im namen der republik
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a RIEDLER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die XXXX , gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2023, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 11.08.2022 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am selben Tag fand die Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei machte der Beschwerdeführer Befürchtungen im Hinblick auf einen etwaigen Militärdienst beim ehemaligen syrischen Regime geltend.
3. Am 16.05.2023 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA), in der er Befürchtungen bezogen auf einen etwaigen Militärdienst für das – nunmehr gestürzte – Regime unter Führung von Bashar Al-Assad und die Kurden vorbrachte.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 02.08.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).
5. Gegen die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Asylstatus erhob der Beschwerdeführer fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG).
6. Dem Beschwerdeführer wurde zu den aktuellen Länderberichten Parteiengehör gewährt. Der Beschwerdeführer erstattete eine Stellungnahme.
7. Am 26.08.2025 fand vor dem BVwG in Anwesenheit des Beschwerdeführers, einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch und der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen persönlichen Lebensumständen in Syrien und zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , geboren am XXXX ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum muslim-sunnitischen Glauben. Seine Muttersprache ist Arabisch.
1.1.2. Der Beschwerdeführer ist in XXXX ), eine Ortschaft im Gourvernment XXXX , geboren und ist dort aufgewachsen. Er besuchte dort acht Jahre die Schule und sodann eine Berufsschule für Automechaniker. Er arbeitete etwa drei Jahre in der Werkstätte seines Onkels als Mechaniker.
1.1.3. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat zwei Töchter. In Syrien leben zumindest seine Töchter und seine Frau (diese leben in XXXX ), sowie seine Eltern und sieben Schwestern. Der Beschwerdeführer hat vor seiner Ausreise mit seinen Eltern, seiner Familie und seinen Geschwistern im Haus seines Vaters in XXXX gewohnt.
1.1.4. Der Beschwerdeführer wurde in Syrien nicht festgenommen oder inhaftiert und er hatte auch keine Probleme wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Araber oder wegen seiner Religionszugehörigkeit. Er gehörte und gehört nicht einer politischen Partei an und war auch nicht politisch aktiv.
1.1.5. Der Beschwerdeführer reiste im Mai/Juni 2022 über die Türkei nach Europa aus und stellte am 11.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dem Beschwerdeführer kommt in Österreich der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu.
1.1.6. Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. Der Wohnort des Beschwerdeführers in Syrien, XXXX , liegt in jenem Teil des syrischen Gouvernements XXXX , welcher sich unter der Kontrolle der Kurden befindet.
1.2.2. Für den Beschwerdeführer besteht die Möglichkeit, bei der Verkehrspolizei zu dienen.
1.2.3. Der Beschwerdeführer war aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien keiner Gefahr ausgesetzt.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsland:
1.3.1. Auszug aus den Länderinformationen der Staatendokumentation Syrien aus dem COI-SMS, Version 12, vom 08.05.2025:
Vergleichende Länderkundliche Analyse (VLA) i.S. § 3 Abs. 4a AsylG
Letzte Änderung 08.08.2025
[…]
4. Politische Überzeugung
4.1. Wehrpflicht

4.2. Oppositionelle Gesinnung



[…]
Politische Lage in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische
Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES)
Letzte Änderung 08.05.2025
Die Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (AANES), die von den Kurden häufig als Rojava oder „Westkurdistan“ bezeichnet wird, wurde auf der dritten Konferenz des Syrischen Demokratischen Rates (Syrian Democratic Council - SDC) am 16.7.2018 in ’Ain ’Issa gegründet. Vor der AANES hieß das lokale System Demokratische Föderation Nordsyrien (Democratic Federation of Northern Syria - DFNS), dessen Name 2016 übernommen wurde. Der Generalrat der Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens (AANES) verabschiedete am 13.12.2023 einen Gesellschaftsvertrag, in dem die AANES in Demokratische Autonome Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) umbenannt wurde. Der Gesellschaftsvertrag gilt als de-facto-Verfassung. Im Zuge dieses Vertrags wurden die Verwaltungsgebiete zu einer einzigen Region unter dem Namen Nord- und Ostsyrien zusammengefasst (K24 13.12.2023). Die DAANES ist eine von Kurden angeführte, aber multiethnische Koalition, die sich in den letzten zehn Jahren eine relative Autonomie vom Assad-Regime bewahrt hat. Ihr mächtiger militärischer Flügel, die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF), diente auf ihrem Höhepunkt als wichtiges Bollwerk gegen den Islamischen Staat (IS) und profitiert nach wie vor von der anhaltenden amerikanischen Unterstützung in der Region (MEPC 2025). Die SDF sind die militärische Kraft für die Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien. Die Volksverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Gel - YPG) sind die dominierende Kraft innerhalb der SDF, obwohl es auch Kämpfer aus arabischen, christlichen und anderen Gemeinschaften gibt. Die SDF kontrollieren große Teile Nord- und Nordostsyriens, darunter die Städte ar-Raqqa, al-Hasaka, die Verwaltungshauptstadt Qamishli und Teile der Provinz Deir ez-Zour. Die Türkei betrachtet die SDF als den syrischen Ableger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê - PKK), was die SDF jedoch bestreiten (Al-Monitor 8.12.2024). Die SDF kontrollieren ein Gebiet von mehr als 35.000 Quadratkilometern, was bedeutet, dass sie etwa 18,92 % des syrischen Territoriums kontrollieren (AJ 29.1.2025). Obwohl die DAANES international nicht anerkannt ist, unterhält sie eine enge Arbeitsbeziehung zu den USA, welche die SDF seit Beginn des Krieges gegen den IS unterstützen (K24 13.12.2023; vgl. AJ 29.1.2025).
Der politische Flügel der SDF, der Syrische Demokratische Rat (Syrian Democratic Council - SDC), beglückwünschte das syrische Volk am 8.12.2024 zum Ende des Assad-Regimes und versprach, mit verschiedenen Gruppen im Land zusammenzuarbeiten. In einer Erklärung heißt es: Wir werden mit allen nationalen, kulturellen und gesellschaftlichen Kräften Syriens zusammenarbeiten, indem wir uns am nationalen Dialog beteiligen und unsere Verantwortung wahrnehmen, um ein neues Syrien zu schaffen, das alle seine Bürger einschließt (Al-Monitor 8.12.2024). Nach dem Sturz al-Assads hissten die SDF als Geste gegenüber der neuen Regierung in Damaskus die Revolutions- und Unabhängigkeitsflagge der Rebellengruppen auf ihren Einrichtungen, was von Washington begrüßt wurde (AJ 9.1.2025a). Am 29.12.2024 erklärte ash-Shara’ gegenüber dem Fernsehsender Al Arabiya, dass die SDF in die neue nationale Armee integriert werden sollten. Waffen dürfen nur in den Händen des Staates sein. Wer bewaffnet und qualifiziert ist, um dem Verteidigungsministerium beizutreten, ist bei uns willkommen, sagte er (AJ 31.12.2024a).
Laut dem Vizepräsidenten des Middle East Media Research Institutes zeigen sich die Kurden pragmatisch und werden versuchen, eine Vereinbarung mit den Machthabern zu treffen, die ein gewisses Maß an lokaler Autonomie bewahrt. Zu viel Autonomie wird Ankara verärgern, zu wenig Autonomie wird das Land gespalten halten (MEMRI 9.12.2024). Seit Dezember 2024 verhandelt die SDF mit der Übergangsregierung in Damaskus über ein mögliches Abkommen, das ihre Eingliederung in ein geeintes Syrien vorsieht (FP 20.2.2025). Ahmad ash-Shara’ hat sich am 30.12.2024 mit einer Delegation der SDF, getroffen, um eine Grundlage für einen zukünftigen Dialog zu schaffen. Die Atmosphäre war positiv (Sky News 31.12.2024a). Ein syrischer Politiker sagte, dass die Verhandlungen mit der YPG [gemeint sind vermutlich die SDF; die Quelle ist türkisch Anm.] komplex bleiben, weil die Gruppierung auf Autonomie und mehr Kontrolle über rohstoffreiche Gebiete bestehe (TR-Today 8.1.2025). Umgekehrt soll laut einem Journalisten der türkischen Tageszeitung Hürriyet SDF-Kommandeur Mazloum ’Abdi bei seinem Treffen mit ash-Shara’ angeboten haben, eine kurdische Fraktion in der syrischen Armee zu schaffen und das syrische Öl gleichmäßig zu teilen, was aber ash-Shara’s Regierung ablehnte und betonte, dass es keine andere Lösung als die Übergabe von Waffen gäbe (Akhbar 9.1.2025). ’Abdi bot an, die Ölvorkommen in den von ihm kontrollierten Gebieten an die Zentralverwaltung zu übergeben, vorausgesetzt, der Reichtum wird gerecht auf alle syrischen Provinzen verteilt (Sharq 14.1.2025). Der syrische Verteidigungsminister sagte, dass sie [gemeint sind hier vermutlich die syrischen Behörden Anm.] kein Öl wollen, sondern die Institutionen und die Grenzen (Barrons 22.1.2025). Am 9.1.2025 berichtete Al Jazeera, dass ’Abdi sich mit der neuen syrischen Regierung geeinigt hätte, jegliche Teilungsprojekte, die die Einheit des Landes bedrohen, abzulehnen. (AJ 9.1.2025a; vgl. Arabiya 9.1.2025). ’Abdi sagte am 14.1.2025, dass seine Forderungen nach einer dezentralisierten Verwaltung für die von ihm kontrollierten Gebiete im Nordosten Syriens nicht im Widerspruch zur Einheit des Landes stünden und dass er dies als die beste Option für die syrische Realität betrachte, wobei er darauf hinwies, dass er diese Forderungen der neuen syrischen Regierung bei früheren Konsultationen vorgelegt habe. Die Forderung einer dezentralisierten Verwaltung Nord- und Ostsyriens ist die Hauptforderung der SDF. ’Abdi wies darauf hin, dass es sich bei der von ihm geforderten Dezentralisierung um eine „geografische Dezentralisierung und nicht um eine Dezentralisierung auf nationaler Ebene“ handele und erklärte, dass sie kein eigenes Parlament und keine eigene Regierung fordern (Sharq 14.1.2025). Am 27.1.2025 sagten Quellen, die der neuen Regierung nahestehen, dass diese den SDF ein Angebot gemacht habe, das die Anerkennung der kulturellen Rechte der Kurden und deren Aufnahme in die nächste Verfassung sowie die Öffnung des Weges für Kurden, um in die Sicherheits- und Militäreinrichtungen aufgenommen zu werden, beinhaltet. Die Quellen bestätigten, dass das Angebot auch ein dezentralisiertes Verwaltungssystem umfasst, das den lokalen Räten weitreichende Befugnisse zur Verwaltung der Angelegenheiten der Provinzen einräumt. Denselben Quellen zufolge lehnten die SDF das Angebot jedoch ab und bestanden auf ihren eigenen Bedingungen, zu denen gehören: Beitritt zur syrischen Armee als integrierte Einheit, Beibehaltung ihrer derzeitigen militärischen Einsatzgebiete, Erhalt eines Anteils an den Einnahmen aus den Ölfeldern und -quellen. Die SDF begründen ihre Position mit der Furcht vor einem möglichen türkischen Angriff auf ihre Gebiete und der fehlenden Integration der Gruppierungen der Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) in das syrische Verteidigungsministerium. Die syrische Regierung lehnt ihrerseits die Vorschläge der SDF ab und betont, dass sie die Existenz von Blöcken innerhalb der Armee ablehnt und nicht bereit ist, das Öl-Dossier als politische Verhandlungskarte zu nutzen (AJ 27.1.2025b). In einem grundlegenden Wandel gegenüber der Ära al-Assad hat die Übergangsregierung in Damaskus den Kurden Syriens gleiche Rechte versprochen und angekündigt, Kurdisch zur zweiten Landessprache zu machen. Vertretern der SDF und der autonomen Verwaltung würden außerdem Sitze und Mitgliedschaft in allen Übergangsbehörden Syriens garantiert, darunter ein temporäres Parlament und ein Verfassungsausschuss. Die Einnahmen aus dem syrischen Öl-, Gas- und Agrarsektor würden anteilig in den Nordosten investiert werden. Nach wochenlangen Gesprächen hat die SDF einen Großteil des Abkommens grundsätzlich akzeptiert, wie ein Treffen zwischen der SDF und ihrem politischen Flügel und ihren Regierungsorganen am 17.2.2025 erneut bestätigte. Doch während die Organisation insgeheim schon seit Wochen akzeptiert hat, dass ihre Streitkräfte eines Tages aufgelöst und in die neuen Streitkräfte Syriens integriert werden, besteht das Haupthindernis bei den Gesprächen darin, wie dies geschehen soll. SDF-Anführer ’Abdi hat sich zwar mit allen anderen bewaffneten Gruppierungen in Syrien auf eine mögliche Auflösung geeinigt, fordert jedoch, dass das SDF-Personal ein eigenständiger Block innerhalb der neuen Streitkräfte Syriens bleibt und nur an seinen derzeitigen Standorten im Nordosten stationiert bleibt (FP 20.2.2025). Laut einem Mitglied des politischen Flügels der SDF, dem Demokratischen Rat Syriens (Meclîsa Sûriya Demokratîk - MSD), hat die autonome Verwaltung im Nordosten des Landes einen positiven Schritt unternommen, indem sie sich darauf vorbereitet, Grenzübergänge und offizielle Stellen an den syrischen Staat zu übergeben. Die syrische Übergangsregierung hat noch keine Vorstellung davon, wie die Verwaltung dieser Einrichtungen in Ostsyrien aufgenommen werden soll, daher müssen im Dialog zwischen der syrischen Regierung und der Autonomieverwaltung Ausschüsse auf Bildungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsebene gebildet werden (AJ 22.2.2025).
