Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Eder, Hofrätin Mag. Rossmeisel, Hofrätin Mag. I. Zehetner und Hofrat Mag. M. Mayr als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Februar 2024, L512 2285282 1/5Z, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (mitbeteiligte Partei: A K, vertreten durch MMag. Dr. Stephan Vesco, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Taubstummengasse 17/4), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Der Mitbeteiligte, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 20. Mai 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Er wurde am 21. Mai 2023 in der Erstaufnahmestelle Ost untergebracht, reiste in der Folge nach Deutschland und stellte dort am 5. Juni 2023 ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz, der vom deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wegen der Zuständigkeit Österreichs nach der Dublin III Verordnung als unzulässig abgelehnt wurde.
2 Mit Bescheid vom 13. Juni 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz vom 20. Mai 2023 ab, erteilte dem Mitbeteiligten keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei, erkannte einer Beschwerde gegen die Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab und gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise. Dieser Bescheid wurde ohne vorausgehenden Zustellversuch gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG) am 14. Juni 2023 bei der Behörde hinterlegt und dort zur Abholung bereitgehalten. Gegen diesen Bescheid brachte der Mitbeteiligte am 22. Jänner 2024 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Beschwerde ein.
3 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht, ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen, die Beschwerde als unzulässig zurück. Unter einem sprach es aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts habe der Mitbeteiligte nach unrechtmäßiger Einreise in Österreich am 20. Mai 2023 bei Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Danach sei er in ein Polizeianhaltezentrum gebracht worden. Am 21. Mai 2023 habe ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung durchgeführt. Daraufhin sei der Mitbeteiligte in die Erstaufnahmestelle Ost gebracht worden. Am 22. Mai 2023 habe der Mitbeteiligte diese Betreuungsstelle verlassen und sei mit einem Zug nach Deutschland gereist. Der vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochtene Bescheid sei ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der Behörde gemäß § 23 Abs. 1 ZustG hinterlegt (und zur Abholung bereitgehalten) worden.
5 In rechtlicher Hinsicht führt das Bundesverwaltungsgericht aus, die in § 8 Abs. 1 ZustG normierte Mitteilungspflicht beziehe sich auf die Änderung der bisherigen Abgabestelle. Sie setze voraus, dass die Partei während des Verfahrens über eine „Abgabestelle“ im Sinn des § 2 Z 5 (gemeint: Z 4) ZustG, insbesondere über eine Wohnung oder sonstige Unterkunft, verfügt habe. Es sei aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer des Mitbeteiligten in der Erstaufnahmestelle Ost aber nicht von einer Abgabestelle im Sinn des ZustG auszugehen. Eine Hinterlegung gemäß § 23 Abs. 1 ZustG entfalte daher keinerlei Rechtswirkungen, weswegen die Beschwerde des Mitbeteiligten mangels Erlassung eines Bescheids als unzulässig zurückzuweisen sei.
6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, die vom Bundesverwaltungsgericht samt den Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren eingeleitet. Vom Mitbeteiligten wurde eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der er die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragte.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
8 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Erstaufnahmestelle, in der sich der Asylwerber befinde oder die Unterkunft oder jene Betreuungseinrichtung des Bundes, in der der Asylwerber versorgt werde, unabhängig von der „zeitlichen Verfestigung“ als Abgabestelle, auf die § 8 ZustG Anwendung finde, zu qualifizieren sei. Gemäß § 11 (Abs. 1) BFA Verfahrensgesetz (BFA VG) stelle die Erstaufnahmestelle, in der sich ein Asylwerber befinde, eine Abgabestelle nach dem ZustG dar. Das habe das Bundesverwaltungsgericht nicht beachtet.
9 Die Revision erweist sich zur Klärung der Rechtslage als zulässig. Sie ist letztlich auch berechtigt.
10 § 2 Zustellgesetz (ZustG) lautet auszugsweise:
„ Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:
1.
[...]
4. ‚Abgabestelle‘: die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort;
[...]“
11 § 8 ZustG lautet:
„§ 8. (1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.
