JudikaturBVwG

W275 2177256-3 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
12. September 2025

Spruch

W275 2177256-3/19E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Demokratische Republik Kongo, vertreten durch ihren einstweiligen Erwachsenenvertreter XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.08.2024, Zahl XXXX

A)

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist eine volljährige Staatsangehörige der Demokratischen Republik Kongo. Ihre Erstsprache ist Lingala, sie beherrscht diese ebenso wie Französisch in Wort und Schrift.

Vorhergehendes Verfahren:

Die Beschwerdeführerin stellte am 06.08.2017 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Mit Bescheid vom 18.10.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den (ersten) Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Demokratische Republik Kongo zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 25.01.2021, I405 2177256-1/22E, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die Behandlung der Beschwerde gegen das Erkenntnis lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 08.06.2021, E 1921/2021-5, ab.

Am XXXX .2021 wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ein Festnahmeauftrag erlassen und mit Mandatsbescheid über die Beschwerdeführerin die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Am XXXX .2021 wurde eine begleitete Abschiebung auf dem Luftweg in die Demokratische Republik Kongo versucht, die abgebrochen werden musste; in weiterer Folge wurde die Beschwerdeführerin wegen Haftunfähigkeit entlassen.

Die Beschwerdeführerin stellte am 27.07.2021 einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht, welcher mit Beschluss vom 04.03.2022, I405 2177256-1/2E, abgewiesen wurde.

Gegenständliches Verfahren:

Die Beschwerdeführerin stellte am 15.06.2022 neuerlich einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und wurde am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 29.04.2024 fand die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt.

Mit Bescheid vom 05.08.2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den (zweiten) Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Demokratische Republik Kongo zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Aufgrund der im Akt einliegenden medizinischen Unterlagen wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.04.2025, W275 2177256-3/7Z, eine Fachärztin für Psychiatrie zur Sachverständigen in der gegenständlichen Beschwerdesache bestellt und mit der Erstattung eines Gutachtens über den (psychischen) Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin beauftragt.

Das psychiatrische Sachverständigengutachten vom XXXX 2025 langte am 26.06.2025 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Schreiben vom XXXX 2025 regte das Bundesverwaltungsgericht beim zuständigen Bezirksgericht – wie im eingeholten Sachverständigengutachten betont – die Prüfung der Bestellung einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung für die Beschwerdeführerin an. Mit Schreiben vom XXXX .2025 kam die Sachverständige der Beantwortung einer an sie gerichteten Ergänzungsfrage nach.

Mit Beschluss des zuständigen Bezirksgerichts vom XXXX .2025 wurde gemäß § 120 AußStrG für die Beschwerdeführerin eine einstweilige Erwachsenenvertretung zur Besorgung der Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern bestellt. Begründet wurde dies damit, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage zu sein scheint, ihre Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen.

Die Beschwerdeführerin leidet an einer rezidivierenden depressiven Störung mit somatischen Symptomen, die als Restsymptome der ursprünglich bestandenen komplexen posttraumatischen Belastungsstörung zu interpretieren sind. Es bestehen bei ihr überdies einfache intellektuelle Fertigkeiten und Persönlichkeitsakzentuierungen im Bereich dependent, weshalb die Beschwerdeführerin ohne kontinuierliche sozialarbeiterische Begleitung bzw. Unterstützung durch eine Erwachsenenvertretung aktuell nicht in der Lage ist, alle ihre Angelegenheiten zur Bewältigung und Organisation des täglichen Lebens und notwendige Behördenwege ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu erledigen. Die Beschwerdeführerin nimmt derzeit Antidepressiva, Stimmungsstabilisatoren und Tranquilizer sowie bei Bedarf Schmerzmedikamente und besucht eine Psychotherapie.

Die Beschwerdeführerin war bereits im Zeitpunkt ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde bzw. zum Zeitpunkt der Übermittlung des Bescheides im gegenständlichen Verfahren nicht in der Lage, einzelne ihrer Angelegenheiten des täglichen Lebens ohne die Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu erledigen. Die Beschwerdeführerin konnte bereits zu den genannten Zeiten komplexere Fragestellungen sowie die Tragweite von Rechtshandlungen nicht begreifen und entsprechende Handlungen setzen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zu den Sprachkenntnissen der Beschwerdeführerin stützen sich auf ihre Angaben im gegenständlichen Verfahren sowie in den Vorverfahren.

Die Feststellungen zu den jeweiligen Anträgen sowie zum Gang der Verfahren ergeben sich aus dem Akteninhalt (auch jenem der vorhergehenden Verfahren).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin stützen sich auf das im Gerichtsakt einliegende schlüssige Sachverständigengutachten vom XXXX .2025 sowie den ebenfalls im Akt einliegenden Beschluss des zuständigen Bezirksgerichtes über die Bestellung einer einstweiligen Erwachsenenvertretung.