Am 10.3.2025 unterzeichneten der Anführer der kurdisch dominierten SDF Mazloum ’Abdi und Übergangspräsident Ahmad ash-Shara’ ein Abkommen über die Integration der SDF in die staatlichen Institutionen Syriens. Das Abkommen sieht die Gewährleistung der Rechte aller Syrer auf Vertretung und Beteiligung, einen Waffenstillstand in allen syrischen Gebieten und die Integration aller zivilen und militärischen Institutionen im Nordosten Syriens vor. Das Abkommen sieht auch vor, dass die SDF den syrischen Staat bei der Bekämpfung von Assads Überbleibseln und Drohungen unterstützen und Aufrufe zur Teilung, Hassreden und Versuche, Zwietracht zu säen, zurückweisen werden (Arabiya 11.3.2025). Das Abkommen besteht aus acht Klauseln. Gemeinsame Ausschüsse sollen daran arbeiten, die Umsetzung des Abkommens bis Ende des Jahres abzuschließen (AJ 11.3.2025). Das Abkommen sieht vor, das DAANES-Gebiet unter die volle Kontrolle der syrischen Zentralregierung bringen (AJ 10.3.2025b). Es beinhaltet die Integration der zivilen und militärischen Einrichtungen im Nordosten Syriens in die syrische Staatsverwaltung, einschließlich der Grenzposten, des Flughafens [in Qamishli, Anm.] und der Öl- und Gasfelder, die von den SDF im Nordosten Syriens kontrolliert werden (FR24 10.3.2025). Kurz nach Bekanntgabe der Vereinbarung sagten Quellen gegenüber Al Jazeera, dass sich ein Konvoi des syrischen Verteidigungsministeriums in Abstimmung mit den SDF nach al-Hasaka begeben wird und dass die Kräfte des Verteidigungsministeriums die Gefängnisse von den SDF übernehmen werden (AJ 11.3.2025). Das Wall Street Journal zitierte US-Beamte mit der Aussage, dass US-Militärpersonal zwischen den SDF und den sogenannten Rebellengruppen vermittelt habe. Die Beamten sagten, die Vermittlung schließe auch Gruppierungen ein, die von der Türkei seit dem Sturz des gestürzten Präsidenten Bashar al-Assad unterstützt werden (AJ 11.3.2025). Das Abkommen könnte den Konflikt der SDF mit der benachbarten Türkei und den von der Türkei unterstützten ehemaligen syrischen Rebellengruppen, die mit der Regierung verbündet sind und versuchen, die SDF aus Gebieten nahe der Grenze zu vertreiben, entschärfen (BBC 11.3.2025). Das Abkommen macht keine Angaben darüber, wie die militärischen Einheiten der SDF in das syrische Verteidigungsministerium integriert werden sollen, was bisher ein wesentlicher Knackpunkt in den Gesprächen war. Die Vereinbarung bezieht sich weder auf die Übergabe von Waffen noch auf die Auflösung der von der YPG dominierten militärischen Formation (AJ 11.3.2025). Die Vereinbarung enthält die Bestätigung, dass das kurdische Volk ein integraler Bestandteil Syriens ist und ein Recht auf Staatsbürgerschaft und garantierte verfassungsmäßige Rechte hat (AJ 10.3.2025b), einschließlich der Verwendung und des Unterrichts ihrer Sprache, die unter Assad jahrzehntelang verboten waren (Sky News 10.3.2025). Die Vereinbarung beinhaltet die Gewährleistung der Rechte aller Syrer auf Repräsentation und Beteiligung am politischen Prozess und an allen staatlichen Institutionen, unabhängig von ihrer religiösen und ethnischen Zugehörigkeit (Arabiya 10.3.2025; vgl. AJ 10.3.2025a).
[…]
Anfang März 2025 kam es zeitgleich mit den Massakern an der Küste im Westen Syriens, insbesondere in Deir ez-Zour zu Demonstrationen gegen die SDF. Es wurde einerseits dazu aufgerufen, die Verantwortlichen für die Angriffe in den Küstengebieten zur Rechenschaft zu ziehen, andererseits aber auch gegen die SDF skandiert (AJ 8.3.2025). Mindestens 25 arabische Stämme haben seit dem 14.4.2025 die SDF verurteilt, wahrscheinlich als Reaktion auf die anhaltenden Forderungen der SDF nach einer Dezentralisierung der Kontrolle Damaskus’ im Nordosten Syriens. Die Stämme lehnten das, was sie als „separatistisches Projekt“ bezeichneten, das den mehrheitlich arabischen Gebieten aufgezwungen werde, ab. „Separatistisches Projekt“ ist eine häufig verwendete Bezeichnung für die Bemühungen der SDF, unter der Übergangsregierung die Dezentralisierung und Föderalisierung im Nordosten Syriens zu erreichen. Unbekannte arabische Stammesführer trafen sich kürzlich in der Provinz ar-Raqqa mit den SDF, um deren Aufruf zur Unterstützung nachzukommen. Andere arabische Stammesführer verurteilten diese Treffen und stellten klar, dass die beteiligten Personen nicht die offizielle Position ihrer Stämme vertreten. Stattdessen bekundeten die Stammesführer ihre Unterstützung für die Übergangsregierung in Damaskus. Einige arabische politische Gruppierungen kündigten am 15.4.2025 die Bildung eines neuen Rates an, um sich der Kontrolle der SDF im Nordosten Syriens zu widersetzen und eine einheitliche Front für Verhandlungen mit Damaskus zu bilden (ISW 16.4.2025).
Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 08.05.2025
[Derzeit liegen keine ausreichenden Informationen zum Wehrdienst oder der Rekrutierung bzw. zu Streitkräften der aktuellen syrischen Regierung vor. Im Folgenden wird der aktuelle Stand dargelegt, wie er sich aus öffentlich zugänglichen Quellen ergibt. Teilweise werden Falschinformationen, insbesondere auf Social-Media Kanälen verbreitet, die in weiterer Folge auch Eingang in andere Berichte finden. Die Vorgehensweise der Recherche und Ausarbeitung der vorliegenden Länderinformation entspricht den in der Methodologie der Staatendokumentation festgeschriebenen Standards. Weder wird ein Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Richtigkeit der vorliegenden Informationen erhoben. Weitere Informationen zur vorliegenden Länderinformation finden sich im Kapitel Länderspezifische Anmerkungen.]
Die Syrische Arabische Armee wurde noch von al-Assad vor seiner Flucht nach Mitternacht am 8.12.2024 per Befehl aufgelöst. Die Soldaten sollten ihre Militäruniformen gegen Zivilkleidung tauschen und die Militäreinheiten und Kasernen verlassen (AAA 10.12.2024). Aktivisten des Syrian Observatory for Human Rights (SOHR) in Damaskus haben berichtet, dass Hunderte von Regimesoldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie darüber informiert wurden, dass sie entlassen wurden, da das Assad-Regime gestürzt war (SOHR 8.12.2024). Ca. 2.000 syrische Soldaten sind in den Irak geflohen. Einem Beamten aus dem Irak zufolge sollen 2.150 syrische Militärangehörige, darunter auch hochrangige Offiziere, wie Brigadegeneräle und Zollangestellte, in einem Lager in der Provinz al-Anbar untergebracht sein. Die Mehrheit soll nach Syrien zurückkehren wollen (AlMada 15.12.2024). Syrischen Medien zufolge verhandelte die syrische Übergangsregierung mit der irakischen Regierung über die Rückführung dieser Soldaten (ISW 16.12.2024). Am 19.12.2024 begannen die irakischen Behörden damit, die syrischen Soldaten nach Syrien auszuliefern (TNA 19.12.2024). Die Mehrheit der führenden Soldaten und Sicherheitskräften des Assad-Regimes sollen sich noch auf syrischem Territorium befinden, jedoch außerhalb von Damaskus (Stand 13.12.2024) (AAA 10.12.2024). Nach der Auflösung der ehemaligen Sicherheits- und Militärinstitutionen verloren Hunderttausende ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen – vor allem in den Küstenregionen. Zehntausende wurden auch aus staatlichen und zivilen Einrichtungen entlassen, ohne alternative Einkommens- oder Arbeitsmöglichkeiten. Darüber hinaus wurden Mitgliedern der aufgelösten Armee, Polizei und Sicherheitsdienste Umsiedlungsmaßnahmen aufgezwungen, was zu wachsender Unzufriedenheit und Wut in den Reihen dieser Männer führte (Harmoon 17.3.2025).
Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit (Presse 9.12.2024). HTS-Anführer ash-Shara’ kündigte in einem Facebook-Post an, dass die Wehrpflicht der Armee abgeschafft wird, außer für einige Spezialeinheiten und „für kurze Zeiträume“. Des Weiteren kündigte er an, dass alle Gruppierungen aufgelöst werden sollen und über Waffen nur mehr der Staat verfügen soll (CNBC Ara 15.12.2024a; vgl. MEMRI 16.12.2024). Unklar ist, wie eine Freiwilligenarmee finanziert werden soll (ISW 16.12.2024). Auch die Auflösung der Sicherheitskräfte kündigte ash-Shara’ an (REU 11.12.2024a). In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte ash-Shara’, dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Bereits Tausende von Freiwilligen hätten sich der neuen Armee angeschlossen (Arabiya 10.2.2025a; vgl. AJ 10.2.2025a). Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) wurde eine Amnestie gewährt (REU 11.12.2024b). Ahmed ash-Shara’ hat versprochen, dass die neue Führung die höchsten Ränge des ehemaligen Militärs und der Sicherheitskräfte wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgen wird. Was dies jedoch für die Fußsoldaten des ehemaligen Regimes bedeuten könnte oder wo die diesbezüglichen Grenzen gezogen werden, bleibt unklar (Guardian 13.1.2025). Die neue Übergangsregierung Syriens hat sogenannte „Versöhnungszentren“ eingerichtet, sagte Abu Qasra, neuer syrischer Verteidigungsminister. Diese wurden bereits gut genutzt, auch von hochrangigen Personen, und die Nutzer erhielten vorübergehende Niederlassungskarten. Eine beträchtliche Anzahl habe auch ihre Waffen abgegeben (Al Majalla 24.1.2025). Der Hauptsitz des Geheimdienstes in Damaskus ist jetzt ein „Versöhnungszentrum“, wo die neuen syrischen Behörden diejenigen, die dort gedient haben, auffordern, sich zu stellen und ihre Waffen im Geheimdienstgebäude abzugeben. Im Innenhof warten Menschenschlangen darauf, Zettel zu erhalten, die besagen, dass sie sich offiziell ergeben und mit der neuen Regierung versöhnt haben, während ehemalige Aufständische in neuen Uniformen im Militärstil die abgegebenen Pistolen, Gewehre und Munition untersuchen. Ehemalige Offiziere, die sich für die neue Regierung Syriens als nützlich erweisen könnten, beispielsweise, weil sie Informationen über Personen haben, die international gesucht werden, haben wenig zu befürchten, solange sie kooperieren (Guardian 13.1.2025). In diesen „Versöhnungszentren“ erhielten die Soldaten einen Ausweis mit dem Vermerk „desertiert“. Ihnen wurde mitgeteilt, dass man sie bezüglich ihrer Wiedereingliederung kontaktieren würde (Chatham 10.3.2025). [Weitere Informationen zu „Versöhnungszentren“ finden sich auch in den Kapiteln Rechtsschutz / Justizwesen - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] Die Rolle der übergelaufenen syrischen Armeeoffiziere in der neuen Militärstruktur ist unklar. Während ihr Fachwissen beim Aufbau einer Berufsarmee von unschätzbarem Wert sein könnte, bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich ihrer Marginalisierung innerhalb der neuen Machtstruktur (DNewsEgy 3.2.2025). Unter al-Assad war die Einberufung in die Armee für erwachsene Männer obligatorisch. Wehrpflichtige mussten ihren zivilen Ausweis abgeben und erhielten stattdessen einen Militärausweis. Ohne einen zivilen Ausweis ist es schwierig, einen Job zu finden oder sich frei im Land zu bewegen, was zum Teil erklärt, warum Zehntausende in den „Versöhnungszentren“ in verschiedenen Städten aufgetaucht sind (BBC 29.12.2024). Ehemalige Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter des Assad-Regimes, ca. 4.000 bis 5.000 Männer in Latakia und Tartus, haben sich diesen „Versöhnungsprozessen“ entzogen. Einige von ihnen wurden im Rahmen einer landesweiten Kampagne mit täglichen Suchaktionen und gezielten Razzien gefasst, andere jedoch haben sich zu bewaffnetem Widerstand gegen die Übergangsregierung entschlossen (MEI 13.3.2025).
[…]
Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat gerade erst begonnen. Der neue de-facto-Führer hat versprochen, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte (TR-Today 8.1.2025). Medienberichten zufolge wurden mehrere ausländische islamistische Kämpfer in hohe militärische Positionen berufen. Ash-Shara’ hatte Berichten zufolge außerdem vorgeschlagen, ausländischen Kämpfern und ihren Familien aufgrund ihrer Rolle im Kampf gegen al-Assad die Staatsbürgerschaft zu verleihen (UNSC 7.1.2025).
Syrische Medien berichten, dass die neue Regierung aktiv Personen für die Armee und die Polizei rekrutiert. Damit soll der dringende Bedarf an Kräften gedeckt werden. Neue Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere werden Berichten zufolge durch intensive Programme rekrutiert, die von den traditionellen akademischen und Ausbildungsstandards abweichen. Der Prozess der Vorbereitung von Militär- und Sicherheitskadern wird beschleunigt, um den Bedürfnissen des neuen Staates gerecht zu werden (SCI o.D.). Am 10.2.2025 gab Übergangspräsident ash-Shara’ an, dass sich Tausende von Freiwilligen der neuen Armee angeschlossen haben (Arabiya 10.2.2025a). Viele junge Männer ließen sich einem Bericht des syrischen Fernsehsenders Syria TV zufolge für die neue Armee rekrutieren. Insbesondere seien junge Männer in Idlib in dieser Hinsicht engagiert. Die Rekrutierungsabteilung der neuen syrischen Verwaltung in der Provinz Deir ez-Zour gab bekannt, dass wenige Wochen nach der Übernahme der Kontrolle über die Provinz durch den Staat etwa 1.200 neue Rekruten in ihre Reihen aufgenommen wurden. In den den ländlichen Gebieten von Damaskus treten junge Männer vor allem der Kriminalpolizei bei (Syria TV 21.2.2025). Die Rekrutierungsabteilung von Aleppo teilte am 12.2.2025 mit, dass bis zum 15.2.2025 eine Rekrutierung in die Reihen des Verteidigungsministeriums läuft. Dort ist die Aufnahmebedingung für junge Männer, dass sie zwischen 18 und 22 Jahre alt, ledig und frei von chronischen Krankheiten und Verletzungen sein müssen (Enab 12.2.2025). Das syrische Verteidigungsministerium hat am 17.3.2025 mehrere Rekrutierungszentren im Gouvernement Dara’a in Südsyrien eröffnet (NPA 17.3.2025). Das Innenministerium hat seitdem Rekrutierungszentren in allen von der Regierung kontrollierten Gebieten eröffnet (ISW 16.4.2025). Berichten zufolge verlangt die neue Regierung von neuen Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung (FDD 28.1.2025).