(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.“
12 § 11 Abs. 1 BFA Verfahrensgesetz (BFA VG) lautet:
„ Zustellungen
§ 11. (1) Die Erstaufnahmestelle, in der sich der Asylwerber befindet oder die Unterkunft oder die Betreuungseinrichtung des Bundes, in der der Asylwerber oder Fremde versorgt wird, sind Abgabestelle für eine persönliche Zustellung nach dem Bundesgesetz über die Zustellung behördlicher Dokumente ZustG, BGBl. Nr. 200/1982. Eine Kontaktstelle gemäß § 19a Abs. 2 Meldegesetz 1991 (MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992, ist in Verfahren vor dem Bundesamt keine Abgabestelle im Sinne des ZustG.“
13 Gemäß § 11 Abs. 1 BFA VG sind die Erstaufnahmestelle, in der sich der Asylwerber befindet oder die Unterkunft oder die Betreuungseinrichtung des Bundes, in der der Asylwerber oder Fremde versorgt wird, Abgabestelle für eine persönliche Zustellung nach dem ZustG.
14 § 11 Abs. 1 BFA VG, der auf § 23 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) und dieser wiederum auf § 24a Abs. 9 Asylgesetz 1997 (AsylG) zurückgeht, war im Wesentlichen bereits in der Stammfassung des BFA VG enthalten. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Fremdenrechtspakets 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (siehe 952 BlgNR XXII. GP, 46 f) wird zu § 23 AsylG 2005 ausgeführt:
„Zustellungen nach diesem Bundesgesetz sind soweit nicht ausdrücklich eine Abweichung normiert wird nach dem Zustellgesetz durchzuführen.
Abs. 1 entspricht der geltenden Rechtslage. Abs. 1 stellt klar, dass die Erstaufnahmestelle und die Unterkunft, in der der Asylwerber versorgt wird, auch Abgabestelle des Asylwerbers sind.“
15 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 (siehe 1803 BlgNR XXIV. GP, 13) wird zu § 11 BFA VG ausgeführt:
„§ 11 entspricht im Wesentlichen dem geltenden § 23 AsylG 2005, § 76 Abs. 4 FPG und § 19 Abs. 6 NAG.
Zustellungen in Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht sind grundsätzlich soweit nicht ausdrücklich eine Abweichung normiert wird nach dem Zustellgesetz durchzuführen.
Abs. 1 stellt klar, dass die Erstaufnahmestelle und die Unterkunft, in der der Asylwerber versorgt wird, auch Abgabestelle des Asylwerbers sind. Eine Kontaktstelle gemäß § 19a Abs. 2 MeldeG ist in asylrechtlichen Verfahren keine Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes ZustellG, BGBl. Nr. 200/1982. Die Praxis hat gezeigt, dass Asylwerber, die über eine Hauptwohnsitzbestätigung gemäß § 19a MeldeG verfügen und die somit nur das Erfordernis haben, die Kontaktstelle bzw. Abgabestelle regelmäßig aufzusuchen, oftmals für das asylrechtliche Verfahren nicht greifbar sind bzw. die Zustellung von Schriftstücken äußerst problematisch bzw. überhaupt nicht möglich ist. Diesen Problemen soll weiterhin entgegengewirkt werden. Die Zustellung ist gegenüber Asylwerbern, die eine Kontaktstelle angegeben haben, durch öffentliche Bekanntmachung (§ 25 ZustellG) sowie durch unmittelbare Ausfolgung (§ 24 ZustellG) und Zustellung am Ort des Antreffens (§ 24a ZustellG) möglich. Siehe dazu auch die Bestimmung des § 13 Abs. 2 BFA VG iVm § 11 Abs. 6 BFA VG, wonach sich Asylwerber, die nur über eine Hauptwohnsitzbestätigung verfügen, in vierzehntägigen Abständen bei der der Kontaktstelle nächstgelegenen Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden haben und Zustellungen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auch anlässlich der Erfüllung dieser Meldeverpflichtung erfolgen können.“
16 Die auf den Revisionsfall anzuwendende Fassung des § 11 Abs. 1 BFA VG wurde mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 FrÄG 2015, BGBl. I Nr. 70/2015, erlassen. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des FrÄG 2015 (siehe 582 BlgNR XXV. GP, 5) erfolgte eine Erweiterung des Wortlautes in § 11 Abs. 1 BFA GV, weil „das Zulassungsverfahren künftig nicht auf die Erstaufnahmestelle beschränkt ist und sich somit Asylwerber im Zulassungsverfahren künftig neben der Erstaufnahmestelle auch in einer Betreuungseinrichtung des Bundes befinden können“.
