten des BF erstattet wurde.

1.3. Am 06.07.2023 wurde der BF vom Landesgericht XXXX wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch in der Beteiligungsform als Beitragstäter zu einer Freiheitsstrafe von 2,5 Jahren verurteilt.

Dieses Urteil erwuchs am 04.03.2024 in Rechtskraft.

1.4. Am 11.04.2024 erfolgte eine öffentliche Bekanntmachung des nun angefochtenen Bescheides.

Der BF hatte zu diesem Zeitpunkt keine aufrechte Meldeadresse im Bundesgebiet und war rechtlich nicht vertreten.

Der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 10.04.2024 kam dem nunmehr bevollmächtigten Rechtsvertreter am 23.07.2025 zu.

2. Beweiswürdigung:

Die für die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung maßgeblichen Feststellungen ergeben sich ohne entscheidungsrelevante Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakte der belangten Behörde sowie des Gerichtsakts des BVwG sowie den Angaben des BF in der Beschwerde und dem Vorlageantrag. Weiters wurden aktuelle Auszüge aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und dem Strafregister eingeholt sowie die Sozialversicherungsdaten des BF eingesehen.

Die Feststellungen zur Einleitung des Verfahrens und zur öffentlichen Bekanntmachung können ebenso zweifelsfrei dem vorgelegten Verwaltungsakt entnommen werden. Dass der angefochtene Bescheid am 23.07.2025 dem Rechtsvertreter übermittelt wurde, wurde von diesem in der Beschwerde vorgebracht. Trotz Aufforderung wurde von Seiten der belangten Behörde keine Angabe gemacht, wann der Bescheid vom 10.04.2024 dem Rechtsvertreter tatsächlich übermittelt wurde (OZ 6 und OZ 7), weshalb den Angaben in der Beschwerde zu folgen war.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

§ 8 ZustG, Änderung der Abgabestelle, lautet:

(1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 VwGVG – wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde – mit dem Tag der Zustellung.

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.

Eine Fristversäumnis ist nur möglich, wenn eine ordnungsgemäße Zustellung erfolgt ist (vgl. VwGH 09.05.2023, Ra 2023/09/0049).

Daher ist zunächst zu prüfen, ob bzw. wann der Bescheid der belangten Behörde vom 10.04.2024 dem BF wirksam zugestellt wurde.

Gegenständlich wurde der BF über die Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mit Parteiengehör informiert und er verfügte zum damaligen Zeitpunkt über eine aufrechte Meldeadresse sowie über ein Vertretungsverhältnis.

Da der BF über das gegenständliche Verfahren in Kenntnis war, handelt es sich bei der Aufgabe der Meldeadresse um eine Änderung der Abgabestelle im Sinne des § 8 Abs. 1 ZustG (vgl. VwGH 11.09.2024, Ra 2024/20/0166). Da das damalige Vertretungsverhältnis auch nicht mehr aufrecht war, hätte die belangte Behörde demnach nach § 8 Abs. 2 ZustG vorgehen müssen.

Wenn ein Fall des § 8 ZustG vorliegt, ist § 25 ZustG infolge seiner Subsidiarität zu § 8 ZustG nicht anzuwenden (vgl. VwGH 12.03.2024, Ra 2023/22/0099).

Entgegen der Annahme der belangten Behörde erwies sich die Zustellung des Bescheides vom 10.04.2024 durch öffentliche Bekanntmachung daher als nicht wirksam und erfolgte eine wirksame Zustellung dieses Bescheides erst am 23.07.2025.

Die am 20.08.2025 bei der belangten Behörde eingebrachte Beschwerde erfolgte innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist und galt damit als rechtzeitig.

3.2. Zur Beschwerdevorentscheidung

Die Zurückweisung einer Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ändert nichts daran, dass das Rechtsmittel, über welches das VwG zu entscheiden hat, im Fall eines zulässigen Vorlageantrags nach § 15 VwGVG 2014 die Beschwerde bleibt (vgl. VwGH 17.02.2023, Ro 2023/08/0001).

Ist die Beschwerde zulässig, wurde sie mit der Beschwerdevorentscheidung aber zurückgewiesen, so hat das Verwaltungsgericht inhaltlich über die Beschwerde zu erkennen (und den Ausgangsbescheid zu bestätigen, zu beheben oder abzuändern), wobei seine Entscheidung an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt, ohne dass diese explizit behoben werden muss (VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).

Demnach ist gegenständlich inhaltlich über die Beschwerde zu erkennen und es bedarf keiner expliziten Behebung der vorliegenden Beschwerdevorentscheidung.

3.3. Zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

3.3.1. Vorweg ist festzuhalten, dass Gegenstand der vorliegenden Entscheidung nur jener – trennbare – Spruchteil des mit der Beschwerde angefochtenen Bescheides ist, mit dem gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt wurde, weshalb sich die Prüfung auf jene Teile des Beschwerdevorbringens beschränkt, die sich gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides) richten.

Die Entscheidung in der Hauptsache (dh. konkret gegen die Spruchpunkte I.-II. des angefochtenen Bescheides) ergeht zu einem späteren Zeitpunkt gesondert.

3.3.2. Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

Gemäß Abs. 6 leg. cit. steht ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

Gegenständlich gibt der BF an, seit 2011 im Bundesgebiet zu leben. Er war von 2011 bis 2023 im Bundesgebiet gemeldet und bis 2023 auch als Selbständiger versichert. Zudem verfügt er seit 2012 über eine Anmeldbescheinigung. Weiters bringt er vor, dass seine Ehegattin und die drei gemeinsamen minderjährigen Kinder im Bundesgebiet leben und er mit diesen im gemeinsamen Haushalt lebte.

Auch wenn eine sofortige Ausreise gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG aufgrund der Straffälligkeit grundsätzlich indiziert ist, macht der BF mit seinem Vorbringen ein reales Risiko einer Verletzung von Artikel 8 EMRK geltend. Da im gegenständlichen Fall eine Aufenthaltsdauer von über 10 Jahren im Raum steht, ist bei der Prüfung des Vorbringens im Lichte der höchstgerichtlichen Judikatur zu Artikel 8 EMRK in Verbindung mit dem ergangenen Aufenthaltsverbot ein besonderer Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Weitere Ermittlungen sind daher notwendig, um im gegenständlichen Fall eine Verletzung von Artikel 8 EMRK ausschließen zu können.

Es war daher der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. stattzugeben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuzuerkennen.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und solche sind auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Im Ergebnis war die Revision daher nicht zuzulassen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und solche sind auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Im Ergebnis war die Revision daher nicht zuzulassen.