Dass die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde sowie zum Zeitpunkt der Übermittlung des Bescheides im gegenständlichen Verfahren nicht in der Lage war, die Tragweite von Rechtshandlungen zu begreifen und die notwendigen Schritte ohne die Gefahr eines Nachteiles für sich selbst zu besorgen, ergibt sich aus dem Sachverständigengutachten vom XXXX .2025 sowie aus der Beantwortung der Ergänzungsfrage. Diesen Ausführungen zufolge war die Beschwerdeführerin (jedenfalls bereits) im April 2024 sowie im August 2024 nicht in der Lage, bestimmte oder einzelne Angelegenheiten des täglichen Lebens ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu erledigen und konnte sie zu den genannten Zeiten komplexere Fragestellungen und deren Tragweite nicht überblicken. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass durch die Behandlungsmaßnahmen zwischenzeitig nach den Ausführungen der Sachverständigen eine Verbesserung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin eingetreten ist (Abklingen der Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung), war anzunehmen, dass der Zustand der psychischen Störung der Beschwerdeführerin mit Krankheitswert zu den genannten Zeiten intensiviert vorlag. Es war daher festzustellen, dass die Beschwerdeführerin zu den genannten Zeitpunkten nicht in der Lage war, sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten, die Tragweite ihrer Handlungen sowie komplexere Fragestellungen zu begreifen und die notwendigen Schritte ohne die Gefahr eines Nachteiles für sich selbst zu besorgen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

Die Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, durch eigene Handlungen oder durch die eines gewillkürten Vertreters prozessuale Rechte und Pflichten zu begründen und rechtswirksame Verfahrenshandlungen zu setzen. Sie richtet sich gemäß § 9 AVG nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, sofern die Verwaltungsvorschriften keine besonderen Regelungen enthalten. Damit wird die prozessuale Rechts- und Handlungsfähigkeit an die materiellrechtliche Rechts- und Handlungsfähigkeit geknüpft. Dafür ist entscheidend, ob die Partei im Zeitpunkt der betreffenden Verfahrensabschnitte in der Lage war, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens sowie der sich aus ihm ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten, was neben den von ihr gesetzten aktiven Verfahrenshandlungen auch Unterlassungen erfasst (siehe VwGH 20.12.2016, Ra 2015/01/0162).

Das Fehlen der Prozessfähigkeit ist als Vorfrage in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2015/01/0162). Mangelnde Prozessfähigkeit führt zur Unwirksamkeit verfahrensrechtlicher Akte der Behörde, zum Beispiel von Zustellungen. Eine prozessunfähige Person kann keine wirksamen Verfahrenshandlungen setzen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 130ff).

Hat das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich des Vorliegens der Prozessfähigkeit einer Partei Bedenken, so hat es die Frage – in der Regel durch Einholung eines Sachverständigengutachtens – von Amts wegen zu prüfen. Bei Bestätigung der Bedenken ist nach § 11 AVG vorzugehen, sohin die Bestellung eines Sachwalters (nunmehr: Erwachsenenvertreter) beim zuständigen Gericht zu veranlassen (vgl. VwGH 28.04.2016, Ra 2014/20/0139, siehe auch VwGH 20.02.2002, 2001/08/0192).

Die Zustellung eines Bescheides ist ein Verfahrensakt, der rechtswirksam nur gegen Prozessfähige gesetzt werden kann. Eine an eine prozessunfähige Person vorgenommene Zustellung löst keine Rechtswirkungen aus. Erst mit einer rechtmäßigen Zustellung gilt der zugestellte Akt als „erlassen“ (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 198; siehe etwa auch VwGH 30.08.2007, 2006/19/0480). Eine wirksame Vertretung eines Prozessunfähigen durch einen gewillkürten Vertreter ist nur möglich, wenn dieser gemäß § 10 Abs. 1 AVG vom gesetzlichen Vertreter – nicht hingegen vom Handlungsunfähigen selbst – bestellt wurde (vgl. VwGH 25.03.1999, 96/20/0487; 25.03.1999, 98/06/0141 [§ 11 Rz 4]; § 10 Rz 4).

Diese Grundsätze sind gemäß § 17 VwGVG iVm § 9 und § 11 AVG auch vom Bundesverwaltungsgericht anzuwenden, das die Frage der Prozessfähigkeit im Hinblick auf die Zulässigkeit der Beschwerde als Vorfrage (§ 38 AVG) selbständig zu beurteilen hat (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2015/01/0162).

Aus dem eingeholten Sachverständigengutachten samt beantworteter Ergänzungsfrage ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin (jedenfalls) bereits im Zeitpunkt der Einvernahme vor der belangten Behörde sowie der Übermittlung des Bescheides in gegenständlichem Verfahren nicht in der Lage war, die Tragweite ihrer Rechtshandlungen und Aussagen zu begreifen sowie die notwendigen Schritte ohne die Gefahr eines Nachteiles für sich selbst zu besorgen und sich den Anforderungen des Verfahrens entsprechend zu verhalten. Der Beschwerdeführerin mangelte es somit bereits während des Verfahrens vor der belangten Behörde an der Prozessfähigkeit.

Auch aus dem Beschluss des zuständigen Bezirksgerichts vom XXXX .2025 geht hervor, dass die Beschwerdeführerin nach ihrer Anhörung sowie der Abklärung durch den Erwachsenenschutzverein nicht in der Lage zu sein scheint, all ihre Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Aufgrund der Dringlichkeit wurde überdies – bereits vor Abschluss des Verfahrens, in welchem die Notwendigkeit der Bestellung einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung geprüft wird – ein einstweiliger Erwachsenenvertreter für die Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern bestellt.

Die an die Beschwerdeführerin im Wege ihres gewillkürten Vertreters erfolgte Übermittlung des Bescheides der belangten Behörde war daher aufgrund der bei ihr nicht vorliegenden Prozessfähigkeit rechtsunwirksam. Mangels wirksamer Zustellung ist der Bescheid rechtlich nicht existent geworden. Die erhobene Beschwerde richtet sich somit mangels wirksamer Bescheiderlassung gegen einen Nichtbescheid, was den Mangel der Zuständigkeit der Beschwerdeinstanz zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge hat (vgl. auch VwGH 20.04.2017, Ra 2017/20/0095). Diese Frage der eigenen Zuständigkeit hat das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. § 6 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG).

Die Beschwerde ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG (jeweils) nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.