[…]
Wehr- und Reservedienst in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF – Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES)
Letzte Änderung 08.05.2025
[Im vorliegenden Dokument wurde auf die allgemeine Lage nach dem Umbruch am 8.12.2024 fokussiert. Die Lage in von den Kurden dominierten Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF – Demokratische Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) hat sich bisher nicht wesentlich verändert und wurde daher aufgrund zeitlicher, personeller und finanzieller Ressourcen nicht in der gewohnten Tiefe bearbeitet. Für Fragestellungen dazu, bitten wir auf die Vorversion der Länderinformation zurückzugreifen bzw. Uns mittels einer Anfrage zu kontaktieren. Die Einarbeitung aktueller Quellen und Informationen zur Lage in der DAANES wird zeitnah mittels Aktualisierung erfolgen. Weitere Informationen zur vorliegenden Länderinformation finden sich im Kapitel Länderspezifische Anmerkungen.]
Wehrdienst
Der Gesellschaftsvertrag von 2023 regelt in der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) in Abschnitt 5 die Selbstverteidigungspflicht. Artikel 111 besagt, dass Selbstverteidigung eine Garantie und Fortsetzung des Lebens, und basierend auf dem Recht und der Pflicht ist, die Existenz zu verteidigen. Sie erfordert die Einrichtung eines Selbstschutzsystems, das auf dem Bewusstsein der legitimen Selbstverteidigung und der organisierten demokratischen Gesellschaft in Nord- und Ostsyrien beruht. Einerseits gibt es die Community Protection Forces, die für den Schutz Nord- und Ostsyriens und die Gewährleistung des Schutzes von Leben und Eigentum der Bürger vor allen Angriffen und Besatzungen verantwortlich sind. Die Community Protection Forces werden unter Beteiligung aller Bürger organisiert. Selbstverteidigung ist ein Recht und eine Pflicht für jeden Bürger. Es ist die Pflicht organisierter ethnischer und religiöser Gruppen, sich wirksam am Selbstverteidigungssystem zu beteiligen, angefangen bei Stadtvierteln, Dörfern, Städten und allen Wohneinheiten. Anderseits erwähnt Artikel 111 auch die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF). Sie sind die legitimen Verteidigungskräfte in der Demokratischen Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens. Sie nehmen den freiwilligen Beitritt der Söhne und Töchter des Volkes und die Pflicht zur Selbstverteidigung an. Ihre Aktivitäten werden vom Demokratischen Volksrat und der Verteidigungskommission überwacht. Sie organisieren sich autonom innerhalb des Demokratischen Konföderalen Systems Nord- und Ostsyrien und haben die Aufgabe, die DAANES und alle syrischen Gebiete zu verteidigen und sie vor jeglichen potenziellen Angriffen oder Gefahren von außen zu schützen (RIC 14.12.2023). Laut Gesetz Nr. 1 zur Selbstverteidigung gelten Männer mit Vollendung des 18. Lebensjahres als wehrpflichtig und müssen den Selbstverteidigungsdienst bis zum vierzigsten Lebensjahr vollendet haben (Artikel 13). Wehrpflichtig ist jeder männliche Bewohner der Region Nord- und Ostsyrien, der das gesetzliche Alter für die Ausübung des Selbstverteidigungsdienstes erreicht hat, bzw. jeder, der seit mehr als drei Jahren dauerhaft in Nord- und Ostsyrien ansässig ist und die syrische Staatsangehörigkeit besitzt (Artikel 1) (AANES-GC 22.2.2024). Zwei Quellen, die vom Danish Immigration Service (DIS) befragt wurden, äußerten jedoch Zweifel an der konsequenten Einberufung von Personen von außerhalb der DAANES in allen Regionen (DIS 6.2024). Frauen in den von der Autonomen Verwaltung kontrollierten Gebieten können freiwillig Wehrdienst leisten (Enab 22.2.2024). Wladimir van Wilgenburg, Journalist und Autor, und ein Experte für syrische Kurdenhaben noch von keinem Fall gehört, in dem Frauen zwangsweise zur Selbstverteidigung eingezogen wurden (DIS 6.2024).
Das sogenannte Verteidigungsbüro des Exekutivrats der „Demokratischen Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien“ hat die für die Wehrpflicht erforderlichen Geburtsjahrgänge festgelegt, während die Verhaftungskampagnen gegen junge Menschen für die Einberufung in die Reihen der SDF weitergehen. Die Erklärung wurde vom Verteidigungsbüro der Autonomen Verwaltung an alle Verteidigungsbüros in der Region verteilt. Darin steht, dass wer zwischen dem 1.1.1998 und dem 31.12.2005 für den Dienst der Selbstverteidigung wehrpflichtig ist (Shaam 10.1.2024). Bereits vier Tage nach dem Erlass der Richtlinien, in der die Geburtsjahrgänge für die Selbstverteidigungspflicht bekannt gemacht wurden, nahmen die SDF eine Rekrutierungskampagne in al-Hasaka im Juni 2024 wieder auf, nachdem sie im Monat zuvor, am 8.5.2024 die Rekrutierungsprozesse eingestellt hatten (Enab 27.6.2024a). Anfang Juli 2024 wurden beispielsweise 240 Personen in den Provinzen Deir ez-Zour, al-Hasaka und ar-Raqqa gefangen genommen, um sie für den Militärdienst zu rekrutieren (SO 2.7.2024). Die Dienstzeit im Selbstverteidigungsdienst beträgt laut Artikel 2 des Gesetzes Nr. 1 über die Selbstverteidigungspflicht zwölf volle Monate beginnend mit dem Datum der Einschreibung des Wehrpflichtigen (AANESGC 22.2.2024).
2014 wurde die Zwangsrekrutierung von den Volksschutzeinheiten (Yekîneyên Parastina Gel - YPG), einer militärischen Säule der SDF, im Anschluss an das Dohuk-Abkommen, bei dem sich die kurdischen Parteien in der irakischen Stadt Dohuk getroffen hatten, um eine Einigung über die Verwaltung der Region zu erzielen, eingeführt (Enab 22.2.2024).
Araber und Kurden werden laut von ACCORD befragten Experten vor dem Gesetz gleichbehandelt. Fabrice Balanche erklärt jedoch, dass mehr Flexibilität gegenüber Arabern gezeigt werden würde, um einen Aufstand zu vermeiden. Arabische Stammesführer hätten lokal die Macht und würden für bestimmte junge Araber Ausnahmen und Aufschiebungen erwirken. Einem Syrienexperten zufolge seien die speziellen Konsequenzen für Araber von Region zu Region unterschiedlich. Nicht alle von den SDF kontrollierten Gebiete stünden unter derselben Art von Kontrolle. In den vornehmlich arabisch besiedelten Stammesregionen von Deir ez-Zour hätten die SDF beispielsweise nicht die Kapazität, eine direkte Rekrutierung wie in der Provinz al-Hasaka durchzusetzen. Anders als Balanche meint Muhsen Al-Mustafa, Forscher am Omran Center for Strategic Studies, dass arabische Wehrdienstverweigerer bei der Festnahme anders behandelt werden und Beleidigungen und Gewalt ausgesetzt sein könnten (ACCORD 6.9.2023). Quellen des Danish Immigration Service (DIS) zufolge ist DAANES bei der Umsetzung des Gesetzes zur Selbstverteidigung in Gebieten mit überwiegend arabischer Bevölkerung vorsichtig. Ebenso werden Christen in der Praxis nicht der gleichen Durchsetzung des Gesetzes zur Selbstverteidigung unterworfen wie Kurden, so eine weitere Quelle. Daher nehmen christliche Jugendliche in der Regel nicht an der Selbstverteidigungspflicht teil, sondern treten stattdessen für drei Jahre der christlichen Polizeitruppe Sutoro bei. Dieser Dienst befreit sie von der Selbstverteidigungspflicht (DIS 6.2024).
Mehrere Quellen des DIS, darunter ein ehemaliger Rekrut, der seine Wehrpflicht vor zwei Jahren erfüllt hat, berichteten, dass der Selbstverteidigungsdienst mit einem grundlegenden theoretischen und praktischen militärischen Ausbildungsprogramm beginnt. Während des theoretischen Teils erhalten die Wehrpflichtigen Unterricht in allgemeiner Geschichte der Nationalen Streitkräfte sowie in Kultur und Ethik. Sie erhalten auch eine theoretische Einführung in militärische Themen, einschließlich militärischer Begriffe und Waffen. Im praktischen Teil des Ausbildungsprogramms absolvieren die Wehrpflichtigen ein körperliches Training und eine Waffenausbildung. Während der ersten Phase der Grundausbildung haben die Wehrpflichtigen keinen einzigen Tag frei. Nach Abschluss ihrer Ausbildung haben sie acht bis zehn Tage frei, bevor sie in ihren jeweiligen Einheiten und Aufgabenbereichen eingesetzt werden. Anschließend haben die Wehrpflichtigen für den Rest ihres Dienstes alle zehn Tage einen Tag frei. Nach der Ausbildungszeit, die bis zu zwei Monate dauert, werden die Wehrpflichtigen verschiedenen Aufgaben in unterschiedlichen Zentren oder Einheiten zugewiesen, wo sie für den Rest ihres Dienstes tätig sind. Die Ausbildung oder Qualifikationen der Wehrpflichtigen werden bei der Zuweisung ihrer Aufgaben oft berücksichtigt. So werden beispielsweise diejenigen mit einem besseren Bildungshintergrund und besseren Fähigkeiten Aufgaben in Büros oder Einrichtungen zugewiesen, die von ihren Fähigkeiten profitieren könnten. Wehrpflichtige mit niedrigem oder ohne Bildungshintergrund werden oft für Aufgaben im Zusammenhang mit der Bewachung oder dem Schutz öffentlicher Gebäude eingesetzt. Im Allgemeinen werden die Wehrpflichtigen nicht in Kampfsituationen eingesetzt. Es gab jedoch Fälle, in denen die Wehrpflichtigen in Kampfsituationen verwickelt waren, z. B. während der Schlacht um Afrin im Jahr 2018, bei schweren Kämpfen in Deir ez-Zour im Sommer 2023, bei den Kämpfen in Tell Abyad und bei Angriffen des Islamischen Staats (IS) auf das Gefängnis von al-Hasaka (2022), das hauptsächlich von Wehrpflichtigen bewacht wurde (DIS 6.2024).
Aufschub und Befreiung
Die Gesetzgebung erlaubt es Personen, die zur Selbstverteidigung verpflichtet sind, ihren Dienst aufzuschieben oder sich davon befreien zu lassen, je nach ihren individuellen Umständen. Diese Regeln, die unter anderem Ausnahmen aus medizinischen Gründen und Aufschübe für Studierende oder im Ausland lebende Personen vorsehen, werden von der DAANES aufrechterhalten und durchgesetzt. Einer Person, der eine Befreiung oder Entlassung von der Selbstverteidigungspflicht gewährt wurde, wird dies in ihrem Selbstverteidigungsheft vermerkt (DIS 6.2024). Das Gesetz Nr. 1 über die Selbstverteidigungspflicht erlaubt es durch Artikel 16 Studierenden, wenn diese die erforderlichen Unterlagen vorlegen, ihre Einberufung jeweils für ein akademisches Jahr, beginnend mit 15. März jeden Jahres, aufzuschieben (AANES-GC 22.2.2024). Im September 2023 nahm die Selbstverwaltung im Nordosten Syriens Änderungen im Gesetz zur Selbstverteidigung vor. Die Änderungen legen eine bestimmte Altersgrenze für den Aufschub des Studiums fest, und zwar für jede einzelne Ausbildungsstufe. So kann ein Masterstudent den Dienst bis zum Alter von 32 Jahren aufschieben und hat kein Recht auf Aufschub nach diesem Alter, auch wenn er seine Studien oder einen weiteren Studienzweig noch nicht abgeschlossen hat. Ein neuer Artikel Nr. 30 wurde dem Gesetz hinzugefügt, der vorsieht, dass Ärzte und Apotheker, die ihr Studium abgeschlossen haben und sich zum Dienst auf dem Land verpflichten, ihren Wehrdienst um ein volles Jahr aufschieben können, sofern der Antragsteller das 30. Lebensjahr nicht überschritten hat. Bereits im Jahr 2018 wurde das Gesetz geändert, beispielsweise wurde ein Aufschub von Universitätsstudenten, des einzigen Kindes in der Familie, wie von Familien der Gefallenen und derjenigen, die Brüder in den Inneren Sicherheitskräften (Assayish) und der YPG haben (Enab 22.2.2024). Laut Artikel 17 wird Studenten, die einen Studienaufschub erhalten haben und das Alter für die Aufnahme des Studiums noch nicht erreicht haben, wie z. B. Studenten, die einen Studienaufschub erhalten haben, während sie noch 17 Jahre alt waren, dieses Jahr nicht als eines der Aufschubjahre gezählt. (AANES-GC 22.2.2024). Darüber hinaus stellte eine Quelle des Verteidigungsministeriums der DAANES klar, dass Studierende nicht an Bildungseinrichtungen innerhalb der DAANES eingeschrieben sein müssen, um für eine Aussetzung ihrer Selbstverteidigungspflicht infrage zu kommen. Sie können auch an Einrichtungen in von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten oder in den Nachbarländern Syriens, einschließlich der Türkei, des Irak, des Libanon und Jordaniens, eingeschrieben sein (DIS 6.2024).