17 Bereits aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Änderung des Asylgesetzes 1997 (AsylG Novelle 2003), des Bundesbetreuungsgesetzes, des Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundesasylsenat und des Meldegesetzes (BGBl. I Nr. 101/2003) zu § 24a Abs. 9 AsylG (siehe 120 BlgNR XXII. GP, 18) geht hervor, dass die „Erstaufnahmestelle und die Unterkunft, in der der Asylwerber versorgt wird, auch Abgabestelle des Asylwerbers ist“.
18 Es trifft zu, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, welche die Rechtslage vor Inkrafttreten der AsylG Novelle 2003 (vgl. VwGH 27.4.2006, 2005/20/0645, mwN) und des FrÄG 2015 zum Gegenstand hat, es zur Begründung einer „sonstigen Unterkunft“ im Sinn des ZustG in Unterkünften für Asylwerber in Pensionen, Hotels, Heimen und Lagern oder anderen Betreuungsstellen einer gewissen hinsichtlich der Mindestdauer von Umständen des Einzelfalles abhängigen „zeitlichen Verfestigung“ bedarf.
19 Die nunmehr gemäß § 1 BFA VG im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anzuwendende Sonderbestimmung des § 11 Abs. 1 BFA VG zur Zustellung sieht jedoch wie bereits früher § 24a Abs. 9 AsylG für die Qualifikation der dort genannten Unterkünfte als Abgabestelle im Sinn des ZustG eine Mindestaufenthaltsdauer oder eine „zeitliche Verfestigung“ nicht vor. Vielmehr sprechen die dargestellten Erwägungen des Gesetzgebers dafür, dass eine solche gerade nicht beabsichtigt war.
20 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom 27. April 2006, 2005/20/0645, Bezug nehmend auf die von der Rechtsprechung geforderte „zeitliche Verfestigung“ und den für den damaligen Beschwerdefall noch nicht in Geltung gestandenen § 24a Abs. 9 AsylG ausgesprochen, dieser Bestimmung liege offenbar auch die Vorstellung zugrunde, dass die genannten Orte nicht in jedem Fall als „Abgabestelle“ zu qualifizieren seien und es insoweit einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung bedürfe. Eben diese gesetzliche Anordnung wurde evidentermaßen mit dem früheren § 24a AsylG und für den Revisionsfall maßgeblich mit § 11 Abs. 1 BFA VG getroffen.
21 Aus dem in § 11 Abs. 1 BFA VG enthaltenen ausdrücklichen Verweis auf das ZustG ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber im Rahmen jener Verfahren, für die diese Bestimmung maßgeblich ist, sämtliche Bestimmungen des ZustG „für eine persönliche Zustellung“, die auf eine Abgabestelle Bezug nehmen, angewendet wissen wollte. Das gilt dann mithin auch für die Bestimmung des § 8 ZustG. Darauf, ob eine Abgabestelle im Sinn des § 2 Z 4 ZustG vorliegt, kommt es dann für die Anwendung des § 8 ZustG nicht an.
22 Unter „persönlicher Zustellung“ sind in diesem Zusammenhang alle Formen von Zustellungen zu verstehen, die an den Asylwerber selbst und nicht an andere Personen (etwa nicht in einer der in § 11 Abs. 1 BFA VG genannten Einrichtung untergebrachte Zustellbevollmächtigte oder gesetzliche Vertreter) zu erfolgen haben (vgl. etwa § 11 Abs. 2 BFA VG, wonach Ladungen im Zulassungsverfahren nur dem Asylwerber persönlich und nur unter bestimmten Voraussetzungen [auch] einem Rechtsberater zuzustellen sind; ein allfälliger gewillkürter Vertreter, ist [lediglich] vom Rechtsberater über Ladungen und den Stand des Verfahrens schnellstmöglich zu verständigen, wenn der Asylwerber dies wünscht).