Gemäß Artikel 25 des Gesetzes Nr. 1 über die Selbstverteidigungspflicht wird Brüdern von Wehrpflichtigen derselben Mutter innerhalb der Selbstverteidigungspflicht, die den Ausbildungskurs abgeschlossen haben, ein Aufschub gewährt. Dieser Aufschub wird zweimal für jeweils sechs Monate gewährt. Artikel 26 regelt administrative Aufschübe. So kann, wer frisch von außerhalb Syriens zurückgekehrt ist, eine Aufschiebung für maximal sechs Monate bekommen. Der einzige Bruder eines Vermissten kann einen Aufschub für zwei Jahre bekommen. Geschwister, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und deren Eltern verstorben oder behindert sind, können ein Jahr aufschieben. Die genannten Aufschübe werden nach einer Überprüfung durch das Zentrum für Selbstverteidigungsaufgaben und der Genehmigung durch die Abteilung für Selbstverteidigungsaufgaben gewährt (AANES-GC 22.2.2024). Personen, die mindestens drei Jahre lang in einer Einrichtung oder Truppe unter dem DAANES gedient haben, können von der Selbstverteidigungspflicht befreit werden. Dies gilt für bezahlte, auf einem Vertrag basierende Dienste in jeder vom DAANES anerkannten Einrichtung, wie z. B. der Verkehrspolizei. Ehemalige Mitglieder der Internen Sicherheitskräfte (Assayish) oder der SDF sind vom Selbstverteidigungsdienst befreit, wenn sie bereits zwischen 2012 und 2015 mindestens zwei Jahre lang bei der Assayish oder der SDF gedient haben. Auch Personen, die derzeit drei bis fünf Jahre lang bei der Assayish oder der SDF dienen, können eine Befreiung beantragen. Junge Männer, die nicht dienen wollen, können alternative Wege in Betracht ziehen, um die Vorschriften des Gesetzes über die Selbstverteidigungspflicht zu erfüllen. Eine Möglichkeit besteht darin, drei Jahre lang bei der Verkehrspolizei zu dienen, wodurch sie sich für eine Befreiung von ihrer Selbstverteidigungspflicht qualifizieren würden (DIS 6.2024).
Von der Pflicht zur Selbstverteidigung befreit sind laut Artikel 29 des Gesetzes Nr. 1 über die Selbstverteidigungspflicht: Kinder und Geschwister von Märtyrern, die offiziell in den Registern der Märtyrer-Familien-Kommission eingetragen sind und eine Bescheinigung über das Märtyrertum besitzen, Personen mit besonderen Bedürfnissen und Patienten mit Krankheiten, die sie an der Ausübung ihrer Pflicht hindern, gemäß den medizinischen Berichten des militärmedizinischen Zentrums und der Genehmigung der Verteidigung in den autonomen und zivilen Verwaltungen, der einzige Sohn von Eltern oder eines Elternteils, unabhängig davon, ob beide leben oder tot sind, ein Findelkind, dessen Abstammung nicht bekannt ist. Alle männlichen Geschwister mit besonderen Bedürfnissen werden gemäß den Berichten des militärmedizinischen Zentrums als das einzige Geschwisterkind behandelt (AANES-GC 22.2.2024). Je nach Art der Erkrankung kann eine Person entweder von der Dienstpflicht befreit oder von ihr zurückgestellt werden. Medizinische Befreiungen werden bei körperlichen und psychischen Erkrankungen gewährt, die die betreffende Person daran hindern, der Selbstverteidigungspflicht nachzukommen. In solchen Fällen wird eine medizinische Untersuchung durchgeführt, um die Dienstfähigkeit der Person festzustellen. Gemäß Artikel 29 des Gesetzes über die Selbstverteidigungspflicht können Personen mit besonderen Bedürfnissen und Patienten mit Krankheiten, die sie an der Erfüllung der Selbstverteidigungspflicht hindern, von der Pflicht befreit werden, wenn sie über einen genehmigten medizinischen Bericht des Militärmedizinischem Zentrums und die Genehmigung der Verteidigungsämter in Verwaltungs- und Zivilabteilungen verfügen. Ein syrischer Universitätsprofessor teilte dem Danish Immigration Service mit, dass die Regeln für medizinische Ausnahmen weiterhin von den DAANES-Behörden umgesetzt und eingehalten werden (DIS 6.2024).
Gemäß Artikel 27 des Gesetzes Nr. 1 über die Selbstverteidigungsdienstpflicht müssen Einwohner und Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis aus allen Ländern mit Ausnahme der Länder, die eine Landgrenze zu Syrien haben, eine jährliche Aufschubgebühr von 400 US-Dollar für jedes Jahr ab Inkrafttreten des Gesetzes zahlen (AANES-GC 22.2.2024). Die Stundung durch Zahlung dieser Gebühr kann insgesamt zweimal in Anspruch genommen werden. Einzelpersonen können sich innerhalb der DAANES frei bewegen, ohne nach Zahlung der Gebühr zur Selbstverteidigung eingezogen zu werden. Einzelpersonen aus den DAANES, die in den Nachbarländern Syriens leben, können eine Stundung aus Bildungsgründen erhalten, z. B. wenn sie an einer Bildungseinrichtung in der Türkei eingeschrieben sind (DIS 6.2024). Gemäß Artikel 36 des Gesetzes Nr. 1 über die Selbstverteidigungsdienstpflicht sind Personen nicht verpflichtet, den Selbstverteidigungsdienst zu leisten, wenn sie eine nicht-syrische Staatsbürgerschaft erhalten (AANES-GC 22.2.2024). Männer in der entsprechenden Altersgruppe, die Syrien verlassen haben, aber nach Überschreitung des Höchstalters für den Dienst zurückkehren, erhalten in der Regel Amnestie. Es kann jedoch eine Geldstrafe von bis zu 300 US-Dollar verhängt werden (DIS 6.2024).
Wehrpflichtverweigerer und Deserteure
Gemäß Artikel 15 des Gesetzes Nr. 1. über die Selbstverteidigungspflicht wird jeder säumige Soldat, der eingezogen wird, bestraft, indem er einen Monat auf das Ende seiner Dienstzeit angerechnet bekommt (AANES-GC 22.2.2024). Dass die Bestrafung mit einem zusätzlichen Monat auch in der Praxis so gehandhabt wird, bestätigten die von der Danish Immigration Service befragten Quellen. Die Namen der Wehrdienstverweigerer werden veröffentlicht und an Checkpoints weitergegeben. Dort wird nach ihnen gesucht, nicht aber in ihren Wohnhäusern (DIS 6.2024). Diejenigen, die auf frischer Tat beim illegalen Überschreiten der Grenze ertappt werden, werden direkt in das Ausbildungszentrum gebracht, um ihre Pflicht zur Selbstverteidigung zu erfüllen, besagt Artikel 28 im Gesetz Nr. 1 zur Selbstverteidigungspflicht (AANES-GC 22.2.2024). Gemäß Quellen des Danish Immigration Service (DIS) werden Wehrdienstverweigerer, wenn sie an Checkpoints aufgegriffen werden, vorübergehend festgenommen und zur Ableistung ihres Dienstes geschickt. Die Familie des Betroffenen wird über seine Festnahme und Einberufung informiert. Den Quellen des DIS waren keine Fälle von Gewalt oder Misshandlung von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren bekannt, die an Kontrollpunkten gefasst wurden. Das Leben ist für diejenigen, die sich der Selbstverteidigungspflicht in den Nationalen Sicherheitskräften entziehen, eine Herausforderung, da viele junge Männer Kontrollpunkte meiden und auf Fluchtmöglichkeiten warten. Quellen berichteten von Entflohenen, die sich jahrelang versteckt hielten. In arabisch dominierten Gebieten kann die Flucht länger andauern, da die Behörden vorsichtig vorgehen, um keine Spannungen zu provozieren, indem sie diejenigen suchen und verhaften, die ihrer Pflicht nicht nachgekommen sind (DIS 6.2024). Al-Mustafa, Forscher am Omran Center for Strategic Studies, schreibt in einer E-Mail an ACCORD vom September 2023, dass alle Wehrdienstverweigerer unter die Bestimmungen des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht fallen würden und dem Gesetz entsprechend behandelt würden. Die Assayish würden den Wohnort von zum Dienst gesuchten Personen durchsuchen, an Checkpoints Rekrutierungslisten überprüfen und die Gesuchten verhaften. Nach dem Gesetz werde jede Person, die dem Dienst fernbleiben, verhaftet und mit einer Verlängerung des Dienstes um einen Monat bestraft. Ein von ACCORD kontaktierter Syrienexperte gibt in einer E-Mail-Auskunft vom August 2023 an, dass die Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften vom Profil des Wehrpflichtigen und der Region, aus der er stamme, abhingen. Je strenger die kurdische Kontrolle, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass Rekruten nicht das Risiko eingehen würden, offen Einwände gegen den Selbstverteidigungsdienst zu zeigen. In al-Hasaka beispielsweise könnten Personen im dienstfähigen Alter verhaftet und zum Dienst gezwungen werden (ACCORD 6.9.2023).
[…]
Familienangehörige von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren werden nicht bestraft. Den Quellen des DIS waren keine Fälle bekannt, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren aufgrund der Wehrdienstverweigerung oder Desertion ihrer Verwandten Schikanen oder anderen Verstößen ausgesetzt waren, selbst in Fällen, in denen der Wehrdienstverweigerer an einem Checkpoint festgenommen wurden (DIS 6.2024).
Die syrischen Streitkräfte – Wehr- und Reservedienst (Stand 3.12.2024)
Letzte Änderung 08.05.2025
In der syrischen Verfassung von 2012 wurde die Wehrpflicht im Artikel 46 festgehalten. Darin stand, dass die Wehrpflicht eine heilige Pflicht ist, die durch Gesetze geregelt wird. Im zweiten Absatz stand, dass die Verteidigung der territorialen Integrität des Heimatlandes und die Wahrung der Staatsgeheimnisse Pflicht eines jeden Bürgers sind (SeG 24.2.2012). Männliche syrische Staatsbürger unterlagen grundsätzlich ab dem Alter von 18 Jahren dem verpflichtenden Wehrdienst für die Dauer von sieben Jahren. Unter 18-Jährige wurden von der syrischen Armee nicht eingezogen (ÖB Damaskus 2023). Im Gesetzesdekret Nr. 30, das 2007 erlassen worden ist, wurde der Wehrdienst gesetzlich geregelt. Die Dauer des Wehrdienstes betrug 24 Monate. Die Wehrpflicht begann am ersten Tag des Monats Jänner des Jahres, in dem der Bürger das achtzehnte Lebensjahr vollendete und endete in dem Jahr, in dem der Wehrpflichtige das zweiundvierzigste Lebensjahr überschritt oder er wurde von der Wehrpflicht befreit (PoS 12.5.2007). Laut Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft in Damaskus betrug die offizielle Wehrdienstzeit 2,5 Jahre. Danach musste man noch Reservedienst leisten. Dieser dauerte seit Ausbruch der Krise im Jahr 2011 oft bis zu sieben oder acht Jahre, sodass viele insgesamt zehn bis zwölf Jahre Wehrdienst leisten mussten (VA der ÖB Damaskus 22.9.2024). Bis vor den Fall des Regimes dauerte die Wehrdienstzeit oft nur mehr 6 oder 6,5 Jahre lang (OrthoPatSYR 22.9.2024).
[…]
Rückkehr – Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 08.05.2025
[Im Folgenden wird der aktuelle Stand dargelegt, wie er sich aus öffentlich zugänglichen Quellen ergibt. Teilweise werden Falschinformationen, insbesondere auf Social-Media Kanälen verbreitet, die in weiterer Folge auch Eingang in andere Berichte finden. Die Vorgehensweise der Recherche und Ausarbeitung der vorliegenden Länderinformation entspricht den in der Methodologie der Staatendokumentation festgeschriebenen Standards. Weder wird ein Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Richtigkeit der vorliegenden Informationen erhoben. Weitere Informationen zur vorliegenden Länderinformation finden sich im Kapitel Länderspezifische Anmerkungen.]
Mit dem Sturz al-Assads kehrten Tausende Syrer aus dem Libanon und der Türkei nach Syrien zurück. Für viele war das Assad-Regime das Haupthindernis für die Rückkehr in ihre Heimat. Die Aufnahmeländer haben diese Begeisterung genutzt, um weitere Rückkehrer zu ermutigen (CSIS 11.12.2024). Zehn Tage nach dem Sturz des syrischen Regimes am 8.12.2024 erklärte die Europäische Union (EU), sie schätze, dass zwischen Januar und Juni 2025 etwa eine Million syrische Flüchtlinge in ihr Land zurückkehren würden. Das wurde durch die Direktorin des Büros des UNHCR für den Nahen Osten und Nordafrika bestätigt. Ahmad ash-Shara’, der Befehlshaber der Militäroperationen in Syrien, der später zum Übergangspräsidenten des Landes wurde, betonte bei einem Treffen mit dem UN-Sondergesandten Geir Pedersen, dass eine seiner ersten Prioritäten darin bestehe, zerstörte Häuser wieder aufzubauen und die Vertriebenen in das letzte Zelt zurückzubringen, während er gleichzeitig sehr wichtige wirtschaftliche Entscheidungen treffe (Almodon 13.2.2025).
Bis August 2024 waren schätzungsweise 34.000 Flüchtlinge zurückgekehrt, aber nach der Invasion Israels im Libanon im Oktober 2024 flohen weitere 350.000 aus dem Libanon zurück nach Syrien, um dem Konflikt zu entkommen. Mit weiteren 125.000 Rückkehrern seit dem Sturz al-Assads Anfang Dezember erreichte die Gesamtzahl der Rückkehrer im Jahr 2024 fast eine halbe Million (FA 11.2.2025). Laut UNOCHA wurden bis 15.12.2024 225.000 Rückkehrer in ganz Syrien registriert. Die Mehrheit ist in die Gouvernements Hama und Aleppo zurückgekehrt. Das bedeutet, dass die Zahl der Menschen, die neu vertrieben wurden, von 1,1 Millionen, wie am 12.12.2024 gemeldet, auf 882.000 Menschen am 15.12.2024 gesunken ist. Von dieser Zahl wurden mindestens 150.000 Menschen mehr als einmal vertrieben. Viele Familien sind in frühere Lager in ihren Herkunftsgebieten zurückgekehrt, weil es in ihren Heimatstädten an grundlegenden Versorgungsleistungen mangelt oder die Infrastruktur beschädigt ist. Einige Familien gaben auch an, dass sie auf die Räumung von Kampfmittelrückständen in ihren Herkunftsgebieten warten, bevor sie zurückkehren (UNOCHA 16.12.2024). UNHCR schätzt, dass von 8.12.2024 bis 2.1.2025 über 115.000 Syrer nach Syrien zurückgekehrt sind, basierend auf öffentlichen Erklärungen von Aufnahmeländern, Kontakten mit Einwanderungsbehörden in Syrien und dem UNHCR sowie der Grenzüberwachung durch Partner (UNHCR 2.1.2025). Insgesamt sind nach Angaben des UNHCR 800.000 vertriebene Syrer in ihre Heimat zurückgekehrt, darunter 600.000 Binnenvertriebene (Internal Displaced Persons - IDPs) (Stand 31.1.2025) (AlHurra 31.1.2025). Die Zahl der Personen, die in das Gouvernement Aleppo zurückkehren, ist am höchsten, wobei die Rückkehrer die verbesserte Sicherheitslage und die Abschaffung des Wehrdienstes als Hauptgründe für ihre Rückkehr nennen (UNHCR 2.1.2025). Grundsätzlich verzeichnen die UN einen Anstieg an rückkehrwilligen Syrern, die im Nahen Osten leben. Fast 30 % geben an, in ihre Heimat zurückzuwollen. Als großes Hindernis für die Rückkehr sieht UNHCR-Chef Grandi die Sanktionen (Zeit Online 26.1.2025). Die syrischen Behörden gaben an, dass innerhalb von zwei Monaten nach der Befreiung Syriens 100.905 Bürger über die Grenzübergänge der Türkei zurückgekehrt sind. Der Grenzübergang Jdaydat Yabous/ Masna’ zum Libanon fertigte in zwei Monaten 627.287 Reisende ab, darunter 339.018 syrische Staatsbürger und arabische und ausländische Gäste, und 288.269 Ausreisende. Im gleichen Zeitraum wurden am Grenzübergang Nassib/ al-Jaber zu Jordanien 174.241 Passagiere syrischer Staatsbürger und arabischer und ausländischer Gäste abgefertigt, davon 109.837 bei der Einreise und 64.404 bei der Ausreise. Am Grenzübergang al-Bu Kamal/ al-Qa’im wurden 5.460 syrische Staatsbürger abgefertigt, die im Irak leben und zurückkehren, um sich dauerhaft in Syrien niederzulassen (Nashra 11.2.2025). Bei den Angaben zu Rückkehrern sind die zuständigen Behörden und Forschungszentren nicht in der Lage festzustellen, ob diese Menschen lediglich zurückgekehrt sind, um ihre Familien zu besuchen und zu treffen, oder ob sie freiwillig und dauerhaft zurückgekehrt sind (Almodon 13.2.2025).
[…].“
1.3.2. Auszug aus den Länderinformationen der Staatendokumentation Syrien aus dem COI-SMS, Version 11, vom 27. März 2024, Version 11, auf die die Version 12 verweist:
„Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien
Letzte Änderung 27.03.2024
[…]
Wehrpflichtgesetz der "Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien"
Auch aus den nicht vom Regime kontrollierten Gebieten Syriens gibt es Berichte über Zwangsrekrutierungen. Im Nordosten des Landes hat die von der kurdischen Partei PYD [Partiya Yekîtiya Demokrat, Partei der Demokratischen Union] dominierte "Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien" [Autonomous Administration of North and East Syria, AANES] 2014 ein Wehrpflichtgesetz verabschiedet, welches vorsah, dass jede Familie einen "Freiwilligen" im Alter zwischen 18 und 40 Jahren stellen muss, der für den Zeitraum von sechs Monaten bis zu einem Jahr in den YPG [Yekîneyên Parastina Gel, Volksverteidigungseinheiten] dient (AA 2.2.2024). Im Juni 2019 ratifizierte die AANES ein Gesetz zur "Selbstverteidigungspflicht", das den verpflichtenden Militärdienst regelt, den Männer über 18 Jahren im Gebiet der AANES ableisten müssen (EB 15.8.2022; vgl. DIS 6.2022). Am 4.9.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Selbstverteidigungspflicht auf Männer beschränkt, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Gleichzeitig wurden die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit (ANHA, 4.9.2021). Der Altersrahmen für den Einzug zum Wehrdienst ist nun in allen betreffenden Gebieten derselbe, während er zuvor je nach Gebiet variierte. So kam es in der Vergangenheit zu Verwirrung, wer wehrpflichtig war (DIS 6.2022). Mit Stand September 2023 war das Dekret noch immer in Kraft (ACCORD 7.9.2023).
Die Wehrpflicht gilt in allen Gebieten unter der Kontrolle der AANES, auch wenn es Gebiete gibt, in denen die Wehrpflicht nach Protesten zeitweise ausgesetzt wurde [Anm.: Siehe weiter unten]. Es ist unklar, ob die Wehrpflicht auch für Personen aus Afrin gilt, das sich nicht mehr unter der Kontrolle der "Selbstverwaltung" befindet. Vom Danish Immigration Service (DIS) befragte Quellen machten hierzu unterschiedliche Angaben. Die Wehrpflicht gilt nicht für Personen, die in anderen Gebieten als den AANES wohnen oder aus diesen stammen. Sollten diese Personen jedoch seit mehr als fünf Jahren in den AANES wohnen, würde das Gesetz auch für sie gelten. Wenn jemand in seinem Ausweis als aus Hasakah stammend eingetragen ist, aber sein ganzes Leben lang z.B. in Damaskus gelebt hat, würde er von der "Selbsverwaltung" als aus den AANES stammend betrachtet werden und er müsste die "Selbstverteidigungspflicht" erfüllen. Alle ethnischen Gruppen und auch staatenlose Kurden (Ajanib und Maktoumin) sind zum Wehrdienst verpflichtet. Araber wurden ursprünglich nicht zur "Selbstverteidigungspflicht" eingezogen, dies hat sich allerdings seit 2020 nach und nach geändert (DIS 6.2022; vgl. NMFA 8.2023).
Ursprünglich betrug die Länge des Wehrdiensts sechs Monate, sie wurde aber im Jänner 2016 auf neun Monate verlängert (DIS 6.2022). Artikel zwei des Gesetzes über die "Selbstverteidigungspflicht" vom Juni 2019 sieht eine Dauer von zwölf Monaten vor (RIC 10.6.2020). Aktuell beträgt die Dauer ein Jahr und im Allgemeinen werden die Männer nach einem Jahr aus dem Dienst entlassen. In Situationen höherer Gewalt kann die Dauer des Wehrdiensts verlängert werden, was je nach Gebiet entschieden wird. Beispielsweise wurde der Wehrdienst 2018 aufgrund der Lage in Baghouz um einen Monat verlängert. In Afrin wurde der Wehrdienst zu drei Gelegenheiten in den Jahren 2016 und 2017 um je zwei Monate ausgeweitet. Die Vertretung der "Selbstverwaltung" gab ebenfalls an, dass der Wehrdienst in manchen Fällen um einige Monate verlängert wurde. Wehrdienstverweigerer können zudem mit der Ableistung eines zusätzlichen Wehrdienstmonats bestraft werden (DIS 6.2022).
[…]
Einsatzgebiet von Wehrpflichtigen
Die Selbstverteidigungseinheiten [Hêzên Xweparastinê, HXP] sind eine von den SDF separate Streitkraft, die vom Demokratischen Rat Syriens (Syrian Democratic Council, SDC) verwaltet wird und über eigene Militärkommandanten verfügt. Die SDF weisen den HXP allerdings Aufgaben zu und bestimmen, wo diese eingesetzt werden sollen. Die HXP gelten als Hilfseinheit der SDF. In den HXP dienen Wehrpflichtige wie auch Freiwillige, wobei die Wehrpflichtigen ein symbolisches Gehalt erhalten. Die Rekrutierung von Männern und Frauen in die SDF erfolgt dagegen freiwillig (DIS 6.2022).
Die Einsätze der Rekruten im Rahmen der "Selbsverteidigungspflicht" erfolgen normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz (z.B. Bewachung von Gefängnissen wie auch jenes in al-Hasakah, wo es im Jänner 2022 zu dem Befreiungsversuch des sogenannten Islamischen Staats (IS) mit Kampfhandlungen kam). Eine Versetzung an die Front erfolgt fallweise auf eigenen Wunsch, ansonsten werden die Rekruten bei Konfliktbedarf an die Front verlegt, wie z. B. bei den Kämpfen gegen den IS 2016 und 2017 in Raqqa (DIS 6.2022).
Rekrutierungspraxis
Die Aufrufe für die "Selbstverteidigungspflicht" erfolgen jährlich durch die Medien, wo verkündet wird, welche Altersgruppe von Männern eingezogen wird. Es gibt keine individuellen Verständigungen an die Wehrpflichtigen an ihrem Wohnsitz. Die Wehrpflichtigen erhalten dann beim "Büro für Selbstverteidigungspflicht" ein Buch, in welchem ihr Status bezüglich Ableistung des Wehrdiensts dokumentiert wird - z. B. die erfolgte Ableistung oder Ausnahme von der Ableistung. Es ist das einzige Dokument, das im Zusammenhang mit der Selbstverteidigungspflicht ausgestellt wird (DIS 6.2022). Das Wehrpflichtgesetz von 2014 wird laut verschiedenen Menschenrechtsorganisationen mit Gewalt durchgesetzt. Berichten zufolge kommt es auch zu Zwangsrekrutierungen von Jungen und Mädchen (AA 2.2.2024).
Wehrdienstverweigerung und Desertion
Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Checkpoints und auch zu Ausforschungen (ÖB Damaskus 12.2022). Die Selbstverwaltung informiert einen sich dem Wehrdienst Entziehenden zweimal bezüglich der Einberufungspflicht durch ein Schreiben an seinen Wohnsitz, und wenn er sich nicht zur Ableistung einfindet, sucht ihn die "Militärpolizei" unter seiner Adresse. Die meisten sich der "Wehrpflicht" entziehenden Männer werden jedoch an Checkpoints ausfindig gemacht (DIS 6.2022).
Die Sanktionen für die Wehrdienstverweigerung ähneln denen im von der Regierung kontrollierten Teil (ÖB Damaskus 12.2022). Laut verschiedener Menschenrechtsorganisationen wird das "Selbstverteidigungspflichtgesetz" auch mit Gewalt durchgesetzt (AA 2.2.2024), während der DIS nur davon berichtet, dass Wehrpflichtige, welche versuchen, dem Militärdienst zu entgehen, laut Gesetz durch die Verlängerung der "Wehrpflicht" um einen Monat bestraft würden - zwei Quellen zufolge auch in Verbindung mit vorhergehender Haft "für eine Zeitspanne". Dabei soll es sich oft um ein bis zwei Wochen handeln, um einen Einsatzort für die Betreffenden zu finden (DIS 6.2022). Ähnliches berichteten ein von ACCORD befragter Experte, demzufolge alle Wehrdienstverweigerer nach dem Gesetz der Selbstverteidigungspflicht gleich behandelt würden. Die kurdischen Sicherheitsbehörden namens Assayish würden den Wohnort der für die Wehrpflicht gesuchten Personen durchsuchen, an Checkpoints Rekrutierungslisten überprüfen und die Gesuchten verhaften. Nach dem Gesetz werde jede Person, die dem Dienst fernbleibe, verhaftet und mit einer Verlängerung des Dienstes um einen Monat bestraft (ACCORD 6.9.2023). Die ÖB Damaskus erwähnt auch Haftstrafen zusätzlich zur [Anm.: nicht näher spezifizierten] Verlängerung des Wehrdiensts. Hingegen dürften die Autonomiebehörden eine Verweigerung nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen (ÖB Damaskus 12.2022). Einem von ACCORD befragten Syrienexperten zufolge hängen die Konsequenzen für die Wehrdienstverweigerung vom Profil des Wehrpflichtigen ab sowie von der Region, aus der er stammt. In al-Hasakah beispielsweise könnten Personen im wehrpflichtigen Alter zwangsrekrutiert und zum Dienst gezwungen werden. Insbesondere bei der Handhabung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht gegenüber Arabern in der AANES gehen die Meinungen der Experten auseinander. Grundsätzlich gilt die Pflicht für Araber gleichermaßen, aber einem Experten zufolge könne die Behandlung je nach Region und Zugriffsmöglichkeit der SDF variieren und wäre aufgrund der starken Stammespositionen oft weniger harsch als gegenüber Kurden. Ein anderer Experte wiederum berichtet von Beleidigungen und Gewalt gegenüber arabischen Wehrdienstverweigerern (ACCORD 6.9.2023).
[…]
Eine Möglichkeit zur Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen besteht nicht (DIS 6.2022; vgl. EB 12.7.2019).
Aufschub des Wehrdienstes
Das Gesetz enthält Bestimmungen, die es Personen, die zur Ableistung der "Selbstverteidigungspflicht" verpflichtet sind, ermöglichen, ihren Dienst aufzuschieben oder von der Pflicht zu befreien, je nach den individuellen Umständen. Manche Ausnahmen vom "Wehrdienst" sind temporär und kostenpflichtig. Frühere Befreiungen für Mitarbeiter des Gesundheitsbereichs und von NGOs sowie von Lehrern gelten nicht mehr (DIS 6.2022). Es wurden auch mehrere Fälle von willkürlichen Verhaftungen zum Zwecke der Rekrutierung dokumentiert, obwohl die Wehrpflicht aufgrund der Ausbildung aufgeschoben wurde oder einige Jugendliche aus medizinischen oder anderen Gründen vom Wehrdienst befreit wurden (EB 12.7.2019). Im Ausland (Ausnahme: Türkei und Irak) lebende, unter die "Selbstverteidigungspflicht" fallende Männer können gegen eine Befreiungsgebühr für kurzfristige Besuche zurückkehren, ohne den "Wehrdienst" antreten zu müssen, wobei zusätzliche Bedingungen eine Rolle spielen, ob dies möglich ist (DIS 6.2022).