23 Auch aus anderen Bestimmungen des AsylG 2005 und des BFA VG ist nicht anderes abzuleiten.
24 Gemäß § 15 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 hat ein Asylwerber dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht, auch nachdem er Österreich, aus welchem Grund auch immer, verlassen hat, seinen Aufenthaltsort und seine Anschrift sowie Änderungen dazu unverzüglich bekannt zu geben. Dass Asylverfahren als primäre Konsequenz des Verstoßes gegen § 15 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 nach § 24 Abs. 2 AsylG 2005 einzustellen sind, wenn sich der Asylwerber dem Verfahren entzogen hat und eine Entscheidung ohne eine allenfalls weitere Einvernahme oder Verhandlung nicht erfolgen kann, steht der Auslegung des § 11 Abs. 1 BFA VG im dargestellten Sinn nicht entgegen, weil auch in diesen Fällen eine nach Maßgabe des § 24 Abs. 3 AsylG 2005 getroffene Entscheidung einer rechtsgültigen Erlassung bedarf, die im Regelfall durch Zustellung einer Ausfertigung der Entscheidung an einen unvertretenen Asylwerber selbst bewirkt wird. Dass sich dessen auch der Gesetzgeber bei Erlassung der hier in Rede stehenden Bestimmungen bewusst war, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht zweifelhaft.
25 Nach § 8 Abs. 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Auch die Aufgabe einer Abgabestelle (selbst bei anschließender Obdachlosigkeit) stellt eine solche Änderung dar. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß § 8 Abs. 2 ZustG, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann (vgl. VwGH 16.1.2024, Ra 2023/19/0385, mwN).
26 Nach dem oben Gesagten war diese Bestimmung aufgrund des § 11 Abs. 1 BFA VG auch auf den hier gegenständlichen Fall anzuwenden.
27 Dass der Mitbeteiligte, der sich nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts tatsächlich wenn auch nur von kurzer Dauer in der genannten Erstaufnahmestelle aufgehalten hat, seiner Verpflichtung, die Änderung der nach § 11 Abs. 1 BFA VG begründeten Abgabestelle der Behörde unverzüglich zur Kenntnis zu bringen, nicht nachgekommen ist, blieb im gesamten Verfahren ohne Widerspruch.
28 Anders als es der Mitbeteiligte begehrt, sieht der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die Bestimmung des § 11 Abs. 1 BFA VG keinen Anlass, an den Verfassungsgerichtshof oder den Gerichtshof der Europäischen Union heranzutreten. Die genannte Bestimmung dient in nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes unbedenklicher Weise der Gewährleistung der geordneten Abführung eines Asylverfahrens und zur Hintanhaltung von rechtsmissbräuchlichem Verhalten von Asylwerbern durch Abwesenheiten von der Erstaufnahmestelle ohne Mitteilung an die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 ZustG.
29 Indem das Bundesverwaltungsgericht unter Außerachtlassung des § 11 Abs. 1 BFA VG das (ursprüngliche) Vorhandensein einer Abgabestelle des Mitbeteiligten verneint und seine Entscheidung mit der Unanwendbarkeit des § 8 ZustG begründet und bereits aus diesem Grund die Voraussetzungen für eine Zustellung durch Hinterlegung und Bereithaltung bei der Behörde nach § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG als nicht gegeben angesehen hat, hat es den angefochtenen Beschluss mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
30 Bei diesem Ergebnis war dem Mitbeteiligten gemäß § 47 Abs. 3 VwGG der beantragte Aufwandersatz für die Erstattung der Revisionsbeantwortung nicht zuzusprechen.
Wien, am 11. September 2024