[…].“
1.3.3. Auszug aus dem Interim Country Guidance: Syria, Common analysis and guidance note, Based on information up to 11 March 2025, vom Juni 2025:
„Persons perceived to have opposed the Assad regime
[…]
This profile covers the post-Assad situation of persons who were perceived by the Assad regime to oppose it. The Assad regime viewed as political dissent the activities of wide categories of individuals, including members of anti-government armed groups, protesters, political activists and opposition party members. Individuals from former opposition-held areas or civilians from recaptured areas were also treated with a high level of suspicion.
[…]
Political activists, Assad-opposition party members, protesters, and civilians originating from areas associated with opposition by the Assad regime
Individuals under this sub-profile had been subjected to persecution by the Assad regime (e.g. detention, torture, killing). As mentioned above, the risk related to the Assad regime has vanished.
Nevertheless, depending on the topics they advocate for, some political activists and protesters could potentially be seen as critical by the Transitional Administration and/or other actors such as the SDF [see for example Country Focus 2025, 4.3].“
Persons who evaded or deserted military service
[…]
Draft evaders
Individuals under this sub-profile had been subjected to persecution by the Assad regime (see ‘EUAA, '4.2.2. Draft evaders' in Country Guidance: Syria, April 2024’). As mentioned above, the risk related to the Assad regime has vanished.
The Transitional Administration ended mandatory military conscription, except in situations of national emergencies. The Syrian army is said to become an army of volunteers in which the population will be encouraged to participate, with the aim to secure the country’s borders. However, potential conscription campaign in case of national emergencies might happen.
While no sources reported on conscription by the Transitional Administration, it has to be noted that conscription itself, which is a legitimate right of a state, would in general not meet the requirements of Article 9 QD/QR.
Draft evaders would in general not have a well-founded fear of persecution.
Persons perceived to be opposing the SDF/YPG
This profile refers to different groups perceived by the SDF/YPG as opposing them. It includes, in particular, political opponents and supporters of opposition parties, persons with perceived links to ISIL, Arabs and Christians in areas controlled by the SDF, and persons associated with Türkiye and/or the SNA.
[…]
Persons perceived to be opposing the SDF/YPG had been subjected to persecution (e.g. enforced disappearance, torture, arbitrary arrest) by the Syrian Democratic Forces (SDF which are still present and operating and there is no information available indicating that their approach towards persons perceived to be opposing them has changed.
Recent information also indicates that the SDF/YPG has been facing dissent from some Arab tribal factions in Deir E-Zor. Dozens of suspected Assad loyalists, National Defence Forces (NDF) militiamen and Sheikh Ibrahim al-Hafel supporters were arrested by the SDF. In the context of these clashes, several civilians were killed or injured in encounters with the SDF and Asayish fighters. The SDF also raided and shelled villages. Additionally, several civilians were injured as the SDF shot at young men in the aftermath of attacks against them. The SDF also reportedly shot at protesters demanding their withdrawal.
Therefore, the assessment of the international protection needs of persons perceived to be opposing the SDF/YPG in ‘EUAA, Country Guidance: Syria, April 2024’ would largely remain valid. More specifically:
‘Acts reported to be committed against individuals under this profile are of such severe nature that they amount to persecution (e.g. enforced disappearance, torture, arbitrary arrest). When the acts in question are (solely) discriminatory measures, the individual assessment of whether discrimination could amount to persecution should take into account the severity and/or repetitiveness of the acts or whether they occur as an accumulation of various measures.
The individual assessment of whether there is a reasonable degree of likelihood for the applicant to face persecution should take into account risk-impacting circumstances, such as: regional specifics (who is in control of the home area of the applicant, if the applicant was located in any of the IDP camps), the nature of activities and the degree of involvement in activities perceived by the SDF/YPG as opposition, perceived affiliation with ISIL (see ‘Persons with perceived links to ISIL’) or with Turkish-backed forces, being known to the Kurdish authorities (e.g. previous arrest), etc. For further information on how these circumstances impact the risk, refer to the COI summary in ‘EUAA, '4.5. Persons perceived to be opposing the SDF/YPG' in Country Guidance: Syria, April 2024’.
Where well-founded fear of persecution is substantiated for an applicant under this profile, this is highly likely to be for reasons of (imputed) political opinion.’
Persons fearing forced or child recruitment of Kurdish forces
[…]
At the time of writing, the practical implementation of the agreement signed between SDF leaders and the Transitional Administration is not known yet (see Syrian Democratic Forces (SDF). As a consequence, Kurdish forces are still to be considered autonomous until new information substantiating their integration in the new Syrian military is available.
For further information about the topic of recruitment by Kurdish forces, please refer to ‘Duty of Self-Defence’ and forced recruitment’ and to ‘Child recruitment’, both under ‘EUAA, '4.6. Persons fearing forced or child recruitment by Kurdish forces' in Country Guidance: Syria, April 2024’.
Instances of recruitment of children have continued to be reported, including by the SDF and by the Revolutionary Youth Movement in north-eastern Syria.
Therefore, the assessment of the international protection needs of persons fearing forced or child recruitment by Kurdish forces in ‘EUAA, Country Guidance: Syria, April 2024’ would largely remain valid. More specifically:
‘The SDF are non-State armed forces, therefore, non-voluntary recruitment by the SDF/YPG, even if imposed under the ‘Duty of Self-Defence’, is considered as forced recruitment. Forced recruitment and child recruitment are of such severe nature that they would amount to persecution.
The individual assessment of whether there is a reasonable degree of likelihood for the applicant to face persecution should take into account risk-impacting circumstances, such as: gender in the case of adults, falling within an exception ground, ethno-religious background (Christians vs Kurds), living in an IDP situation, age, economic situation (refer to Children), etc. For further information on how these circumstances impact the risk, refer to the COI summary in ‘EUAA, '4.6. Persons fearing forced or child recruitment by Kurdish forces' in Country Guidance: Syria, April 2024’.
For men of recruitment age, note that in Syria a general military draft no longer exists (see also ‘Draft evaders’). While the risk of forced recruitment as such may not generally imply a nexus to a reason for persecution, the consequences of refusal, could, depending on individual circumstances, substantiate such a nexus, among other reasons, to (imputed) political opinion. In the case of child recruitment, the individual circumstances of the applicant need to be taken into account to determine whether a nexus to a reason for persecution can be substantiated. For example, in the case of children who refuse to join the Kurdish forces, persecution may be for reasons of (imputed) political opinion.’“
1.3.4. Auszug aus dem EUAA Bericht Syria, vom April 2024, auf den der Interim Country Guidance vom Juni 2025 (siehe Punkt 1.3.3.) verweist:
„4.5. Persons perceived to be opposing the SDF/YPG
This profile refers to different groups perceived by the SDF/YPG as opposing them. It includes, in particular, political opponents, persons with perceived links to ISIL (see also 4.3.), and persons associated with Türkiye and/or the SNA. In addition, it addresses the situation of Arabs and Christians in Kurdish-controlled areas.
[…]
Arabs and Christians in areas controlled by SDF
[Main COI reference: Targeting 2022, 5.1, pp. 58-60, 5.2.1, pp. 60-62]
Arabs claimed to be marginalised under the SDF-rule. In Arab-majority areas, protests against SDF rule on issues such as poor services and high prices as well as the SDF’s policy of forcibly conscripting, has become a common feature of life since 2017. While one source noted that ‘protests generally occurred throughout the north-east without interference from local authorities’, it was also reported that arbitrary arrests of protesters as well as violence against civilian protests took place on several occasions, leading on multiple instances to death. Hundreds of people were arrested in various Arab-majority areas controlled by the SDF for forced conscription. Owners of private schools as well as teachers were reportedly arbitrarily arrested over matters about the use of the GoS curriculum.
[…].
Conclusions and guidance
Do the acts qualify as persecution under Article 9 QD?
Acts reported to be committed against individuals under this profile are of such severe nature that they amount to persecution (e.g. enforced disappearance, torture, arbitrary arrest). When the acts in question are (solely) discriminatory measures, the individual assessment of whether discrimination could amount to persecution should take into account the severity and/or repetitiveness of the acts or whether they occur as an accumulation of various measures.
What is the level of risk of persecution (well-founded fear)?
The individual assessment of whether there is a reasonable degree of likelihood for the applicant to face persecution should take into account risk-impacting circumstances, such as: regional specifics (who is in control of the area of origin of the applicant, if the applicant was located in any of the IDP camps), the nature of activities and the degree of involvement in activities perceived by SDF/YPG as opposition, perceived affiliation with ISIL (see separate profile 4.3. Persons with perceived links to ISIL) or with Turkish-backed forces (see also 4.1.2. Members of anti-government armed groups), being known to the Kurdish authorities (e.g. previous arrest), etc.“
4.6. Persons fearing forced or child recruitment by Kurdish forces
This profile refers to the topic of recruitment under the ‘Duty of Self-Defence’ and the topic of child recruitment by Kurdish forces.
COI summary
a. ‘Duty of Self-Defence’ and forced recruitment
[Main COI reference: Targeting 2020, 3.3, pp. 42-43, 4.1, pp. 46-47, 4.2, pp. 47-48]
Compulsory recruitment continued in 2021 based on the conscription law passed by the Kurdish Administration in June 2019 about the ‘Duty of Self Defence’ [Targeting 2022, 5.3, p. 64]. Geographically, the law applies to the areas of northern and eastern Syria under the control of the Kurdish-led Autonomous Administration.
‘Conscription’ is mandatory for all male residents, including Syrian nationals and stateless Kurds, living in the territories under the Autonomous Administration. A May 2021 amendment expanded eligibility for conscription to those aged between 18 and 31 years [Targeting 2022, 5.3, p. 64]. Syrians from other parts of the country who have resided in the area longer than five years are obliged to join as well. Men serve in the YPG, while women can join the YPJ on a voluntary basis. It has also been reported that persons who transit between areas held by GoS and SDF risk conscription by both parties since the identity documentation and military deferments issued by one administration are not recognised by the other [Country Focus 2023, 1.2.5, p.29-30].
While under the Kurdish Administration law, members of ethnic and religious minorities are obliged to serve, the law was reportedly not enforced, and they rather joined on a voluntary basis.
The ‘Duty of Self-Defence’ has to be completed by the age of 40 years and it usually lasts six months. In the case of conscientious objection to join the Kurdish forces or arrest because of refusal to join, the ‘Duty of Self-Defence’ would be 15 months as a punitive measure. Late enlisters are obliged to serve for an additional month.
Deferrals can be granted by the Self-Defence Duty Department for: students, recent returnees to Syria, and persons with siblings younger than 18 years and a passed away or handicapped father. Exceptions to the ‘Duty of Self-Defence’ include medical reasons, disabilities, family members of martyrs holding a proving certificate thereof, or only sons. There is conflicting information as to whether the payment of a fee can exempt an individual from the ‘Duty of Self-Defence’. However, according to Article 10 (2019) the payment of guaranty (kafāla) does not exempt from the mandatory service. Lists of people wanted for service in the YPG were issued in 2015.
SDF and YPG have used forced recruitment in addition to the ‘conscription’ system, in order to supplement their numbers. There were documented cases of arbitrary arrest for recruitment despite applicable postponements for education or medical reasons. The individuals recruited received basic training and were subsequently sent to the frontlines. Following the May 2021 amendment, large-scale campaigns by the SDF in various Arab-majority communities to arrest and forcibly recruit men and women aged between 18 and 31 years were reported. SDF units reportedly pursued young men in their homes and arrested anyone who refused to comply with these decisions [Targeting 2022, 5.3, p. 64].
There were also reports that the SDF was asking returning families to volunteer one man per family to join YPG, which deterred some families from returning to their homes. Some families chose to move from the areas under SDF in order to avoid reprisals, including arrest, for not accepting recruitment.
[…]
Conclusions and guidance
Do the acts qualify as persecution under Article 9 QD?
SDF/YPG are non-State armed forces, therefore, non-voluntary recruitment by SDF/YPG, even if imposed under the ‘Duty of Self-Defence’, is considered as forced recruitment. Forced recruitment and child recruitment are of such severe nature that they would amount to persecution.
What is the level of risk of persecution (well-founded fear)?
The individual assessment of whether there is a reasonable degree of likelihood for the applicant to face persecution should take into account risk-impacting circumstances, such as: gender, age, falling within an exception ground, ethno-religious background, being in an IDP situation, etc.“
1.3.5. Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen (z.B. Yekîneyên Parastina Gel, YPG); Zwangsrekrutierungen [a-12592-v2], vom 21. März 2025:
„[…]
Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung; Zwangsrekrutierungen
Mehrere Quellen berichten im Februar 2025, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, erklärt habe, dass er die Wehrdienstpflicht abgeschafft habe und stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setze (Enab Baladi, 12. Februar 2025; France 24, 10. Februar2025; siehe auch Markaz Al-Jazeera l-il-Dirasat, 30. Jänner 2025; FDD,28. Jänner 2025). Anfang Februar 2025 wurde berichtet, dass sich Scharaa zufolge tausende Freiwillige der neuen Armee anschließen würden (France 24, 10. Februar 2025; Enab Baladi, 12. Februar 2025). Dem Online-Begleittext eines Videobeitrags des schwedischen Fernsehprogramms Svtnyheter von Jänner 2025 zufolge hätte die Hayat Tahrir Al-Scham (HTS) aktiv mit intensiven Rekrutierungen für die Reihen der Polizei und des Militärs begonnen (Svt nyheter, 18. Jänner 2025). In einem undatierten arabischsprachigen Artikel bezieht sich das Swedish Center for Information (SCI) auf den genannten Videobeitrag. Laut dem SCI-Artikel würden Berichten zufolge Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere mittels intensiver Programme rekrutiert, die von traditionellen akademischen Standards und Trainingsstandards abweichen würden. Dies habe den Zweck, die Ausbildung der Militär- und Sicherheitskräfte zu beschleunigen, um den Bedarf des neuen Staates zu decken (SCI, ohne Datum).
In einem arabischsprachigen Artikel von Februar 2025 berichtet Enab Baladi, die Rekrutierungsabteilung in Aleppo habe verkündet, dass die Anmeldungen für eine Militärausbildung begonnen hätten. Die Bedingungen für den Eintritt in die Reihen des Verteidigungsministeriums der Übergangsregierung seien festgelegt worden. Interessierte könnten sich bis 15. Februar 2025 in der Rekrutierungsabteilung in Aleppo im Viertel Al-Furqan anmelden. Voraussetzung sei, dass Bewerber ledig, zwischen 18 und 22 Jahre alt seien, keine chronischen Erkrankungen hätten und nicht verletzt seien. Für eine Anmeldung seien zwei Fotos, eine Kopie des Personalausweises sowie, sofern vorhanden, eine Kopie des Nachweises über einen akademischen Abschluss vorzulegen (Enab Baladi,12. Februar 2025). Ähnliche Informationen finden sich in den nachfolgend beschriebenen zwei Facebook-Beiträgen. In einem arabischsprachigen Facebook-Beitrag vom 12. Februar 2025 auf der Facebook-Seite „Al Arabiya Syria“ wird berichtet, dass das Gouvernement Aleppo verkündet habe, dass die Anmeldungen für die Aufnahme in die Reihen der Armee eröffnet seien. Die Anmeldungen würden im Offiziersclub im Viertel Al-Furqan entgegengenommen. Bewerber hätten ledig sowie zwischen 18 und 22 Jahre alt und gesund zu sein (Al Arabiya Syria,12. Februar 2025). Auf der Facebook-Seite „Nachrichten des freien Syrien“ („Achbar Suriya al-Hurra“) findet sich ein Beitrag vom 6. Februar 2025, der eine Rekrutierungsanzeige der Rekrutierungsabteilung in Idlib veröffentlicht. Die Anmeldung zur Teilnahme am Militärkurs für jene, die unter dem Verteidigungsministerium dienen möchten, sei eröffnet. Interessierten sei es möglich, sich zwischen dem 9. Februar 2025 und dem 15. Februar 2025 in der Rekrutierungsabteilung in Idlib anzumelden. Bewerber hätten ledig und zwischen 18 und 22 Jahre alt zu sein. Sie dürften nicht chronisch krank oder verletzt sein. Vorzulegen seien ein Foto, eine Kopie des Personalausweises und eine Kopie des akademischen Nachweises, wenn vorhanden (Nachrichten des freienSyrien, 6. Februar 2025).
Syria TV, ein syrischer Fernsehsender mit Sitz in Instanbul, der im Besitz eines katarischen Mediennetzwerks ist und sich in Opposition zur Assad-Regierung positioniert hatte, berichtet in einem arabischsprachigen Artikel vom Februar 2025, dass sich der Rekrutierungsprozess für die neuen syrischen Militär- und Sicherheitsinstitutionen, wie die Polizei sowie Kriminal- und Geheimdienste, von Gouvernement zu Gouvernement unterscheide. Am 10. Jänner 2025 habe das Innenministerium der Übergangsregierung verkündet, dass Anmeldungen zum Eintritt in die Polizeiakademie begonnen hätten. Die Kurse, die einen Eintritt in die Reihen der Polizei und Dienste der öffentlichen Sicherheit ermöglichen sollen, hätten in fast allen Gouvernements, insbesondere in Damaskus, Rif Dimaschq, Homs, Tartus, Idlib, Sweida und Deir ez-Zor begonnen. Dem Artikel zufolge sei Idlib in dieser Hinsicht am aktivsten, gefolgt von Deir ez-Zor und Teilen von Rif Dimaschq, während der Rekrutierungsprozess in den Küstenregionen sowie in Homs eher verhalten verlaufe. Bewerber hätten zwischen 20 und 30 Jahre alt zu sein, einen Sekundarschulabschluss oder einen entsprechenden Abschluss vorzuweisen, die vorgeschriebenen Kurse absolviert zu haben, unbescholten sowie gesund und von guter Statur zu sein. Sie hätten zudem körperlich fit zu sein und müssten mindestens 168 cm groß sein.
[…]
In einem Artikel von Ende Februar 2025 berichtet Syria TV von Gerüchten, denen zufolge die Übergangsregierung in den Gouvernements Tartus und Latakia Männer zum Militärdienst rekrutiert und zwangsverpflichtet hätte. Auf Facebook-Seiten, die der Quelle zufolge von Medienfachleuten betrieben würden, die der Assad-Regierung naheständen, sei berichtet worden, dass Sicherheitskräfte in den Städten Dschableh, Baniyas und Qardaha Checkpoints aufgestellt und Personen mit Statusregelungsausweisen („Bidaqat Taswiya“) festgenommen hätten. Offizielle Quellen des Gouvernements Tartus hätten den Verantwortlichen der Rekrutierungsabteilung der Stadt Baniyas zitiert, der diese Gerüchte vehement abgestritten habe. Er habe darauf hingewiesen, dass der Militärdienst nunmehr auf Freiwilligkeit aufbaue und dazu aufgerufen, offizielle Quellen für Informationen zu konsultieren (Syria TV, 26. Februar2025).“
1.3.6. Auszug aus dem EUAA-Bericht „Syria: Country focus, Country of Origin Information Report, July 2025:
„2.3. Individuals opposing or perceived to be opposing non-state armed actors
(a) Individuals opposing or perceived to be opposing SDF
Between March 2025 and May 2025, SNHR reported that the SDF carried out mass raids and arrests against civilians under the pretext of combating ISIL cells. As noted by SNHR, civilians were arrested for criticising ‘SDF practices’ in areas it controls and, in March and April 2025, also for expressing support for the new government. In March 2025, particularly in Hasaka and Raqqa governorates, civilians were reportedly arrested and/or detained for replacing SDF banners and flags with the Syrian uprising flag during public celebrations following the 10 March agreement to integrate the SDF into Syrian state institutions. Similarly, citing a joint statement by activists in northeastern Syria, Syria Direct reported that, in March 2025, the SDF arrested supporters of the interim government and participants in commemorations of the 2011 revolution. As noted by SNHR, the same month, SDF arrested and/or detained civilians and SNA personnel who had returned to their homes in SDF-held areas after prior displacement. Additionally, on 16 March 2025, SDF forces reportedly vandalised a house allegedly belonging to a former opposition fighter during a security operation in Sayid Hammoud village in the countryside of Hasaka.
In May 2025, the SDF arbitrarily detained civilians ‘in dozens of villages’ in Deir Ez-Zor and Raqqa governorates and in several neighbourhoods of Raqqa city. While SNHR noted that these detentions were linked to expressions of criticism about the SDF, the media outlet New Arab reported that SDF arrests in Raqqa governorate, in which at least 20 people from the neighbourhoods of Al-Mashlab, Al-Sabahia, Al-Khatuniya, Ya’rub, and Al-Mansoura’ were detained, were directed at ‘suspected Assad regime supporters, figures opposed to the SDF and defectors’. Additionally, in May 2025, the SDF reportedly detained relatives of defectors from its forces to pressure them into surrendering. During some of the SDF-conducted raids, its members reportedly physically assaulted women and confiscated personal items from families of the detained persons, including money, gold jewellery, and mobile phones.
Reporting on statistics of arbitrary arrests and/or detentions of civilians by the SDF, SNHR documented 93 cases of arbitrary arrests and/or detentions, including of seven children in March 2025 and 53 arrests and/or detentions, including of nine children and one woman in April 2025. In May 2025, SNHR recorded 64 arrests by the SDF, including of four children and two women. In total, 29 persons were released during these three months, after being detained for a period between a few days and a month. Most of the released persons were originally from the governorates of Deir Ez-Zor, Raqqa and Aleppo governorates.
Sources reported instances of violence against media professionals by the SDF, including but not necessarily limited to the following cases. On 5 January 2025, as reported by local media, an SDF drone targeted a reporter covering the fighting between the SDF and Turkish-backed SNA around Menbij in rural Aleppo, resulting in the journalist being injured. At the end of the same month, SDF forces detained for unspecified reasons a media activist in Shafa in rural Deir Ez-Zor, following a raid on his house. On 22 April 2025, an Al-Arabia news channel reporter was detained in Qamishli in rural Hasaka over a Facebook post about corruption cases and the arrest of SDF security officials on drug trafficking charges in Raqqa.“
1.3.7. Auszug aus dem UNHCR Regional Flash Update # 38, Syria situation crisis, 1 August 2025:
„[…]
As of 31 July 2025, UNHCR estimates that 746,360 Syrians have crossed back to Syria via neighboring countries since 8 December 2024, bringing the total of 1,107,200 Syrian individuals who have returned since the beginning of 2024.
[…].“
2. Beweiswürdigung:
Beweis erhoben wurde durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt. Darüber hinaus wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister und Strafregister.
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
2.1.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus der im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA im Original vorgelegten syrischen ID-Karte des Beschwerdeführers. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppenzugehörigkeit, zum Religionsbekenntnis und zur Muttersprache des Beschwerdeführers ergeben sich aus den unbedenklichen Ausführungen während des Verfahrens (vgl. AS 1f; AS 66; Beschwerde, S. 2; Verhandlungsprotokoll, Seiten 3 und 6).
2.1.2. Die Feststellungen zu seinem Geburtsort, seinem Aufwachsen, seinem Schulbesuch, seiner Berufsausbildung sowie den Feststellungen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Automechaniker gründen auf den unbedenklichen Angaben des Beschwerdeführers (vgl. AS 1f; AS 59, 61, 64, 66; Beschwerde, Seite 2; Verhandlungsprotokoll, Seite 6).
2.1.3. Die Feststellungen zu seiner jedenfalls in Syrien lebenden Familie gründen ebenfalls auf den unbedenlichen Angaben des Beschwerdeführers (vgl. AS 3; AS 62, 67f; Beschwerde, Seite 2; Verhandlungsprotokoll, Seiten 6ff).
Dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise mit seinen Eltern, seiner Familie und seinen Geschwistern im Haus seines Vaters in XXXX lebte, gab der Beschwerdeführer selbst an (AS 61). Es gibt keinen Anlass, an dieser Angabe zu zweifeln.
2.1.4. Die Feststellungen zu Punkt 1.1.4. stützens ich auf die Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA (vgl. AS 71).
2.1.5. Die Feststellung zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Syrien ergeben sich aus den im Wesentlichen gleichlautenden Angaben des Beschwerdeführers. Zwar gab der Beschwerdeführer betreffend den Zeitpunkt seiner Ausreise in der Erstbefragung Juni 2022 und im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung 11.05.2022 an, doch ist die Abweichung von wenigen Wochen nicht wesentlich und für die gegenständliche Entscheidung nicht von Bedeutung. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer am 11.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und ihm in Österreich der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt, ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Erstbefragungsprotokoll vom 11.08.2022 sowie dem angefochtenen Bescheid vom 02.08.2023.
2.1.6. Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers sind ebenfalls aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung abzuleiten (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 5), sowie aus dem Umstand, dass keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, aus welchem Gegenteiliges hervorgehen würde. Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers geht aus dem amtswegig eingeholten Strafregisterauszug hervor.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
2.2.1. Die Feststellung zu der von den Kurden ausgeübten aktuellen Kontrolle über das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, ergibt sich aus einer vorgenommenen Nachschau unter https://syria.liveuamap.com/, abgefragt am 26.08.2025, in der mündlichen Verhandlung (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 7). Diese ist nach wie vor aktuell (https://syria.liveuamap.com/, aufgerufen am 23.09.2025).
2.2.2. Dass für den Beschwerdeführer die Möglichkeit bestünde, drei Jahre bei der Verkehrspolizei zu dienen und sich damit von der Selbstverteidigungspflicht zu befreien, ergibt sich aus den Länderberichten (vgl. Punkt 1.3.1.). Befragt dazu, gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung Folgendes an: „BF: Aber, wenn es ihnen eng wird und sie unter Zeitdruck sind oder sie dringend junge Männer brauchen, nehmen sie alle. Ob man Verkehrspolizist ist oder bei einer anderen Behörde arbeitet, oder auch Zivilisten, die mit der Sache überhaupt nichts zu tun haben, werden auch festgenommen und zu ihren Kampfhandlungen mitgenommen. Sie machen keinen Unterschied und kennen keine Gnade.“, vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 14). Diese Behauptungen des Beschwerdeführers stehen mit den Länderberichten nicht im Einklang.
2.2.3. Abschließend ist festzuhalten, dass der Beschwerdefüherer im Verfahren nicht dargetan hat, im Herkunftsstaat aufgrund seiner Religionszugehörigkeit einer gezielt gegen seine Person gerichteten Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein. Auch sonst sind keine konkreten Anhaltspunkte hervorgekommen, die darauf hindeuten würden, dass der Beschwerdeführer aus Gründen der Rasse, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter konkret bedroht gewesen wäre. Der pauschale Hinweis des Beschwerdeführers auf einen ethnischen Krieg zwischen den unterschiedlichen Stämmen in Syrien (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 9) vermag eine konkrete Gefahr der Person des Beschwerdeführers nicht begründen, zumal auch der Beschwerdeführer diesen ethnischen Konflkt nicht auf sich als Araber bezog, sondern auf Drusen, Christen, Alewiten und die YPG (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 9).
2.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsland:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da dieser aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht ebenfalls kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Syrien zugrunde gelegt werden konnten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpukt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1. Gemäß § 3 AsylG 2005 ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
3.2. Gegenständlich kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung droht:
3.2.1. Zur vorgebrachten drohenden Gefahr einer Verfolgung durch das ehemalige syrische Regime und der syrischen Übergangsregierung:
In Bezug auf die vom Beschwerdeführer geäußerte Furcht vor einer Verfolgung durch das ehemalige syrische Regime wegen Verweigerung des Militärdienstes ist vor dem Hintergrund, dass es das syrische Regime unter Bashar Al-Assad nicht mehr gibt und die aktuelle Übergangsregierung den verpflichtenden Wehrdienst abgeschafft hat, auszuführen, dass eine solche Gefahr nicht mehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Diese Einschätzung teilt auch die Eurpäische Asylagentur in ihrem Bericht vom Juni 2025 (siehe Punkt 1.3.3.). Daher greifen auch seine Befürchtungen im Zusammenhang mit einer Reflexverfolgung aufgrund seines Cousins, der ebenfalls den Wehrdienst verweigerte, oder seine Befürchtung wegen seiner illegalen Ausreise oder Asylantragstellung in Österreich (vgl. Beschwerde, Seiten 2ff) nicht (vgl. hierzu nochmals die Einschätzung der Europäischen Asylagentur vom Juni 2025, Punkt 1.3.3.). Individulle Umstände, die Gegenteiliges belegen, brachte der Beschwerdeführer nicht vor.
Hinzu kommt, dass die neue syrische Übergangsregierung einen verpflichtenden Wehrdienst nicht vorsieht, stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setzt (vgl. Punkt 1.3.1., 1.3.3. und 1.3.5.). Daher besteht für den Beschwerdeführer nicht die Gefahr von der aktuellen Regierung rekrutiert zu werden, sodass seine Befürchtung, er müsse für die aktuelle Regierung an Kampfhandlungen teilnehmen, nicht haltbar ist (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 9: „Ich kann zurzeit nicht nach Syrien zurückkehren. In Syrien herrscht zurzeit ein ethnischer Krieg zwischen unterschiedlichen Ethnien. Es herrscht ein Krieg der Drusen, Alewiten oder PKK gegen unterschiedliche Stämme in Syrien. Die aktuelle Regierung in Syrien braucht neue Soldaten wegen des Krieges gegen Drusen, Christen, Alewiten und YPG. Deswegen kann ich auch nicht nach Syrien zurückkehren.“; „Ich möchte ergänzen, dass ich nicht nach Syrien zurückkehren möchte und kann, weil ich ein Syrer bin und ich gehöre zum syrischen Volk. Wir sind alle Söhne des Landes ich möchte nicht gegen mein eigenes Volk an Kampfhandlungen teilnehmen, sei es gegen Drusen oder Alewiten oder die anderen Gruppen in Syrien. Ich möchte kein Teil davon sein.“).
3.2.2. Zur vorgebrachten drohenden Gefahr, für die kurdische Selbstverteidigungspflicht rekrutiert zu werden:
3.2.2.1. Im Hinblick auf die Weigerung des Militärdienstes führte der Verwaltungsgerichtshof jüngst in seiner Entscheidung vom 14.03.2025, Ra 2024/18/0507, Rn. 12 bis 14 und 18, Folgendes aus:
„Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung unter Bezugnahme auf Judikatur des EuGH ausgeführt, dass die Verweigerung des Militärdienstes in vielen Fällen Ausdruck politischer Überzeugungen (sei es, dass sie in der Ablehnung jeglicher Anwendung militärischer Gewalt oder in der Opposition zur Politik oder den Methoden der Behörden des Herkunftslandes bestehen) oder religiöser Überzeugungen sein bzw. ihren Grund in der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe haben kann. In diesen Konstellationen können die Verfolgungshandlungen aufgrund der Verweigerung des Wehrdienstes den einschlägigen Verfolgungsgründen zugeordnet werden.
Die Verweigerung des Militärdienstes kann allerdings auch aus Gründen erfolgen, die in den Verfolgungsgründen von Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. Art. 10 Statusrichtlinie keine Deckung finden. In diesem Sinne hat auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass die (bloße) Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrelevante Verfolgung darstellt, sondern nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen kann.
Neben Fällen, in denen die Wehrdienstverweigerung des oder der Betroffenen auf einem Verfolgungsgrund, wie etwa politischer Gesinnung oder religiöser Überzeugung, beruht, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einer Wehrdienstverweigerung bei entsprechenden Verfolgungshandlungen auch dann Asylrelevanz zukommen, wenn dem Betroffenen wegen seines Verhaltens vom Verfolger eine oppositionelle (politische oder religiöse) Gesinnung unterstellt wird.
[…]
Das BVwG berücksichtigte unter Bezugnahme auf die im angefochtenen Erkenntnis zitierten Länderberichte zudem, dass Wehrdienstverweigerung vom Regime als Nähe zur Opposition und als schweres Verbrechen gesehen werde, woraus zu schließen sei, dass dem Mitbeteiligten, der den Wehrdienst verweigern wolle, eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden würde. Diese (isolierte) Sichtweise lässt sich - ohne das Hinzutreten weiterer Aspekte - jedoch mit den im angefochtenen Erkenntnis selbst verwerteten (weiteren) Länderberichten - worauf die Amtsrevision zutreffend hinweist - nicht in Einklang bringen, weil sich aus diesen Länderfeststellungen ein differenziertes Bild der Haltung des Regimes gegenüber Wehrdienstverweigerern ergibt und allein daraus nicht mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann, dass dem Revisionswerber eine oppositionelle Haltung unterstellt werden würde.“
In seiner Entscheidung vom 19.05.2025, Ra 2024/01/0346, führte der Verwaltunsgerichtshof ferner aus, dass sich das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis nicht ansatzweise mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob bzw. in welcher Weise sich die angenommene „oppositionelle Gesinnung“ des Mitbeteiligten in einer für die syrische Regierung [Anm: damals „Assad“-Regierung] wahrnehmbaren Weise manifestiert und sich daraus eine konkrete Verfolgungsgefahr für den Mitbeteiligten ergeben hätte. Dies wäre aber gerade auf der Grundlage der vom Verwaltungsgericht - unter Bezugnahme auf die „Country Guidance Syria“ der EUAA aus April 2024 - getroffenen Feststellungen, wonach für„Personen, die von der Regierung als regierungsfeindlich angesehen werden, wie politische Aktivisten, Mitglieder von Oppositionsparteien, Personen, die an Protesten teilgenommen haben und Personen, die Kritik am Regime geäußert haben, die begründete Furcht vor Verfolgung im Allgemeinen begründet wäre“, erforderlich gewesen. Das Verwaltungsgericht habe insofern (abermals) nicht nachvollziehbar begründet, dass dem Mitbeteiligten eine Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohte und deswegen eine wohlbegründete Furcht des Mitbeteiligten vor Verfolgung zu bejahen wäre.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs steht die Verfolgungsgefahr mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Dem Vorbringen des Asylwerbers kommt dabei zentrale Bedeutung zu. Es muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen (vgl. VwGH 09.11.2022, Ra 2022/01/0152, Rn. 7 mwN).
3.2.2.2. Im Hinblick auf eine Zwangsrekrutierung durch die Kurden sprach der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 29.02.2024, Ra 2024/18/0043, in der der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger arabischer Voksgruppenzugehörigkeit zur Begründung seines Antrages auf internationalen Schutz u. a. vorbrachte, Syrien aus Angst vor Zwangsrekrutierung durch die Kurden verlassen zu haben, Folgendes aus:
„13 Zum weiteren Fluchtvorbringen des Revisionswerbers (asylrelevante Verfolgung durch die kurdischen Truppen wegen seiner Weigerung, für sie zu kämpfen) stützte sich das BVwG tragend darauf, dass dem Revisionswerber im Falle der Weigerung, für die kurdischen Truppen zu kämpfen, keine oppositionelle Gesinnung unterstellt würde und daher keine Verknüpfung mit einem Konventions- bzw. Verfolgungsgrund vorliege. Insbesondere lasse sich den Länderberichten nicht entnehmen, dass der Volksgruppe der Araber angehörende Personen, die den Militärdienst verweigern, anders behandelt würden.
14 Dem hält die Revision entgegen, dass der UNHCR in seinen ‚Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen‘ vom März 2021 von schwerwiegenden Menschenrechtsverstößen durch die SDF gegen Personen aufgrund ihres arabisch-ethnischen Hintergrunds und (unterstellter) Verbindungen zu oppositionellen Gruppen berichte. Die EUAA halte im Bericht ‚Syria: Targeting of Individuals‘ vom September 2022 fest, dass es sich in vielen gemeldeten Fällen von Repression, Inhaftierung und gewaltsamen Verschwindenlassens von Kritikern der kurdisch geführten Autonomieverwaltung oder der SDF um ethnische Araber gehandelt habe.
15 Mit diesem Vorbringen legt die Revision deshalb keinen relevanten Ermittlungs- und Begründungsmangel dar, weil den angesprochenen Berichten des UNHCR und der EUAA, wie die Revision selbst zugesteht, zwar die Notwendigkeit einer Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalls, nicht aber ein allgemeines Verfolgungsrisiko für ethnische Araber, die den Wehrdienst in den SDF ablehnen, zu entnehmen ist. Dass dem Revisionswerber, der zwar ethnischer Araber ist, Syrien aber bereits in minderjährigem Alter verlassen hat, wegen der Wehrdienstverweigerung in Kombination mit seiner Volksgruppenzugehörigkeit eine Verbindung zu oppositionellen Gruppen unterstellt würde, die in Gegnerschaft zu den kurdischen Machthabern stehen, vermag die Revision nicht darzutun.“
3.2.2.3. Der Beschwerdeführer brachte keinen Verfolgungsgrund von Asylrelevanz vor. Auch nach der Einschätzung der Europäischen Asylagentur vom Juni 2025 impliziert das Risiko einer Zwangsrekrutierung als solches im Allgemeinen keinen Zusammenhang mit einem Verfolgungsgrund (vgl. Punkt 1.3.3). Nach Berichtslage kann der praktische Dienst entweder in einem Büro verrichtet werden oder er besteht in der Bewachung oder dem Schutz öffentlicher Gebäude. Ein Einsatz in Kampfsituationen findet im Allgemeinen nicht statt. Darüber hinaus hat ein säumiger bzw. vom Dienst ferngebliebener Soldat lediglich eine Verlängerung seines Dienstes um einen Monat zu befürchten (vgl. Punkt 1.3.1. und 1.3.2.), jedoch keine Konsequenzen von Asylrelevanz. Da die Weigerung der Selbstverteidigungspflicht auch nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung gesehen wird (vgl. Punkt 1.3.2.), kann eine etwaige Weigerung durch den Beschwerdeführer, die Selbstverteidigungspflicht abzuleisten, auch nicht eine unterstellte politische Gesinnung begründen. Bekräftigt wird dies durch den Umstand, dass es die Möglichkeit gibt, statt der Ableistung der Selbstverteidungspflicht sich für den dreijährigen Verkehrsdienst zu melden.
Andere Risikobeeinflussende, konkret die Person des Beschwerdeführers betreffende Umstände, die darauf schließen würden, dass dem Beschwerdeführer von der SDF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine oppostitionelle Gesinnung unterstellt werden würde, hat der Beschwerdeführer über das ganze Verfahren hinweg nicht vorgebracht. Die Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht für die Gewährung von Asyl (vgl. VwGH 06.03.2025, Ra 2024/18/0214, Rn. 13 mwN). Er war nicht politisch aktiv und es sind auch keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass er der ISIL angehört oder die Türkei untersützt hätte; er ist den kurdischen Machthabern auch nicht aufgrund einer früheren Verhaftung bekannt (vgl. Punkt 1.3.3.). Seine Eltern, seine Schwestern sowie seine Frau und seine beiden Töchter leben weiterhin dort, wo der Beschwerdeführer selbst sein ganzes Leben vor der Ausreise verbrachte. Über das ganze Verfahren hinweg ergab sich auch nicht, dass sich der Beschwerdeführer als exponierter Befürworter der aktuellen Regierung darstellt und sich als solcher ausgeben würde (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 13: „BFV: Was denken Sie über die neuen Machthaber in Damaskus? BF: Die neue Regierung hat auch in der Vergangenheit Krieg gegen unterschiedliche Ethnien und Stämme geführt. Jetzt führt die jetzige Regierung erneut Krieg gegen das eigene Volk, seien es Drusen, Alewiten oder Christen. Diese neue Regierung repräsentiert mich nicht, weil ich nicht damit einverstanden bin, dass das Volk gegeneinander aufgrund ihrer Abstammung kämpft.“).
Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zu dem Schluss, dass der Beschwerdefüher individuellen Umstände, die dazu führen würden, dass die kurdischen Machthaber den Beschwerdeführer asylrelevant verfolgen würde, im gegenständlichen Verfahren nicht hat glaubhaft machen können. Daher besteht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht die Gefahr, dass dem Beschwerdeführer seitens der kurdischen Machthabern eine oppositionelle Gesinnung unterstellt und deswegen eine unverhältnismäßige Bestrafung drohen würde.
3.2.4. Auch sonst haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen.
Aus dem Judikat des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.08.2022, Ra 2022/19/0018 ergibt sich:
„Den UNHCR-Richtlinien ist besondere Beachtung zu schenken (‚Indizwirkung‘). Die Verpflichtung zur Beachtung der von UNHCR und EASO [nunmehr: EUAA - European Union Agency for Asylum] herausgegebenen Richtlinien ergibt sich aus dem einschlägigen Unionsrecht. Die Asylbehörden sind jedoch nicht an entsprechende Empfehlungen von UNHCR und EUAA gebunden.“
Selbst wenn der Beschwerdeführer ein oder mehrere Risikoprofile der UNHCR-Richtlinien erfüllen würde, führt dies nicht per se zu einer asylrelevanten Verfolgung oder Bedrohung. Vielmehr erfordern die gegenständlichen UNHCR-Richtlinien eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass keine konkrete auf den Beschwerdeführer bezogene maßgeblich wahrscheinliche Verfolgung in Syrien festgestellt werden konnte.
Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.
Im Hinblick auf das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht war ein weiteres Aktenstudium erforderlich, weshalb eine mündliche Verkündung unterblieb.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei seiner Entscheidung auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes berufen.
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